Skip to main content

Testosteron

Verfasst von: M. Bidlingmaier
Testosteron
Synonym(e)
17β-Hydroxyandrost-4-en-3-on; 4-Androsten-17β-ol-3-on
Englischer Begriff
testosterone; Androst-4-en-17β-ol-3-one
Definition
C-19-Steorid, Hauptandrogen beim Mann.
Struktur
C-19-Steroid, C19H28O2.
Molmasse
288,42 Da.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Testosteron wird beim Mann hauptsächlich in den Leydig-Zellen des Hodens, bei der Frau im Ovar und bei beiden Geschlechtern in geringerem Umfang auch in der Nebennierenrinde produziert. Bei der schwangeren Frau gibt es zudem eine plazentare Testosteronsynthese. In der Steroidbiosynthese entsteht Testosteron durch Reduktion der Ketogruppe an C17 des Androstendions (s. Androstendion) durch die 17β-Hydroxysteroid-Dehydrogenase. Eigentlich wirksames Androgen ist jedoch auf zellulärer Ebene das Dihydrotestosteron, das durch Reduzierung des Testosterons unter Einwirkung der 5-α-Reduktase in den androgensensitiven Zielzellen entsteht. Ein weiterer Abbauweg des Testosterons ist die Konversion zu Estradiol durch die Aromatase, die sich u. a. im Fettgewebe findet. Die „Nettowirkung“ des Testosterons ist daher – je nach Gewebsexpression von 5-α-Reduktase und Aromatase – die Summe von Testosteron-, Dihydrotestosteron- und Estradioleffekten. Im Blut zirkuliert Testosteron nur zu ca. 1–2 % in der freien Form, der größte Teil liegt gebunden an SHBG und Albumin vor. Wie andere Androgene wird auch das Testosteron vor allem in der Leber glukuronidiert bzw. sulfatiert, zudem erfolgt eine Metaboliserung zum Androsteron und Etiocholanolon. Die Ausscheidung erfolgt dann vornehmlich renal, teilweise auch biliär. Nur ein sehr geringer Teil (<2 %) des Testosterons im Urin ist unverändert, hauptsächlich erscheint es in Form der 17-Ketosteroide.
Pathophysiologie
Beim Mann wird die Testosteronsynthese der Leydig-Zellen vor allem durch das hypophysäre luteinisierende Hormon (LH, s. Luteinisierendes Hormon) geregelt. Umgekehrt inhibiert das Testosteron die hypothalamische Gonadotropin-releasing-Hormon-Freisetzung sowie die hypophysäre LH-Freisetzung. Störungen der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse sind auf allen Ebenen möglich. Dementsprechend wird beim Hypogonadismus eine primäre Form, bei der die Störung in den Gonaden selbst lokalisiert ist, von einer sekundären (hypophysären) und tertiären (hypothalamischen) Form abgegrenzt. Die Wirkung der Androgene wird über den nukleären Androgenrezeptor vermittelt, Störungen der Bindung bzw. Mutationen im Rezeptor führen zur Androgeninsensitivität. Eine massive Überproduktion des Testosterons spielt vor allem bei angeborenen Störungen der Steroidbiosynthese (z. B. beim adrenogenitalen Syndrom) eine Rolle, zudem gibt es die seltenen androgenproduzierenden Tumoren (z. B. der Nebennierenrinde). Auch Stoffwechselstörungen wie das polyzystische Ovarsyndrom (PCOS) gehen mit erhöhten Androgenkonzentrationen einher.
Das Testosteron kommt zwar in niedrigen Konzentrationen auch bei der Frau vor und hat dort auch physiologische Effekte, es ist aber primär das wichtigste männliche Sexualhormon und – direkt oder nach Reduzierung zu Dihydrotestosteron – verantwortlich für die Ausbildung und Erhaltung des normalen männlichen Phänotyps. Testosteron beeinflusst bereits pränatal die Ausbildung der Geschlechtsmerkmale (Differenzierung der Wolff-Gänge) sowie der Geschlechtsidentität. Später reguliert es das Wachstum der Knochen und der Muskulatur, ist essenziell für die Pubertätsentwicklung und fördert die Spermienreifung. Der Einfluss auf die Mineralisierung des Knochens erfolgt auch bei Männern indirekt über die Aromatisierung zu Estradiol. Darüber hinaus hat Testosteron eine Vielzahl weiterer Effekte auf diverse Organe. Bekannt sind z. B. die Wirkung auf Haarfollikel und Talgdrüsen, aber auch auf das Zentralnervensystem, wo unter anderem kognitive Effekte beschrieben sind. Entsprechend der Vielzahl der Wirkungen gibt es auch eine Vielzahl von Erkrankungen, bei denen eine reduzierte oder erhöhte Testosteronkonzentration eine Rolle spielen kann. Beim Mann ist der Testosteronmangel eine wichtige Differenzialdiagnose u. a. in der Abklärung der verzögerten Pubertät sowie von Infertilität, Potenz- und Libidoverlust und erektiler Dysfunktion. Erniedrigte Testosteronkonzentrationen finden sich allerdings auch assoziiert mit viszeraler Adipositas, metabolischem Syndrom, was die Abgrenzung vom primären Testosteronmangel erforderlich macht. Bei der Frau stehen in der Pathophysiologie meist die Konsequenzen zu hoher Testosteronkonzentrationen im Vordergrund. Hierbei kommt es durch die Testosteronwirkung auf die entsprechend sensitiven Geweben zu Virilisierungserscheinungen.
Untersuchungsmaterial
Probenstabilität
Bis 24 Stunden bei Raumtemperatur, eingefroren (−20 °C) mehrere Jahre.
Präanalytik
Abnahmeuhrzeit notieren! Die Sekretion des Testosterons zeigt einen zirkadianen Verlauf. Die höchsten Werte finden sich am frühen Morgen, die niedrigsten am späten Nachmittag. Dies ist bei der Interpretation zu berücksichtigen, da die meisten Referenzbereiche sich auf den Blutentnahmezeitpunkt am frühen Vormittag beziehen.
Bei Frauen wird die Blutentnahme in der frühen Follikelphase (2.–5. Zyklustag) empfohlen.
Analytik
Immunoassay, Gas- oder Flüssigkeitschromatographie-gekoppelte Massenspektrometrie, Flüssigkeitschromatographie-gekoppelte Tandemmassenspektrometrie.
Konventionelle Einheit
μg/L.
Internationale Einheit
nmol/L.
Umrechnungsfaktor zw. konv. u. int. Einheit
1 μg/L = 3,47 nmol/L.
Referenzbereich – Erwachsene
Die Messergebnisse verschiedener Testosteronimmunoassays unterscheiden sich deutlich. Zudem besteht die Möglichkeit der Interferenz von Bindungsproteinen. Insbesondere im Bereich niedriger, bei der Frau häufig vorkommender Werte sind Präzision und Richtigkeit der Immunoassays oft schlecht. Neuere, massenspektrometrische Verfahren sind hier deutlich überlegen.
Methodenspezifische Referenzbereiche sind nötig, folgende Angaben können als grobe Orientierung gelten:
  • Frauen: <0,6 μg/L (<2,1 nmol/L)
  • Männer: 3,5–8,6 μg/L (12–30 nmol/L)
Referenzbereich – Kinder
Knaben vor der Pubertät: 0,3–1,2 μg/L (1–4 nmol/L). Alter bzw. Pubertätsentwicklung beachten!
Indikation
Beim Kind:
  • Unklares Genitale beim Neugeborenen
  • Kryptorchismus
  • Störungen der Pubertätsentwicklung
Beim Mann:
Bei der Frau:
  • Virilisierungserscheinungen, Hirsutismus, Akne, Alopezie
  • PCO-Syndrom
  • Tumoren der Nebennierenrinde
Interpretation
S. Pathophysiologie und Referenzbereiche.
Diagnostische Wertigkeit
Testosteron ist der wichtigste Parameter zur Beurteilung der Hodenfunktion, Konzentrationen unter 3 μg/L (10 nmol/L) sind sicher pathologisch und erfordern die Abklärung möglicher Ursachen eines Hypogonadismus. Bei der Frau erfordern erhöhte Testosteronwerte die differenzialdiagnostische Abklärung, die klinische Aussagekraft erniedrigter Testosteronwerte bei der Frau ist nicht zuletzt aufgrund der messtechnischen Limitationen vieler Assays umstritten. Grundsätzlich ist ein Testosteronwert nur in Zusammenschau mit dem klinischen Bild zu interpretieren.
Die parallele Messung von SHBG (Sexualhormon-bindendes Globulin) stellt eine Möglichkeit zur Abschätzung der freien Androgene dar. Hierzu können komplexere Algorithmen unter Verwendung der Konzentrationen von Testosteron, SHBG und Albumin verwendet werden (z. B. mit der Formel nach Vermeulen). Im klinischen Alltag ist jedoch vielerorts auch der einfachere freie Androgenindex (Testosteron-SHBG-Quotient) im Einsatz.
Literatur
Kaufman JM, Vermeulen A (2005) The decline of androgen levels in elderly men and its clinical and therapeutic implications. Endocr Rev 26(6):833–876CrossRefPubMed
Tavita N, Greaves RF (2017) Systematic review of serum steroid reference intervals developed using mass spectrometry. Clin Biochem pii: S0009-9120(17)30582-9
Tran TS, Center JR, Seibel MJ, Eisman JA, Kushnir MM, Rockwood AL, Nguyen TV (2015) Relationship between serum testosterone and fracture risk in men: a comparison of RIA and LC-MS/MS. Clin Chem 61(9):1182–1190CrossRefPubMed