Das Spektrum von Eingriffen am Gefäßsystem ist sehr breit gefächert und das anästhesiologische Vorgehen muss auf das individuelle Risikoprofil des Patienten und die Besonderheiten des geplanten Eingriffs abgestimmt werden.
Eingriffe an der thorakalen Aorta
Eingriffe an der thorakalen Aorta stellen große Anforderungen an das anästhesiologische und perioperative Management. Besonderheiten und Voraussetzungen umfassen theoretische und praktische Erfahrungen in den Bereichen Ein-Lungen-Beatmung, extrakorporale Zirkulation an der Herz-Lungen-Maschine (HLM) mit induzierter
Hypothermie und kontrolliertem Herzkreislaufstillstand,
transösophagealer Echokardiographie (TEE), Massentransfusion und Gerinnungsmanagement.
Die Durchführung operativer Eingriffe an der thorakalen Aorta ist anspruchsvoll und sollte aufgrund der Komplexität des Krankheitsbildes an spezialisierten Zentren erfolgen. In der Regel wird der Eingriff unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine durchgeführt. Zentralvenöser und mehrere peripher-venöse Zugänge sind wichtig, ebenso wie zwei arterielle Zugänge zur fortlaufenden Druckregistrierung, von denen einer in eine Radialarterie und der andere in eine Femoralarterie platziert werden. Eine intraoperative
transösophageale Echokardiographie erlaubt eine Beurteilung des Aortenbogens und der Aorta descendens, die Darstellung von Flüssen in den supraaortalen Gefäßen sowie eine Überwachung der kardialen Funktion. Während des Abgangs von der Herz-Lungen-Maschine kann die kardiale Funktion und der Volumenstatus erfasst werden. Eine Überwachung der Nierenfunktion mittels Blasendauerkatheter oder suprapubischem Katheter sollte ebenso erfolgen wie die Einlage eines lumbalen intrathekalen Spinalkatheters zur Protektion des Rückenmarkes durch eine druckgesteuerte Liquordrainage beim thorakoabdominellen Aortenersatz (Kouchoukos und Dougenis
1997).
Da mit einem höheren intraoperativen Blutverlust zu rechnen ist, sollten genügend Blutprodukte (Erythrozytenkonzentrate, „fresh frozen plasma“, Thrombozytenkonzentrate) und maschinelle Systeme zur Schnelltransfusion bereitgestellt werden.
Zur weiteren Stabilisierung der Kreislaufverhältnisse und Überwachung der Organfunktionen werden die Patienten in der Regel intubiert und beatmet auf eine Intensivtherapiestation (ITS) aufgenommen, auf der das Personal mit den typischen
postoperativen Komplikationen vertraut ist.
Eingriffe an der abdominellen Aorta
Eingriffe an der
abdominellen Aorta sind am häufigsten durch eine
Arteriosklerose bedingt, die in Verbindung mit einer
arteriellen Hypertonie zu einer aneurysmatischen Veränderung oder Dissektion des Gefäßes führt. Andere Ursachen sind erbliche oder entzündliche Erkrankungen (z. B.
Marfan-Syndrom,
Riesenzellarteriitis) oder iatrogen (z. B. Katheterprozeduren) (Kouchoukos und Dougenis
1997; Weigang et al.
2008). Sind bei einem Aneurysma in der Regel nur geringe Symptome vorhanden (meist unspezifische
Rückenschmerzen), und wird es häufig bei einer Routineuntersuchung oder zur Abklärung anderer abdomineller Erkrankungen entdeckt, ist bei einer Dissektion oder einer gedeckten oder offenen Ruptur meist eine ausgeprägte Schmerz- und Kreislaufreaktion vorhanden (Powell und Greenhalgh
2003).
Abdominelle Aortenaneurysmen können von transperitoneal oder retroperitoneal operiert werden, wobei keiner der beiden Zugangswege bezüglich der
anästhesiologischen Betreuung einen deutlichen Vorteil zeigt. Nach Darstellung der Aorta von den Nierenarterien bis zu den Aa. iliacae, erfolgt nach Maßgabe des Operateurs die Gabe von Heparin und das proximale Abklemmen der Aorta. Das Aortenclamping erfolgt in den meisten Fällen unterhalb der Nierenarterien, so dass die Nierendurchblutung erhalten bleibt. Seltener muss oberhalb der Nierenarterien abgeklemmt werden, was zu einem akuten postoperativen
Nierenversagen führen kann. Das Abklemmen der Aorta wird von herzgesunden Patienten in der Regel gut toleriert.
Bei Patienten mit eingeschränkter linksventrikulärer Funktion kann es durch den Anstieg des arteriellen Druckes proximal der Klemme und der dadurch bedingten Zunahme der Nachlast zu akutem Linksherzversagen und myokardialen Ischämien kommen (Gelman
1995). Aus diesem Grund sollte die Aortenklemme vom Operateur sanft und schrittweise geschlossen werden. Ein übermäßiger Anstieg des arteriellen Blutdruckes wird mittels Nitroglyzerin-Perfusor therapiert, wobei gleichzeitig die Vorlast gesenkt wird. Um gezielt die Nachlast zu senken, eignet sich Nitroprussid-Natrium oder die Konzentrationserhöhung des volatilen Anästhetikums. Bedingt durch die geringere Durchblutung der Gefäßgebiete distal der Aortenklemme nimmt der venöse Rückstrom ab. Durch Schwankungen der Nierendurchblutung steigen die Plasmakonzentrationen von
Renin und Angiotensin, die ihrerseits zu einer kardiovaskulären Instabilität beitragen. Zur besseren Narkoseführung sollten daher alle blutdruckregulierenden Maßnahmen mit kurzwirksamen und gut steuerbaren Medikamenten durchgeführt werden.
Als Ersatz der geschädigten Aorta kommt entweder eine Rohrprothese (bei distalem Anschluss oberhalb der Aortenbifurkation) oder eine Y-Prothese (bei distalem Anschluss an die Iliaca- oder Femoralisbifurkation) zum Einsatz. Nach Fertigstellung der proximalen Anastomose wird die Aortenklemme kurzzeitig geöffnet, um die Prothese mit Blut zu füllen. Dies führt durch den akuten Abfall der Nachlast in der Regel zu einem Blutdruckabfall. Aus diesem Grund sollte die Klemme nur langsam geöffnet werden. Nach der Naht der distalen Anastomose wird die Aortenklemme endgültig geöffnet. Hierbei treten häufig die entgegengesetzten kardiovaskulären Reaktionen auf wie beim Aortenclamping: über die Verminderung der Nachlast des linken Ventrikels und des peripheren Gefäßwiderstands kommt es zu einem Blutdruckabfall. Die Reperfusion der unteren Extremität führt zu einem vermehrten Anfall an sauren Stoffwechselprodukten, die negativ-inotrope Effekte haben. Um dem Abfall des Herzzeitvolumens und des arteriellen Blutdruckes nach Öffnen der Aortenklemme vorzubeugen, sollte das intravasale Volumen vor dem Declamping normal bis hochnormal sein. Insgesamt ist eine eher restriktive Zufuhr von Kristalloiden (<3 l) vorteilhaft (Adesanya et al.
2008). Die Zufuhr von vasodilatierenden Medikamenten sollte rechtzeitig beendet, und die überbrückende Gabe eines Vasopressors erwogen werden. Wichtigstes Mittel, um Blutdruckabfälle zu vermeiden, ist jedoch die gute Kommunikation und Absprache mit dem Operateur, der die Aortenklemme langsam und vorsichtig öffnet. Wird eine Y-Prothese angelegt, ist der Blutdruckabfall in der Regel geringer ausgeprägt, da hierbei die Durchblutung der linken und rechten unteren Extremität nacheinander wiederhergestellt wird.
Bei Patienten mit notfallmäßiger oder dringlicher Aortenchirurgie wird in der Regel eine alleinige
Allgemeinanästhesie durchgeführt. Bei geplanten Operationen an der Aorta ist die präoperative Anlage eines thorakalen Periduralkatheters wünschenswert, um in Kombination mit einer Allgemeinanästhesie zur intra- und
postoperativen Schmerztherapie genutzt zu werden. Unter diesem Regime kommt es zu einer Reduktion der postoperativen Darmatonie und einer ausgezeichneten Analgesie (Zingg et al.
2009). Durch die Kombinationsanästhesie werden die Vorteile mit den kardioprotektiven Effekten der volatilen Anästhetika sinnvoll verbunden (De Hert et al.
2008; Kehl et al.
2005). Zu beachten ist auch, dass es durch die Applikation von
Lokalanästhetika über den Periduralkatheter zu einer – teilweise erwünschten – Sympathikusblockade und einer peripheren Vasodilatation kommt, was aber bei massiven Blutverlusten die kardiovaskulären Kompensationsmechanismen des Organismus einschränkt und dadurch zu einer ausgeprägten Kreislaufdepression führen kann. Die Autoren empfehlen deshalb intraoperativ nur die peridurale Applikation einer geringeren Dosierung, und erst gegen Ende der Operation, wenn größere Blutungen in der Regel nicht mehr auftreten, den Periduralkatheter mit einer höheren Dosierung (6–10 ml/h) einer Mischung aus Sufentanil und Lokalanästhetikum zu nutzen, um eine gute postoperative
Schmerztherapie zu ermöglichen.
Da in der Aortenchirurgie mit einem höheren intraoperativen Blutverlust zu rechnen ist, sollten je nach Ausgangsblutbild genügend Blutprodukte (Erythrozytenkonzentrate, „fresh frozen plasma“, Thrombozytenkonzentrate) bereitgestellt werden. Der Einsatz eines Gerätes zur Aufbereitung von autologen Erythrozytenkonzentraten aus Wundblut ist ebenfalls sinnvoll und kann die Anzahl der transfundierten Fremderythrozytenkonzentrate deutlich reduzieren.
Bei einem unkomplizierten operativen und anästhesiologischem Verlauf mit stabilen Kreislaufverhältnissen, ausgeglichener Homöostase, Normothermie, suffizienten pulmonalen Verhältnissen, guter Nierenfunktion und ausreichender
Schmerztherapie kann eine direkte postoperative Extubation durchgeführt werden. Sind keine gravierenden Vorerkrankungen bekannt, kann der Patient dann postoperativ auf eine Überwachungsstation (IMC) verlegt werden, auf der das Personal mit den typischen
postoperativen Komplikationen vertraut ist. Kann der Patient nicht direkt postoperativ extubiert werden, oder liegen schwerwiegende Vorerkrankungen vor, sollte er auf eine ITS aufgenommen werden.
Periphere Gefäßeingriffe
Periphere Gefäßoperationen werden bei dilatativen, stenosierenden oder okkludierenden Prozessen im Rahmen einer
peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (
pAVK) notwendig. Anästhesiologisch bedeutsam sind die meist schwerwiegenden kardiovaskulären Begleiterkrankungen dieser Patienten, mit entsprechend hoher perioperativer Morbidität und Letalität. Ziel der Anästhesieführung ist unabhängig vom gewählten Anästhesieverfahren die kardiovaskuläre Stabilität in engen Grenzen aufrechtzuerhalten. Der zusätzliche Einsatz der
Regionalanästhesie zeigt gewisse Vorteile gegenüber einer alleinigen
Allgemeinanästhesie. Durch eine Periduralanästhesie kann sowohl eine suffiziente postoperative Analgesie, als auch durch die periphere Vasodilatation eine niedrigere Komplikationsrate an den revaskularisierten Gefäßen erreicht werden (Christopherson et al.
1993; Gelman
1993). Liegt Normothermie und eine suffiziente Analgesie vor, kann der Patient nach einer Allgemeinanästhesie in der Regel direkt postoperativ extubiert werden.
Nach längerer Ischämiezeit kann die Reperfusion des betroffenen Gewebes bei unzureichendem Volumenstatus zu arteriellen Hypotonien führen. Größere Blutverluste sind durch das Abklemmen der zuführenden Gefäße in der Regel nicht vorhanden. Postoperativ muss eine regelmäßige Überwachung der Extremitätendurchblutung sowie der kardiopulmonalen Funktionen gewährleistet werden, um die typischen
postoperativen Komplikationen frühzeitig zu erkennen. Dies kann je nach Schwere der Begleiterkrankungen auf IMC oder ITS erfolgen.
Eingriffe an der A. carotis interna
Zerebrale Ischämien sind in den Ländern der westlichen Zivilisation eine häufige Todesursache. Ein Großteil der Ischämien betrifft das Stromgebiet der A. carotis. Hauptrisikofaktoren sind
arterielle Hypertonie,
Diabetes mellitus, Nikotinabusus, hohes Lebensalter, positive Familienanamnese und Hyperlipidämie.
Patienten sollten nach einer Karotisoperation aufgrund der Nachblutungsgefahr mit zum Teil lebensbedrohlichen Atemwegsverlegungen und zur Kontrolle des arteriellen Blutdrucks sorgfältig überwacht werden. Dies kann in den meisten Fällen auf IMC erfolgen, wenn das dort eingesetzte Personal mit den typischen
postoperativen Komplikationen nach Karotisoperationen vertraut ist. Bei vorbestehenden gravierenden kardiopulmonalen Begleiterkrankungen, nur schwer einstellbaren perioperativen Kreislaufparametern oder intraoperativen neurologischen Zwischenfällen, sollte die Überwachung auf ITS erfolgen.
Endovaskuläre Gefäßeingriffe
Endovaskuläre Rekonstruktionen können in den meisten Fällen in Lokalanästhesie mit oder ohne Analgosedierung durchgeführt werden. Für Eingriffe an der
abdominellen Aorta sind Lokal-, Regional- und
Allgemeinanästhesie möglich. Bei Versorgung in Lokalanästhesie sollte unbedingt ein anästhesiologisches Stand-by erfolgen. Die Eingriffe sollten daher immer im Operationssaal durchgeführt werden. Sollten Komplikationen auftreten, können diese so ohne Zeitverzug und unter optimalen hygienischen Verhältnissen therapiert werden. Endoprothesen in die thorakale Aorta sollten in Allgemeinanästhesie eingesetzt werden. Da bei interventionellen Verfahren immer damit gerechnet werden muss, dass kurzfristig auf ein offen-operatives Verfahren umgestiegen werden muss, sollten alle entsprechenden invasiven Monitoringverfahren, Katheter sowie das operationspflegerische Stand-by vorhanden sein, sowie Blutkonserven bereitgestellt werden (Leiendecker et al.
2009).
Die Expansion des Ballons während der Platzierung der Endoprothese bei der Versorgung eines thorakalen Aneurysmas erzeugt für etwa eine Minute einen kompletten Verschluss der Aorta. Um in dieser Phase einen unkontrollierten Blutdruckanstieg zu verhindern, ist eine vorübergehende Hypotension oder Asystolie notwendig. Eine extreme Blutdrucksteigerung kann in dieser Phase zu einer Dissektion oder Ruptur der Aorta oder einer Hirnblutung führen. Durch die abrupte Nachlaststeigerung besteht außerdem die Gefahr eines Linksherzversagens sowie einer Distalverschiebung des Stents. Hypotension und Asystolie werden meist medikamentös ausgelöst (z. B. Nitroglyzerin, Adenosin). Dabei treten jedoch häufig Probleme in der Steuerbarkeit der Wirkdauer auf. Gerade bei thorakalen Endoprothesen scheint das Verfahren der schnellen Kammerstimulation („overdrive pacing“) zur kurzfristigen Blutdrucksenkung Vorteile zu bieten. Hierbei wird ein Schrittmacherkatheter eingeschwemmt, und das Herz mit einer Stimulationsrate von 130–180/min überstimuliert. Durch die Verringerung der ventrikulären Füllungszeit werden die linksventrikuläre Vorlast und das Schlagvolumen reduziert und der mittlere arterielle Blutdruck kurzfristig auf Werte um die 40 mmHg gesenkt. Nach der Beendigung der Stimulation erfolgt in der Regel eine schnelle Rückkehr zum Ausgangsdruck.