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Thrombinaktivität in Plasma

Verfasst von: T. Stief
Die systemisch zirkulierende amidolytische Thrombin-Aktivität (F2a···α2M) ist ein Maß für die akute oder chronische Thrombin-Generierung in vivo. 100% der Norm sind 5.5 mIU/ml, der Normbereich liegt bei 80-120% (normal intravascular coagulation = NIC). 121-150% bedeutet Vorphase der pathologischen intravasculären Gerinnung (PIC-0), 151-200% bedeutet typische Phase der pathologischen intravasculären Gerinnung (PIC-1), >200% bedeutet Verbrauchsphase der pathologischen intravasculären Gerinnung (PIC-2; oft mit INR > 1.15). Supra-1-molare finale Konzentrationen an Arginin machen den Test spezifisch für Thrombin, indem sie Kallikrein-Aktivität komplett inhibieren und Antithrombin-1 (nascent fibrin) depolymerisieren. Basierend auf diesem Testprinzip wurden ultra-spezifische F10a/F2a-Generierungsteste abgeleitet, so der recalcified coagulation activity assay (RECA), der intrinsic coagulation activity assay (INCA), oder der extrinsic coagulation activity assay (EXCA).
Englischer Begriff
thrombin activity in plasma
Definition
Aktivität (akut oder chronis ch) des zentralen Enzyms der Hämostase in Plasma. Physiologisch/pathophysiologisch bedeutend ist sowohl die In-vivo-Aktivität von Thrombin im systemisch zirkulierenden Blut als auch die In-vitro-Aktivität von Thrombin in neuen ultraspezifischen Testen der Thrombingenerierung. Die Thrombinaktivität wird in internationalen Einheiten (IE) pro mL (IE/mL) oder milliinternationalen Einheiten pro mL (mIE/mL) angegeben. Analog der Antithrombin-3 Aktivität kann die Thrombin-Aktivität auch in % der Norm angegeben werden.
Beschreibung
Thrombin (F2a) entsteht durch intrinsische oder extrinsische Aktivierung der Hämostase. Die sekundäre Hämostase (plasmatische Gerinnung) ist klinisch sehr wichtig, weswegen im Krankenhaus prophylaktisch gegen die Entstehung von Mikro- oder Makrothromben hauptsächlich Antikoagulanzien vom Typ der niedermolekularen Heparine (NMH) eingesetzt werden. Systemisch zirkulierendes freies Thrombin reagiert sofort mit Fibrinogen, Antithrombinen und konstant zu ca. 10 % mit α2-Makroglobulin (vgl. Abb. unten). Im α2-Makroglobulin-Schutzkäfig (wie der „Taucher im Haifischkäfig“) bleibt die Thrombinaktivität von EDTA-Plasma erhalten. Kleine Substrate (wie das farblose chromogene Substrat HD-CHG-Ala-Arg-pNA) können in den Schutzkäfig hinein diffundieren, wo sie vom Enzym Thrombin schnell amidolytisch gespalten werden. Das freigesetzte gelbe Para-Nitro-Anilid (pNA) kann so beispielsweise bei 405 nm gemessen werden und ist ein direktes Maß für die systemische Thrombinaktivität. Das Ergebnis des Thrombintests wird (wie beim AT3) in % der Norm angegeben. 5,5 mIE/mL Thrombin entsprechen 100 % der Norm. Der Normalbereich ist 100 ± 20 % (Mittelwert ±1 Standardabweichung). Die systemische (amidolytische) Thrombinaktivität (F2a · α2M; Blut-HWZ = ca. 0,5 h; Clearance über robuste Gewebsmakrophagen, nicht wie beim „sprunghaften“ TAT-Komplex über sensible Hepatozyten) ist ein bedeutender Biomarker für die systemische Gerinnungsaktivierung.
Untersuchungsmaterial-Entnahmebedingungen
EDTA-Plasma.
Präanalytik
Proben sollten frisch sein (<2 h alt, gelagert bei Raumtemperatur) oder 1 + 1-stabilisiert mit 2,5 M Arginin, pH 8,6 (bis zu einem Tag Raumtemperatur valide oder mit Arginin stabilisiert eingefroren). Es gilt:
  • 80–120 %: Normalbereich (NIC)
  • 121–150 %: Vorphase der pathologischen systemischen Gerinnungsaktivierung (PIC-0); bereits vital gefährdend (sehr häufig)
  • 151–200 %: pathologische systemische Gerinnungsaktivierung (PIC-1); unmittelbar vital gefährdend (häufig)
  • >200 %: Am stärksten pathologische, systemische Gerinnungsaktivierung (PIC-2), oft mit Faktorenverbrauch; (INR > 1.15); extrem vital gefährdend (selten)
Dieser Biomarker reflektiert eine akut oder chronisch erhöhte In-vivo-Thrombingenerierung. Erhöhte Aktivitäten von systemischem Thrombin können durch viele Erkrankungen (z. B. Sepsis, Polytrauma, Atherosklerose, Diabetes mellitus, Ischämie), Metabolite (Glukose, Laktat, Cholesterin, Triglyzeride, Ketonkörper) oder Medikamente/ Toxine (z. B. Valproinsäure, Asparaginase, Antibiotika, Immunsuppressiva/ Äthanol) insbesondere durch Abänderung der Blutmatrix (Umgebung von Faktor 12/Präkallikrein) entstehen. Das klinisch sehr wichtige intrinsische („altered blood matrix“) Gerinnungssystem ist in nachfolgender Abb. 1 dargestellt (modifiziert nach Stief 2012; mit freundlicher Genehmigung von Nova Science Publishers).
Die erniedrigte Thrombingenerierung in Citratplasma bei Therapie mit NMH (oder bei NMH-Unverträglichkeit mit Hirudin), d. h. die Effizienz von Anti-F10a- oder Anti-F2a-Medikamenten, wird besser mit einem ultra-spezifischen In-vitro-F10a/F2a-Generierungstest gemessen.
EXCA („extrinsic coagulation activity assay“), INCA („intrinsic coagulation activity assay“) und RECA („recalcified coagulation activity assay“) sind die 3 ultraspezifischen plasmatischen F10a/F2a - Generierungsteste (ohne Zusatz von Phospholipiden (PL)). Im Gegensatz zu herkömmlichen Thrombingenerierungstesten wird hier nach einer ersten Inkubationsphase der Thrombingenerierung („coagulation reaction time“, CRT) eine supra-1-molare finale Konzentration an Arginin zugesetzt, die die Protein-Protein-Interaktionen bei der Hämostaseaktivierung stoppt, nicht quervernetztes Fibrin (Antithrombin-1) depolymerisiert und den chromogenen spezifischen Nachweis von Thrombin (nicht aber Kallikrein!) ermöglicht.
Bei allen 3 Testen wird Citratplasma (ggf. sogar EDTA-Plasma) in möglichst reinen Polystyren-Mikrotiterplatten (z. B. pure grade Brand, Wertheim) im Verhältnis 10:1 mit 250 mM CaCl2 versetzt, d. h., die Gerinnung läuft in nahezu unverdünntem Plasma ab. Die 3 Teste unterscheiden sich hinsichtlich des Triggers, der die Gerinnungskaskade verstärkt auslöst:
  • EXCA: Tissue Factor (TF) (mit Ca2+) und zwar in einer Endkonzentration von nur ca. 0,1 ng/mL, was etwa 1000-fach niedriger liegt als die TF-Konzentration in der Thromboplastinzeit („prothrombin time“, PT).
  • INCA: ein Oberflächenaktivator wie SiO2 oder Ellagsäure (mit Ca2+) in final niedriger Konzentration.
  • RECA: Lediglich Ca2+ wird zugesetzt (kein zusätzlicher Trigger), weshalb nur die Plasmamatrix (Plasma selbst und die Wand des Reaktionsgefäßes) die Thrombingenerierung auslöst.
Bei den Globaltesten der „alten“ Gerinnung PT und APTT bedingt durch unphysiologisch starke Aktivierung entstehen Thrombinaktivitäten von ca. 1–10 IE/mL im Normalplasma binnen 10–30 s (37 °C). Dagegen entstehen im „neuen“ RECA nach ca. 20 min (37 °C) weniger als 0,1 IE/mL Thrombin in Normalplasma. Die Hauptinkubationszeit im EXCA beträgt ca. 1 min (37 °C), die Hauptinkubationszeit im INCA ist ca. 3–4 min (37 °C). Die neuen Thrombingenerierungsteste sollten möglichst mit einer höheren Inkubationszeit kontrolliert werden, d. h. beispielsweise EXCA bei 2 min, INCA bei 5 min und RECA bei 25 min, um zu kontrollieren, dass am ersten Messzeitpunkt (Hauptwert) keine signifikanten Mengen an quervernetztem Fibrin (Antithrombin-1) entstanden sind, die das generierte Thrombin inhibiert haben. Valide ist: Hauptwert dividiert durch Kontrollwert = kleiner 1. Alternativ kann auch die basale Plasmatrübung gemessen werden, die bei Abwesenheit von entstandenem Fibrin nicht signifikant ansteigt.
EXCA und INCA messen insbesondere die therapeutisch oder auch pathologisch erniedrigte plasmatische Thrombingenerierung; 10–20 % der normalen EXCA-Aktivität ist der Zielwert für die therapeutische plasmatische Antikoagulation, 20–40 % der normalen EXCA-Aktivität ist der Zielwert für die prophylaktische plasmatische Antikoagulation. RECA misst insbesondere die prothrombotische Kapazität von Plasma.
Literatur
Stief TW (2006) Specific determination of plasmatic thrombin activity. Clin Appl Thromb Hemost 12:324–329CrossRefPubMed
Stief TW (2008) The laboratory diagnosis of the pre-phase of pathologic disseminated intravascular coagulation. Hemost Lab 1:2–20
Stief TW (2010) Circulating thrombin activity in unselected routine plasmas. Hemost Lab 3:7–16
Stief TW (2012) Thrombin: function and pathophysiology. Nova Science Publishers, New York