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Prolaktin

Verfasst von: M. Bidlingmaier
Prolaktin
Synonym(e)
Laktotropes Hormon; PRL
Englischer Begriff
prolactin; luteotropic hormone; luteotropin; PRL
Definition
Von den laktotropen Zellen des Hypophysenvorderlappens sezerniertes Peptidhormon mit hauptsächlich laktationsfördernder Wirkung.
Struktur
Einkettiges Peptid aus 199 Aminosäureresten. Starke Homologie zu Wachstumshormon (hGH) und plazentarem Laktogen (hPL). Die Tertiärstruktur des Prolaktins wird durch 3 Disulfidbrücken stabilisiert.
Molmasse
22.892 Da (monomeres Prolaktin).
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Eine Besonderheit der hypophysären Synthese und Sekretion des Prolaktins besteht darin, dass diese – anders als bei den anderen hypophysären Hormonen – fast ausschließlich einer tonischen, negativen Regulation unterliegt. Als „prolactin-release-inhibiting factor“ (PIF) konnte hypothalamisch gebildetes Dopamin identifiziert werden, das über den Hypophysenstil zu den laktotropen Zellen gelangt. Unterbleibt diese Inhibition durch Dopamin, kommt es zum Anstieg der Prolaktinsekretion. Daneben existieren möglicherweise andere „prolactin-release-inhibiting“- oder auch „-releasing“-Faktoren, deren Existenz bzw. klinische Relevanz jedoch weniger klar ist. Östrogene haben einen permissiven Effekt auf die Prolaktinsekretion. Frauen haben daher etwas höhere Prolaktinkonzentrationen als Männer, zudem steigt Prolaktin während der Schwangerschaft stark an. In seltenen Fällen ist auch eine hypothalamische Mehrsekretion von „thyrotropin-releasing hormone“ (TRH), wie sie z. B. bei der primären Hypothyreose auftritt, Ursache einer persistierenden Hyperprolaktinämie. Die Prolaktinsekretion folgt einer schwachen zirkadianen Rhythmik mit nächtlichem Anstieg und maximalen Werten am frühen Morgen, zudem wird sie durch Manipulationen an der Brustdrüse (z. B. beim Stillen des Säuglings) sowie allgemein durch Stress stimuliert. In Zirkulation liegt Prolaktin in 3 makromolekularen Hauptformen vor: Neben monomerem Prolaktin, das ca. 70 % des Gesamtprolaktins ausmacht, gibt es Di- und Multimere wie das ca. 48.000 Da große „Big-Prolaktin“ sowie größere, teilweise IgG enthaltende Komplexe (Makroprolaktin, ca. 150.000 Da). Prolaktinrezeptoren gehören zur Familie der Zytokinrezeptoren und werden in vielen Geweben exprimiert, u. a. auch auf immunkompetenten Zellen. Prolaktin wird degradiert und renal eliminiert. Makroprolaktin (>150.000 Da) hat eine längere Halbwertszeit und akkumuliert daher in Zirkulation relativ zu den kleineren molekularen Formen.
Halbwertszeit
Ca. 50 Minuten.
Pathophysiologie
Physiologischerweise unterstützt Prolaktin bei der Frau die Mammogenese und stimuliert das Einsetzen und die Aufrechterhaltung der Milchsekretion nach der Entbindung. Außerdem inhibieren hohe Prolaktinkonzentrationen die pulsatile Sekretion von Gonadotropin-Releasing-Hormon und damit die LH-Sekretion (Luteinisierendes Hormon). Dies führt zur postpartalen Anovulation während der ersten Wochen der Stillzeit. Männer sezernieren nur unwesentlich weniger Prolaktin als nichtschwangere Frauen, die Bedeutung ist jedoch völlig unklar.
Pathophysiologisch bedeutsam ist allein die Hyperprolaktinämie, ein klinisches Korrelat zu erniedrigten Prolaktinkonzentrationen ist nicht beschrieben. Aufgrund der hauptsächlich inhibitorischen Regulation der hypophysären Prolaktinsekretion kommen neben der autonomen hypophysären Mehrsekretion (Prolaktinom) auch Störungen der Dopaminproduktion und -freisetzung auf hypothalamischer Ebene, eine Unterbrechung des Dopamintransports (Kompression oder Destruktion des Hypophysenstils) oder aber dopaminantagonistisch wirksame Medikamente als Ursache einer Hyperprolaktinämie infrage. Die klinische Symptomatik der Hyperprolaktinämie wird bei beiden Geschlechtern durch den hypothalamischen Hypogonadismus bestimmt. Dieser führt bei der Frau zu Anovulation, Zyklusstörungen, sekundärer Amenorrhoe, Libidoverlust und in ca. 50 % der Fälle zu Galaktorrhoe. Bei Männern stehen Potenzstörungen und Libidoverlust im Vordergrund, eine Galaktorrhoe mit oder ohne Gynäkomastie wird seltener beobachtet. Insgesamt tritt die Hyperprolaktinämie bei Frauen 6-mal häufiger auf als bei Männern. Während erhöhte Prolaktinkonzentrationen bei Frauen zu den häufigsten endokrinen Ursachen einer Amenorrhoe zählen, finden sie sich bei weniger als 1 % der Männer mit Hypogonadismus.
Untersuchungsmaterial
Probenstabilität
Bis 24 Stunden bei Raumtemperatur, eingefroren (−20 °C) mehrere Jahre.
Präanalytik
Vor der Blutentnahme sollten Stress sowie Manipulationen der Brust vermieden werden.
Die Liste der Medikamente, die zu einer Hyperprolaktinämie führen können, ist lang. Insbesondere dopaminantagonistische Psychopharmaka sind hier zu nennen.
Der klinische Verdacht auf ein Makroadenom sollte dem Labor mitgeteilt werden (High-Dose-Hook-Effekt, s. u. Analytik).
Analytik
Immunoassays. Die verschiedenen Assays unterscheiden sich hinsichtlich Kalibration und Spezifität – insbesondere hinsichtlich der Erkennung von Makroprolaktin – sehr stark. Dies führt zu teilweise drastisch unterschiedlichen Ergebnissen bei Verwendung von Assays verschiedener Hersteller. Eine Routinemethodik zur Entfernung des biologisch weitgehend inaktiven Makroprolaktins ist die Fällung mit Polyethylenglykol.
Ein weiteres analytisches Problem bei Prolaktinassays ist das mögliche Auftreten eines High-Dose-Hook-Effektes (s. High-Dose-Hook-Effekt), durch den bei exzessiv hohen Konzentrationen (wie sie bei Makroadenomen vorkommen) falsch niedrige Ergebnisse erhalten werden. Fragliche Proben sollten in Verdünnungsreihen untersucht werden.
Konventionelle Einheit
μg/L oder mIU/L.
Mit dem aktuellen Internationalen Standard IS 84/500 gilt 1 μg/L = 22,28 mIU/L.
Referenzbereich
Aufgrund der genannten analytischen Probleme bei Prolaktinassays sollten jeweils methodenspezifische Referenzbereiche verwendet werden.
Häufig werden als Obergrenze des Referenzbereichs für Frauen ca. 25 μg/L, für Männer 15–20 μg/L angegeben. Werte über 200 μg/L sind fast schon beweisend für ein Prolaktinom. Bei Konzentrationen zwischen 25 und 200 μg/L müssen eventuelle Probleme in der Präanalytik (Stress?), die Medikamentenanamnese sowie ggf. auch analytische Probleme (Makroprolaktin?) in Erwägung gezogen werden.
Indikation
  • Infertilität
  • Zyklusstörungen
  • Galaktorrhoe, Gynäkomastie
  • Libido- und Potenzverlust
  • Verdacht auf hypophysäre Raumforderungen
Interpretation
S. Pathophysiologie und Referenzbereich.
Diagnostische Wertigkeit
Prolaktinome sind die häufigsten hormonproduzierenden Hypophysentumoren beim Menschen, dopaminantagonistisch wirksame Medikamente werden ebenfalls sehr häufig verabreicht. Die basale Prolaktinbestimmung gehört daher eigentlich immer zur biochemischen Diagnostik bei der Abklärung eines Hypogonadismus. In aller Regel reicht eine basale Prolaktinbestimmung, dynamische Tests bringen keinen Zusatznutzen.
Literatur
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Samson SL, Hamrahian AH, Ezzat S (2015) AACE Neuroendocrine and Pituitary Scientific Committee; American College of Endocrinology (ACE). American Association of Clinical Endocrinologists, American College of Endocrinology disease state clinical review: Clinical relevance of macroprolactin in the absence or presence of true hyperprolactinemia. Endocr Pract 21(12):1427–1435CrossRefPubMed