Operative und interventionelle Gefäßmedizin
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Verfasst von:
Tina Cohnert und Stephan Koter
Publiziert am: 02.03.2018

Chronische Ischämiesyndrome an der oberen Extremität

Erkrankungen oder Veränderungen der Arterien der oberen Extremität betreffen die A. subclavia, A. axillaris, A. brachialis, A. radialis und A. ulnaris, A. interossea, die Hohlhandbögen und die Fingerarterien, sowie spezielle Situationen nach Eingriffen zur Schaffung eines Hämodialysezugangs oder kardialen Revaskularisationen. Klinisch wichtig sind akute und chronische Ischämiezustände durch Arteriosklerose, Embolie oder Verletzungen (traumatisch oder iatrogen), sowie Aneurysmen, funktionelle Syndrome und Steal-Situationen.

Grundlagen

Erkrankungen oder Veränderungen der Arterien der oberen Extremität betreffen die A. subclavia, A. axillaris, A. brachialis, A. radialis und A. ulnaris, A. interossea, die Hohlhandbögen und die Fingerarterien, sowie spezielle Situationen nach Eingriffen zur Schaffung eines Hämodialysezugangs oder kardialen Revaskularisationen. Klinisch wichtig sind akute und chronische Ischämiezustände durch Arteriosklerose, Embolie oder Verletzungen (traumatisch oder iatrogen), sowie Aneurysmen, funktionelle Syndrome und Steal-Situationen.
Die Arterien der oberen Extremität sind in ca. 10 % der peripheren arteriellen Gefäßverschlüsse betroffen. Bei chronischen arteriellen Verschlüssen treten klinische Symptome aufgrund guter Kollateralisierungsmöglichkeiten in etwa einem Drittel der Fälle auf.
Die Behandlung eines akuten Gefäßverschlusses mit kompletter Ischämie ist als Notfall erforderlich, um möglichst schnell eine Perfusion wiederherzustellen. Ursachen sind meist eine Embolie oder eine Gefäßverletzung (Kap. „Verletzung der Gefäße an Hals und Extremitäten“).
Inzidenz
  • 5–10 % der arteriellen Verschlüsse
  • 75–90 % chronische Prozesse
  • 10–25 % akuter Krankheitsbeginn
  • Geschlechtsverteilung Männer: Frauen 4:1
  • Chronisch arterielle Verschlüsse oft kurzstreckig und gut kollateralisiert
Lokalisation
  • 27 % A. subclavia (distal des Abganges der A. vertebralis) und A. axillaris
  • 3 % A. brachialis
  • 70 % Unterarm- und Handarterien

Klinik

Die Anamnese spielt bei der Entscheidung zu diagnostischen und therapeutischen Schritten eine wesentliche Rolle. Zu berücksichtigen ist eine mögliche Exposition durch besondere mechanische Belastung (beruflich oder privat) z. B. Vibrationen (Presslufthammer, Musiker, Kraftsportler), durch Toxinexposition sowie durch einen Substanzabusus mit möglicher intraarterieller Injektion durch den Patienten.
Die üblichen Risikofaktoren für Arteriosklerose (Nikotin, Hypertonus, Diabetes mellitus, dialysepflichtige Niereninsuffizienz) sind für die Entwicklung eines chronischen Verschlussprozesses bedeutend.
Neben den aktuellen Beschwerden
  • Schmerzen – Charakter, Dauer, Auftreten wann/Provokation?
  • Parästhesien?
  • Kältegefühl?
  • Krämpfe, Kraftlosigkeit, schnelle Ermüdung- positionsabhängig?
Erkrankungen oder Prädispositionen mit thrombophiler Diathese (Malignom, familiäre Veränderungen der Blutgerinnung, Thrombose, Systemerkrankung), frühere Traumen oder Erfrierungen sind ebenso wichtig wie kardiale Erkrankungen (absolute Arrhythmie bei Vorhofflimmern? Herzschrittmacher? ICD?) oder eine vorangegangene Bestrahlungstherapie. Zunehmend häufiger treten Ischämiesyndrome bei Patienten nach früheren Interventionen oder Operationen (PTA, OP, TEVAR, CABG mit IMA, CABG mit A. radialis, Dialyseshunt, Herzkatheter über A. radialis) auf.
Chronische Verschlussprozesse an der oberen Extremität können wie an der unteren Extremität asymptomatisch (Stadium I) sein. Bei Auftreten von Symptomen wird zunächst meist Kraftlosigkeit oder ein belastungsabhängiges Schweregefühl beschrieben (Stadium II). Bei weiterer Verschlechterung der Perfusion treten Ruheschmerzen (Stadium III) oder ischämische Gewebsnekrosen (Stadium IV) auf. In den Stadien III und IV besteht eine unmittelbare Amputationsbedrohung und damit eine absolute Behandlungsindikation (Tab. 1)
Tab. 1
Ischämiegrad und Behandlungsindikation
Stadium
Kennzeichnende Symptomatik
Operationsindikation
I
Asymptomatisch
Nur im Einzelfall bei peripherer Embolisation oder im Rahmen der Dialyseshuntchirurgie
II
Belastungsabhängiges Schweregefühl bis Leistungsminderung (Claudicatio-Schmerz)
Relativ, zusätzlich bei erheblicher Behinderung (Beruf, Hobby)
III
Ruheschmerz in den Fingern oder Hand
Absolut
IV
Nekrosen
Absolut

Diagnostik

Klinische Diagnostik

Eine sorgfältige klinische Untersuchung ist bei Patienten mit chronischem Ischämiesyndrom der oberen Extremitäten wichtig. Die Patienten können ungleiche Blutdruckwerte im Seitenvergleich, abgeschwächte oder fehlende periphere Pulse (axillär, brachial und radial/ulnar), und zervikale oder supraklavikuläre Strömungsgeräusche aufweisen. An ischämischen Veränderungen werden Ulzerationen oder Nekrosen an den Fingern beobachtet (Abb. 1)
Die klinische Untersuchung sollte die zerebrale Zirkulation überprüfen einschließlich einer Palpation der Karotispulse und einer Auskultation der Halsgefäße (A. vertebral sub-okzipital, A. carotis). Armschmerzen, Blässe, Parästhesien und Kältegefühl sollten untersucht werden. Der Allen-Test zur Bestätigung einer adäquaten Handdurchblutung sollte bei Patienten mit geplanter Verwendung der A. radialis durchgeführt werden (vor Shunt-Anlage, als Zugang zur Herzkatheteruntersuchung, als Koronargraft).
Klinische Untersuchung:
  • Inspektion (in Ruhe und nach Belastung): Blässe, Lividität, Hautveränderungen, trophische Störungen der Finger, Nekrosen, Gangrän, Narben, bestehender Dialyseshunt
  • Palpation der peripheren Pulse im Seitenvergleich, auch in Provokationsstellung (Kap. „Thoracic-outlet-Syndrom“), Hauttemperatur (Kühle?)
  • Der Allen-Test ermöglicht die Überprüfung der Kollateralisierung der Handdurchblutung:
    • Am Handgelenk des Patienten drückt der Untersucher die A. radialis und die A. ulnaris mit festem Druck ab. Damit wird die Blutzufuhr zur Hand unterbrochen. Dann wird der Patient aufgefordert, die Hand rasch zu öffnen und zu schließen, bis die Handfläche weiß wird.
    • Durch Loslassen wird die Unterbrechung der Blutzufuhr in einer der beiden Arterien aufgehoben und überprüft, ob die Hand wieder normal durchblutet wird. Bei ausreichender Kollateralisierung wird die Hand schnell rosig, bei fehlender oder insuffizienter Kollateralisierung bleibt sie weiß. Anschließend wird der Test wird mit der anderen Arterie wiederholt.

Apparative Diagnostik und Bildgebung

Neben Anamnese und klinischer Untersuchung sind zunächst nicht-invasive Untersuchungen sinnvoll:
  • RR-Messung im Seitenvergleich
  • Dopplersonografie speziell bei nicht manuell tastbaren Pulsen
  • Duplexsonografie zur Lokalisation von Stenosen oder Verschlüssen
  • Konventionelle Röntgenuntersuchung bei Trauma (Kap. „Gefäßverletzungen: Klassifikation und Diagnostik“) oder Kompressionssyndrom (Kap. „Thoracic-outlet-Syndrom“)
  • Magnetresonanzangiografie/-tomografie zur Lokalisation einer Obstruktion und ggf. Bestimmung der Verschlusslänge, bei akuter Symptomatik und in Provokationsstellung möglich (Abb. 2)
  • CT-Angiografie (speziell wichtig zur schnellen Diagnostik bei Traumapatienten)
  • Bei Vaskulitisverdacht (Durchführung meist an spezialisierten angiologischen Einrichtungen): Kapillarmikroskopie, bei funktionellen Durchblutungsstörungen: akrale Durchblutungsmessung mittels Segmentoszillographie der Ober- und Unterarme, Fingeroszillographie ggf. mit Provokationstests (Kälte, Wärme), Thermografie, Laserperfusionsmessung, Fluoreszenzangiografie
  • Für eine Differenzialdiagnose kann ergänzend eine fachneurologische Untersuchung mit EMG/NLG bei chronischen Prozessen mit Kompressionssyndrom, Atrophie, posttraumatischen Veränderungen wichtig sein
Invasive Untersuchungen (digitale Subtraktionsangiographie DSA) sind meist Situationen vorbehalten, in denen mit nicht-invasiven Untersuchungen keine eindeutige Diagnose gestellt werden konnte, oder häufiger in Interventionsbereitschaft zur unmittelbaren Therapie als perkutane Intervention (Perkutane transluminale Angioplastie (PTA), Rekanalisation, intraarterielle Katheter-Thrombektomie, intraarterielle Lysetherapie).
Im Gegensatz zur arteriellen Embolie ist bei einer arteriellen Thrombose (akut oder chronisch) die Symptomatik häufig subakut, da sich durch die vorbestehende arterielle Stenose bereits ein Kollateralkreislauf entwickelt hat.
Bei irreversiblen Gewebsnekrosen kann eine primäre (Teil-)Amputation der Extremität erforderlich werden.
Differenzialdiagnose
Bei chronisch kritischer Ischämie der oberen Extremitäten sind eine Reihe von Differenzialdiagnosen auszuschließen (Tab. 2) sowie Kombinationen von Ischämie und weiteren Erkrankungen möglich.
Thrombangiitis obliterans/Buerger-Syndrom
Arteriitis nach Bestrahlung
Kollagenosen/ Autoimmunhistopathien
CREST-, Sharp-, Sjogren-Syndrom
Chronisches Trauma
Hypothenar-Hammer-Syndrom
Kälteschaden
Klavierspielen
lokale Verletzung
Computerschreiben
Vibrationssyndrom
Externe Kompression
Kompressionssyndrom der A. brachialis
Karpaltunnelsyndrom
Tumoren
Alkohol
Kontrazeptiva
Clonidin
Cyanamid
Ergotamin
Noradrenalin
Pilztoxine
PVC
Schwermetalle
Zytostatika
Neurogene Ursachen
Neuritis
Polymyelitis
Postapoplexie
Auch bei chronischer Ischämie können neurologische Symptome (Parese, Parästhesie) im Vordergrund stehen. Hier sind differenzialdiagnostisch Schlaganfall, transitorisch ischämische Attacke, zervikaler Bandscheibenprolaps und nervale Kompressionssyndrome (z. B. Karpaltunnelsyndrom, Sulcus-ulnaris-Syndrom) zu evaluieren. Häufig kann der Pulsstatus im Seitenvergleich mit beidseitiger Blutdruckmessung schnell eine arterielle Genese der Beschwerden bestätigen oder ausschließen.
Schmerzen und Lividität der oberen Extremität können auch bei tiefen Venenthrombosen auftreten. Im Gegensatz zu arteriellen Erkrankungen besteht hier zumeist eine Schwellung der betroffenen Extremität, zusätzlich bei längerem Bestehen sichtbare Kollateralvenen im Schulterbereich.
Für Patienten mit chronischer Ischämie der Arterien der oberen Extremitäten ist eine Bildgebung von Aortenbogen und Extremität wichtig, um durch Bestimmung der genauen Verschlusslokalisation und -länge eine optimale Therapie einzuleiten. Nach orientierender Ultraschalldiagnostik sollte je nach Verfügbarkeit eine MRA (Abb. 3), CTA (Abb. 4) oder DSA (Abb. 5) zur weiteren Planung von Diagnostik und Therapie erfolgen. Für eine gefäßchirurgische exakte Operationsplanung hat im Gegensatz zur unteren Extremität die diagnostische digitale Subtraktionsangiographie (DSA) weiterhin eine große Bedeutung.
Duplex Ultraschall (DUS): die Duplex-Ultraschalluntersuchung der A. subclavia beidseits sollte Teil jeder Basisuntersuchung der Arterien der oberen Extremitäten und der Halsschlagadern sein. Eine hohe Flussgeschwindigkeit identifiziert eine mehr als 50 % Stenose. Die Diagnose sollte mittels transkranieller Dopplersonografie bestätigt werden (Veränderung des Blutflusses in der A. basilaris in Ruhe und/oder Hyperämie-Testung). Die distale A. subclavia, A. axillaris, A. brachialis, A. radialis und A. ulnaris sind mittels Duplexsonografie meist unmittelbar problemlos untersuchbar. Verschlüsse oder Stenosen können exakt lokalisiert werden. Die Planung einer offenen Operation erfordert dennoch zumindest ein Verfahren mit exakter Bildgebung präoperativ.
Die Magnetresonanz-Angiografie (MRA) ermöglicht die Gewinnung morphologischer und funktioneller Informationen. Dadurch kann antegrade von retrograder Durchblutung differenziert werden. MRA kann Gefäßerweiterungen (Dilatationen, Aneurysmen) und Verengungen der supraaortalen Gefäße darstellen, die mit Arteriitis oder Arteriosklerose vergesellschaftet sind.
Die CT-Angiografie (CTA) hat sich als gute Methode zur Darstellung supraaortaler Veränderungen auf dem Boden von Arteriosklerose gezeigt. Wesentliche Nachteile sind die Strahlungs-Exposition des Patienten, die Notwendigkeit der Verwendung nephrotoxischer Kontrastmittel und das Fehlen hämodynamischer Informationen.
Die digitale Subtraktionsangiografie (DSA) wird noch immer als der „Gold-Standard“ der Gefäßdarstellung betrachtet. Aufgrund ihrer Invasivität, Strahlenbelastung und zumeist Kontrastmittelverwendung (Ausnahme: CO2-Angiographie) wird sie heute vorwiegend in Kombination mit einer endovaskulären Therapie eingesetzt.
Die Positronenemissionstomografie (PET) eignet sich hervorragend zur Diagnosestellung und Langzeitkontrolle entzündlicher Erkrankungen (Takayasu-Arteriitis, M. Horton), aktuell jedoch nicht in der Diagnostik arteriosklerotischer Erkrankungen.

Therapie

Grundvoraussetzung für einen Therapieerfolg bei arteriosklerotisch bedingten chronischen Ischämiesyndromen ist die Risikofaktorkontrolle.
Auch bei asymptomatischen Patienten ist eine Thrombozytenaggregationshemmer-Therapie obligat aufgrund des erhöhten kardiovaskulären Todesrisikos dieser Patientengruppe.
Eine Revaskularisation ist bei symptomatischen Patienten mit verminderter Lebensqualität indiziert. Zusätzlich kann eine Revaskularisation bei asymptomatischen Patienten mit signifikanter Stenose der Verschluss einer A. subclavia indiziert sein, wenn zur Koronarrevaskularisation die Verwendung der A. mammaria als Bypassmaterial geplant ist.
Für eine Revaskularisation der Arterien der oberen Extremitäten können offen chirurgische oder endovaskuläre Verfahren oder eine Kombination aus beiden eingesetzt werden. Für die oberen Extremitäten gibt es aktuell keine randomisierten Studien, die endovaskuläre Verfahren mit offen chirurgischen Eingriffen direkt vergleichen. Bei beiden Therapieformen ist das Risiko einer schweren Komplikation niedrig.
Für symptomatische Patienten mit Kontraindikationen für endovaskuläre oder offen gefäßchirurgische Therapie können Prostanoid-Infusionen, die Implantation eines Spinal-Cord-Stimulationssystems (SCS) oder eine thorakozervikale Sympathektomie erwogen werden.
Endovaskuläre Verfahren
Im Bereich der A. subclavia wird zur Therapie kurzstreckiger Stenosen eine stentgestützte PTA mit guten mittel- und langfristigen Ergebnissen eingesetzt. Im Bereich der A. axillaris und A. brachialis stehen eine lokale Katheter-basierte Thrombolyse, eine Aspirationsthromb-/embolektomie und die Rotationsthrombektomie zur Verfügung. Nach Katheterlyse kann mit rt-PA (rekombinantem Tissue-Plasminogen-Aktivator als fraktionierte Gabe mit initial 10–20 mg i. a. und Fortsetzung in niedrigerer Dosis von 1–2,5 mg/h, Gesamtdosis von 50 mg rt-PA nur in Ausnahmefällen überschreiten) oder mittels Urokinase (initial 100.00 IE Urokinase i. a., weiter mit 60.000 IE/h über 12 h), jeweils unter systemischer Heparinisierung, bei einzelnen Patienten nach Demaskierung einer kurzstreckigen Stenose eine PTA, ggf. mit Stentimplantation, erfolgreich durchgeführt werden. Ein Aspirationsverfahren kann mit einer lokalen Thrombolyse kombiniert werden. Eine hoch dosierte systemische Thrombolyse wird in der Behandlung arterieller Verschlüsse derzeit nicht empfohlen. Für sämtliche Verfahren mit Verwendung von Medikamenten zur intraarteriellen Thrombolyse müssen Kontraindikationen zur Lyse vor Beginn ausgeschlossen werden (rezente Operation, gastrointestinale Blutung oder Ulkus, intrakranielle Blutung, Schlaganfall, Gerinnungsstörung, Thrombozytopenie).
Bei längerstreckigen Stenosen oder Verschlüssen der Arterien der oberen Extremität wird die Implantation von beschichteten Stents (z. B. Hemobahn®/Viabahn®) diskutiert. Hierzu liegen noch keine längerfristigen Ergebnisse zur Offenheitsrate der Rekonstruktion vor.
Chirurgische Therapie
Ziel einer operativ chirurgischen Therapie bei chronischer Ischämie der oberen Extremitäten ist die Wiederherstellung der Durchblutung. Nach Abschluss der Diagnostik und Dokumentation mittels bildgebender Verfahren können, je nach Lokalisation und Ausdehnung des arteriellen Verschlussprozesses, verschiedene Verfahren eingesetzt werden.
Bei kurzstreckigen hochgradigen Stenosen oder Verschlüssen stellt die lokale Thrombendarterektomie und Patchplastik das Verfahren der ersten Wahl dar, wenn ein chirurgischer Zugang auf den Verschlussprozess unmittelbar möglich ist (Kap. „Arteriovenöse Shunts als Gefäßzugang“) Als Patch-Material wird hier zumeist autologe Vene (z. B. Vena saphena magna) verwendet.
Bei längerstreckigen Verschlüssen oder anatomisch schwer zugänglichen Regionen wie z. B. der distalen A. subclavia werden Bypassverfahren eingesetzt. Dabei wird das Bypassverfahren in Abhängigkeit vom Verschlussmuster gewählt. Der proximale Anschluss kann dabei an der intrathorakalen Aorta mittels Thorakotomie oder Sternotomie, dem Truncus brachiocephalicus, der A. subclavia, der A. axillaris, der A. brachialis, aber auch der A. carotis angelegt werden. Bevorzugt wird – sofern verfügbar – eine autologe Vene als Bypassmaterial, da an der oberen Extremität durch Bewegungen in Schulter- und Ellenbogengelenk ein Bypass sehr großen mechanischen Belastungen ausgesetzt wird.
Aufgrund der besten Offenheitsraten im Verlauf ist hier das bevorzugte Material die Vena saphena magna.
Für die Erhaltung der Hand ist in der Regel bei offenem Hohlhandbogen die Durchgängigkeit einer Arterie (radialis oder ulnaris) suffizient. In der handchirurgischen Literatur werden hier sog. flow-reversal-Verfahren mit Arterialisierung peripherer Vene und distale Bypassanlagen auf den Hohlhandbogen oder Fingerarterien mittels mikrochirurgischer Techniken beschrieben. Diese Verfahren sind hoch spezialisierten Zentren in Einzelfällen vorbehalten.
Auch nach gelungener Revaskularisation können Grenzzonenamputationen erforderlich werden, wenn bereits ein irreversibler Gewebsverlust eingetreten ist (Abb. 1). Auch auf das Risiko einer sekundären Majoramputation bei Auftreten postoperativer Komplikationen wie Bypassverschluss müssen die Patienten präoperativ aufgeklärt werden.
Bei ausgedehnter Nekrose oder Gangrän der oberen Extremität kann aus vitaler Indikation die primäre Majoramputation indiziert sein.
Postoperativ erfolgen eine therapeutische Antikoagulation, die weitere Risikofaktoroptimierung sowie regelmäßige klinische Kontrollen der Extremität mit duplexsonographischen Kontrollen des postinterventionellen/-postoperativen Ergebnisses.
Kombinationseingriffe
Wie an der unteren Extremität sind Kombinationen von endovaskulären und offen chirurgischen Techniken in einem Hybrid-Operationssaal oder einem gefäßchirurgischen Operationssaal mit der Möglichkeit einer intraoperativen digitalen Subtraktionsangiographie möglich. Hierbei wird über den chirurgischen Gefäßzugang die endovaskuläre Therapie eines Zu- oder Abstromproblems im gleichen Eingriff mit einer chirurgischen Revaskularisation durchgeführt.
Komplikationen, Prognose und Nachbehandlung
Die häufigsten eingriffsbezogenen Komplikationen neben Nachblutungen im Wundgebiet sind in Tab. 3 dargestellt.
Tab. 3
Eingriffsbezogene Komplikationen
 
Inzidenz
Therapie
Iatrogene Wandläsion
0,4–4 %
Resektion und Veneninterponat
Lokale Rezidivverschlüsse
5–12 %
Sofortige Revision (Patchplastik, Segmentresektion mit Interponat, selten Bypass)
Re-Embolie
5–8 %
Kontrolle der Antikoagulation, Re-Eingriff: Ausschalten der Emboliequelle
Nach Wiederherstellen der Durchblutung ist eine der häufigsten Komplikationen das Auftreten eines Kompartmentsyndroms, speziell nach protrahierter Ischämie. Die Diagnose eines Kompartmentsyndroms kann an der oberen Extremität schwieriger sein als an der unteren. Regelmäßige Überprüfungen des Schwellungszustands des Arms, der Sensibilität und Motorik, und der Laborparameter (CK, Myoglobin im Serum) sind hier wichtig. Therapeutisch erforderlich wird bei Auftreten eines Kompartmentsyndroms die komplette Fasziotomie. Zumeist ist es zur Druckentlastung erforderlich, auch die Haut nicht wieder primär zu verschließen, sondern mit Epigard oder steriler Abdeckung zu behandeln und einen sekundären Wundverschluss oder eine Spalthautdeckung anzustreben.
Nachbehandlung
Die meist perioperativ begonnene Heparinisierung wird durch eine therapeutische Antikoagulation (unfraktioniertes Heparin oder niedermolekulares Heparin) fortgesetzt. In Abhängigkeit von der Grunderkrankung und den begleitenden Risikofaktoren des Patienten erfolgt im Anschluss eine lebenslange Behandlung mit einem Vitamin-K-Antagonisten (z. B. Marcumar®, Sintrom®) oder direkter oraler Antikoagulation (DOAK) über Thrombinhemmer (z. B. Dabigatran) oder Faktor Xa-Hemmer (z. B. Apixaban, Edoxaban, Rivaroxaban). Die Auswahl der individuell optimalen medikamentösen Therapie in Kooperation mit Fachkollegen der inneren Medizin ist hier anzuraten. Alternativ ist eine dauerhafte Gabe eines niedermolekularen Heparins möglich (cave: Osteoporose-Entwicklung). Bei rezidivierenden Ereignissen sollte eine thrombophile Diathese kausal ebenso ausgeschlossen werden wie eine erworbene Heparin-induzierte Thrombozytopenie (HIT-II-Syndrom).
Bei unklaren rezidivierenden Reverschlüssen muss an eine Heparin-induzierte Thrombozytopenie Typ II (HIT-II) gedacht werden und bis zu deren eindeutigem Ausschluss jede weitere Heparingabe vermieden werden.
Konservative Therapie
Eine konservative Therapie mit Analgesie und i.v.-Gabe von Prostanoiden ist ausschließlich bei inkompletter Ischämie und Ablehnung einer Operation durch den Patienten möglich (Kap. „Raynaud-Phänomen“).

Spezielle Situation: Steal-Syndrom durch Dialyseshunt

Mit „HAIDI“ (Haemodialysis access-induced distal ischaemia) wird in der Literatur ein durch einen Hämolyse-Zugang verursachtes Steal-Syndrom bezeichnet.
Die Anlage einer AV-Fistel als Hämodialysezugang verändert die Blutfluss-Verhältnisse der betroffenen Extremität, teilweise bis zur distalen Ischämie. Ein ischämisches Steal-Syndrom manifestiert sich als Schmerzen, Schwäche und Blässe, in schweren Fällen treten Ulzerationen und Gewebsverlust auf. Eine schwere, therapiepflichtige Ischämie tritt bei 4 % der Hämodialysezugänge auf. Leichtere Formen mit Schmerzen oder Parästhesien werden bei 10–20 % der Patienten nach Anlage eines Hämodialysezuganges beobachtet (Abb. 6).
Pathophysiologisch kann die Erklärung in einer inadäquaten arteriellen Kollateralisierung des Einstroms aufgrund einer chronischen arteriellen Verschlusskrankheit, speziell der mittelgroßen Arterien, oder durch zu hohen Fistelfluss in einem sog. high flow shunt mit zu hohem Abfluss über den Shunt liegen. Eine Vorhersage, bei welchem Patienten eine Shunt-Anlage zu einem Steal-Syndrom führen wird, ist schwierig. Das Risiko für die Entstehung eines Steal-Syndroms ist erhöht bei Patienten mit Diabetes mellitus, nach wiederholten Shunt-Anlagen, und bei proximal angelegten Shunts (Abb. 7). Zur besseren Einschätzung der arteriellen Situation bei der Shunt-Planung werden sonographische Verschlussdruckmessungen an den Fingern (DBI – digital brachial index, pathologisch DBI<0,7) und Photoplethysmographie eingesetzt. Die Zuverlässigkeit der Vorhersage mit diesen Methoden ist eingeschränkt. Ergänzend kann eine Sauerstoffsättigungsmessung an den Fingern durchgeführt werden (HAIDI: Sättigung <94 %)
Die Techniken zur Therapie des Steal-Syndroms umfassen nach Diagnostik mittels Shunt-Flussmessung, Duplexsonografie und DSA in Interventionsbereitschaft eine Verbesserung des arteriellen Zu- und Abstroms bei chronischer Verschlusskrankheit der Extremität. Eine Drosselung des Shunt-Blutflusses durch Banding kann die Symptome lindern, ohne den Hämodialysezugang aufzugeben. Eine „DRIL-Prozedur“ (distal revascularization and interval ligation) kann bei ausgewählten Patienten die Steal-Situation beheben. In schweren Fällen bleibt nur der Verschluss der AV-Fistel.
Eine operative Intervention bei ischämischem Steal-Syndrom behebt die Ischämie bei 80–95 % der Patienten erfolgreich. Bei wenigen Patienten persistieren die Schmerzzustände, obwohl die Ulzerationen abheilen.