Einleitung
Sascha Tank, Sebastian Debus und Thoralf Kerner
Eine sorgfältige präoperative Risikoevaluation der Patienten, die sich einem gefäßmedizinischen Eingriff unterziehen müssen, ist aufgrund der hohen
Prävalenz perioperativer, kardiovaskulärer Risikofaktoren entscheidend (Stadlbauer et al.
2013). Im periprozeduralen Management der Patienten ist es daher wichtig, die präoperative Therapie zu optimieren, das Allgemeinbefinden zu erhalten, die Mobilität so früh wie möglich wiederherzustellen und Komplikationen zu vermeiden. Neben der Implementierung minimal-invasiver Operationstechniken und endovaskulärer Verfahren (Greiner et al.
2013) kann durch ein interdisziplinäres und interprofessionelles Zusammenspiel von Chirurg, Anästhesiologe, Internist, Radiologe, Physiotherapeut und Pflegepersonal eine Reduktion des perioperativen Risikos erreicht werden. In der Gefäßchirurgie scheint das Fast-Track-Konzept trotz wissenschaftlich belegter Vorteile für den perioperativen Verlauf noch nicht flächendeckend etabliert zu sein. Dabei ergeben sich jedoch gerade für die häufig multimorbiden Patienten in der Gefäßmedizin wesentliche Vorteile.
Das Fast-Track-Konzept wurde von dem dänischen Chirurgen Henrik Kehlet ursprünglich für die Viszeralchirurgie eingeführt. Im Vergleich zum konventionellen Management konnte er über eine Standardisierung und Optimierung der perioperativen Abläufe neben einer Verbesserung des Wohlbefindens auch die Morbidität und die Mortalität u. a. durch eine Senkung der Komplikationsrate reduzieren und eine Verkürzung der Liegedauer erreichen. Es liegt daher auf der Hand, dieses Konzept auch auf die rekonstruktive Gefäßchirurgie anzuwenden und bedarfsgerecht zu modifizieren.
Präoperatives Management
Sascha Tank, Sebastian Debus und Thoralf Kerner
Grundsätzlich kann das Fast-Track-Konzept bei allen elektiven arteriellen Gefäßrekonstruktionen angewendet werden und ist somit nicht auf abdominelle Eingriffe beschränkt (Gregor et al.
2008). Um das Fast-Track-Konzept zu etablieren, sollten alle beteiligten Fachdisziplinen und Berufsgruppen (d. h. ärztliches und pflegerisches Personal, Physiotherapie, Ernährungstherapie etc.) durch externe und interne Fortbildungen geschult werden.
Oberstes Ziel der präoperativen Vorbereitung ist die Evaluation des perioperativen Risikos einschließlich einer präoperativen Therapieoptimierung, der Einschätzung der Operationsfähigkeit und der Minimierung kalkulierbarer Komplikationen (Tank et al.
2013,
2014). Die „Empfehlungen zur präoperativen Evaluation erwachsener Patienten vor elektiven, nicht kardiochirurgischen Eingriffen“, die 2010 gemeinsam von der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und
Intensivmedizin (DGAI), der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) und der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) veröffentlicht wurden (Böhmer et al.
2014; Zwisler et al.
2010) und die europäischen Leitlinien aus dem Jahr 2014 (European Society of Cardiology/European Society of Anaesthesiology
2014) sollen dabei helfen die präoperative Vorbereitung zu optimieren und eine unnötig belastende und kostenverursachende Diagnostik zu vermeiden.
Durch die Anamneseerhebung und die körperliche Untersuchung müssen bestehende Vorerkrankungen erfragt und deren Schweregrad erfasst werden. Besonderes Gewicht wird bei gefäßchirurgischen Patienten auf die Identifizierung der klassischen Begleiterkrankungen (
arterielle Hypertonie,
Herzinsuffizienz, koronare Herzkrankheit, chronisch obstruktive Atemwegserkrankungen,
Diabetes mellitus) gelegt (Schumacher et al.
2002; Wilmore et al.
2001).
Bei eingeschränkter Belastbarkeit des Patienten erfolgt zur Beantwortung spezieller Fragestellungen eine kardiologische Konsiliaruntersuchung, ggf. mit weitergehender kardiologischer Diagnostik (Ergometrie,
transthorakale Echokardiographie, Koronarangiographie). Bei Vorliegen pulmonaler Vorerkrankungen wird eine Lungenfunktionsprüfung ggf. kombiniert mit einer
Spiroergometrie durchgeführt (Kap. Indikationsstellung in der operativen und interventionellen Gefäßmedizin).
Zur anästhesiologischen
Prämedikationsvisite sollten alle operativ/interventionell notwendigen Befunde (z. B. dopplersonographischer und duplexsonographischer Gefäßstatus, ggf. Thorax-/Abdomen-CT, ggf. Angiographie – DSA, CTA, MR-DSA) vorliegen. Abhängig vom Ergebnis der Prämedikationsvisite muss ggf. eine weiterführende Diagnostik veranlasst werden.
-
Laborchemische Diagnostik: Die Bestimmung von Laborparametern sollte kein Routinediagnostikum sein, sondern zur Beurteilung auffälliger Befunde in der Anamnese und der körperlichen Untersuchung angeordnet werden. Bei bestehenden Organdysfunktionen sollten Laborparameter organspezifisch bestimmt werden. Bei der Einnahme von gerinnungsbeeinflussenden Medikamenten müssen die entsprechenden Gerinnungsparameter bestimmt werden.
-
Elektrokardiogramm: Da gefäßchirurgische Interventionen definitionsgemäß ein hohes Risiko bedeuten, wird bei allen Patienten ein präoperatives Elektrokardiogramm empfohlen. Nach den Leitlinien (Zwisler et al.
2010) ist ein präoperatives
EKG empfohlen bei
-
„kardial asymptomatischen Patienten vor Eingriffen mit hohem kardialen Risiko,
-
Patienten mit mehr als einem kardialen Risikofaktor und Eingriffen mit mittlerem Risiko,
-
Patienten mit klinischen Symptomen einer ischämischen Herzerkrankung, bei
Herzrhythmusstörungen, Klappenerkrankungen, Herzvitien oder einer
Herzinsuffizienz sowie Trägern eines implantierten Defibrillators (AICD)“ (Böhmer et al.
2014).
-
Thorax-Röntgenaufnahme: Eine Röntgenaufnahme der Thoraxorgane ist nur bei Patienten mit pulmonalen und/oder kardialen Erkrankungen mit spezieller Fragestellung indiziert.
Nach Abschluss der Voruntersuchungen wird in einer interdisziplinären Konferenz anhand der Befunde ein auf den Patienten zugeschnittenes Therapiekonzept festgelegt.
Wird die Indikation zur Operation gestellt, folgen die chirurgische und anästhesiologische Aufklärung des Patienten sowie die Information über das Fast-Track-Konzept in Form eines Aufklärungsbogens, der dem Patienten erklärt und mitgegeben wird. Nur Patienten, die Verständnis und Einsicht in dieses Behandlungskonzept aufbringen können, werden für das Fast-Track-Programm vorgesehen.
Um den stationären Aufenthalt so kurz wie möglich zu halten, erfolgt die Aufnahme des Patienten am Operationstag oder einen Tag vor dem vereinbarten Operationstermin. Am Abend vor dem Eingriff wird auf der peripheren Station auf eine ausreichende Trinkmenge (≥1500 ml/24 h) geachtet. Zusätzlich zu einer leichten Abendkost können dem Patienten hochkalorische, kohlenhydratreiche Trinklösungen gereicht werden.
Am Tag der Operation erfolgt die standardisierte Vorbereitung auf den Eingriff (Körperpflege, Anlegen von Kompressionsstrümpfen falls keine
pAVK besteht, Rasur). Auf die Einnahme fester Nahrung wird 6 h vor dem Eingriff verzichtet, das Trinken von bis zu 500 ml klarer Trinklösungen bis 2 h vor Narkoseeinleitung ist im Hinblick auf das subjektive Wohlbefinden des Patienten (Furrer et al.
2006) sowie zur Vermeidung einer Dehydratation erwünscht. Insbesondere kohlenhydratreiche Trinklösungen haben sich als vorteilhaft erwiesen.
Die Fortführung einer antianginösen, antihypertensiven und antiarrhythmischen Dauermedikation sollte eingehalten werden (Markworth et al.
2013; Nowak et al.
2011). Ein präoperativer Beginn einer Betarezeptorenblockade wird nicht mehr uneingeschränkt empfohlen. Neuere Studien zeigten einen signifikanten Anstieg der Mortalität sowie von apoplektischen Insulten durch eine perioperative Betarezeptorenblockade (Hawkes
2013). Europäische und amerikanische Leitlinien empfehlen die Fortführung einer bestehenden Betarezeptorenblockade. Anders als die amerikanischen empfehlen die europäischen Leitlinien eine Initiierung einer Betarezeptorenblockade lediglich bei Patienten mit geplanten Hochrisikoeingriffen (European Society of Cardiology/European Society of Anaesthesiology
2014). Einigkeit besteht im zeitlichen Abstand des Beginns der Therapie zur geplanten Operation von mindestens 4 Wochen.
Intraoperatives Management
Sascha Tank, Sebastian Debus und Thoralf Kerner
Die Auswahl des Narkoseverfahrens erfolgt auf Basis der ausführlichen Anamnese, anhand der vorliegenden klinischen Untersuchungsbefunde und dem geplanten operativen Prozedere. Außerdem wird jeder Patient durch den aufklärenden Anästhesisten anhand der
Klassifikation nach Apfel (Apfel et al.
2007; Grantcharov et al.
2001) entsprechend seinem Risiko für das Auftreten von postoperativer Übelkeit
und Erbrechen
(PONV
, „perioperative nausea and vomiting“) eingeteilt. Anschließend erfolgt die ausführliche Information des Patienten zu den anästhesiologischen Aspekten des Fast-Track-Konzeptes im gesamten Behandlungsablauf. Hierbei wird eine Kombination von allgemein- und regionalanästhesiologischen Methoden bevorzugt, um eine frühzeitige postoperative Mobilisation zu ermöglichen. Vor aortoiliakalen Eingriffen erfolgt, wenn keine Kontraindikationen existieren, die Anlage eines
thorakalen Epiduralkatheter
s zur intraoperativen und postoperativen Analgesie mittels patientenkontrollierter Epiduralanalgesie (PCEA). Gerinnungsphysiologische Kontraindikationen sind bei den gefäßmedizinischen Patienten, die häufig gerinnungsbeeinflussende Medikamente einnehmen (z. B. Thrombozytenaggregationshemmung, Heparinisierung), besonders zu beachten. Eine begleitende Thrombozytenaggregationshemmung mit Acetylsalicylsäure (100 mg/d) ist nach der AWMF-Leitlinie „Rückenmarksnahe
Regionalanästhesien und Thrombembolieprophylaxe/antithrombotische Medikation“ von 2014 (Schlitt et al.
2013; Waurik et al.
2014) keine Kontraindikation für ein rückenmarksnahes Verfahren. Im Anschluss an den Eingriff erfolgt die Steuerung der Analgesie durch den Patienten mittels einer PCEA-Pumpe. Bei Vorliegen von Kontraindikationen oder Ablehnung der
Epiduralanästhesie durch den Patienten erfolgt eine intravenöse patientenkontrollierte Analgesie (PCA) z. B. mit Piritramid.
Etwa eine Stunde vor Operationsbeginn erfolgt die
Prämedikation mit Midazolam p.o. Wegen der anxiolytischen Wirkung und der geringen Atem- und Kreislaufdepression kommen
Benzodiazepine zum Einsatz (Ritz et al).
Im Operationstrakt erfolgt die Anlage eines thorakalen Epiduralkatheters (Th
6–10) (Gauss et al.
2011). Nach ausbleibender Reaktion auf eine Testdosis (z. B. 2 ml 0,5 % hyperbares Bupivacain) wird dieser fraktioniert mit 6–8 ml eines Ropivacain-Sufentanil-Gemischs gefüllt. Im Anschluss erfolgt nach Präoxygenierung die
Narkoseeinleitung intravenös durch Propofol, Thiopental oder Etomidate in Kombination mit Remifentanil, Alfentanil oder Sufentanil und einem kurzwirksamen Muskelrelaxanz, z. B. Atracurium, Cis-Atracurium oder Mivacurium. Die Aufrechterhaltung der Narkose erfolgt v. a. bei kardiovaskulären Risikopatienten meist inhalativ mit Sevofluran, Desfluran oder ggf. Isofluran bei einer bedarfsadaptierten inspiratorischen Sauerstoffkonzentration. Um einen Auskühlung des Patienten zu vermeiden, ist eine bereits in der Einleitung begonnene Wärmezufuhr („Prewarming“) wichtig.
Patienten mit mäßigem
PONV-Risiko erhalten 4 mg Dexamethason nach der Einleitung. Bei hohem PONV-Risiko kann Propofol zur Narkoseeinleitung und Aufrechterhaltung anstelle von Thiopental und volatilen Anästhetika verwendet werden (Apfel et al.
2004,
2007). Nach der Intubation wird der Mageninhalt über eine nasal eingeführte Magensonde abgesaugt, um eine bessere Übersicht im Operationsgebiet zu schaffen. Das intraoperative Monitoring
setzt sich aus einer Kombination von nicht-invasiven und invasiven Verfahren zusammen (Übersicht).
Nach endgültiger Lagerung wird der Patient in Warmluftdecke
n eingehüllt, die eine kontinuierliche konvektive Wärmezufuhr ermöglichen.
Das
intraoperative Volumenmanagement erfolgt anhand klinischer Zeichen wie des arteriellen Mitteldruckes und der Diurese. Die Einbeziehung des zentralen Venendruckes zur Steuerung der
Volumentherapie sollte auf Basis der aktuellen S3-Leitlinie „intravasale Volumentherapie beim Erwachsenen“ nicht mehr erfolgen. Bei kardiovaskulären Hochrisikopatienten können zusätzlich volumetrische Verfahren wie die
transösophageale Echokardiographie oder die Bestimmung flussbasierter und/oder dynamischer Vorlastparameter (AWMF
2014a) zur Anwendung kommen. Infundiert werden angewärmte kristalloide und ggf. kolloidale Infusionslösungen (Hensel et al.
2006). Für kolloidale Infusionslösungen gilt eine strenge Indikation. Diese sollten nur bei blutungsbedingter, therapieresistenter Hypotonie eingesetzt werden.
Um die Gabe von Erythrozytenkonzentraten auf ein
Minimum reduzieren zu können, wird bei Operationen an der Aortenstrombahn die maschinelle
Autotransfusion verwendet, so dass das gesammelte Eigenblut am Ende der Operation retransfundiert werden kann. Soweit möglich können auch die Prinzipien des „Patient Blood Management“ (PBM) zur Anwendung kommen (Müller et al.
2014).
Vor der Extubation wird der Epiduralkatheter nach ggf. erneuter Bolusgabe von 6–8 ml des Ropivacain-Sufentanil-Gemischs mit einer PCEA-Pumpe zur kontinuierlichen Applikation verbunden. Standardisiert wird dabei eine Basalrate von 4 ml Ropivacain 0,2 %/h eingestellt.
Unterstützend zur epiduralen Analgesie wird bereits intraoperativ eine
Basisanalgesie mit einem Nicht-Opioid begonnen. Bei fehlenden Kontraindikationen wird hierfür 1 g
Metamizol als Kurzinfusion vor der Extubation verabreicht. Als Alternative steht 1 g
Paracetamol intravenös zur Verfügung. Die Magensonde wird
vor der Extubation wieder entfernt, da sie den oralen Kostaufbau verzögert und die pulmonale Komplikationsrate erhöht (Cheatham et al.
1995).
In der Regel werden die Patienten noch im Operationssaal extubiert. Ein postoperatives Shivering erhöht den Sauerstoffverbrauch und damit das Risiko kardiovaskulärer Komplikationen und muss daher konsequent noch in der Ausleitungsphase z. B. durch Clonidin oder ggf.
Pethidin therapiert werden (Möllhoff et al.
2007).
Das Konzept zur verbesserten postoperativen Rehabilitation sieht auch eine besondere Berücksichtigung des
operativen Zugangsweges vor. Zur technischen Minimierung des Eingriffstraumas werden daher neben den klassischen Operationsmethoden und den endovaskulären Techniken auch die Kombination klassisch-offener mit endovaskulären Techniken (Hybrideingriffe) sowie in begrenztem Umfang auch laparoskopische und laparoskopisch-assistierte Eingriffe am Gefäßsystem angewendet. Im Bereich der aortoiliakalen Strombahn bieten sich minimalinvasive Operationstechniken für Gefäßverschlüsse und Aneurysmen dann an, wenn die infrarenale Aorta klemmbar ist und Verkalkungen in der Gefäßwand ein Klemmen ermöglichen. Sollte eine Laparoskopie nicht möglich sein, kann alternativ ein laparoskopisch-assistierter Eingriff oder eine Laparotomie notwendig werden. Hier sind quer verlaufende Zugangswege gegenüber den medianen oder paramedianen Zugangswegen in der Diskussion, da diesen eine niedrigere Komplikationsrate, niedrigere Narbenhernieninzidenz und ein geringerer Schmerzmittelbedarf zugeschrieben werden (Furrer et al.
2006; Grantcharov et al.
2001; Schwenk et al.
2005a).
In der peripheren Gefäßchirurgie kann die Bypassvenenentnahme in endoskopischer Technik erfolgen, um Hilfsinzisionen, die ein Risiko für die Entstehung von
Wundheilungsstörungen darstellen, zu minimieren (Allen et al.
1997,
1998). Auch spezielle, wenig traumatisierende Zugangswege zum Bypassempfängergefäß sollten aus diesem Grunde zum Einsatz kommen, wie z. B. der dorsolaterale Zugangsweg zur A. fibularis (Debus et al.
2007). Allerdings darf der Einsatz dieser Techniken nicht mit einer wesentlichen Verlängerung der Operationszeit verbunden sein, da sich hierdurch eigene Komplikationen ergeben können (Alm et al.
2005; Hupp et al.
2003). Unter Beachtung dieser Kautelen können respiratorische Funktionsstörungen, Schmerzsymptomatik, die allgemeine chirurgische Komplikationsrate, die postoperative gastrointestinale Atoniedauer sowie der Intensiv- und Krankenhausaufenthalt insgesamt deutlich reduziert werden (Grantcharov et al.
2001; Schwenk et al.
2005a).
Um die postoperative Beeinträchtigung des Patienten so gering wie möglich zu halten, wird auf die regelhafte Einlage von intraperitonealen Drainagen und Wunddrainagen verzichtet, lediglich Blutungsdrainagen werden in der peripheren Gefäßchirurgie im Anastomosenbereich appliziert und spätestens nach 48 h entfernt.
Postoperatives Management
Sascha Tank, Sebastian Debus, Mathias Goepfert und Thoralf Kerner
Die unmittelbare
postoperative Schmerztherapie wird mit der bereits intraoperativ begonnenen epiduralen Anästhesie (ggf. in Kombination mit
Metamizol bzw.
Paracetamol) und im weiteren Verlauf als patientenkontrolliertes Verfahren durchgeführt. Am Tag der Operation und am ersten postoperativen Tag erfolgt eine notwendige Komedikation intravenös, danach wird auf eine orale Medikation umgestellt (Kap. Intensivmedizin bei Gefäßeingriffen).
Gemessen anhand einer visuellen Analogskala (VAS 0–100), die 3-mal pro Tag durch die Pflegekräfte abgefragt wird, wird eine subjektive Schmerzempfindung von ≤3 angestrebt. Bewährt hat sich hier die Einführung eines Akutschmerzdienstes, der den Patienten 2-mal täglich visitiert, so dass frühzeitig Änderungen des Therapieregimes vorgenommen werden können. Auf
Opioide sollte soweit wie möglich verzichtet werden, da diese durch Sedierung, Übelkeit und
Obstipation das subjektive Befinden des Patienten verschlechtern können und somit dem raschen Kostaufbau sowie der Mobilisation möglicherweise entgegenwirken. Nach einem Auslassversuch wird die Entfernung des Epiduralkatheters am 2. postoperativen Tag angestrebt und die Analgesie möglichst mit Nicht-Opioiden fortgeführt.
Zur postoperativen Überwachung werden die Patienten auf einer Intermediate-Care-Station oder einer operativen Intensivstation anästhesiologisch und chirurgisch betreut. Bereits am Operationstag wird mit dem oralen Kostaufbau begonnen, wobei dem Patienten je nach Appetit klare Flüssigkeiten, hochkalorische Trinklösungen oder Joghurt angeboten werden. In Zusammenarbeit mit der Physiotherapie gehören die angeleitete Mobilisation und die Atemgymnastik mit Beginn bereits am Operationstag zum Konzept. Soweit der klinische Zustand des Patienten es erlaubt, wird bereits wenige Stunden postoperativ mit der Mobilisation durch einen Physiotherapeuten begonnen (Atemgymnastik, Sitzen auf dem Stuhl, Gang auf Stationsebene). Nach peripheren Bypassoperationen hat sich die frühzeitige manuelle Lymphdrainage zur Beseitigung bzw. Prophylaxe des postoperativen Hyperperfusionsödems als vorteilhaft erwiesen.
Sobald der Patient seinen
Flüssigkeitsbedarf ausreichend über die orale Zufuhr abdecken kann, wird die adjuvante Infusionstherapie eingestellt und die Venenzugänge werden entfernt. Bei postoperativem Auftreten von Übelkeit und Erbrechen werden Antiemetika (z. B. 4–8 mg Ondansetron i.v.) verabreicht (Apfel et al.
2004,
2007).
Sowohl der Kostaufbau als auch das physiotherapeutische Mobilisierungsschema werden dem einzelnen Patienten individuell angepasst und nach dessen Befindlichkeit gesteigert.
Am ersten postoperativen Tag erfolgt die Verlegung auf die periphere Station, wo der Patient weiterhin täglich durch den Akutschmerzdienst betreut wird. Zudem wird das physiotherapeutische Konzept bis zur vollständigen Eigenmobilisation fortgesetzt.
Eine Zusammenfassung des Behandlungspfades zeigt die Übersicht.
Zusammenfassung der aktuellen Studienlage
Erfahrungen mit einem Fast-Track-Konzept bei gefäßchirurgischen Patienten mit aorto-iliakalen Eingriffen wegen infrarenaler Aneurysmaerkrankung wurden prospektiv ausgewertet (Debus et al.
2009; Ivoghli et al.
2010). Es kamen hierbei ausschließlich elektive Operationen an symptomfreien Patienten zur Auswertung. Der intensivstationäre Aufenthalt war in der Fast-Track-Gruppe um einen Tag reduziert (2,5 vs. 3,5 Tage). Zudem konnten die Fast-Track-Patienten 2 Tage früher mobilisiert werden. Die Nahrungsaufnahme und der Stuhlgang setzten früher ein, so dass die Patienten durchschnittlich bereits am 8. vs. 12. Tag entlassen werden konnten. Gemessene klinische Parameter weisen auf einen zügigeren, komplikationsärmeren postoperativen Verlauf hin, so dass die Patienten nicht nur frühzeitiger, sondern auch in einem besseren Allgemeinzustand nach Hause entlassen werden können. Inwieweit dieser Vorteil auch von den Patienten selbst empfunden wird, sollte anhand von systematischen Befindlichkeits-, Schmerz- und Lebensqualitätsuntersuchungen geprüft werden.
Zahlreiche Studien in verschiedenen operativen Disziplinen konnten bislang zeigen, dass durch eine kombinierte Anwendung der genannten Einzelaspekte des Fast-Track-Konzeptes Vorteile im Hinblick auf eine Reduktion der Komplikationsrate und eine Verkürzung des Krankenhausaufenthaltes im Vergleich zu konventionellen Behandlungsstandards erzielt werden konnten (Gralla et al.
2007,
2008; Gregor et al.
2008; Kariv et al.
2006; Raue et al.
2004; Schwenk et al.
2004,
2006). Die einzelnen Behandlungsansätze des Fast-Track-Konzeptes und deren positive Effekte auf die postoperative Rekonvaleszenz sind bislang durch zahlreiche vergleichende Studien evaluiert worden (Kehlet et al.
1997,
2003). Erstaunlicherweise liegen speziell für die Gefäßmedizin bislang nur rudimentäre Erfahrungen aus der Literatur vor (Brustia et al.
2007; Muehling et al.
2007). Die hohe Komorbidität und die Neigung zur Ausbildung
postoperativer Komplikationen mögen Gründe für die bisher zurückhaltende Beschäftigung mit Fast-Track-Konzepten in der Gefäßchirurgie sein. Andererseits ist der potenzielle Benefit dieses modernen interdisziplinären und interprofessionellen Managements gerade für dieses Krankengut besonders groß. Eine kurze präoperative stationäre Verweildauer, ein reduziertes Nüchternheitsgebot, ein restriktives
intraoperatives Flüssigkeitsmanagement und die unmittelbare postoperative Mobilisierung stellen die Schlüsselbausteine neben dem Erreichen von weitgehender Schmerzfreiheit dar. Die ersten Ergebnisse nach Eingriffen an der aorto-iliakalen Strombahn im historischen Kohortenvergleich zu dem bisherigen, traditionellen perioperativen Management geben Hinweise auf Vorteile eines Fast-Track-Konzeptes auch für die Gefäßchirurgie (Debus et al.
2009; Ivoghli et al.
2010; Kruska et al.
2010; Muehling et al.
2009). Weitere Untersuchungen und systematische Auswertungen, auch nach peripheren Rekonstruktionen, sind jedoch zu fordern.
Die wesentliche Bedeutung hinsichtlich der Reduktion der Komplikationsrate wird der perioperativen Anwendung der
thorakalen Epiduralanästhesie zugerechnet. Aufgrund der deutlichen Schmerzreduktion im Wundbereich und der dadurch bedingten schnelleren Mobilisation (Cheatham et al.
1995) ist zu hoffen, dass auch das Risiko von thrombembolischen Ereignissen gesenkt werden kann. Die Möglichkeit zu schmerzfreien Atembewegungen hat eine wirksame Pneumonieprophylaxe ermöglichen können (Kehlet et al.
2001,
2002; Liu et al.
2007; Rogers et al.
2000). Die häufig nach abdominalchirurgischen Eingriffen auftretende Darmatonie kann durch Einsatz eines Epiduralkatheters reduziert werden (Kehlet et al.
2001,
2002; Liu et al.
2007), dadurch wird das Risiko von Übelkeit und Erbrechen reduziert. Wird der Epiduralkatheter auch bereits intraoperativ zur Analgesie verwendet, so kann die durch das operative Trauma ausgelöste Stressreaktion vermindert werden: sowohl die intraoperative Ausschüttung von Stresshormonen als auch der perioperative, proinflammatorische Lymphozytenanstieg werden durch die Anwendung der
Epiduralanästhesie reduziert (Ahlers et al.
2008). Hiermit einhergehend kann die postoperative Mortalität vermindert werden (Wu et al.
2006). Demgegenüber ist zu erwähnen, dass die hier aufgeführten positiven Effekte einer Epiduralanästhesie bei Anwendung einer intravenösen Opioidtherapie als alternatives Analgesieverfahren nicht beobachtet wurden (Kehlet et al.
1997).
Eine der häufigsten postnarkotischen Komplikationen ist das Auftreten von
Übelkeit und Erbrechen in der postoperativen Phase (PONV
), das dem frühen enteralen Kostaufbau als einem zentralen Aspekt des Fast-Track-Konzeptes entgegensteht. Dieses Phänomen ist nicht auf abdominelle Eingriffe beschränkt, sondern wird ebenso bei peripher-vaskulären Rekonstruktionen beobachtet. Jeder Patient sollte daher entsprechend seinem Risiko für das Auftreten von PONV evaluiert werden (Apfel et al.
2004,
2007). Nach derzeitig gültigen Empfehlungen sollten Patienten mit mäßigem PONV-Risiko Dexamethason nach der Einleitung erhalten, bei hohem PONV-Risiko wird Propofol zur Einleitung und Aufrechterhaltung der Narkose sowie ggf. die Gabe von Serotoninantagonisten empfohlen (Apfel et al.
2004,
2007).
Die im Rahmen eines Fast-Track-Programms ebenfalls zum Einsatz kommenden, kürzeren
perioperativen Nüchternheit
szeiten können das Auftreten postoperativer Organfunktionsstörungen signifikant vermindern. Die Gabe kohlenhydratreicher Trinklösungen bis 2 h vor der Operation führt neben einer Verbesserung des Patientenkomforts (Furrer et al.
2006; Kariv et al.
2006) nachweislich zu einer deutlichen Reduktion der postoperativen Insulinresistenz (Nygren et al.
2001). Ebenso wird dadurch das Risiko von postoperativer Übelkeit und Erbrechen vermindert (Carli et al.
2002; Hausel et al.
2005).
Ein weiterer wichtiger Therapieansatz einer Fast-Track-Rehabilitation ist die perioperative
Aufrechterhaltung der Normothermie (AWMF
2014b). Durch die Ausschüttung von Stresshormonen (Frank et al.
1995; Rogers et al.
2000) erhöht eine postoperative
Hypothermie nachweislich das Risiko kardialer Komplikationen (Frank et al.
1997; Kehlet et al.
2001), wohingegen normotherme Patienten eine verkürzte postanästhesiologische Rekonvaleszenz zeigen (Kehlet et al.
2002; Lenhardt et al.
1997) und seltener zu Wundinfektionen neigen (Kurz et al.
1996; Liu et al.
2007). Den Patienten wird daher Wärme konvektiv mittels Warmluftdecken zugeführt. Die Verwendung von Warmluftdecken ist der Anwendung anderer Wärmesysteme überlegen (Ahlers et al.
2008; Ng et al.
2003)
Aufgrund der teilweise widersprüchlichen Studienlage bezüglich des
perioperativen Volumenmanagement
s, können hierzu für Fast-Track-Konzepte bisher keine abschließenden Empfehlungen gegeben werden. Einige Studien kamen zu dem Ergebnis, dass das postoperative Outcome durch eine zurückhaltende Volumengabe verbessert werden kann (Nisanevich et al.
2005; Wu et al.
2006), wohingegen andere Arbeitsgruppen eine verbesserte Lungenfunktion und eine geringere PONV-Rate bei liberalem Volumenmanagement (Hausel et al.
2005) zeigen konnten. Kritisch ist jedoch anzumerken, dass eine stringente, einheitliche Definition, welche die Flüssigkeitsmenge als restriktiv bzw. als liberal bezeichnet, in dieser Diskussion noch aussteht (Frank et al.
1995). Dass von Heymann et al. (Frank et al.
1997; von Heymann et al.
2006) keinen Zusammenhang zwischen dem Volumen der Flüssigkeitstherapie und postoperativ auftretenden Komplikationen bei kolonchirurgischen Fast-Track-Eingriffen feststellen konnten, belegt den Klärungsbedarf in dieser Frage. Gan et al. konnten zeigen, dass eine in Bezug zum maximalen Schlagvolumen abgestimmte
Volumentherapie eine deutlich geringere Komplikationsrate bewirkt (Gan et al.
2002); dementsprechend bietet es sich an, die Volumentherapie standardisiert anhand vorher festgelegter Zielparameter ggf. unter Zuhilfenahme von erweitertem hämodynamischen Monitoring (mittlerer arterieller Druck, Diurese, ggf. volumetrische Parameter, PiCCO oder Vigileo) durchzuführen (AWMF
2014a).
Fazit
Die Anwendung eines Fast-Track-Konzeptes bei gefäßchirurgischen Operationen, insbesondere an der aorto-iliakalen Strombahn, stellt eine viel versprechende Alternative zu den bislang angewandten Behandlungsschemata dar. Generell könnte dieses perioperative multimodale Konzept eine Optimierung des Behandlungsverlaufes und eine Minimierung der
postoperativen Komplikationen bei vaskulären Erkrankungen bedeuten. Ein wesentlicher Bestandteil des Fast-Track-Prinzips ist auch die Verringerung des chirurgischen Zugangstraumas. Es ist anzunehmen, dass durch eine vermehrte Anwendung minimal-invasiver Operationsmethoden und von Hybridtechniken, die offen-chirurgische mit endovaskulären Eingriffen kombinieren, im Rahmen von Fast-Track-Konzepten die postoperative Rekonvaleszenz der Patienten weiter beschleunigt werden kann. Der dabei für den Patienten zu erwartende positive Effekt muss allerdings noch zukünftig in klinischen Studien näher untersucht werden.