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Wasserhaushalt

Verfasst von: O. Müller-Plathe
Wasserhaushalt
Englischer Begriff
water balance; fluid balance
Definition
Der Begriff Wasserhaushalt umfasst die Regulation der Flüssigkeitskompartimente des Körpers im Hinblick auf Volumen und Osmolalität. Er ist eng mit dem Stoffwechsel der Elektrolyte, besonders des Natriums, verbunden.
Beschreibung
Das Gesamtkörperwasser des Erwachsenen im mittleren Lebensalter beträgt etwa 60 % der Körpermasse, beim Säugling 75 %. Bei Fettleibigkeit und im Alter tendiert es gegen 50 %.
Flüssigkeitsräume
Auf den intrazellulären Raum (IZR) entfallen 55 % des Wasserbestands (33 % der Körpermasse), auf den extrazellulären Raum (EZR) 45 % (entsprechend 27 % der Körpermasse). Das extrazelluläre Wasser verteilt sich zu 5 % der Körpermasse auf das Blutplasma, zu 12 % der Körpermasse auf den interstitiellen Raum (schnell austauschbar) und zu 10 % der Körpermasse auf Knochen, Knorpel, straffes Bindegewebe und transzelluläre Flüssigkeiten (langsam austauschbar). Für praktische Zwecke hat man es vor allem mit 3 Kompartimenten zu tun:
  • Blutplasma 5 % der Körpermasse
  • Interstitialraum 12 % der Körpermasse
  • Intrazellularraum 33 % der Körpermasse
Die trennenden Membranen sind durchlässig für Wasser und kleine Moleküle bzw. Ionen und weitgehend undurchlässig für große Moleküle wie Proteine. Deshalb gibt es zwischen den Räumen keine osmotischen Gradienten (mit Ausnahme des distalen Nephrons). Alle Elektrolytverschiebungen erfolgen unter Einhaltung der Elektroneutralität, entweder als gegensinnige Bewegung gleichsinnig geladener Ionen oder als gleichsinnige Bewegung gegensinnig geladener Ionen (Tab. 1; s. a. nachfolgende Abbildung).
Wasserhaushalt, Tab. 1
Elektrolytzusammensetzung in den Flüssigkeitsräumen (mEq/L)*
Komponente
Plasmawasser
Interstitialraum
Intrazellularraum**
142
152
145
12
4
4,2
4
160
Calcium*
5
2,5
2,7
Magnesium*
1,7
1,3
1,3
26
Kationen
153
160
153
198
102
109
114
2
Bikarbonat
26
28
31
12
Phosphat*
2
2,2
2
130
Sulfat*
1
1,1
1
Organische Säuren
6
6,5
5
Proteinat
16
54
Anionen
153
 
153
198
*Um die Elektroneutralität sichtbar zu machen, sind die Konzentrationen ausnahmsweise in mEq/L statt, wie vorgeschrieben, in mmol/L angegeben. Dadurch ändern sich die Angaben für zweiwertige Ionen um den Faktor 2
**Angaben beziehen sich auf Skelettmuskelzellen
Folgende Abbildung zeigt ein Ionogramm der Flüssigkeitsräume. Dargestellt ist die Verteilung von Kationen (linke Säulenhälften) und Anionen (rechte Säulenhälften) in den Flüssigkeitsräumen des Organismus auf molaler Basis:
Für die unterschiedliche Zusammensetzung von Plasmawasser und Interstitialflüssigkeit ist vor allem das durch die Plasmaproteine als nicht diffusible Anionen hervorgerufene Donnan-Gleichgewicht verantwortlich. Dadurch erklären sich im Vergleich zum Plasma die höheren Konzentrationen von Chlorid und Bikarbonat in der interstitiellen Flüssigkeit.
Im IZR sind die hauptsächlichen Ionen K+ und Mg2+ sowie Proteinat und organische Phosphate. Die Zusammensetzung unterscheidet sich von Zellart zu Zellart beträchtlich. So enthalten die hoch spezialisierten Erythrozyten beispielsweise 50 mmol/L Cl. Die hohen Konzentrationsgradienten an der Zellmembran werden durch aktiven Transport aufrechterhalten. Eine besonders wichtige Funktion hat dabei die membranständige Na+/K+-ATPase. Pro Mol gespaltenem ATP werden 3 Na+ aus der Zelle hinaus- und 2 K+ hineintransportiert. Daneben ist ein Na+/K+-Antiporter wichtig, durch den K+ oder H+ im Austausch mit Na+ aus der Zelle hinausgeschleust wird und der für die Konstanz des intrazellulären pH bedeutsam ist. Etwa 20 % ihrer Energie verbraucht die Zelle für die Aufrechterhaltung des Membranpotenzials und damit ihres Ionenmilieus und ihres Volumens.
Osmo- und Volumenregulation
Die Regulation des EZR-Volumens ist erforderlich zur Aufrechterhaltung des Blutkreislaufs und des Stoffaustausches, diejenige der Osmolalität zum Schutz des Zellvolumens und der Zellfunktion.
Osmoregulation
Osmorezeptoren im Hypothalamus lösen bei Zunahme der Osmolalität ebenso wie die Barorezeptoren im Aortenbogen bei Volumenmangel eine Freisetzung von antidiuretischem Hormon (ADH; Antidiuretisches Hormon) im Hypophysenhinterlappen aus. Diese bewirkt eine erhöhte Wasserreabsorption in den distalen Nierentubuli und den Sammelrohren. Außerdem führt Hyperosmolalität über Erregung des Durstzentrums zur Flüssigkeitsaufnahme. Umgekehrt führt Hyposmolalität zur Hemmung der ADH-Sekretion und damit zu vermehrter Wasserausscheidung. Abweichungen der Osmolalität werden primär durch Anpassung des Wasserbestands reguliert. Die Bedeutung des ADH wird dadurch verdeutlicht, dass bei seinem Fehlen 15–20 L und bei maximaler Sekretion nur etwa 0,5 L Urin abgegeben werden.
Regulation des EZR-Volumens
Barorezeptoren im juxtaglomerulären Apparat in der Nierenrinde bewirken bei Druckabfall in den Arteriolen und bei Hyponatriämie die Freisetzung des proteolytisch wirkenden Hormons Renin. Durch Renin wird das in der Leber gebildete Angiotensinogen zu Angiotensin I umgewandelt. Hieraus entsteht durch Angiotensin-konvertierendes Enzym (ACE) das wirksame Angiotensin II, das (neben einer sofortigen Blutdrucksteigerung) in der Nebennierenrinde die Abgabe von Aldosteron bewirkt. Dieses Hormon stimuliert in den distalen Nierentubuli die Reabsorption von Na+. Die dadurch erzeugte Zunahme der Osmolalität setzt sodann die oben beschriebene ADH-Freisetzung in Gang. Abweichungen des extrazellulären Volumens werden primär durch Anpassung des Natriumbestands reguliert (Abb. 1).
Weitere Einflüsse
Von den Myozyten des Myokards werden natriuretische Peptide (NP) gebildet, ANP in den Vorhöfen und BNP in den Ventrikeln, die bei Volumenbelastung des Herzens und erhöhter Wandspannung ausgeschüttet werden und als Antagonisten des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems anzusehen sind. Sie sind bei Herzinsuffizienz und allen Zuständen mit vermehrtem zentralvenösen Blutvolumen erhöht und führen zu verstärkter Wasser- und NaCl-Abgabe.
Wasserumsatz
Der tägliche Umsatz beträgt normalerweise 5 % vom Bestand.
Wasseraufnahme:
  • Getränke: 1000–1500 mL
  • Wasser in fester Nahrung: 700 mL
  • Oxidationswasser (Stoffwechsel): 300 mL
Summe: 2000–2500 mL
Wasserabgabe:
  • Urin: 1000–1500 mL
  • Atmung: 400 mL
  • Haut: 500 mL
  • Stuhl: 100 mL
Summe: 2000–2500 mL
Störungen des Wasserhaushalts
Volumenmangel kann durch Schwitzen, Fieber, Hyperventilation, Erbrechen, Durchfälle, Sekret- und Blutverluste entstehen und führt zu Durst, Anurie und Hypotonie, im Extremfall zum Volumenmangelschock und zum Tode. Volumenüberschuss kommt bei Herzinsuffizienz, nephrotischem Syndrom, Leberversagen und überdosierter Infusionstherapie vor, zeigt sich durch prall gefüllte Venen und führt zu Weichteilödemen, Pleuraerguss und Aszites, im Extremfall zum Lungenödem und ebenfalls zum Tode.
Sowohl Volumenmangel als auch -überschuss im EZR können mit unveränderter Salzkonzentration (isoton), mit Salzmangel (hypoton) oder Salzüberschuss (hyperton) vorkommen. Hypotonie führt zur Wasserverschiebung in den IZR, Hypertonie führt zur Schrumpfung des IZR. Es resultieren 6 Konstellationen (Tab. 2).
Wasserhaushalt, Tab. 2
Konstellationen der Wasservolumina
Konstellation im EZR
Pathogenese
IZR-Volumen
Isotoner Volumenmangel
Verlust isotonischer Flüssigkeit, z. B. durch Blutung, Aszitespunktion, Diuretika
Normal
Normal
Hypotoner Volumenmangel
Überwiegend NaCl-Verlust, z. B. durch Schwitzen, Erbrechen, Durchfälle
Hypertoner Volumenmangel
Überwiegend H2O-Verlust, z. B. durch Diabetes insip., osmotische Diurese
Isotoner Volumenüberschuss
Zunahme isotonischer Flüssigkeit, z. B. bei kardialen, nephrotischen und hepatischen Ödemen
Normal
Normal
Hypotoner Volumenüberschuss
H2O-Überschuss, z. B. durch Zufuhr salzfreier Lösungen, Magenspülung mit H2O
Hypertoner Volumenüberschuss
NaCl-Überschuss, z. B. durch NaCl-Infusionen bei Niereninsuffizienz
EZR, extrazellulärer Raum; IZR, intrazellulärer Raum
Literatur
Quan AH, Cogan MG (1993) Body fluid compartments and water balance. In: Seldin DW, Giebisch G (Hrsg) Clinical disturbances of water metabolism. Raven Press, New York