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X-chromosomale Vererbung

Verfasst von: J. Arnemann
X-chromosomale Vererbung
Synonym(e)
Vererbung, X-chromosomale rezessive und dominante
Englischer Begriff
X-linked inheritance
Definition
X-chromosomale Vererbung beschreibt die Vererbung eines X-chromosomalen Gens oder seiner Modifikation und unterscheidet mit Blick auf den Phänotyp zwischen den Formen X-chromosomal rezessiv und X-chromosomal dominant.
Beschreibung
Bei der häufigeren Form der X-chromosomal rezessiven Vererbung treten Mutationen in einem X-chromosomalen Gen insbesondere im männlichen Geschlecht auf, wenn im hemizygoten Zustand, d. h. bei Fehlen eines zweiten X-Chromosoms, das maternal vererbte, mutierte Gen ausreichend ist, einen klinisch auffälligen Phänotyp zu bedingen. Eine Frau, die für dieses Gen heterozygot ist und ein zweites unmutiertes Gen besitzt, ist meist eine Mutationsanlageträgerin und selbst nicht oder nur schwach betroffen. Eine schwache, klinisch variable Ausprägung des Gendefekts bei Frauen lässt sich meist mit einer verschobenen („skewed“) X-Inaktivierung erklären, bei der, zu einem variablen Anteil, nicht in allen Körperzellen das X-Chromosoms mit dem Gendefekt durchgängig inaktiviert ist. Beim X-chromosomal rezessiven Erbgang kann eine Frau das volle klinische Bild zeigen, wenn sie ein mutiertes Gen von der Mutter, das andere mutierte Gen vom klinisch betroffenen Vater geerbt hat.
Als Beispiel für diesen Erbgang wird regelmäßig die Vererbung der Bluterkrankheit Hämophilie A in der Familie der englischen Queen Victoria und den verwandten europäischen Adelshäusern erwähnt.
Bei dem seltener auftretenden X-chromosomal dominanten Erbgang ist eine dominante Mutation hinreichend, um im weiblichen und im männlichen Geschlecht gleichermaßen einen klinisch auffälligen Phänotyp zu bedingen. Bei einer Tochter kann die Mutation sowohl von einer betroffenen Mutter als auch einem betroffenen Vater vererbt werden, während betroffene Väter die Mutation nur an ihre dann auch betroffenen Töchter weitergeben können, da die Söhne ja immer das väterliche Y-Chromosom erben. Töchter, die homozygot eine entsprechende Mutation vom Vater und der Mutter erben, sind i. d. R. klinisch stärker betroffen als Söhne.
Aber auch hier gibt es Ausnahmen, wie z. B. das Aicardie-Syndrom, bei dem betroffene Knaben aufgrund der Letalität dieses Gens im hemizygoten Status bereits intrauterin versterben, die schwerstbetroffenen Mädchen aber geboren werden. Diese Erkrankung ist immer auf eine Neumutation zurückzuführen, eine Vererbung durch die betroffenen Mädchen ist nicht bekannt. Ein weiteres, relativ bekanntes Beispiel ist das Rett-Syndrom, bei dem ebenfalls in über 95 % der Fälle die Erkrankung auf eine Neumutation im MECP2-Gen zurückzuführen ist.
Literatur
Strachan T, Read AP (2005) Molekulare Humangenetik. Elsevier GmbH, München