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Quecksilber

Verfasst von: D. Meißner und T. Arndt
Quecksilber
Englischer Begriff
mercury
Definition
Quecksilber (chemisches Symbol: Hg) ist ein silbrig glänzendes flüssiges Schwermetall mit der Ordnungszahl 80. Es gehört zu den nicht essenziellen toxisch wirkenden Spurenelementen.
Struktur
Quecksilber kommt in den Oxidationsstufen 0, +1 und +2 vor. Im menschlichen Organismus kann man elementares sowie anorganisch und organisch gebundenes Quecksilber vorfinden. Organisches Quecksilber ist im Blut vorwiegend an Erythrozyten gebunden, während anorganisches Quecksilber sich gleichmäßig auf Erythrozyten und Plasma verteilt.
Molmasse
Relative Atommasse: 200,59.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Die Zufuhr erfolgt hauptsächlich über Fischverzehr (Methylquecksilber) und Zahnamalgam. Amalgamträger haben in der Atemluft nicht zu vernachlässigende Mengen Quecksilberdampf. Weitere Quecksilberquellen sind neben quecksilberhaltigen Nahrungsmitteln und Getränken technische Messgeräte, Lampen, Katalysatoren, Desinfektionsmittel.
Inhalierter Quecksilberdampf wird zu 80 % in der Lunge resorbiert und rasch zum Hg2+-Ion oxidiert. Nach oraler Aufnahme werden metallisches Quecksilber gar nicht, anorganisches Quecksilber zu 15 % und organisches Quecksilber zu 90 % im Intestinum resorbiert. Quecksilber passiert die Blut-Hirn- und die Plazentaschranke. Quecksilber reichert sich in den Nieren (50–70 %), z. T. in Leber und Gehirn an. Die Ausscheidung des organischen Quecksilbers erfolgt zu mehr als 90 % über den Stuhl, die des anorganischen Quecksilbers über Urin und Stuhl.
Halbwertszeit
Blut: 1. Phase 2–4 Tage, 2. Phase 15–30 Tage, organisches Hg 30–70 Tage. Niere: bis 64 Tage. Gehirn: 19–26 Tage. Andere Kompartimente: bis zu mehreren Jahren.
Funktion – Pathophysiologie
Quecksilber hat keine physiologischen Funktionen. Wegen seiner hohen Affinität zu Thiol- und Selenolgruppen bindet es an Metallothionein, Glutathion, Hämoglobin und verschiedene Enzyme. Es beeinträchtigt deren Funktionen und inhibiert die Proteinsynthese. Aus medizinischer Sicht spielen vor allem Belastungen und Vergiftungen, die durch unbewusste, versehentliche, nicht vermeidbare oder vorsätzliche Zufuhr quecksilberhaltiger Verbindungen zustande kommen, eine Rolle. Auch Zahnamalgam ist als Belastungsquelle anzusehen, wobei die Wirkung des aus Amalgam stammenden Quecksilbers häufig überschätzt und auch kontrovers diskutiert wird. Der Quecksilbergehalt in Blut, Urin und den Indikatororganen korreliert zwar mit der Zahl der Amalgamfüllungen, ist aber auch von deren Größe und Qualität abhängig. Nach offizieller Meinung gehen von Amalgam keine gesundheitlichen Gefahren aus. Trotzdem wird empfohlen, während Schwangerschaft und Stillzeit keine Amalgamfüllungen zu legen oder zu entfernen. Von einer Vergiftung sollte man erst sprechen, wenn neben klinischen Symptomen die Quecksilberkonzentration in Blut und Urin eindeutig erhöht ist. Akute Intoxikationen führen zu Schädigungen der Atemwege, des Gastroenterons und der Nieren. Chronische Intoxikationen, die meist durch Methylquecksilber ausgelöst werden, betreffen die Nieren (Proteinurie, tubuläre Schäden), das Zentralnervensystem (Parästhesie, Sprachstörungen, Tremor, Hypererregbarkeit, Reizbarkeit) sowie Entzündungen der Mundschleimhaut und des Zahnfleischs. Darüber hinaus können allergische Reaktionen auftreten.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen
Blut, Plasma, Urin (Haare).
Probenstabilität
20 °C 1 Tag, 4–8 °C 7 Tage, −20 °C 1 Jahr.
Präanalytik
Blut: EDTA (oder Heparin) als Antikoagulans. Entnahmestelle gut mit Wasser und Seife reinigen. Urin: möglichst 24-Stunden-Sammelurin, Sammlung nicht in Glas-, sondern in geprüften Polyethylengefäßen, bei längerer Lagerung Urin mit 60 %iger Essigsäure ansäuern. Jegliche Kontamination vermeiden.
Analytik
Atomabsorptionsspektrometrie mit Kaltdampftechnik oder direktes Verfahren. Wegen der extrem unterschiedlichen Giftwirkung der einzelnen Quecksilberspecies ist die Speziationsanalyse zu empfehlen.
Konventionelle Einheit
μg/L, μg/g Kreatinin.
Internationale Einheit
nmol/L.
Umrechnungsfaktor zw. konv. u. int. Einheit
nmol/L = 4,9853 × μg/L, μg/L = 0,20059 × nmol/L.
Referenzbereich (RV95) – Erwachsene
Vollblut: 2,0 μg/L (bis 3-mal Fisch/Monat), Urin: 1,0 μg/L (ohne Amalgamfüllungen) (Arndt 2012).
Referenzbereich (RV95) – Kinder
Vollblut: 0,8 μg/L (bis 3-mal Fisch/Monat), Urin: 0,4 μg/L (ohne Amalgamfüllungen) (Arndt 2012).
Indikation
Verdacht auf übermäßige Aufnahme oder akute oder chronische Quecksilbervergiftung.
Interpretation
Quecksilber in Vollblut und/oder Urin sind die anerkannten und zuverlässigen Methoden zur Diagnosestellung der Quecksilberintoxikation. Quecksilber im Blut gibt die kurzzeitige Exposition wieder. Quecksilber im Urin widerspiegelt das anorganische Quecksilber, der Bezug auf Kreatinin ist nicht besser als die Messung in μg/L. Bei Werten über 20 μg/L Blut oder 50 μg/L Urin können präklinische Symptome auftreten. Sie gelten als Grenzwerte. Die Haaranalyse erlaubt eine Aussage über organisches Quecksilber (Methylquecksilber aus Fisch). Gesicherte Referenzwerte für Haar gibt es nicht, sie liegen bei regelmäßigem Fischverzehr 200- bis mehrtausendfach über den Blutwerten. Der DMPS-(Test) und der Kaugummitest werden zur Beurteilung der Quecksilberbelastung nicht empfohlen. Allergien werden mittels des Epikutantests nachgewiesen.
BAT-Wert (Urin): Hg und anorganische Verbindungen: 25 μg/g Kreatinin; BAT-Werte für Blut und organische Verbindungen: nicht festgelegt (BAT-Werte-Liste 2017).
HBM-Werte: HBM-I: Blut 5 μg/L, Urin 7 μg/L (5 μg/g Kreatinin); HBM-II: Blut 15 μg/L, Urin 25 μg/L (20 μg/g Kreatinin). Die Werte gelten für Erwachsene und Kinder (Umweltbundesamt 2010).
PTWI-Wert: 5 μg/kg KG, davon nicht >3,3 μg/kg KG als Methylquecksilber.
Grenzkonzentration im Trinkwasser: 1 μg/L (Trinkwasser-VO 2016).
Diagnostische Wertigkeit
Beurteilung der Quecksilberbelastung, Diagnostik der Quecksilbervergiftung.
Literatur
Arndt T (2012) Problematik, Klinik und Beispiele der Spurenelementvergiftung – Quecksilber. Toxichem Krimtech 79:51–60
DFG (2017) Ständige Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe. Mitteilung 53 MAK- und BAT-Werte-Liste 2017. Wiley-VCH, Weinheim
Kommission „Human-Biomonitoring“ des Umweltbundesamtes (2009) Quecksilber. Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz 52:977–982, 1228–1234CrossRef
Trinkwasser-VO (2016) Trinkwasserverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 10.03.2016. https://​www.​gesetze-im-internet.​de/​bundesrecht/​trinkwv_​2001/​gesamt.​pdf. Zugegrieffen am 14.09.2017
Trümpler S, Buscher W (2007) Speziationsanalytik von Quecksilber. GIT Labor Fachz 51:641–643
Umweltbundesamt (2010) In: Wichmann HE, Schlipköter H-W, Fülgraff G (2010) Handbuch der Umweltmedizin, eco-med Verlagsges. Landsberg/Lech 44. Erg.-Lfg. 12/10 S XI–1.5