Operative und interventionelle Gefäßmedizin
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Verfasst von:
Rüdiger G. H. Baumeister
Publiziert am: 25.05.2019

Erkrankungen der Lymphgefäße: Operative Therapie

Lokal unterbrochene Lymphabflusswege finden sich insbesondere nach medizinischen Maßnahmen an Engstellen wie der Achsel, der Leisten oder Beckenregion oder auch an der Innenseite des Knies. Selten findet sich eine lokale Unterbrechung auch bei primären Lymphödemen.
Bei derartigen regional begrenzten Ursachen von Lymphödemen besteht die Möglichkeit durch körpereigene Lymphgefäße, die von der Innenseite des Oberschenkels entnommen werden, in Form eines Bypasses eine Rekonstruktion innerhalb des Lymphgefäß-Systems durchzuführen.
Präoperative Abklärungen beinhalten eine Lymphszintigraphie an der betroffenen Extremität sowie am Spenderbein und gegebenenfalls eine MRI Lymphographie bei primären Lymphödemen. Intraoperativ kommt eine Darstellung von Lymphbahnen durch Patente blau V® zum Einsatz.
Die Indikation zur Rekonstruktion ergibt sich nach einer leitliniengerechten konservativen Therapie entsprechend den Bedürfnissen der Patienten.

Einführung

Als operative Therapiemaßnahmen für die Behandlung von Lymphödemen wurden eine Reihe von Behandlungen vorgeschlagen.
Bei den sogenannten Resektionsmethoden handelt es sich um Entfernung von überschüssigem Gewebe, das durch den Rückstau von Lymphe gebildet wurde. Die Methoden reichen dabei von lokalen Entfernungen des veränderten Subkutangewebes, wie auch von Entfernung von Subkutangewebe unter Einschluss der darüber liegenden Haut und/oder der darunterliegenden Faszie. Moderne Resektionsverfahren werden in Form einer Liposuktion durchgeführt.
Weitere operative Methoden, die sich unter „ableitenden Methoden“ zusammenfassen lassen, stellen einen Abfluss von Lymphe in das periphere Venensystem her. Dies kann entweder durch eine rumpfnahe Einleitung mehrerer Lymphgefäße in größere Venen geschehen oder unter der Bezeichnung „Supramicrosurgery“ durch Einleitung oberflächlicher kleinerer Lymphgefäße in kleine periphere Venen. Die mikrochirurgische Lymphknotenverpflanzung stellt ebenfalls eine Möglichkeit dar, Lymphe durch Lymphknoten hindurch in das periphere Venensystem abzuleiten.
Die in diesem Kapitel vorgestellte Rekonstruktion eines lokal unterbrochenen Lymphgefäßsystems durch patienteneigene Lymphkollektoren in Form eines gefäßchirurgischen Bypasses stellt die Möglichkeit dar, die Druckverhältnisse im Lymphgefäßsystem, das geringe Gerinnungspotenzial der Lymphe, sowie die speziellen Eigenheiten der Lymphkollektoren, die eigene Anastomosierungsfähigkeit, sowie den aktiven Transport zu nutzen.

Voraussetzungen und Indikation

Lymphgefäße sind ein Teil des Gefäßsystems, wobei Besonderheiten in Betracht gezogen werden müssen. Die Winzigkeit der Gefäße erfordert besondere technische, instrumentelle, manuelle und psychische Voraussetzungen. Bei den technischen Voraussetzungen steht das Operationsmikroskop an erster Stelle. Hier sind eine möglichst starke Lichtquelle und eine möglichst hohe Vergrößerung anzustreben. Der Operateur sollte, ähnlich wie ein Uhrmacher eine Unterstützung seiner Unterarme ermöglichen, um allein seine Hände für den Eingriff einsetzen zu müssen und somit Wackelartefakte weitgehend ausschließen zu können. Die Operationsinstrumente sollten darüber hinaus aus diesem Grund möglichst ergonomisch gestaltet und möglichst leichtgängig sein.
Basierend auf diesen Voraussetzungen ist eine ausgeglichene und ausdauernde psychische Verfassung des Operateurs wichtig. Sind diese Voraussetzungen gegeben, können bei Lymphgefäßen Anastomosen in End-zu-End- wie auch End-zu-Seit-Modifikationen durchgeführt werden (Abb. 1, 2 und 3). Lymphgefäßsegmente können dann auch als freie Transplantationen oder gestielte Transpositionen eingesetzt werden (Baumeister und Frick 2003).
Wie auch bei anderen Erkrankungen des Gefäßsystems muss man bei Lymphgefäßen auf unterschiedliche Pathologien der Gefäße gefasst sein. Bei Lymphgefäßen wird man nicht auf Verkalkungen stoßen, wohl aber auf Wandfibrosierungen.
Eine Besonderheit, die nur bei Lymphgefäßen zu finden ist, ist ihre Fähigkeit, Lymphe aktiv mit Hilfe der intramuralen Muskulatur autonom zu transportieren. Es ist also bei Rekonstruktionen, die innerhalb des Lymphsystems durchgeführt werden, nicht unbedingt eine „vis a tergo“ notwendig, wie dies bei lymphvenösen Verbindungen unabdingbare Voraussetzung ist. Eher kann mit einer Sogwirkung durch die gesunden Lymphtransplantate gerechnet werden.
Für rekonstruktive Maßnahmen eignen sich insbesondere Hauptkollektoren mit einem Durchmesser ab etwa 0,3 mm. Derartige Lymphkollektoren finden sich am Oberschenkel des Menschen im sogenannten ventro-medialen Bündel. Dieses spielt eine zentrale Rolle als Spenderzone für Lymphgefäßtransplantate (Kubik 1975). Eine sehr gute Indikation für eine Lymphgefäßverpflanzung sind insbesondere Lymphödeme nach operativen Eingriffen, die zu einer lokalen Lymphabstrombehinderung geführt haben (Baumeister et al. 2016; Baumeister 2017). Eine derartige Rekonstruktion setzt an der Ursache der Lymphödementstehung an. Sie besteht in einer gestörten Balance zwischen lymphpflichtiger Last und lymphatischer Transportkapazität (Földi-Börcsök 1972). Die Erhöhung der Anzahl funktionierender Lymphbahnen vermag daher die Balance zu verbessern und im Idealfall die lymphatische Transportkapazität wieder über die lymphatische Last zu bringen (Weiss et al. 2002).
Die rekonstruktive Mikrochirurgie der Lymphgefäße sollte nicht isoliert von den konservativen Therapien betrachtet werden. Es bestehen durchaus zeitliche und stadienbezogene Ergänzungen. Zunächst sollten die spontanen Regressionen von Lymphödemen Beachtung finden, die etwa einen Zeitraum von 6 Monaten benötigen. Diese Zeitspanne sollte zumindest genutzt werden, um eine konservative Therapie durchzuführen. Hierzu gehören die manuelle Lymphdrainage, die Kompressionsbehandlung und entstauende Übungen neben einer adäquaten Hautpflege (Kap. „Erkrankungen der Lymphgefäße: Klinik und konservative Therapie“).
Im Anschluss an diese Phase sollte allerding nicht zu viel Zeit verloren werden, um den Patienten zumindest auf die Möglichkeit einer rekonstruktiven Therapie hinzuweisen, wenn es sich um ein Lymphödem aufgrund einer lokalen Lymphabflussbeeinträchtigung handelt.
Elemente einer konservativen Behandlung können auch im weiteren Verlauf der Behandlung eine Rolle spielen. So wird bereits unmittelbar postoperativ eine zusätzliche Unterstützung des Zustroms zu den Anastomosen durch eine Wickelung oder eine Kompressionsbestrumpfung in Erwägung gezogen. Wir führen eine 6-monatige Kompression nach einem operativen Verfahren durch, um hierdurch den Zustrom zu den Anastomosen zu befördern.
Im weiteren Verlauf ist zwar ein vollständiger Verzicht auf eine Zusatztherapie das Ziel einer rekonstruktiven Behandlung, jedoch kann bei einem Teil der Patienten eine additive, persistierende konservative Therapie notwendig werden, wie sie bei anderen operativen Therapieformen ein absolut notwendiger Bestandteil ist (Brorson und Svenson 1997).
Vor einem ersten klinischen Einsatz der Lymphgefäßchirurgie im Juli 1980 standen ausgedehnte experimentelle Vorarbeiten (Baumeister et al. 1980, 1981a, b, 1982).
Entsprechend erscheint vor einer klinischen Anwendung durch den Operateur eine tierexperimentelle Trainingsphase unabdingbar. Erfahrungen haben gezeigt, dass die Basistechniken der lymphatischen Anastomosierung und Transplantation von Lymphgefäßen im Tiermodell relativ schnell erlernt werden können. Die Verhältnisse bei pathologisch veränderten Lymphgefäßen am Patienten sind allerdings noch anspruchsvoller, sodass hier eine entsprechende Sicherheit vorab im Tiermodell erreicht werden muss.
Für derartige Übungen eignet sich das Rattenmodell am besten. Erste Übungen können am D. thoracicus durchgeführt werden, der sich auf der rechten Seite der Aorta befindet. Nach einer Mahlzeit ist er als weißliche Struktur gut zu erkennen. Hier können partielle Anastomosen oder auch Implantationen von Lymphbahnsegmenten trainiert werden. Für Fortgeschrittene und zur Einübung von Anastomosen zwischen Lymphkollektoren und Lymphknoten wird man dann auf die lumbalen Lymphbahnen übergehen (Wallmichrath et al. 2009).
Voraussetzung für eine Verpflanzung von Lymphgefäßen ist ein entsprechendes Spendergebiet. Anatomische und klinische Studien haben gezeigt, dass sich das ventro-mediale Bündel an der Innenseite des Oberschenkels gut als Spendergebiet eignet (Abb. 4). Hier verlaufen bis zu 16 Lymphbahnen zu den inguinalen Lymphknoten (Kubik 1975). Zwischen den lymphatischen Engstellen an der Leiste und an der Innenseite des Knies können Transplantate entnommen werden. Die Länge entspricht dabei gut den notwendigen Abständen, die zwischen Oberarm und Hals bei Armlymphödemen infolge von Eingriffen in der Achsel und dem gegenüberliegenden Oberschenkel bei einseitigen Beinödemen überwunden werden müssen.
Eine weitere Voraussetzung für eine Lymphgefäßverpflanzung besteht im Vorliegen einer regionalen Behinderung oder Unterbrechung des Lymphgefäßsystems. Dies ist bei den meisten sekundären Lymphödemen der Fall. Auch eine besondere Form von primären Lymphödemen zeigt eine einseitige lokale Lymphbahnproblematik im Leisten- und Beckenbereich (Kinmonth 1982) Vor und nach dem Bereich müssen anastomosierbare Lymphbahnen oder Lymphknoten vorhanden sein. Man wird aber nicht erwarten dürfen, dass im Lymphödemgebiet unveränderte Lymphbahnen gefunden werden, insbesondere dann, wenn die Gelegenheit einer frühzeitigen Rekonstruktion nicht genutzt wurde.
Die Transplantate können dabei durchaus durch bestrahltes Gebiet verlaufen, es sei denn, es besteht ein massiver Strahlenschaden. Die von Rubin und Casarett (1968) beschriebenen perivaskulären Strahlenfolgen mit Fibrosierungen um die Gefäße, die auch zu einem späteren Auftreten eines Lymphödems führen können, betreffen die Transplantate nicht, da sie nicht bestrahlt wurden.
Für die Entnahme von Transplantaten ist es unabdingbar, das Risiko eines resultierenden Lymphödems möglichst auszuschließen. Eine Lymphsequenzszintigraphie sollte einen normalen Lymphabstrom ergeben, da insbesondere bei primären Lymphödemen mit einem Auftreten auch am kontralateralen Bein mit einem zeitlichen Abstand gerechnet werden muss. Aber auch bei sekundären Lymphödemen sollte nach klinisch okkulten Lymphtransportstörungen gefahndet werden. Diese könnten nach einer Entnahme von Lymphbahnen möglicherweise klinisch manifest werden.
Intraoperativ wird Patentblau V® subdermal in den ersten und zweiten Interdigitalraum am Fuß injiziert und durch passive Flexions- und Extensionsbewegungen an den Gelenken des Beins der Abstrom forciert. Nach etwa 15 Minuten erreicht der Farbstoff die inguinalen Lymphknoten. Bei diesem Manöver sollte auf das Auftreten eines „dermal back flows“ geachtet werden. Dieser spräche für das Vorliegen eines gestörten Lymphtransports und somit gegen die Entnahme von Transplantaten.
Die Inzision erfolgt unterhalb des Leistenbandes mit einer zunächst kurzen longitudinalen Inzision zwischen der palpablen A. femoralis und der V. saphena magna. Durch stumpfe Präparation bis zur tiefen Faszie zeigen sich in der Regel die gefärbten Lymphkollektoren mit bloßem Auge. Die Inzision wird in Segmenten nach distal verlängert entsprechend dem Verlauf der Lymphkollektoren, die für eine Transplantation in Betracht gezogen werden. Seitlich abgehende Äste werden im mittleren Teil der Transplantate durchtrennt und ligiert. Im distalen Bereich und im proximalen Bereich werden die Seitenäste verfolgt und nach Möglichkeit für zusätzliche Anastomosen verwendet. Auf diese Weise lassen sich bei der Entnahme von etwa 2–3 Kollektoren deutlich mehr periphere und ggf. auch zentrale Anastomosen fertigen.
Die inguinalen Lymphknoten, wie auch die Lymphbahnen an der Innenseite der Knieregion, die eine Engstelle des Lymphsystems bedeuten, werden nicht tangiert. Bei freien Transplantaten werden die Lymphgefäße zentral mit Ligaturen verschlossen die lang gelassen werden, um die Transplantate später durch eine Redon-Drainage ziehen zu können (Abschn. 3). Bei einseitigen Beinödemen werden die Lymphkollektoren an den Leistenlymphknoten gestielt belassen und später mit dem peripheren Ende voraus zum gegenseitigen Bein transportiert (Abschn. 4).

Freie Verpflanzung von Lymphgefäßen zur Überbrückung von Defekten in der Axilla

Behinderungen des lymphatischen Transports in der Axilla sind zumeist Resultate einer Mammakarzinomtherapie mit Resektion von Lymphknoten. Sehr wahrscheinlich ist bei diesen Patientinnen das lange Oberarmbündel, das aus 1–2 Lymphkollektoren besteht, nicht vorhanden. Diese würde eine direkte Lymphbahn-Verbindung von Oberarm zu infra-und retro-claviculären Lymphbahnen darstellen und die Entstehung eines Lymphödems verhindern können (Kubik 1975). Ab etwa 2 Lymphgefäßtransplantaten scheint sich nach dieser Vorstellung dieses Defizit gut ausgleichen zu lassen.
Die Lymphgefäßtransplantation zielt darauf ab, Hauptkollektoren am Oberarm, die unmittelbar epifaszial verlaufen und sich zumeist im Bereich des Verlaufs der großen Gefäße befinden, mit Lymphbahnen oder Lymphknoten am Hals zu verbinden. Auf diese Weise wird eine Rekonstruktion innerhalb des Lymphsystems gebildet. Da sich in der Regel weitere Lymphknoten zwischen der Anastomose und dem Venenwinkel befinden, ist auch eine immunologische Kontrolle der Armlymphe gewährleistet. Klinisch werden auch die peripheren Partien, fernab von den lymphatischen Anastomosen, effizient entstaut (Abb. 5, 6 und 7)
Distal der Axilla wird in der Regel an der Innenseite des Oberarms im Bereich der tastbaren A. brachialis die Haut oberflächlich in einer Länge von etwa 5 cm quer inzidiert. Durch vorsichtige stumpfe Präparation werden die längsverlaufenden Strukturen isoliert. Hier finden sich neben kleinen Blutgefäßen und kleinen Nerven sowie bindegewebigen Strängen auch Lymphgefäße. Oberflächlich stößt man auf kleinere Lymphgefäße, während die Hauptkollektoren tiefer, nahe der Faszie laufen.
Während Nerven meist als hell weiße und mit silbrigen Querstreifen versehene Strukturen relativ auffällig sind, sind Lymphkollektoren eher matt grau imponierend, können aber mit zunehmender Fibrose auch weißlich erscheinen. Diese Strukturen werden mittels feinster „vessel-loops“ angeschlungen. Sie dürfen jedoch nicht mit normalen Klemmen fixiert werden, da deren Gewicht die Gefahr des Zerreißens der Lymphgefäße bedeuten würde. Es empfiehlt sich, die „vessel-loops“ mit Minibulldogs zu befestigen.
Da der schlechte Transport von Farbstoffen charakteristisch für Lymphödeme ist und eine Applikation eher in einer oberflächlichen diffusen Verteilung mündet, wird auf eine Injektion eines Farbstoffes (Patentblau V®) im Ödemgebiet verzichtet.
Gegebenenfalls kann die Verifizierung der angeschlungenen Strukturen als Lymphkollektoren erst nach einer Durchtrennung erfolgen. Hier muss ein Lumen, das in fortgeschrittenen Stadien auch sehr klein sein kann, zur Darstellung zu bringen sein.
Die zentralen Anschlussstellen werden von einer etwa 3 Querfinger oberhalb der Klavikula liegenden Inzision von etwa 3 cm Länge aufgesucht. Der dorsale Rand des Musculus sternocleidomasteoideus wird ggf. eingekerbt, um die lateral der Vena jugularis interna unterhalb des Muskels liegenden Lymphbahnen und Lymphknoten aufzusuchen. Die retroaurikuläre Injektion einer kleinen Menge von Patentblau V® kann evtl. durch eine Verfärbung der Lymphbahnen die Suche erleichtern, da die Lymphbahnen am Hals eine äußerst zarte Wand aufweisen und durchscheinend sind. Lymphknoten zur Vornahme von lympholymphonodulären Anastomosen sind hier deutlich leichter zu präparieren.
Auch diese Lymphbahnen und Lymphknoten werden analog zum Vorgehen am Oberarm mittels „Vessel-Loops“ angeschlungen.
Zwischen den beiden Inzisionen wird stumpf im Subkutan-gewebe mit einem langen Pean oder einer Kornzange ein Tunnel präpariert. Erreicht die Spitze des Instruments die entgegengesetzte Wunde, kann ein zuvor präparierter Redon-Schlauch gefasst werden und in den Tunnel eingezogen werden. Für diesen Redon-Schlauch sollte ein möglichst großes Kaliber, z. B. Charrier 18 gewählt werden. Er wird auf eine Länge gekürzt, die etwas länger ist, als dem Abstand zwischen den beiden Inzisionen entspricht. In diesen Redon wird zudem ein kräftiger, geflochtener Faden z. B. 3-0, eingeführt und mit 2 unterschiedlichen Klemmen gefasst. Der originale Rand mit den runden Kanten wird später an die Eintrittsstelle des Durchzugs gelegt, damit die Lymphbahnen möglichst nicht zusätzlich traumatisiert werden. Auch eine Befeuchtung des Lumens mit Ringerlösung dient der Protektion der Transplantate.
Nach Durchzug der Transplantate wird der Redon-Schlauch entfernt. Die Lymphgefäße liegen nun unversehrt im Subkutangewebe. Am Oberarm werden die Transplantate End–zu-End mit Hauptkollektoren, die oberhalb der Faszie verlaufen, anastomosiert. Am Hals erfolgt die Anastomosierung lympholymphatisch entweder End-zu-End oder End-zu-Seit mit Lymphbahnen, die vom Kopf zum Venenwinkel ziehen.
Manchmal ist es einfacher, die Transplantate an Lymphknoten zu anastomosieren. Hierzu wird eine Öffnung in die Kapsel geschnitten, die etwa dem Durchmesser des Lymphkollektors entspricht. Wird nur die Kapsel durchtrennt, kommt es nicht zu Blutungen, und ein direkter Zugang zu den Randsinus ist eröffnet. Die Anastomosierung erfolgt ebenfalls mit Einzelknopfnähten. Etwa 4 Nähte sind erforderlich (Wallmichrath et al. 2009).

Transposition von Lymphbahnen bei einseitigen Beinlymphödemen

Besteht ein Lymphödem an einem Bein aufgrund einer Lymphabflussblockade im Leisten- oder Beckenbereich und ist der Lymphabfluss auf der Gegenseite ungestört (was mittels Lymphszintigraphie zu überprüfen ist), so besteht die Möglichkeit einer Ableitung aus dem erkrankten Gebiet zur gesunden Seite. Am Spenderbein bleiben dabei die Lymphgefäße an den inguinalen Lymphbahnen fixiert und werden hier nicht, wie bei den freien Transplantationen, abgetrennt. Am ödematösen Bein werden wiederum Hauptlymphkollektoren oberhalb der Faszie distal der Inguinalregion aufgesucht.
Zwischen den beiden Inzisionen wird analog dem Vorgehen an der oberen Extremität mittels eines Redon-Schlauchs ein provisorischer Tunnel gebildet, in den die Lymphgefäße eingezogen werden. Nach Entfernung des Redon-Schlauchs liegen auch hier die Lymphgefäße im Subkutangewebe. Sie verlaufen knapp oberhalb der Symphyse, sodass sie auch bei späteren Eingriffen am Unterbauch weitestgehend geschützt sind. Wenn möglich, wird ihre Länge reichlich bemessen, damit bei einem abrupten Spreizen der Beine keine unerwünschte Zugwirkung entsteht.
Nach der Anastomosierung mit den aufsteigenden Kollektoren im Lymphödemgebiet kann die Lymphe über die transponierten Lymphgefäße zu den kontralateralen inguinalen Lymphknoten und von dort weiter nach zentral abfließen (Abb. 8).

Behandlung lymphatischer Defekte in der Extremitätenperipherie sowie von Penis und Skrotum ödemen

Lokale Unterbrechungen des Lymphgefäßsystem mit der Entstehung peripherer Lymphödeme lassen sich auch kurze Lymphgefäß Segmente überbrücken, wie etwa nach einer ausgedehnten posttraumatischen Vernarbung (Abb. 9) Besonders kritisch ist die Innenseite des Knies, da hier die Lymphkollektoren eng gedrängt verlaufen. Quer verlaufende längere Inzisionen bergen die Gefahr der Schädigung mehrer Lymphbahnen und der Entwicklung eines peripheren Lymphödem. Auch hier kann die Defektstelle durch kurze Lymphkollektorsegmente, überbrückt werden und das Lymphödem deutlich verbessert werden (Abb. 10 und 11).
Ein besonderes Problem für die konservative Therapie stellen Penis- und Skrotum-ödeme dar. Ist ein ungestörter Lymphabfluss am Bein gesichert, können kurze Lymphkollektor-segmente zur Penis- und Skrotum-Wurzel transponiert werden und hier mit den ableitenden Lymphkollektoren anastomosiert werden (Abb. 12).

Mikrochirurgische Operationen an Lymphgefäßen bei Lymphfisteln und Lymphozelen

Auch bei Lymphozelen und Lymphfisteln können mikrochirurgische Maßnahmen an Lymphgefäßen indiziert sein, wenn konservative Behandlungsversuche (i. e. lokale Kompression, Wickelung der Extremität, Instillation von sklerosierenden Agenzien) nicht zum Ziel führen. Zumeist gelingt es, die zuführenden Gefäße nach Instillation von Patentblau V® zu identifizieren. Sie können dann isoliert unterbunden werden, wenn kein Zeichen einer Stauung vorhanden ist. Zeigt sich danach eine Stauung oder ist ein Ödem bereits vorhanden, so sollte eine Ableitung der Lymphe ermöglicht werden. Da derartige Prozesse häufig nach inguinalen Inzisionen auftreten, ist hier die Möglichkeit einer Ableitung durch Anastomosierung der zuführenden Lymphgefäße mit transponierten oder transplantierten Lymphkollektoren gegeben. Alternativ können End-zu-Seit-Anastomosen mit nahegelegenen durchgängigen Lymphkollektoren durchgeführt werden.
Ist auch dies nicht möglich, bleibt die Anlage von lymphovenösen Anastomosierungen.

Zusammenfassung

Das Lymphödem wird durch einen eingeschränkten Abfluss lymphatischer, proteinreicher Flüssigkeit verursacht und ist Folge einer Obliteration, Destruktion oder Malformation lymphatischer Gefäße bzw. Lymphknoten. Die häufigsten Ursachen sind ein (chirurgisches) Trauma mit Unterbrechung der Lymphbahnen, eine Bestrahlung oder- weltweit gesehen- eine Filarieninfektion.
Bei regional begrenzten Ursachen von Lymphödemen besteht die Möglichkeit, durch körpereigene Lymphgefäße, die von der Innenseite des Oberschenkels entnommen werden, in Form eines Bypasses bzw. einer Umleitung eine Rekonstruktion innerhalb des Lymphgefäß-Systems durchzuführen.
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