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Serotonin

Verfasst von: M. Bidlingmaier
Serotonin
Synonym(e)
5-Hydroxytryptamin; Enteramin; 3-(2-Aminoethyl)-1H-indol-5-ol
Englischer Begriff
5-HT; 5-hydroxytryptamine; enteramine; 3-(β-aminoethyl)-5-hydroxyindole; thrombocytin; thrombotonin
Definition
Als Gewebshormon und als Neurotransmitter wirksames biogenes Amin mit Effekten auf gastrointestinale Motilität, Zentralnervensystem, Thrombozytenfunktion und Gefäßtomus.
Struktur
Vom L-Tryptophan abgeleitetes biogenes Amin, Summenformel C10H12N2O.
Molmasse
176,22 Da.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Beim Menschen wird Serotonin aus L-Tryptophan unter Mitwirkung der Enzyme Tryptophanhydroxylase und Aromatische-L-Aminosäure-Decarboxylase (auch DOPA-Decarboxylase) synthetisiert. Hauptsyntheseort sind die enterochromaffinen Zellen des Gastrointestinaltrakts, aus denen über 90 % der zirkulierenden Serotoninkonzentration stammt. Außerdem entsteht Serotonin in enteralen Neuronen. Stimuliert wird die Freisetzung durch erhöhten Druck im Darmlumen, aber auch durch bestimmte Aromastoffe. Neben einer luminalen erfolgt auch eine basolaterale Sekretion. Serotonin wirkt in der Darmschleimhaut sowohl parakrin als auch als Neurotransmitter. In den Blutgefäßen wird es von Thrombozyten aufgenommen. Eine Passage der Blut-Hirn-Schranke ist nicht möglich, das zentralnervös als Neurotransmitter wirksame Serotonin wird lokal in serotonergen Neuronen gebildet.
Die Wirkung des Serotonins wird beim Menschen über mindestens 14 verschiedene, fast ausschließlich G-Protein-gekoppelte Serotonin- oder 5-HT-Rezeptoren vermittelt, die gewebsspezifisch exprimiert sind.
Der Abbau des Serotonins erfolgt ebenfalls gewebsspezifisch: Während als Neurotransmitter fungierendes Serotonin aus den synaptischen Spalten im Wesentlichen rückresorbiert und wiederverwendet wird, erfolgt der Abbau des zirkulierenden Serotonins rasch durch die Monoaminooxidase A (in geringem Umfang auch B). Das Hauptprodukt des Serotoninabbaus ist die 5-Hydroxyindolessigsäure, die renal ausgeschieden wird.
Ein alternativer Stoffwechselweg verwendet Serotonin als Ausgangssubstanz für die Synthese des Melatonin.
Pathophysiologie
Serotonin hat aufgrund der in vielen Geweben vorhandenen Rezeptoren sowie der verschiedenen Rezeptorsubtypen ein breites Spektrum von Wirkungen. Pathophysiologisch ist eine Beteiligung von Serotonin u. a. in folgenden Bereichen beschrieben:
  • Kardiovaskuläre Effekte: Die je nach Rezeptorsubtyp unterschiedlichen Effekte auf das Gefäßsystem – Kontraktion (Lunge, Niere) bzw. Relaxation (Skelettmuskulatur) – erklären die mehrphasige Reaktion des Blutdrucks nach Serotoninexposition.
  • Direkte Effekte auf Thrombozyten: Thrombozytenaggregation, insgesamt Förderung der Blutgerinnung.
  • Gastrointestinaltrakt: motorische (Stimulierung der Peristaltik) und sensorische Effekte (Signalweiterleitung an das Zentralnervensystem, Übelkeit, Erbrechen).
  • Im Zentralnervensystem wird Serotonin u. a. mit der Regulation von Stimmung, Appetit, Sexualverhalten, Schmerzempfindung und der Pathogenese der Migräne in Verbindung gebracht. Peripher messbare Serotoninkonzentrationen entstammen jedoch wie beschrieben überwiegend dem Gastrointestinaltrakt und haben daher im Kontext zentralnervöser Funktionen wenig Bedeutung.
Klinisch-diagnostisch ist die Serotonin- bzw. 5-Hydroxyindolessigsäure-Bestimmung jedoch fast ausschließlich bei der Diagnostik serotoninproduzierender Tumoren relevant. Karzinoide sind neuroendokrine Tumoren, die meist im Gastrointestinaltrakt, seltener auch ektop, z. B. in der Lunge, gefunden werden. Sie sezernieren – oft schubweise – hohe Konzentrationen von Serotonin, was zur typischen Symptomatik mit Flushreaktion, krampfartigen Bauchschmerzen, Diarrhoen, Bronchospasmen, Hypertonie und Tachykardie führt.
Untersuchungsmaterial
Vollblut, Plasma (bevorzugt thrombozytenarm), Serum, Urin.
Wegen der raschen Metabolisierung von Serotonin zu 5-Hydroxyindolessigsäure in der Niere hat die Bestimmung von Serotonin im Urin wenig Aussagekraft, hier ist die direkte Bestimmung von 5-Hydroxyindolessigsäure sinnvoll.
Probenstabilität
Insgesamt ist die Präanalytik für die Serotoninbestimmung im Blut kritisch. Nachdem >95 % des Serotonins in Blutproben in Vesikeln in den Thrombozyten vorliegt, ist eine Bestimmung des freien Serotonins nach Hämolyse sinnlos.
Präanalytik
Serotonin kommt auch im Pflanzenreich vor. Einige Lebensmittel, wie z. B. Walnüsse oder Bananen, enthalten besonders viel Serotonin. Relevanten Einfluss auf die Serotoninkonzentration können aber auch andere Nüsse, Tomaten, Ananas, Auberginen, Avocados, Melonen, Mirabellen, Pflaumen, Johannisbeeren, Stachelbeeren, Auberginen, Kiwis und auch Alkohol, Nikotin, Kaffee, Tee und Schokolade haben. Die empfohlene Karenz von 2–3 Tagen ist praktisch oft schwer umzusetzen bzw. zu kontrollieren.
Auch eine Vielzahl von Medikamenten beeinflussen die Serotoninkonzentrationen. Falsch hohe Serotoninwerte werden u. a. beobachtet unter Paracetamol, Phenobarbital, Ephedrin und Amphetaminen, falsch niedrige Werte hingegen unter Acetylsalicylsäure, Levodopa und Isoniazid. Die Liste potenziell interferierender Medikamente ist jedoch sehr viel länger.
Analytik
Hochdruckflüssigchromatographie, Immunoassay, Flüssigchromatographie-Massenspektormetrie.
Konventionelle Einheit
ng/mL.
Internationale Einheit
nmol/L.
Umrechnungsfaktor zw. konv. u. int. Einheit
1 ng/mL = 5,7 nmol/L.
Referenzbereich – Erwachsene
Die Referenzbereiche für Serotonin im thrombozytenarmen Plasma differieren stark je nach Abnahmeprotokoll, Probenaufarbeitung und Messmethode. In der Literatur berichteten Mittelwerte gesunder Probanden schwankten zwischen 0,6 und 179 nmol/L, wobei im Durchschnitt aller Methoden 31,6 nmol/L angegeben werden.
5-Hydroxyindolessigsäure im Urin: bis 9,0 mg/24 Stunden.
Indikation
Verdacht auf neuroendokrine Tumoren (NET, Karzinoid).
Interpretation
Beim Karzinoid finden sich besonders bei akuter Symptomatik deutlich erhöhte Werte der 5-Hydroxyindolessigsäure im Urin. Im symptomfreien Intervall können die Konzentrationen bei der Erkrankung jedoch normal sein.
Die Interpretation von Serotoninkonzentrationen im Blut kann nur in Kenntnis von Abnahmeprotokoll, Probenaufarbeitung und Messmethode erfolgen.
Diagnostische Wertigkeit
5-Hydroxyindolessigsäure-Werte über 40 mg/24 Stunden gelten als beweisend für ein Karzinoid.
Literatur
Brand T, Anderson GM (2011) The measurement of platelet-poor plasma serotonin: a systematic review of prior reports and recommendations for improved analysis. Clin Chem 57(10):1376–1386CrossRefPubMed