Christian Detter, Yskert von Kodolitsch und Hermann Reichenspurner
Publiziert am: 26.08.2017
Aneurysmen der Aorta ascendens
Unter dem Begriff Aortenaneurysma versteht man eine permanente, umschriebene Erweiterung der Aorta auf einen mindestens 50 %igen Zuwachs des Durchmessers im Vergleich zum erwarteten normalen Durchmesser der Aorta. Die Häufigkeit von thorakalen Aortenaneurysmen beträgt zirka 5–10 pro 100.000 Patienten pro Jahr mit einem Häufigkeitsgipfel in der 6. und 7. Lebensdekade. Als Ursache liegt meist eine Wandschwäche durch Degeneration der Arterienwand auf dem Boden einer Arteriosklerose vor. Treten Aortenaneurysmen bereits im 2.–5. Lebensjahrzehnt auf, ist häufig eine genetische Grunderkrankung verantwortlich. Thorakale Aortenaneurysmen sind zunächst völlig asymptomatisch und werden oft als Zufallsbefund entdeckt. Die am meisten gefürchtete Komplikation ist eine Aortenruptur oder eine akute Aortendissektion. Das primäre Ziel ist es, eine elektive Operation anzustreben, um das Risiko einer Aortendissektion oder Ruptur durch Wiederherstellung eines normalen Aortendurchmessers zu vermeiden. Dabei wird das Aortenaneurysma komplett resezieren und durch die Implantation einer Gefäßprothese ersetzen.
Unter dem Begriff Aortenaneurysma versteht man eine permanente, umschriebene Erweiterung der Aorta auf einen mindestens 50 %igen Zuwachs des Durchmessers im Vergleich zum erwarteten normalen Durchmesser der Aorta (Johnston et al. 1991; Hiratzka et al. 2010).
Thorakale Aortenaneurysmen werden entsprechend ihrer Lage in Aneurysmen der Aorta ascendens, des Aortenbogens und der Aorta descendens eingeteilt. Nicht selten sind mehrere Bereiche gleichzeitig betroffen. Ein Aneurysma der Aorta ascendens liegt vor, wenn das Aneurysma zwischen dem Aortenklappenring und dem Abgang des Truncus brachiocephalicus gelegen ist. Die Aorta ascendens wird anatomisch in 2 Abschnitte unterschieden: die Aortenwurzel mit dem Aortenannulus, der Aortenklappe und den Sinus valsalvae mit den Abgängen des linken und rechten Koronarostiums, sowie der tubulären Anteil der Aorta ascendens. Entsprechend der Ausdehnung des Aortenaneurysmas wird somit zwischen einem Aortenwurzelaneurysma und einem sogenannten suprakommissuralen Aneuryma unterschieden, welches die Radikalität und Komplexität des Eingriffs bestimmt.
Als Ursache liegt meist eine Wandschwäche durch Degeneration der Arterienwand vor. Diese ist am häufigsten durch eine Arteriosklerose in Kombination mit einer arteriellen Hypertonie bedingt, kommt aber auch bei angeborenen Bindegewebserkrankungen wie dem Marfan-Syndrom, Loeys-Dietz-Syndrom oder beim Ehlers-Danlos Syndrom vor. Das Aneurysma kann posttraumatisch im Rahmen eines Dezelerationstraumas bedingt sein, entzündlicher Genese sein (autoimmun-entzündlich, infektiös), poststenotisch nachgeschaltet einer Aortenklappenstenose entstehen (sogenannte poststenotische Dilatation), bei einer Aortenisthmusstenose durch ein turbulentes Strömungsprofil auftreten, oder im Gefolge einer Schwangerschaft auftreten.
Epidemiologie und Zuwachsrate
Die Häufigkeit von thorakalen Aortenaneurysmen beträgt zirka 5–10 pro 100.000 Patienten pro Jahr mit einem Häufigkeitsgipfel in der 6. und 7. Lebensdekade (Booher und Eagle 2011). Männer sind 2- bis 4-mal häufiger betroffen als Frauen. Am häufigsten lokalisiert sind thorakale Aortenaneurysmen im Bereich der Aorta ascendens (51 %), gefolgt von der Aorta descendens mit 38 %, und lediglich 11 % finden sich im Aortenbogen (Bickerstaff et al. 1982).
Treten Aortenaneurysmen bereits im 2.–5. Lebensjahrzehnt auf, ist häufig eine genetische Grunderkrankung verantwortlich. Da die Prognose und OP Indikation von der genetisch bedingten Aortenerkrankung abhängt, ist hier eine weitere Abklärung absolut notwendig (Kap. „Genetisch bedingte Aortenerkrankungen“). Anatomisch findet man suprakommissurale Aneurysmen ohne Beteiligung der Aortenwurzel häufiger bei arteriosklerotischer Genese. Bei Bindegewebserkrankungen wie dem Marfan-Syndrom und Loeys-Dietz-Syndrom sind hingegen Wurzelaneurysmen typisch.
Der Durchmesser ist entscheidend für den weiteren Zuwachs des Aortenaneurysmas. Liegt der Diameter <5 cm, so beträgt der statistische Zuwachs 0,17 cm pro Jahr, ist der Diameter bereits >5 cm, so beträgt er bereits 0,79 cm pro Jahr. Daraus resultiert ein unterschiedliches Langzeitüberleben der Patienten. Bei einem Diameter <5 cm beträgt das 3-Jahres-Überleben 93 %, bei einem Diameter >5 cm 60 % und bei einem Diameter >6 cm nur noch 38 % (Dapunt et al. 1994; Joyce et al. 1964). Die häufigste Todesursache bedingt durch ein Aortenaneurysma ist die Ruptur. Diese sollte somit durch eine frühzeitige Operation oder Intervention vermieden werden, um eine Verlängerung des Langzeitüberlebens der Patienten zu erreichen (Perko et al. 1995).
Klinik
Thorakale Aortenaneurysmen sind zunächst völlig asymptomatisch und werden oft als Zufallsbefund im Rahmen von medizinischen Routineuntersuchungen oder einem Screening vor geplanter Operation entdeckt. Meistens wachsen Aneurysmen nur langsam und können so eine erhebliche Größe annehmen, bevor sie klinisch in Erscheinung treten. Manche Patienten klagen über unspezifische retrosternale Beschwerden oder eine Einschränkung der Belastbarkeit, wenn durch eine Dilatation der Aortenwurzel und des Aortenklappenannulus eine höhergradige Aortenklappeninsuffizienz entsteht. Viele thorakale Aortenaneurysmen werden jedoch erst symptomatisch, wenn es aufgrund einer zunehmenden Dilatation zur Kompression benachbarter Strukturen kommt.
Durch erhebliche Größenzunahme können folgende Symptome entstehen:
Obere Einflussstauung durch Verdrängung der V. cava superior
Rechtsherzinsuffizienz durch Verdrängung der A. pulmonalis
Heiserkeit durch Irritation des linken Nervus laryngeus recurrens
Stridor durch Kompression auf die Trachea
Dysphagie bei Kompression auf den Ösophagus
Die am meisten gefürchtete Komplikation ist eine Aortenruptur oder eine akute Aortendissektion. Sie äußert sich symptomatisch durch heftige thorakale Schmerzen, die klassischerweise in den Rücken ausstrahlen und bei freier Ruptur schnell zum Tode des Patienten führen.
Operationsindikation
Die Operationsindikation ergibt sich aus dem Durchmesser des Aortenaneurysmas in Abhängigkeit von der Ätiologie und dem damit verbunden Rupturrisiko. Das primäre Ziel der elektiven Operation von Aortenaneurysmen der Aorta ascendens ist es, das Risiko einer Aortendissektion oder Ruptur durch Wiederherstellung eines normalen Aortendurchmessers zu vermeiden. Generell besteht die Indikation zur Operation ab einem Durchmesser von 55 mm. Liegt eine Bindegewebserkrankung vor, so ist aufgrund des höheren Rupturrisikos deutlich früher eine elektive Operation anzustreben. Hier spielen auch bestimmte Risikofaktoren wie die Größenzunahme des Aneurysmas und familiäre Faktoren eine wesentliche Rolle (Tab. 1).
Tab. 1
Empfehlungen zum elektiven chirurgischen Ersatz der Aorta ascendens. (Nach ESC Guidelines 2014)
Ätiologie der Aortenerkrankung
Degenerativ bzw. Patienten ohne Elastopathie
≥55 mm
Patienten mit bikuspider Klappe (BAV)
≥55 mm
Patienten mit bikuspider Klappe (BAV) und Risikofaktoren a
≥50 mm
Patienten mit Marfan Syndrom (MfS)
≥50 mm
Patienten mit Marfan Syndrom (MfS) und Risikofaktoren b
≥45 mm
Patienten mit Loeys-Dietz Syndrom
>42 mm
aRisikofaktoren bei BAV (ESC): Coarctation der Aorta, systemischer Hypertonus, Familienanamnese mit Aortendissektion, Zunahme des Aortendurchmessers > 3 mm/Jahr
bRisikofaktoren bei MfS (ESC): Familienanamnese mit Aortendissektion, Zunahme des Aortendurchmessers > 3 mm/Jahr, schwere Aorten- oder Mitralinsuffizienz, Kinderwunsch
Operative Therapie
Alle offenen chirurgischen Operationen, die die Aorta ascendens betreffen, werden über eine Eröffnung in der Mitte des Brustkorbes (mediane Sternotomie) durchgeführt. In einigen Fällen ist es auch ausreichend, nur den oberen Teil des Brustkorbes (partielle obere Teilsternotomie) zu eröffnen.
Die chirurgischen Eingriffe erfolgen mit Einsatz der Herz-Lungen-Maschine im kardioplegischen Herzstillstand. Ziel ist es, das Aortenaneurysma komplett zu resezieren und durch die Implantation einer Gefäßprothese zu ersetzen. In der Regel kann hierzu die distale Aorta ascendens unmittelbar vor dem Abgang des Truncus brachiocephalicus abgeklemmt werden, so dass kein Kreislaufstillstand notwendig ist. Bei Beteiligung des proximalen oder gesamten Aortenbogens und bei sehr fragiler Aortenwand ist ein mehr oder minder kurzer, hypothermer Kreislaufstillstand zur zerebralen Protektion notwendig, um das Aneurysma offen während der Unterbrechung des Kreislaufes zu resezieren (Kap. „Aneurysmen des Aortenbogens: Klinik und konventionelle Therapie“).
In Abhängigkeit von der Ausdehnung des Aneurysmas mit oder ohne Wurzel- und Aortenklappenbeteiligung gibt es verschiedene operative Techniken (Abb. 1).
Abb. 1
a Suprakoronarer Ascendensersatz, b Aortenwurzelersatz mit klappentragendem Conduit (Operation nach Bentall), c, d klappenerhaltender Aortenwurzelersatz (Operation nach Yacoub oder David) mit Reimplantation der Aortenklappe
×
Ist nur die Aorta ascendens oberhalb der Abgänge der Herzkranzarterien betroffen, so kann die Aorta mittels einer geraden Gefäßprothese mit niedrigem Risiko bis an den Aortenbogen heran ersetzt werden (suprakoronarer oder suprakommissuraler Ascendensersatz).
Wenn die Aortenwurzel auch aneurysmatisch erweitert ist (Aortenwurzelaneurysma, Abb. 2a), ist der chirurgische Eingriff komplexer, da in diesem Bereich die Herzkranzgefäße aus der Aorta abgehen und die Aortenklappe entspringt.
Abb. 2
a Aortenwurzelaneurysma, b klappenerhaltender Aortenwurzelersatz nach David mit Reimplantation der eigenen Aortenklappe, c, d, klappentragendes Conduit mit biologischer Aortenklappenprothese
×
In Abhängigkeit davon, ob die Aortenklappe strukturell verändert ist oder nicht, gibt es 2 unterschiedliche Möglichkeiten des Aortenwurzelersatzes:
Ist die Aortenklappe strukturell und funktionell nicht verändert, kann ein klappenerhaltender Eingriff (sog. Operation nach David oder Yacoub) durchgeführt werden. Bei dem klappenerhaltenden Wurzelersatz nach David werden alle 3 Aortensinus reseziert und anschließend die eigene Aortenklappe in einer am Aortenannulus verankerten Gefäßprothese reimplantiert (David und Feindel 1992) (sog. Reimplantations-Technik, Abb. 2b).
Wenn die Aortenklappe aufgrund von Degeneration oder Entzündung nicht erhalten werden kann, wird sie durch einen kombinierten Ersatz der Aortenwurzel und der Aortenklappe mittels einer biologischen oder mechanischen klappentragenden Conduitprothese (sog. Bentall-Operation, Abb. 2c) ersetzt.
Bei beiden Verfahren müssen anschließend die Abgänge der Herzkranzarterien in die Gefäßprothese wieder eingenäht werden. Wenn die eigene Herzklappe erhalten werden kann, ist keine längerfristige Blutverdünnung notwendig. Bei biologischen Herzklappenprothesen ist eine lebenslange Behandlung mit Aspirin indiziert. Bei mechanischen Herzklappenprothesen sind nach wie vor nur Marcumar oder verwandte Medikamente für die notwendige Blutverdünnung zugelassen.
Literatur
Bickerstaff LK, Pairolero PC, Hollier LH, Melton LJ, Van Peenen HJ, Cherry KJ, Joyce JW, Lie JT (1982) Thoracic aortic aneurysms: a population-based study. Surgery 92:1103PubMed
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Dapunt OE, Galla JD, Sadeghi AM, Lansman SL, Mezrow CK, de Asla RA, Quintana C, Wallenstein S, Ergin AM, Griepp RB (1994) The natural history of thoracic aortic aneurysms. J Thorac Cardiovasc Surg 107:1323–1332; discussion 1332–1333PubMed
David TE, Feindel CM (1992) An aortic valve-sparing operation for patients with aortic incompetence and aneurysm of the ascending aorta. J Thorac Cardiovasc Surg 103:617–622PubMed
Hiratzka LF, Bakris GL, Beckman JA, Bersin RM, Carr VF, Casey DE Jr, Eagle KA, Hermann LK, Isselbacher EM, Kazerooni EA, Kouchoukos NT, Lytle BW, Milewicz DM, Reich DL, Sen S, Shinn JA, Svensson LG, Williams DM (2010) ACCF/AHA/AATS/ACR/ASA/SCA/SCAI/SIR/STS/SVM guidelines for the diagnosis and management of patients with Thoracic Aortic Disease: a report of the American College of Cardiology Foundation/American Heart Association Task Force on Practice Guidelines, American Association for Thoracic Surgery, American College of Radiology, American Stroke Association, Society of Cardiovascular Anesthesiologists, Society for Cardiovascular Angiography and Interventions, Society of Interventional Radiology, Society of Thoracic Surgeons, and Society for Vascular Medicine. Circulation 121:266–369
Johnston KW, Rutherford RB, Tilson MD, Shah DM, Hollier L, Stanley JC (1991) Suggested standards for reporting on arterial aneurysms. Subcommittee on Reporting Standards for Arterial Aneurysms. Ad Hoc Committee on Reporting Standards, Society for Vascular Surgery and North American Chapter, International Society for Cardiovascular Surgery. J Vasc Surg 13:452–458CrossRef
Joyce JW, Fairbairn JF 2nd, Kincaid OW, Juergen JL (1964) Aneurysms of the thoracic aorta. A clinical study with special reference to prognosis. Circulation 29:176–181CrossRef
Perko MJ, Nørgaard M, Herzog TM, Olsen PS, Schroeder TV, Pettersson G (1995) Unoperated aortic aneurysm: a survey of 170 patients. Ann Thorac Surg 59:1204–1209CrossRef