Skip to main content

T-Polyagglutinabilität

Verfasst von: K. Kleesiek, C. Götting, J. Diekmann, J. Dreier und M. Schmidt
T-Polyagglutinabilität
Synonym(e)
Hübner-Thomsen-Friedenreich-Phänomen
Englischer Begriff
T polyagglutination
Definition
Erworbene Eigenschaft von Erythrozyten, die, nach einer Neuraminidase-vermittelten Freisetzung des T-Kryptantigens auf der Erythrozytenoberfläche, von der Majorität der AB0-kompatiblen Seren agglutiniert werden.
Beschreibung
Die T-Polyagglutinabilität ist eine durch Modifikation von Glykoproteinen auf der Zelloberfläche entstehende Eigenschaft von Erythrozyten, die zu einer Agglutination der Erythrozyten mit den meisten AB0-Blutgruppen-kompatiblen (AB0-Blutgruppensystem) Seren führt. Ursächlich für die Polyagglutinabilität ist ein hochfrequenter Antikörper der Spezifität Anti-T, der sich im Blut fast aller Erwachsenen, nicht aber in Nabelschnurvenenblut findet.
Entdeckt und charakterisiert wurde dieses Phänomen zwischen 1925 und 1930 durch Hübener, Thomsen und Friedenreich. Polyagglutinabilität tritt als Folge von Infektionen mit Neuraminidase-bildenden Bakterien, wie z. B. Corynebakterien, Pneumokokken, Vibrio cholerae, Clostridium perfringens, Bacteroides fragilis oder Klebsiella aeruginosa auf. Durch die Freisetzung des Enzyms Neuraminidase während der Infektion wird Neuraminsäure aus Glykoproteinen der Erythrozytenmembran abgespalten, wodurch ein ansonsten maskiertes und verstecktes T-Kryptantigen auf der Erythrozytenoberfläche freigesetzt und als immunogene Determinante präsentiert wird.
Das T-Kryptantigen weist eine hohe Immunogenität auf und führt zur Bildung von Anti-T-Antikörpern, die sich aufgrund der Häufigkeit von Infektionen mit Neuraminidase-produzierenden Bakterien ab ca. dem 6. Lebensmonat in annähernd allen Blutproben finden. Anti-T-Antikörper sind komplementaktivierende Antikörper vom IgM-Typ und können im Falle einer Infektion mit Neuraminidase-produzierenden Bakterien zu schweren Hämolysen führen. Die Freilegung des T-Kryptantigens durch bakterielle Neuraminidasen ist ein transientes Phänomen, das jedoch gelegentlich zu Unsicherheiten bei der Blutgruppenbestimmung führen kann. Weiterhin tritt das T-Antigen auch bei verschiedenen anaplastischen Karzinomen auf.
Eine T-Antigenaktivierung sollte differenzialdiagnostisch abgeklärt werden, sobald bei der Blutgruppenbestimmung die AB0-Blutgruppe der Patientenerythrozyten nicht mit den Isoagglutininen der Serumgegenprobe übereinstimmt, bei positivem direkten Coombs-Test mit Komplementaktivierung und beim Vorliegen einer autoimmunhämolytischen Anämie.
Zum Nachweis einer erythrozytären T-Antigenaktivierung wird die Agglutination der Erythrozyten mit spezifischen Anti-T-Agglutininen angewendet. Diese Anti-T-Lektine stammen aus Erdnussextrakten und reagieren sehr stark und spezifisch mit dem T-Kryptantigen, wie George William Gregory Bird im Jahr 1964 zeigen konnte. In vitro wird die Freisetzung des T-Kryptantigens durch Inkubation von Erythrozyten mit Neuraminidasen induziert. Diese Neuraminidase-behandelten Erythrozyten können zum Nachweis von Antikörpern der Spezifität Anti-T verwendet werden. Weiterhin weisen T-Kryptantigen-aktivierte Erythrozyten aufgrund des Neuraminsäuremangels abgeschwächte M- und N-Antigene auf, sodass die Bestimmung dieser Antigene erschwert sein kann. Bei Vorliegen einer Polyagglutinabilität sollte differenzialdiagnostisch auch die seltenere Tn-Polyagglutinabilität berücksichtigt werden.
Literatur
Berger EG (1999) Tn syndrome. Biochim Biophys Acta 1455:255–268CrossRef
Eckstein R (2005) Immunhämatologie und Transfusionsmedizin. Urban & Fischer, München
Metaxas-Bühler M (1993) Blutgruppen und Transfusionsmedizin. Verlag Hans Huber, Bern/Göttingen/Toronto/Seatle
Mueller-Eckhardt C, Kiefel V (Hrsg) (2004) Transfusionsmedizin: Grundlagen – Therapie – Methodik, 3. Aufl. Springer, Berlin/Heidelberg/New York