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Sepsiskenngrößen

Verfasst von: A. M. Gressner und O. A. Gressner
Sepsiskenngrößen
Synonym(e)
Kenngrößen der Sepsis, Biomarkers der Sepsis
Englischer Begriff
sepsis (bio)marker
Definition
Laborkenngrößen mit den relativ besten Kriterien für die Diagnostik, Phasendifferenzierung, Verlaufskontrolle und Prognosebeurteilung der Sepsis.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Laborkenngrößen Tab. 1 und 2.
Tab. 1
Laboratoriumsuntersuchungen bei Sepsis
Untersuchung
Hinweis
Mindestens zweimal innerhalb von 24 Stunden unter aeroben und anaeroben Bedingungen
Leukozyten >12 oder <4 G/L und >10 % Vorstufenleukozyten >12 oder <4 G/L und >10 % Vorstufen
Anstieg nach 6 Stunden, Maximum bei ca. 48 Stunden, Halbwertszeit ca. 48 Stunden, kein Hinweis auf Sepsisgrad, aktiviert klassischen Komplementweg
Frühmarker (3–4 Stunden), besonders bei CRP-negativer Neonatalsepsis (Sensitivität 60–97 %), Abfall innerhalb von 48 Stunden
Bei CRP-negativer Neonatalsepsis (Sensitivität 83–91 %), alternativ zu IL-6
Fakultativ, erhöht bei Immunparalyse
Hoher und plötzlicher Anstieg bei bakterieller Sepsis (Spezifität 80–100 %, Sensitivität 70–100 %), guter Verlaufsparameter (Halbwertszeit ca. 24 Stunden), Prognoseparameter
Lipopolysaccharid bindendes Protein (LBP)
Hoher Anstieg bei bakterieller Infektion (in Verbindung mit IL-6 bewerten)
HLA-DR auf CD 14(+) Monozyten
Nachweis der Immunparalyse (späte Sepsisphase) bei Abnahme
Ex-vivo-LPS-Vollblutstimulation und TNF-α-Bestimmung
Funktionsreserve der Monozyten, Nachweis der Immunparalyse (späte Sepsisphase)
Tab. 2
Frühdiagnostik der Sepsis mittels Interleukin-6 (IL-6) und Lipopolysaccharid-bindendes Protein (LBP)
IL-6
LBP
Interpretation
↑–↑↑↑
±
Systemische Entzündungsreaktion, ohne bakterielle Infektion (Endotoxinämie [SIRS], z. B. Hypoxie, Gewebeuntergang)
↑–↑↑↑
↑–↑↑↑
Systemische Entzündungsreaktion, mit bakterieller Infektion/Endotoxinämie (Sepsis)
±
↑–↑↑↑
Schwere lokale bakterielle Infektion (z. B. Pneumonie, Pyelonephritis)
Aktuelle Definitionen der Sepsis und des septischen Schocks (Singer et al. 2016): Sepsis ist eine lebensbedrohende Organdysfunktion, die als Folge einer fehlregulierten Antwort des Körpers auf eine Infektion auftritt. Ein septischer Schock ist definiert als eine besonders schwere Verlaufsform der Sepsis, bei der besonders gravierende Störungen der Zirkulation, des Stoffwechsels und der zellulären Integrität vorhanden sind, die zu einem höheren Mortalitätsrisiko als für die Sepsis alleine führen. Die früher verwendeten Begriffe wie Sepsis-Syndrom und Septikämie sollten nicht mehr verwendet werden.
Pathophysiologie
Die Sepsis ist eine systemische, entzündliche Reaktion des Organismus auf eine Infektion, die eine Folge der Invasion von obligat oder fakultativ pathogenen Keimen in normalerweise sterile Gewebe oder Körperflüssigkeiten darstellt. Der Nachweis einer Infektion ist obligat. Sie ist eine lebensbedrohliche Erkrankung, die sich auf der Grundlage einer teilweise unerkannten, okkulten Infektion entwickelt und zu multiplem Organversagen mit Todesfolge führen kann. Alternativ können spezifische Infektionen auch zu lokalen Organdysfunktionen ohne Generalisation führen. Der Schweregrad der Organschädigungen wird mit dem SOFA-Score („sequential organ failure assessment“) erfasst.
Der klinische Schweregrad der systemischen Entzündung SIRS („systemic inflammatory response syndrome“) kann auch mit folgenden Kenngrößen erfasst werden: Körpertemperatur >38 °C oder <36 °C, Herzfrequenz >90/Minute, erhöhte Atemfrequenz >20/Minute, Leukozytenzahl >12 G/L oder <4 G/L oder >10 % Unreife. Für die Diagnose eines SIRS müssen 2 oder mehr pathologische Parameter gegeben sein (Seymour et al. 2016).
Pathogenese
Im Zentrum einer generalisierten, überschießenden Entzündungsreaktion im Rahmen der Sepsis steht die Aktivierung entzündungs- und immunkompetenter Zellen wie Granulozyten, Monozyten, Lymphozyten (Lymphozyt), Makrophagen und Endothelzellen, die im aktivierten Zustand eine Vielzahl von Mediatoren freisetzen. Auslösend sind Infektionen mit gramnegativen Keimen in 57–64 %, mit grampositiven Keimen in 35–40 %, mit Pilzen in 3–10 %. Wichtige Mediatoren sind Interleukine (IL) wie Interleukin-1, Interleukin-6, Interleukin-8, Tumornekrosefaktor-α, Interleukin-10, Transforming Growth Factor β, Gerinnungsmediatoren wie Antithrombin-3, aktiviertes Protein C, D-Dimer, Plasminogen-Aktivator-Inhibitor 1 (PAI-1), systemisches Thrombin u. a.(Tab. 1 und 2).
Stadien der Sepsis
Im Sepsisverlauf kann sich eine Phase der generellen Hyperinflammation durch Ausschüttung mehrerer proinflammatorischer Zytokine mit einer Phase der ausgeprägten Immunparalyse durch Überschusssekretion antiinflammatorischer und immunsuppressiver Zytokine abwechseln (Abb. 1). Die pathogenetisch relevanten Zytokine können im Serum bestimmt und als phasenabhängige Kenngrößen eingesetzt werden. Neueste (Limulus-System-basierte) Biomarker wie plasmatische LPS-Reaktivität oder plasmatische β-Glukan-Reaktivität diagnostizieren eine schwere Sepsis sehr frühzeitig und kontrollieren den Therapieerfolg.
Untersuchungsmaterial
Analytik
S. Einzelkenngrößen.
Referenzbereich
S. Einzelkenngrößen.
Bewertung
Tab. 1 und 2.
Literatur
Center for Sepsis Control and Care. www.​cscc.​uniklinikum-jena.​de
Grimminger F, Mayer K, Seeger W (1997) Gibt es eine gesicherte Immuntherapie bei der Sepsis? Internist 38:541–552CrossRefPubMed
Remick DG (2007) Biological perspectives – pathophysiology of sepsis. Am J Pathol 170:1435–1444CrossRefPubMedPubMedCentral
Seymour CW, Liu VX, Iwashyna TJ et al (2016) Assessment of clinical criteria for sepsis. For the third international consensus definition for sepsis and septic shock (sepsis-3). J Am Med Assoc 315(8):762–774CrossRef
Singer M, Deutschman CS, Seymour CW et al (2016) The third international consensus definitions for sepsis and septic shock (sepsis-3). J Am Med Assoc 315(8):801–810CrossRef