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Säuren im Urin, organische

Verfasst von: G. F. Hoffmann, C.-D. Langhans und A. Schulze
Säuren im Urin, organische
Englischer Begriff
organic acids in urine
Definition
Die Bezeichnung „organische Säure“ ist ein Sammelbegriff, der Mono- und Dicarbonsäuren wie auch Keto- und Hydroxysäuren einschließt. Außerdem werden einige stickstoffhaltige Verbindungen wie 5-Oxoprolin und Hippursäure dazu gezählt.
Beschreibung
Nahezu alle Intermediärstoffwechselwege spiegeln sich im Urin in niedermolekularen, polaren Schlüsselmetaboliten. Die Untersuchung der sauren Urinkomponenten liefert ein Profil der organischen Säuren, das qualitative bis semiquantitative Aussagen über die aktuelle Stoffwechselsituation zum Zeitpunkt der Probennahme zulässt.
Ebenfalls miterfasst werden exogene Bestandteile aus besonderen Ernährungsformen sowie Medikamentenmetabolite. Diese Komponenten können die Interpretation der endogenen Metabolite erschweren.
Die Untersuchung der organischen Säuren erfordert zunächst eine Extraktion der sauren Komponenten durch Flüssig-Flüssig-Extraktion mit Ethylacetat oder Diethylether. Auch Anionenaustausch- sowie Adsorptionschromatographie werden zur Aufreinigung eingesetzt.
Oxosäuren werden nach vorangegangener Umsetzung zu Oximen ebenfalls extrahiert.
Die Gaschromatographie-Massenspektrometrie-Kopplung (GC-MS) ist immer noch die Methode der Wahl zur weiteren Differenzierung der sauren Extrakte.
Die Feinauftrennung der organischen Säuren erfolgt als Trimethylsilyl- (TMS-) oder Methyl-Derivate gaschromatographisch über Kapillarsäulen. Die Identifikation erfolgt über die Retentionszeit (als Retentionsindex) und durch die Aufnahme von Massenspektren mittels Quadrupol- oder Ion-Trap-Massenspektrometern (Massenspektrometrie). In den spezifischen Angaben zu den unter Kenngrößen aufgeführten organischen Säuren ist der Retentionsindex der TMS-Derivate nach Pentafluorobenzyloximierung auf einer DB-5-Kapillarsäule (30 m × 0,25 mm) angegeben. Die Massenspektren können Software-seitig mit Datenbankeinträgen verglichen werden.
Einige organische Säuren sind immer im Urin nachweisbar. Dominant sind z. B. Succinat, Citrat und Hippurat. In sehr geringer Konzentration treten auch Methylmalonsäure, 3-Hydroxyisovaleriansäure und 2-Hydroxyglutarsäure auf. Der pathologische Zustand einer Organoacidopathie zeigt sich dabei im Chromatogramm durch die Erhöhung eines dieser Metabolite.
Andere Stoffwechselerkrankungen wiederum führen zum Auftreten von Metaboliten, die normalerweise nicht im Urin vorkommen, wie z. B. 3-Hydroxyglutarsäure bei der Glutaracidurie Typ I.
Die Tabelle gibt eine Übersicht über Stoffwechselerkrankungen und den organischen Säuren:
Organische Säure
Krankheit
3-Ketothiolase-Mangel
3-Ketothiolase-Mangel
Ahornsiruperkrankung (MSUD)
2-Hydroxyglutarazidurie, Glutarazidurie Typ II
Ahornsiruperkrankung (MSUD)
Ahornsiruperkrankung (MSUD)
3-Hydroxypropionsäure
Propionazidurie
2-Oxo-3-Methylvaleriansäure
Ahornsiruperkrankung (MSUD)
2-Oxoadipinazidurie
2-Oxoisocapronsäure
Ahornsiruperkrankung (MSUD)
2-Oxoisovaleriansäure
Ahornsiruperkrankung (MSUD)
3-Methylcrotonylglyzin
3-Methylcrotonyl-CoA-Carboxylase-, Biotinidase-, Holocarboxylase-Synthetase-Mangel
3-Methylglutaconazidurien Typ I–IV
3-Methylglutaconazidurie Typ -VI
3-HMG-CoA-Lyase-Mangel
Isovalerianazidämie, 3-Methylcrotonyl-CoA-Carboxylase-, Biotinidase-, Holocarboxylase-Synthetase-Mangel
Hawkinsinurie
5-Oxoprolinurie (Glutathion-Synthese)
Fettsäureoxidationsdefekte, Glutarazidurie Typ II
SCAD-Mangel, Glutarazidurie Typ II
Fumarazidurie, Mitochondriopathien
Glutarazidurien Typ I–III
Glyzeratazidurie
MCAD-Defekt
Isovalerylglyzin
Isovalerianazidämie, 3-Methylcrotonyl-CoA-Carboxylase-, Biotinidase-, Holocarboxylase-Synthetase-Mangel
Methylmalonazidurien, Propionazidämie
Methylmalonazidurien, Vitamin-B12-Mangel
Morbus Canavan
Phenylpropionylglyzin
Mittelkettiger-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel
Propionazidämie
Fettsäureoxidationsdefekte
Fettsäureoxidationsdefekte
Propionazidämie, 3-Ketothiolase-Mangel
Literatur
Blau N, Duran M, Gibson KM, Dionisi-Vici C (Hrsg) (2014) Physician’s guide to the diagnosis, treatment, and follow-up of inherited metabolic diseases. Springer, Berlin/Heidelberg