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Klinische Anatomie und Physiologie des viszeralen Arteriensystems

Verfasst von: Gustavo S. Oderich, Young Erben und Eike Sebastian Debus
Die Blutzufuhr zum Intestinum besteht aus einem reichhaltigen Kollateralnetzwerk und einem sehr heterogenen Verlauf der großen Viszeralarterien und ihren Abgängen. Die physiologische Anatomie kann mit ihren Varianten Einfluss auf Pathologie, Behandlungsoptionen und Interventionsplanung haben. Es ist daher die Aufgabe dieses Kapitels, die Bedeutung der Anatomie des intestinalen Gefäßbaumes und seines Kollateralsystems für die Physiologie und Pathophysiologie des Mesenterialsystems darzustellen.

Anatomie des mesenterialenGefäßsystems

Einleitung

Die Blutzufuhr zum Intestinum besteht aus einem reichhaltigen Kollateralnetzwerk und einem sehr heterogenen Verlauf der großen Viszeralarterien und ihren Abgängen. Die physiologische Anatomie kann mit ihren Varianten Einfluss auf Pathologie, Behandlungsoptionen und Interventionsplanung haben. Es ist daher die Aufgabe dieses Kapitels, die Bedeutung der physiologischen Anatomie des intestinalen Gefäßbaumes und seines Kollateralsystems für die Physiologie und Pathophysiologie des Mesenterialsystems darzustellen.

Embryologie

Um die vaskuläre Versorgung des Intestinums und ihre Erkrankungen zu verstehen, ist es wichtig, die embryonale Entwicklung des intestinalen Gefäßbaumes zu verstehen. Dies hilft dem Kliniker in der Beurteilung möglicher Pathologien des Gefäßbaumes und ihrer Konsequenzen.
In der dritten Entwicklungswoche besteht der Embryo aus drei flachen Keimblättern (Entoderm, Mesoderm und Ektoderm), die sich auf unterschiedlichen Signalwegen zu ihren Endgeweben und -organen entwickeln: das Entoderm differenziert zum aero- und digestiven System, das Mesoderm zum mesenchymalen Gewebe und zum Gefäßsystem. Der primitive Darm entsteht aus dem entodermalen Keimblatt und entwickelt tubuläre Strukturen. Die kranialen und die kaudalen Anteile werden zum Dünn- und zum Dickdarm, während die dazwischen gelegenen Anteile (i.e. Mitteldarm) zum Dottersack (i. e. Ductus omphalomesentericus, Ductus Vitellinus) ausdifferenzieren. Diese 3 Segmente des primitiven Darmes haben wichtige Implikationen für die mesenteriale Blutversorgung.
Zur gleichen Zeit wird der Embryo so groß, dass er seine metabolischen Bedürfnisse nicht mehr allein durch Diffusion decken kann. Das Kreislaufsystem beginnt zu diesem Zeitpunkt seine interaktive Entwicklung, um das embryonale Wachstum und dessen Ausdifferenzierung weiter zu unterstützen. Die paarig angelegte dorsale Aorta entwickelt nun 3 Reihen paariger Seitenäste: die dorsal intersegmentalen, die lateralen segmentalen und die ventralen segmentalen Gefäße. Die paarigen ventralen Segmentarterien verlaufen über die dorsalen und lateralen Anteile des Darmes und des Dottersackes. Schließlich, sobald die dorsale Aorta fusioniert, erfolgt dies ebenfalls mit paarigen ventralen Gefäßen – konkret dem 10., 13. und 21. Segementgefäß. Diese verbinden sich mit dem Darm, und zusammen mit dem dorsalen Mesenterium formieren sie schließlich den Truncus coeliacus, die A. mesenterica superior (SMA) und die A. mesenterica inferior (IMA).
Diese 3 Gefäße sind nun verantwortlich für die Blutversorgung jedes einzelnen sich entwickelnden Darmabschnittes. Aus dem Vorderdarm entwickelt sich der untere Ösophagus bis zum Duodenum – dieser Abschnitt wird von Ästen des Truncus coeliacus versorgt. Aus dem Mitteldarm entsteht das distale Duodenum bis zum kranialen Teil des Colon transversum, die von der A. mesenterica superior versorgt werden. Aus dem Hinterdarm schließlich wird der distale Abschnitt des Colon transversum bis zum kranialen Rectum, die von der A. mesenterica inferior versorgt werden.

Anatomie

Die normale viszerale Anatomie basiert auf den folgenden drei aus der Aorta abgehenden Ästen (Uflacker 2007). Nicht alle Patienten besitzen jedoch eine „normale“ mesenteriale Gefäßanatomie, was sich auf die Behandlung ihrer Erkrankungen auswirken kann.

Truncus coeliacus

An der Stelle, an der die Aorta die Zwerchfellschenkel in Höhe des 12. thorakalen Wirbelkörpers passiert, entspringt der Truncus coeliacus, ein großvolumiges, nach ventral verlaufendes Gefäß, das sich typischerweise nach etwa 1,5 cm in eine Trifurkation aufteilt. Man beachte, dass beidseits lateral des Abgangsbereiches des Truncus paarige Gefäße aus der Aorta entspringen können, die den unteren Teil des Zwerchfells versorgen. Abgänge aus dem Truncus coeliacus beinhalten die A. gastrica sinistra, A. lienalis (mit den dorsalen und kaudalen pankreatischen Arterien, den kurzen Magenarterien („short gastrics“), der A. gastroepiploica sinistra und der A. gastrica posterior) und die A. hepatica communis (mit der A. gastroduodenalis, A. gastrica dextra und A. hepatica sinistra et dextra) (Uflacker 2007).
Typischerweise gibt der Truncus coeliacus als erstes Gefäß eine dünne Arterie für die Versorgung des linksseitigen Magens (A. gastrica sinistra) ab, bevor er sich in die großen Endäste, die A. lienalis und die A. hepatica communis aufteilt. Die A. gastrica sinistra und die A. lenalis gehen nach links ab, während die A. hepatica communis nach rechts zum Leberhilus zieht. In diesem Abschnitt existieren etliche anatomische Variationen. So kann die A. gastrica sinistra direkt aus der Aorta oder auch an jeder Stelle aus dem Truncus coeliacus entspringen. Sie zieht ventral-/kranialwärts, um den distalen Ösophagus zu versorgen, um dann entlang der kleinen Magenkurvatur zu ziehen und dort mit Ästen der A. gastrica dextra zu anastomosieren. Es ist wichtig zu beachten, dass die A. hepatica sinistra direkt aus der A. gastrica sinistra entspringen kann. In diesem Fall muss das Gefäß sorgfältig geschont werden, wenn ein Zugang zur suprazoeliakalen Aorta durch die Bursa omentalis minor erfolgt. Auf der anderen Seite kann auch die A. hepatica sinistra das Spendergefäß für eine akzessorische A. gastrica sinistra sein.
In 80 % der Fälle entspringt die A. lienalis aus dem Truncus coeliacus. In ihrem Verlauf nach links gibt die A. lienalis Segmentäste zum Pankreas ab, die den Corpus und den Schwanzbereich der Bauchspeicheldrüse versorgen. Sie kollateralisieren dabei mit der A. pancreatica transversalis. Die distalen Äste der A. lienalis beinhalten die kurzen Magenarterien, die A. gastrica posterior, die A. gastroepiploica sinistra und die Endäste zur Milz. Die kurzen Magenarterien – bis zu 4 an der Zahl – kollateralisieren zur großen Magenkurvatur und zur A. gastrica sinistra (s. o.). Die A. gastrica posterior versorgt den dorsalen Magenfundus. Die A. gastroepiploica sinistra entspringt häufig zusammen mit der distalen Milzarterie in einem gemeinsamen Ursprung aus der A. lienalis, sie kann jedoch auch separat aus der A. lienalis entspringen. Sie zieht entlang der großen Kurvatur des Magens, gibt Äste zum Omentum majus ab und kollateralisiert mit der A. gastroepiplica dextra.
Die A. hepatica communis ist der zweite Endast des Truncus coeliacus. Sie besitzt eine variable Länge und endet mit dem Abgang der A. gastroduodenalis, von wo an sie A. hepatica propria genannt wird. Sie versorgt die Gallenblase und die Leber. Die A. hepatica propria teilt sich in die A. hepatica dextra et sinistra auf. Alternativ kann die A. hepatica communis auch direkt eine Trifurkation bilden, ohne dass eine A. hepatica propria angelegt ist. Als weitere Varianten kann die A. hepatica propria oder die A. hepatica dextra auch von der A. mesenterica superior ausgehen. Dagegen kann die A. hepatica sinistra auch aus der A. gastrica sinistra entspringen. Die A. gastrica dextra kann an jeder Stelle der A. hepatica propria entspringen, um dann entlang der kleinen Magenkurvatur mit der A. gastrica sinistra zu kommunizieren.
Die A. gastroduodenalis verläuft nach kaudal zwischen Duodenum und Pankreas, wobei sie Kollateralen zur A. gastroepiploica dextra und der A. pancreaticoduodenalis superior abgibt. Sie besitzt einen anterioren und einen posterioren Anteil, die beide wichtige Kollateralen zur A. mesenterica superior abgeben.

Arteria mesenterica superior (AMS)

Die AMS ist der zweite Ast aus der Aorta abdominalis. Wie oben bereits besprochen (Embryologie), versorgt diese Arterie das distale Duodenum, den gesamten Dünndarm und das Colon ascendens bis einschließlich des mittleren Colon transversum. Neben seinen lebenswichtigen Abgängen für Dünn- und Dickdarm hält die AMS wichtige Kollateralen zum Truncus coeliacus und der A. mesenterica inferior vor. Verschlussprozesse dieser wichtigen Arterie sind daher mit einer hohen Mortalität verbunden. Anatomisch entspringt die AMS etwa 1 cm distal des Truncus coeliacus aus der abdominellen Aorta. Der chirurgische Zugang erfolgt über die Bursa omentalis minor kranial des Pankreas. Die AMS entspringt im Unterschied zum Truncus coeliacus in einem scharfen Winkel nach kaudal aus der Aorta. Durch diesen engen aortomesenterialen Winkel verläuft neben der linken Nierenvene auch die Pars horizontalis des Duodenums. Ist der Winkel zu eng, kann dies in einem „Nussknacker-Syndrom“ oder einem aortomesenterialen Kompressionssyndrom resultieren.
Äste der AMS beinhalten die A. pancreaticoduodenalis inferior, anterior und posterior, die A. colica media et dextra, die A. ileocolica sowie iliale und jejunale Äste.
Die A. pancreaticoduodenalis ist einer der ersten Seitenäste aus der AMS. Sie entspringt rechtsseitig und teilt sich in einen anterioren und einen posterioren Ast, die beide zum Truncus coeliacus anastomosieren (s. o.). Nachdem die AMS das Pankreas dorsal passiert hat, gibt sie die A. colica media ab. Diese Arterie zieht direkt zum Colon transversum und teilt sich dann in einen rechten und einen linken Ast auf. Wird die AMS über einen infrakolischen Zugang durch das Mesocolon transversum freigelegt, kann die A. colica media verfolgt werden, um zur AMS zu gelangen. Im mittleren Verlauf der AMS entspringt die A. colica dextra. In seinem Verlauf im parietalen Peritoneum mündet dieses Gefäß in einen deszendierenden und einen aszendierenden Ast. Ersterer kollateralisiert mit der A. ileocolica und versorgt die proximalen Anteile des rechten Hemicolons, letzterer anastomosiert mit Ästen der A. colica media und versorgt das Colon ascendens.
Die A. ileocolica ist der letzte große Ast der AMS, die allerdings aus einer gemeinsamen Mündung mit der A. colica dextra aus der AMS entspringen kann. Die A. ileocolica versorgt das terminale Ileum, das rechte Kolon, Coecum und die Appendix mit entsprechenden Endästen. Schließlich entspringen aus dem linksseitigen Teil der AMS mehrere Äste zum Jejunum und Ileum, die sich sehr breit verzweigen und ein ausgedehntes Netzwerk zum Dünndarm bilden.

Arteria mesenterica inferior (AMI)

Die AMI ist für die Blutversorgung des distalen Colon-transversum-Drittels, des Colon descendens, Colon sigmoideum und des oberen Rektumabschnitts verantwortlich. Das Gefäß entspringt in links-anterolateraler Richtung aus der infrarenalen Aorta direkt oberhalb der Iliakalbifurkation, typischerweise zwischen L2 und L4 (Kahn und Abrams 1964). Sie verläuft retroperitoneal in Richtung Sigma. Zu den abgehenden Seitenästen zählen die A. colica sinistra, die sigmoidalen Arterien und die A. rectalis superior. Die A. colica sinistra besteht aus einem aszendierenden und einem deszendierenden Ast. Ersterer kollateralisiert zur A. colica media, dem distalen Colon transversum und der linken Colon flexur (Riolan Anastomose, Griffith Punkt). Diese Kollateralisierung ist deshalb wichtig, weil diese Region bei Dehydratation oder mesenterialer Ischämie häufig zuerst betroffen ist. Diese anatomische Verbindung besteht anatomisch aus 2 oder 3 sigmoidalen Ästen innerhalb des Mesocolon. Während die kraniale Sigmoidarterie zur A. colica sinistra kollateralisiert, anastomosiert die untere mit der A. rectalis superior. Die A. rectalis superior verläuft nach kaudal in das Becken und teilt sich in einen rechten und einen linken Ast. Die A. rectalis superior kollateralisiert mir der A. rectalis media (ein Ast der A. iliaca interna) und der A. rectalis inferior (Endast der A. pudendalis interna).

Kollateralwege der Viszeralarterien

Coeliacale und AMS-Kollateralen
1.
Bühler Anastomose: sie ist ein embryologisches Relikt einer Arterie, die den Truncus coeliacus mit der A. mesentarica superior verbindet
 
2.
Die Aa. pancreaticoduodenales anastomosieren über die Aa. pancreaticoduodenalis superior et inferior den Truncus coeliacus mit der AMS
 
3.
Wenn vorhanden, verbindet eine aus dem Truncus coeliacus aberrant entspringende A. colica media über Kollateralen mit der AMS
 
AMS- und AMI-Kollateralen
Die Kollateralisierung zwischen der AMS und der AMI ist besonders wichtig, insbesondere bei einer chronischen mesenterialen Ischämie. Über diese Kollateralen kann auch der Zugang zur endovaskulären Coilembolisation zur Behandlung einer Typ-II-Endoleckage erfolgen.
1.
Die Drummond’sche Marginalarterie stellt eine Kollaterale zwischen der AMS und der AMI dar. Dieser Kreislauf entsteht aus dem deszendierenden Ast der A. ileocolica. Sie beinhaltet die Verbindungen zur A. colica dextra über ihre deszendierenden und aszendierenden Äste, die rechts- und linksseitigen Äste der A. colica media, die aszendierenden und deszendierenden Äste der A. colica sinistra und die sigmoidalen Äste der AMI, die in der A. rectalis superior enden. Sofern dieser Kollateralisierungsweg ausreichend entwickelt ist, kann er eine wichtige Quelle der Kollateralzirkulation zum Kolon sein, insbesondere nach einer Kolonresektion. Die Arterie kann direkt benachbart zum Kolon verlaufen, manchmal auch innerhalb des Mesenteriums. In weniger als 50 % ist dieser Kollateralweg im Bereich der linken Flexur nicht vollständig ausgebildet (i. e. Griffith-Punkt). In diesen Fällen kann nach Kolonresektion oder bei Verschlussprozessen eine Kolonischämie resultieren.
 
2.
Die Riolan'sche Anastomose bzw. die A. Moskowitz: sie ist ein weiteres Kollateralnetzwerk zwischen den Versorgungsgebieten der AMS und der AMI, das nach dem Anatomen Jean Riolan benannt wurde. Wenn es vorhanden ist, verbindet es die A. colica media der AMS mit der A. colica sinistra der AMI. In der Ära des endovaskulären Aortenersatzes ist dies eine wichtige Kollateralisierung, über die eine Coilembolisation von Typ-II-Endoleckagen erfolgen kann.
 

Pathophysiologie

Einleitung

Die ersten klinischen und anatomischen Beschreibungen der intestinalen Ischämie stammen aus der Feder von Chienne (1869) und Councilman (1894).
Goodmann assoziierte 1918 erstmals die Symptomatik des akut einsetzenden postprandialen abdominellen Schmerzes mit Patienten einer Angina pectoris (Goodman 1918). Dunphy vom Peter Bent Brigham Hospital berichtete 1936 über die Korrelation zwischen rezidivierendem Abdominalschmerz und fataler intestinaler Ischämie mit der mesenterialen Verschlusserkrankung (Dunphy 1936). Er berichtete hier, dass 60 % der Patienten bereits Wochen, Monate oder Jahre vor ihrem Tod durch mesenteriale Ischämie eine Anamnese von rezidivierenden Abdominalschmerzen aufwiesen. Seitdem hat sich der Terminus intestinale Angina durchgesetzt, der die klassische Symptomatik des chronischen postprandialen Abdominaleschmerzes als Kardinalsymptom der chronischen mesenterialen Ischämie (CMI) beschreibt.
Aktuellen Schätzungen zufolge sind <1 pro 100.000 Krankenhauseinweisungen in den USA und <2 % der Zuweisungen mit gastrointestinalen Symptomen auf eine CMI zurückzuführen (Mitchell und Moneta 2006). Seit der ersten erfolgreichen mesenterialen Embolektomie durch Shaw und Maynard sind die Revaskularisationstechniken erheblich weiterentwickelt worden (Shaw und Maynard 1958). Fortschritte in der diagnostischen Bildgebung, der medikamentösen Therapie, chirurgische Techniken und endovaskuläre Verfahren haben zu deutlich verbesserten Ergebnissen geführt. Uflacker und Goldany, Furrer et al. haben über die Ballonangioplastie zur Behandlung mesenterialer Stenosen berichtet (Furrer et al. 1980; Uflacker et al. 1980). Während der letzten Dekade gewannen mesenteriale Angioplastie und Stenting eine breite Akzeptanz, so dass sie mittlerweile zu den häufigsten Techniken der invasiven CMI-Behandlung avanciert sind. Die offen chirurgischen Verfahren beschränken sich somit heute im Wesentlichen auf Patienten, die für endovaskuläre Therapieverfahren aufgrund des komplexen Befallmusters oder fehlgeschlagener endovaskulärer Behandlungen als ungeeignet erscheinen (Schermerhorn et al. 2009).
Dieses Kapitel gibt einen umfassenden Überblick über Pathophysiologie, klinische Präsentation, Therapieindikationen, sowie Techniken und Ergebnisse der Revaskularisation von Patienten mit CMI.

Vaskuläre Anatomie

Der Gastrointestinaltrakt wird durch 3 direkt aus der Aorta abgehende Äste versorgt. (Abb. 1), der Truncus coeliacus, die A. mesenterica superior (AMS) und die A. mesenterica inferior (AMI). Der Truncus coeliacus versorgt die kranialen Darmanteile, den Magen, die Leber und die Milz. Die AMS ist das größte aus der abdominellen Aorta abgehende Gefäß; sie versorgt die mittleren Darmanteile mit dem gesamten Intestinum, das proximale Kolon und das Pankreas. Die AMI versorgt das distale Kolon. Es besteht ein ausgeprägtes Kollateralnetz zwischen diesen 3 Arterien. Darüber hinaus existieren auch weitere Verbindungen über phrenische und parietale Äste sowie die A. iliaca interna.

Physiologie

Unter physiologischen Bedingungen entfallen etwa 20 % des Herz-Zeit-Volumens auf die intestinale Durchblutung. Der Blutfluss zum Gastrointestinaltrakt erhöht sich sogar noch vor der Nahrungsaufnahme und bleibt dann für etwa 3–6 h um 100–150 % des normalen Blutflusses (2000 ml/min) erhöht. Es ist nicht ganz geklärt, ob sich diese Umverteilung allein auf den Mesenterialtrakt beschränkt. In den 1930er-Jahren konnte Herrik mittels Thermosensoren bei wachen Hunden nachweisen, dass der Blutfluss über 5 h nach der Nahrungsaufnahme erhöht bleibt. Dieser erhöhte Blutfluss betraf jedoch nicht nur das Intestinum, sondern auch die Karotis- und die Koronarstrombahn, wie auch die Femoralarterien. Man hat vermutet, dass diese hämodynamischen Veränderungen durch einen Anstieg der kardialen Auswurfleistung zustande kommt (Fara 1984). Der Großteil der Versuche, die unternommen wurden, um die physiologische Antwort der mesenterialen Zirkulation auf den Nahrungsreiz zu verstehen, entstammt Tierversuchen mit eingeschränkten Untersuchungsbedingungen unter Nutzung angiographischer Techniken oder elektromagnetischer Flussmessungen nach Laparotomie (Moneta et al. 1988).
Die physiologischen postprandialen hämodynamischen Veränderungen sind durch die Nahrungsaufnahme und die Verdauung getriggert. Es ist nachgewiesen, dass diese Veränderungen bereits initiiert werden, bevor die Nahrung den Magen erreicht. Diese antizipierte präliminäre Reaktion resultiert in einem schwachen Anstieg des Blutflusses in der A. mesenterica superior. Wenn die Nahrung den Magen dann nicht erreicht, hält diese Reaktion lediglich einige Minuten an. Studien an Hunden und an Primaten haben zeigen können, das die kardiale Auswurfleistung, die Herzfrequenz und der aortale Druck in dieser Phase erhöht sind; allerdings ist nur eine sehr geringe Veränderung des mesenterialen vaskulären Widerstandes messbar. Nach dieser präliminären Phase ist ein Fortbestehen der erhöhten Auswurfleistung jedoch nicht gut dokumentiert (Fara 1984).
Die mesenteriale Vasodilatation beginnt 3–5 min nachdem die Nahrung das Intestinum erreicht hat, erreicht ihr Maximum 30–90 min später und dauert insgesamt 4–6 h an. Die Latenz und die Dauer dieser Reaktion ist von der Art und der Menge der Nahrung abhängig, wobei stark fetthaltige und proteinreiche Nahrungsmittel die stärkste und nachhaltigste intestinale Hyperämie auslösen (Siregar und Chou 1982). Moneta et al. beschrieben duplexsonographisch unterschiedliche funktionelle Reaktionen nach Ingestion von 6 unterschiedlichen flüssigen Mahlzeiten an wachen Patienten: gemischte Nahrung, Kohlenhydrate, Fette, Proteine, Mannitol und Wasser. Die A. mesenterica superior zeigte einen signifikanten Anstieg des systolischen Spitzenflusses, der end-diastolischen Flussgeschwindigkeit sowie des Flussvolumens nach allen Mahlzeiten mit Ausnahme des Wassers. Nach Ingestion der Zuckerlösung traten die stärksten Änderungen früher ein und waren weniger ausgeprägt als nach gemischten und fetten Mahlzeiten. Obwohl der Anstieg der duplexsonographischen Parameter nach Einnahme proteinhaltiger Lösungen weniger ausgeprägt war als nach Zuckerlösung, war er länger anhaltend. Die Femoralarterien und der Truncus coeliacus reagierten nicht. Eine minimale Änderung der coeliakalen Flussgeschwindigkeit ist möglicherweise Sekundärfolge eines niedrigen peripheren Widerstandes der A. lienalis und der A. hepatica.
Die postprandiale mesenteriale Hyperämie beschränkt sich auf die Organe, die an der Nahrungsverarbeitung beteiligt sind – allerdings verteilt sie sich nicht homogen auf die Gefäßterritorien und Gewebsschichten des Intestinums. Der durch Nahrung ausgelöste Anstieg der Durchblutung in der A. mesenterica superior geht mit nur minimalen bis gar keinen Veränderungen des Magens des Pankreas und des Kolons einher. Studien an Hunden, denen Nahrung in unterschiedliche Areale des Intestinums verabreicht wurde, haben zeigen können, dass sich die Durchblutung in den Arealen unterschiedlich verhält (Fara 1984). Innerhalb der Darmwand wird die Mucosa zuungunsten der Submucosa und der Muscularis bezüglich der Verteilung der Durchblutung bevorzugt (70–80 % des Blutflusses) (Gallavan et al. 1980). Somit ist die postprandiale mesenteriale Hyperämie bezüglich der Verteilung auf intestinale Regionen in Abhängigkeit vom Verdauungs- und Resorptionsprozess als selektiv anzusehen (Fara 1984).
Es hat wiederholt Versuche gegeben, die zugrunde liegenden Mechanismen der postprandialen Hyperämie zu erklären. Mögliche Mediatoren wurden in 5 Kategorien unterteilt: direkter Effekt auf die absorbierten Nahrungsbestandteile, das enterische neuronale System, gastrointestinale Hormone und Peptide sowie lokale vasoaktive Mediatoren und deren Metaboliten (Chou und Coatney 1994). Liposomen, Aminosäuren, Kohlendioxid und Stickstoffionen können die intestinale epitheliale Barriere passieren und direkt mit dem Autoregulationsprozess der intestinalen Mikrozirkulation interferieren (Matheson et al. 2000).
Der Einfluss des intestinalen Nervensystems ist bislang nicht eindeutig geklärt. Chirurgische und pharmakologische Sympathikusblockaden können die postprandiale Hyperämie zumindest nicht beeinflussen. Die Infusion von Atropin dagegen hemmt die nahrungsassoziierte Vasodilatation. Dieser Effekt ist partiell kompatibel zu dem hormonalen Mechanismus, der die Freisetzung von Cholezystokinin durch cholinerge Blockade blockiert (CCK) (Fara 1984). Capsaicin-sensitive afferente Nervenfasern, die für die Freisetzung von CCK, die Substanz P und von vasoaktiven intestinalen Polypeptiden (VIP) verantwortlich sind, können ebenso partiell involviert sein, da Capsaicin (und Lidocain) eine Hyperämie verhindern kann. Somit scheinen nicht-adrenerge, nicht-cholinerge Mechanismen doch eine Rolle zu spielen (Matheson et al. 2000).
Aus früheren Studien ist bekannt, dass systemische Infusionen von Sekretin, Gastrin und CCK einen Anstieg des Blutflusses in der AMS bewirken konnten. CCK war darüber hinaus mit einem Anstieg des Blutflusses im Dünndarm und im Pankreas assoziiert (Fara 1984). Premen et al. untersuchten den Einfluss von CCK als physiologischem intestinalem Vasodilatator, basierend auf der Erkenntnis, dass CCK den intestinalen Blutfluss unter physiologischen Bedingungen nicht alteriert. Diese Autoren infundierten Sekretin, Neurotensin und CCK, sowie eine Kombination aus den 3 Agenzien intraarteriell an Hunden. Im Ergebnis zeigte sich jedoch, dass weder als isolierte Substanzen noch in Kombination ein Einfluss auf die postprandiale intestinale Durchblutungsregulierung nachgewiesen werden konnte (Premen et al. 1985). VIP, Kalzitonin gen-assoziiertes Peptid alpha, Glucagon, Enkephaline, Somatostatin, und Peptid YY scheinen hier in physiologischen Dosen ebenfalls keine Rolle zu spielen. Es ist jedoch möglich, dass bestimmte Regionen des Intestinums durch diese Substanzen in ihrer hämodynamischen Regulation lokal beeinflusst werden könnten (Matheson et al. 2000).
Serotonin, Histamin, Bradykinin, und Prostaglandine werden im Dünndarm durch Stimulation von physiologischen oder pathophysiologischen Reizen gebildet. Seit langem ist bekannt, dass die Freisetzung von Histamin im Magen einen regulatorischen Effekt auf dessen Durchblutung hat. Dessen vasodilatierende Effekte werden im Wesentlichen durch H1-Rezeptoren erzielt. Die Rolle lokaler nicht-metabolischer vasoaktiver Mediatoren wird möglicherweise durch das Zusammenspiel von Vasokontriktoren und Vasodilatatoren bestimmt (Fara 1984; Premen et al. 1985).
Nach aktuell gängiger Meinung sind metabolische Substanzen, sowie im Wesentlichen die Sauerstoffaufnahme und das pCO2 im Gewebe die wichtigsten Mediatoren für die postprandiale intestinale hämodynamische Reaktion. Das Adenosin spielt ebenfalls eine fundamentale Rolle in fast allen diesen metabolischen Prozessen; die Adenosin Konzentration ist dementsprechend während der postprandialen Hyperämie ebenfalls erhöht. Stickstoffoxid (NO) ist ein potenter Vasodilatator, der dem Endothel entstammt. NO spielt eine bedeutende Rolle als Regulans der intestinalen Motilität, Flüssigkeitsbalance und Elektrolytresorption. Bei Nagetieren scheint NO eine essenzielle Rolle für die arterielle Dilatation der mukosalen Gefäße zu spielen (Matheson et al. 2000).

Pathophysiologie

Patienten mit chronischer mesenterialer Ischämie können auf Nahrungsreize nicht mehr mit einer adäquaten postprandialen Hyperämie zur Sauerstoffzufuhr reagieren, die erforderlich ist, um den metabolischen Prozess der Sekretion, Absorption und die Anregung der peristaltischen Aktivität zu initiieren (Poole et al. 2006). Genau wie bei Patienten mit ischämischer Kardiomyopathie, bei denen die Angina pectoris Ausdruck des Ungleichgewichtes zwischen Sauerstoffzufuhr und -verbrauch ist, entsteht die Angina intestinalis aus dem Missverhältnis zwischen Sauerstoffangebot und dem Bedarf an Sauerstoff und Metaboliten für die Verdauung. Auf Gewebe- und Zellniveau interferiert der Mangel an Adenosintriphosphat (ATP) mit der intestinalen Mukosa, der Muscularis und den viszeralen Nerven. Dies resultiert in einem Versagen einer Vielzahl von intestinalen transmukosalen Transportwegen und führt zu einer Kontraktion der Darmmuskulatur, was wiederum in einer inadäquaten Relaxation endet, deren Resultat Malabsorption und abdominaler Schmerz sind (Fu und Longhurst 1999; Kozar et al. 2002).
Aufgrund des extensiven Kollateralnetzes leidet ein großer Teil der Patienten mit CMI an signifikanten Stenosen oder Verschlüssen von mehr als nur einer Mesenterialarterie. In einer Zusammenstellung der Patienten aus der Mayo-Klinik zeigte sich angiographisch, dass 98 % der Patienten mit CMI eine Beteiligung von zwei oder mehr Arterien aufwies, wobei ein Verschluss oder eine kritische Stenose der AMS bei 92 % der Patienten vorlag (Oderich 2009). Im Gegensatz zu dem, was in vielen Lehrbüchern noch postuliert wird, ist dies keine absolute Voraussetzung für die Diagnosestellung einer CMI (Ku et al. 1989). Die klinische Bedeutung der Ischämie korreliert vielmehr nicht nur mit der Ausdehnung der Erkrankung sondern auch mit der Ausprägung der Kollateralkreisläufe, der akuten Symptomatik, und der Ausprägung der arteriellen Unterversorgung. Etwa 2–10 % aller Patienten mit CMI leiden an einer Ein-Gefäß-Erkrankung, die dann meist die AMS mit einem schwach ausgeprägten Kollateralnetz betrifft, oder aber akut in ihrer Symptomatik auftritt (Oderich 2009).
Trotz Limitationen im Versuchsaufbau konnten Ku et al. anhand eines aortalen Glasmodells Flussverhältnisse demonstrieren, die die Tendenz einer Plaquebildung insbesondere in der viszeralen und infrarenalen Aorta nahelegen. Die Flussseparierung und Stagnationseffekte an der Aortenhinterwand vor allem in Höhe der AMS und AMI wurde in postprandialen und in Ruhe-Situationen simuliert. Die aortale Wandspannung („shear stress“) könnte Anlass zu Plaqueformation geben und möglicherweise in stenosierenden oder aneurysmatischen Erkrankungen resultieren (Ku et al. 1989).

Zusammenfassung

Die mesenteriale Gefäßanatomie besteht aus einem robusten, gut ausgeprägten Kollateralnetz zwischen den Versorgungsgebieten des Truncus coeliacus, der AMS und der AMI. Die physiologische hyperäme Antwort nach der Nahrungsaufnahme wird durch humorale und metabolische Faktoren getriggert, die in einem bis zu 10-fachen Anstieg der Durchblutung resultieren. Patienten mit Symptomen der CMI können diese physiologische Reaktion nicht mehr aufbauen, so dass eine Angina intestinalis als Ergebnis einer Imbalance zwischen Sauerstoff- und Nährstoffbedarf und -verbrauch resultiert.
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