Lexikon der Medizinischen Laboratoriumsdiagnostik
Info
Verfasst von:
G. F. Hoffmann, C. D. Langhans und A. Schulze
Publiziert am: 17.01.2018

Tiglylglyzin

Tiglylglyzin
Englischer Begriff
tiglylglycine
Definition
Das Glyzinkonjugat der Tiglinsäure entsteht als pathologischer Metabolit bei Störungen im katabolen Stoffwechsel der Aminosäure Isoleucin.
Struktur
C7H11NO3; Strukturformel:
Molmasse
157,17 g.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Im Stoffwechsel der Aminosäure Isoleucin wird das Transaminierungsprodukt 2-Oxo-3-Methylvaleriansäure oxidativ zu 2-Methylbutyryl-CoA decarboxyliert. Dieses wird durch das Enzym 2-Methylbutyryl-CoA-Dehydrogenase weiter abgebaut zu Tiglyl-CoA. Aus diesem entsteht durch Wasseranlagerung und nachfolgender Oxidation 2-Methyl-3-Oxobutyryl-CoA (2-Methylacetoacetyl-CoA), das wiederum durch die 3-Oxothiolase-Reaktion in Acetyl-CoA und Propionyl-CoA gespalten wird.
Tiglylglyzin wird effizient renal ausgeschieden.
Funktion – Pathophysiologie
Bei Defekten der 2-Methyl-3-Hydroxy-Butyryl-CoA-Dehydrogenase oder der Oxothiolase kommt es zu Sekundärreaktionen der sich anstauenden Vorstufen. Unter anderem bildet Tiglyl-CoA mit Glyzin das Konjugat Tiglylglyzin. Die Bildung von Tiglylglyzin stellt einen wichtigen Entgiftungs- und Eliminationsweg für sich anstauendes Tiglyl-CoA dar.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen
Präanalytik
  • Durch Flüssig-Flüssig-Extraktion im sauren Medium mittels Ethylacetat oder Diethylether
  • Mittels Gaschromatographie-Massenspektrometrie (GC-MS) als Mono- und Di-Trimethylsilylester
Als Mono-Trimethylsilylester
  • Retentionsindex RI:1571
  • M+ (m/z): 229
  • Quant Ion (m/z): 229
  • Conf. Ion (m/z): 214
Als Di-Trimethylsilylester
  • Retentionsindex RI:1564
  • M+ (m/z): 301
  • Quant Ion (m/z): 286
  • Conf. Ion (m/z): 184
Internationale Einheit
Referenzbereich – Kinder
<2 mmol/mol Kreatinin.
Pathologischer Bereich:
  • 2–1000 mmol/mol Kreatinin (β-Ketothiolasemangel)
  • 13–497 mmol/mol Kreatinin (Propionazidämie)
Indikation
Metabolische Ketoacidose, Hypoglykämien, progrediente psychomotorische Retardierung.
Interpretation
Erhöhte Ausscheidungen von Tiglylglyzin neben 2-Methyl-3-Hydroxybuttersäure kennzeichnen einen 2-Methyl-3-Hydroxy-Butyryl-CoA-Dehydrogenasemangel. Wird zusätzlich vermehrt 2-Methylacetessigsäure nachgewiesen, liegt ein 3-Oxothiolasemangel vor, auch 2-Methylacetoacetyl-CoA-Thiolasemangel oder β-Ketothiolasemangel genannt. Bei diesem Defekt neigen die Patienten zu ketoacidotischen Entgleisungen.
Des Weiteren wird Tiglylglyzin auch bei einer Propionazidämie neben anderen diagnostischen Metaboliten wie Propionylglycin und 3-Hydroxysäuren vermehrt im Urin ausgeschieden.
Diagnostische Wertigkeit
Erhöhte Urinausscheidungen von Tiglylglyzin sind ein sicherer Hinweis auf einen Defekt im Isoleucinstoffwechsel. Die weitere Differenzierung erfordert Kenntnisse über die o.g. weiteren Metabolite bzw. die enzymatische oder molekularbiologische Bestätigungsdiagnostik.
Literatur
Blau N, Duran M, Gibson KM, Dionisi-Vici C (Hrsg) (2014) Physician’s guide to the diagnosis, treatment, and follow-up of inherited metabolic diseases. Springer, Berlin/Heidelberg