Trinukleotidrepeat-Erkrankungen sind gekennzeichnet durch den pathogenen Effekt einer illegitimen Vermehrung, d. h. Amplifikation, einer vorgegebenen Abfolge von sich wiederholenden, definierten 3 Basenpaaren (sog. Trinukleotidrepeats) in der kodierenden oder regulatorischen Region eines Gens.
Beschreibung
Es sind im Wesentlichen 6 verschiedene, zueinander reziproke Tripletts, die krankheitsverursachend sind, nämlich d(CAG.CTG), d(CGG.CCG) oder d(GAA.TTC). Die molekulare Basis einer illegitimen Amplifikation ist noch nicht vollständig aufgeklärt, aber es wird postuliert, dass die Trinukleotidrepeats flexible Haarnadel-(„hairpin“-)Strukturen ausbilden können, die mittels DNA-Replikation und einem Zusammenspiel verschiedener Enzyme, wie z. B. DNA-Helikase, instabile Vorstufen ausbilden können, die in der Meiose und über verschiedene Generationen zu einer pathogenen Vermehrung dieser Repeats führen.
Besonders gut untersucht ist dies am Beispiel des fraX- bzw. FMR1-Syndroms. Hier findet sich das CGG-Trinukleotidrepeat in der 5′-UTR-Region des FMR1-Gens, das bei Normalpersonen <45 Repeats beträgt (durchschnittlich 29–30 Repeats). Zwischen 45–54 Repeats liegt ein Intermediär- oder Graubereich vor. Der Bereich von 55–200 Repeats wird als Prämutationsbereich definiert, zumal ab dieser Größenordnung eine Keimbahninstabilität in der DNA-Sequenz einsetzt, die den Übergang zu einer Vollmutation begünstigt. Eine pathogene Vollmutation und damit das Vollbild der Erkrankung liegt bei mehr als 200 Repeats (z. T. bis über 1000 Repeats) vor. Die Amplifikation der CGG-Repeats, zusätzlich verbunden mit einer Hypermethylierung, führt zu einer Dysregulation und einem Funktionsausfall des FMR1-Gens.
Träger einer Amplifikation im Graubereich sind gänzlich unauffällig, wie auch die Mehrzahl der Träger einer Prämutation. Frauen mit einer Prämutation haben jedoch häufiger eine vorzeitige Menopause (vorzeitige Ovarialinsuffizienz, POF), während die Männer im fortgeschrittenen Alter häufiger eine progressive neurodegenerative Erkrankung (FXTAS) mit Intensionstremor, Parkinson-ähnlichen Symptomen, autonomer Dysfunktion und z. T. vorzeitiger Demenz entwickeln. Die schrittweise Zunahme der Trinukleotidrepeats über mehrere Generationen wird als Antizipation bezeichnet.
Bei den Trinukleotidrepeat-Amplifikationen im kodierenden Bereich des Gens steht vor allem die Ausbildung von Polyglutamin-, aber auch von Polyalaninsträngen im Vordergrund. Bekannte Beispiele für Polyglutaminerkrankungen mit einer Zunahme der für Glutamin kodierenden CAG-Tripletts sind u. a. Chorea Huntington, spinobulbäre Muskelathrophie Typ Kennedy (SBMA) oder verschiedene Formen von spinozerebellären Ataxien (SCAs). Die Zunahme von 6–34 Glutaminmolekülen im Normalfall hin zu 36–121 im pathogenen Zustand bei Chorea Huntington führt zu einer Störung der Sekundär- und Tertiärstruktur des Proteins und einem Funktionsausfall. Auch bei diesen Erkrankungen gilt, dass es erst bei Überschreitung einer definierten, kritischen Anzahl an Trinukleotidrepeats zu einer Erkrankung kommt.
Für den praktischen Nachweis der Trinukleotidrepeat-Erkrankungen stehen verschiedene Methoden zur Verfügung, wie z. B. die klassische Southern-Blot-Analyse oder aktuell die Fragmentlängenanalyse eines PCR-Produktes (s. PCR (Polymerase-Kettenreaktion)) mittels Kapillarelektrophorese und Genescan-Auswertung.
Literatur
Mitas M (1997) Trinucleotide repeats associated with human disease. Nucleic Acids Res 25:2245–2253CrossRefPubMedPubMedCentral