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Komplikationen in der interventionellen Gefäßmedizin – Diagnostik und Therapie

Verfasst von: Walter Gross-Fengels und Stefan Müller-Hülsbeck
Bei invasiven Katheter-basierten Eingriffen am Gefäßsystem muss grundsätzlich mit Komplikationen gerechnet werden (Aburhama et al. 1993; Axisa et al. 2002; Fraedrich et al. 1987; Frühwirt et al. 1996; Heintzen und Strauer 1998; Labropoulos et al. 1994; Tiroch et al. 2008; Zeitler 1978). Aufgrund der geringeren Invasivität sind Häufigkeit und Schwere der Komplikationen im Vergleich zu operativen Verfahren geringer einzuschätzen. Die technische Durchführung vaskulärer Interventionen konnte in den letzten Jahrzehnten methodisch wesentlich verbessert werden. Ferner stehen uns heute kleinlumige, besser steuerbare Kathetersysteme sowie optimierte Stent- und Embolisationsmaterialien und perkutane Verschlusssysteme zur Verfügung (Biancari et al. 2010; Applegate et al. 2008; Corriere et al. 2007; Jahnke und Müller-Hülsbeck 2013; Gross-Fengels et al. 1998; Rosen et al. 2003). Darüber hinaus erlauben moderne Röntgenanlagen eine noch genauere Visualisierung des Gefäßsystems und dadurch eine noch exaktere Platzierung der Materialien. Die hohe Akzeptanz der interventionellen Verfahren bei den Patienten und die vereinfachte technische Durchführung haben zu einem starken Anstieg der Interventionszahlen geführt (Bücker et al. 2012; Heuser et al. 2012). Die im DeGIR-Register (Deutsche Gesellschaft für interventionelle Radiologie) erfassten Interventionen stiegen von 2010 bis 2016 um mehr als 30 % auf über 200.000 pro Jahr an. Durch neue Verfahren können heute auch ältere und polymorbide Patienten interventionell behandelt werden, die sich für eine operative Maßnahme nicht eignen. Dies bedeutet, dass trotz der geringeren Invasivität für jeden Patienten ein individuelles Eingriffsrisiko besteht, das durch die Art des Eingriffes, die Begleiterkrankungen, die spezifischen anatomischen Gegebenheiten sowie durch die eingesetzten Materialien bedingt ist.

Einführung

Bei invasiven Katheter-basierten Eingriffen am Gefäßsystem muss grundsätzlich mit Komplikationen gerechnet werden (Aburhama et al. 1993; Axisa et al. 2002; Fraedrich et al. 1987; Frühwirt et al. 1996; Heintzen und Strauer 1998; Labropoulos et al. 1994; Tiroch et al. 2008; Zeitler 1978). Aufgrund der geringeren Invasivität sind Häufigkeit und Schwere der Komplikationen im Vergleich zu operativen Verfahren geringer einzuschätzen. Die technische Durchführung vaskulärer Interventionen konnte in den letzten Jahrzehnten methodisch wesentlich verbessert werden. Ferner stehen uns heute kleinlumige, besser steuerbare Kathetersysteme sowie optimierte Stent- und Embolisationsmaterialien und perkutane Verschlusssysteme zur Verfügung (Biancari et al. 2010; Applegate et al. 2008; Corriere et al. 2007; Jahnke und Müller-Hülsbeck 2013; Gross-Fengels et al. 1998; Rosen et al. 2003). Darüber hinaus erlauben moderne Röntgenanlagen eine noch genauere Visualisierung des Gefäßsystems und dadurch eine noch exaktere Platzierung der Materialien. Die hohe Akzeptanz der interventionellen Verfahren bei den Patienten und die vereinfachte technische Durchführung haben zu einem starken Anstieg der Interventionszahlen geführt (Bücker et al. 2012; Heuser et al. 2012). Die im DeGIR-Register (Deutsche Gesellschaft für interventionelle Radiologie) erfassten Interventionen stiegen von 2010 bis 2016 um mehr als 30 % auf über 200.000 pro Jahr an. Durch neue Verfahren können heute auch ältere und polymorbide Patienten interventionell behandelt werden, die sich für eine operative Maßnahme nicht eignen. Dies bedeutet, dass trotz der geringeren Invasivität für jeden Patienten ein individuelles Eingriffsrisiko besteht, das durch die Art des Eingriffes, die Begleiterkrankungen, die spezifischen anatomischen Gegebenheiten sowie durch die eingesetzten Materialien bedingt ist.

Schweregrad von Komplikationen

Gemäß der Empfehlungen der SCVIR (Society for Vascular and International Radiology) werden Komplikationen bezüglich ihres Schweregrades wie folgt klassifiziert (Tab. 1).
Tab. 1
Schweregrad von Komplikationen
Komplikations- Kategorie
Schwere der Komplikation
Beschreibung (Beispiel)
1
Minor
Keine Therapie, keine Konsequenz (Übelkeit)
2
Minor
Symptomatische Therapie, Beobachtung (Hämatom)
3
Major
Therapie erforderlich, Krankenhausaufenthalt verlängert unter 48 h (Blutung mit Transfusion)
4
Major
Eingreifende Therapie, Klinikaufenthalt über 48 h verlängert (Hämatom mit operativer Revision)
5
Major
Permanente Schäden für den Patienten (Niereninsuffizienz, die zur Dialyse führt)
6
Major
Tod

Häufigkeit von Komplikationen

Die Angaben in der Literatur zur Häufigkeit von Komplikationen im Rahmen von interventionellen Verfahren variieren stark. Dies ist zum einen methodisch bedingt: bei prospektiver Erhebung von Komplikationen ergeben sich grundsätzlich höhere Raten als bei einer retrospektiven Auswertung oder bei einer multizentrischen Registererhebung. Ferner sind die Einschlusskriterien in die Studien sehr unterschiedlich definiert. Gleiches gilt für die Definitionen von Art und Schwere der Zwischenfälle sowie der Länge des Nachbeobachtungszeitraumes.
Für die Behandlung von Stenosen und Verschlüssen im Bereich der Extremitäten ist gemäß den Angaben der DeGIR und ÖGIR (Österreichische Gesellschaft für interventionelle Radiologie) (Register 2013: 48.415 Interventionen) mit einer Komplikationsquote von 2,6 % zu rechnen. Für venöse Rekanalisationen wurde eine Komplikationsquote von 3,2 %, für Portanlagen von 0,4 % angegeben. Für das Karotisstenting betragen die entsprechenden Werte 5,2 %. Für intrakranielle Rekanalisationen und die zerebrale Vasospasmustherapie wird ein Wert von 8,0 % angegeben. Hierbei ist zu beachten, dass sämtliche Komplikationsgrade aufgeführt wurden, d. h. auch Ereignisse, die sich spontan vollständig zurückbildeten oder die unter einer symptomatischen Behandlung folgenlos blieben.
Weitere Einzelheiten sind Tab. 2 zu entnehmen.
Tab. 2
Komplikationen DeGIR/ÖGIR-Register 2013
 
Arterielle Rekanalisation
Venöse Rekanalisation
Port
Karotis- Stent
Rekanalisation/Vasospasmus intrakraniell
Anzahl Eingriffe (n)
48.415
975
5235
1936
4875
Eingriffe mit dokumentierten Komplikationen (%)
2,6
3,2
0,4
5,2
8,0
Ohne Angabe (%)
0,0
0,0
0,1
0,3
0,2
Kein Therapiebedarf (%)
0,4
0,4
0,1
0,9
1,2
symptomatische Behandlung (%)
0,7
0,9
0,1
1,4
0,9
Therapiebedarf <48 h (%)
0,7
0,5
0,2
0,4
1,0
Therapiebedarf >48 h (%)
0,7
0,8
0,0
1,3
1,7
Dauerschäden (%)
0,0
0,0
0,0
0,5
1,1
Tod (%)
0,1
0,5
0,0
0,4
1,7
Nicht alle der o. g. Interventionsarten sind in der nationalen Qualitätssicherung aufgeführt. Für einzelne Behandlungsgruppen ergeben sich jedoch Vorgaben bzgl. der relativen Komplikationshäufigkeit, die nicht überschritten werden sollte.
Diese lauten wie folgt:
Angioplastie der Becken- und Beingefäße
<5,0 %
(alle Komplikationen)
Karotisstenting
< 5,0 %
(Schlaganfall und Letalität)
symptomatische Stenosen
< 6,0 %
 
asymptomatische Stenosen
< 3,0 %
 

Zeitpunkt des Auftretens von Komplikationen

Etwa 90 % der Komplikationen treten direkt bei der Intervention oder unmittelbar danach auf, bei ca. 10 % der Komplikationen ist mit einem protrahierten Auftreten zu rechnen. Hierbei ergeben sich starke Schwankungen zwischen den einzelnen Interventionsarten. Beispielhaft sei hier die Karotisstentversorgung genannt. Ein embolisch bedingter Infarkt wird im Rahmen der Intervention erkennbar, Reperfusionsblutungen treten dagegen typischerweise erst verzögert auf. Bei einer endovaskulären Ausschaltung eines Bauchaortenaneurysmas wird eine Perforation der Beckenarterien, z. B. durch das Schleusensystem, sofort erkennbar sein, wohingegen eine spinale Ischämie sich typischerweise mit einer deutlichen Latenz entwickelt und erst mehrere Tage später auftreten kann. Eine weitere Auswertung der DeGIR-Datenbank im Jahre 2011 ergab, dass bei Interventionen im Bereich der Becken- und Beingefäße 88,9 % der Komplikationen innerhalb von 24 h und 11,1 % der Komplikationen danach auftreten.

Arten und Ursachen von Komplikationen

Arten und Ursachen von Komplikationen sind der Übersicht zu entnehmen
Arten und Ursachen von Komplikationen
  • Punktionsstelle
    • Blutung, Hämatom, Aneurysma spurium, AV-Fistel, arterieller Verschluss, venöse Thrombose,
    • Nervenläsion
  • Zugangsweg
    • Dissektion, Perforation, Verschluss abgehender Seitenäste mit Organschädigung
  • Ort der Intervention
    • Dissektion, Verschluss, Perforation, AV-Fistel, Fehllage von Implantaten/Stents
  • Distal der Intervention
    • Embolie, Materialverschleppung, Aneurysma spurium, Gefäß-/Organperforation
  • Systemische Komplikationen, Kontrastmittel-assoziiert
  • Postimplantationssyndrom
  • Infektion

Arterielle Blutung

Arterielle Blutungen stellen nach wie vor die häufigste Komplikation nach vaskulären Interventionen dar. Viele Patienten stehen unter einer dualen Thrombozytenaggregationshemmung, was die Blutungswahrscheinlichkeit erhöht. Eine Gefäß- oder Organperforation kann bereits durch einen Führungsdraht erfolgen und zu einer schwerwiegenden Blutung führen (Abb. 1). Stärkere Gefäßverkalkungen schränken die Dehn- und Komprimierbarkeit von Gefäßen ein.
In den letzten Jahren ist es zu einem vermehrten Einsatz von perkutanen Naht- und Verschlusssystemen gekommen. Anfangs war der Einsatz dieser Systeme mit neuen Komplikationsarten verbunden. Inzwischen liegen jedoch umfangreiche Erfahrungen mit den verschiedenen Verschlusssystemen vor. Die Mitteilung in der Literatur sowie eigene Erfahrungen zeigen, dass sich durch den Einsatz von Verschlusssystemen nach Überwindung einer anfänglichen Lernkurve die Häufigkeit von Nachblutungen reduzieren lässt. Ferner hat der Einsatz von Ultraschall-gezielten Punktionstechniken dazu geführt, dass sich die Anzahl von Fehlpunktionen verringert. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit der operativen Gefäßfreilegung mit direkter Kontrolle der Punktionsstelle. Ferner gestatten spezielle beschichtete Schleusensysteme eine weniger traumatische Einbringung der Materialien. Kommt es zu einer Gefäßperforation im Bereich des Zugangsweges, so kann die auftretende Blutung zunächst mit einem proximal platzierten Ballonkatheter gestoppt werden. Die eigentliche Perforationsstelle lässt sich dann in der Regel sicher mit einem gecoverten Stent abdichten. Auch im Bereich der eigentlichen Angioplastiestelle kann es trotz adäquater Dimensionierung des Ballonkatheters zu einer Gefäßperforation mit entsprechender Blutung kommen (Abb. 2).
Eine lückenlose postinterventionelle Überwachung trägt dazu bei, auftretende arterielle Blutungen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.
Besonders tückisch sind hierbei Blutungen, die sich nach retroperitoneal ausdehnen und erst verzögert symptomatisch werden (Tiroch et al. 2008; Yatskar et al. 2007). Bei größeren Blutungen sind eine rasche Kreislaufstabilisierung und die Gabe von Bluttransfusionen erforderlich. Gegebenenfalls müssen eine operative Revision der Gefäßläsion sowie eine Drainage des Hämatoms erfolgen, um den Kreislauf zu stabilisieren und einem Kompartmentsyndrom vorzubeugen. Gelegentlich kann das Hämatom auch zu einer Beeinträchtigung der umgebenden Nervenstrukturen führen. Besonders kritisch sind dabei auch Nachblutungen aus der A. brachialis oder der A. axillaris aufgrund der engen Nachbarschaftsstrukturen. Hieraus können sich bei ungünstigem Verlauf eine komplexe Plexusläsion oder eine dauerhafte periphere Nervenschädigung ergeben.

Arterieller Gefäßverschluss

Verschlüsse im Punktionsbereich werden heute seltener als früher beobachtet. Diese Verschlüsse können durch dicklumige Katheter oder Schleusen bedingt sein, die so das stenosierte Gefäßlumen verlegen. Darüber hinaus kann es zu einer Abhebung von Plaques und zu einer lokalen Dissektion (Abb. 3) kommen und dadurch kann sich das Gefäß sekundär verschließen. Fehlplatzierte Verschlusssysteme können zu einer Verlegung der punktierten Arterie führen und eine chirurgische Revision erfordern (Kalapatapu et al. 2006; Nikolsky et al. 2004). Ferner ist trotz ausreichender Heparinisierung eine parietale Thrombosierung möglich, insbesondere bei der Punktion von sehr kleinlumigen Arterien. Akute thrombembolische Verschlüsse, die im Rahmen von Interventionen auftreten, lassen sich mit einer hohen technischen Erfolgsquote durch eine lokale Fibrinolyse- Behandlung oder eine Katheter-assistierte mechanische Thrombektomie behandeln. Führen diese Maßnahmen nicht zum Erfolg, so muss in Abhängigkeit von der Schwere der Ischämie eine operative Revaskularisation erfolgen.

Aneurysma und AV-Fistel

Diese Komplikationen können sowohl am Punktionsort als auch im Bereich der Intervention oder distal davon, dann z. B. durch eine Drahtperforation bedingt, entstehen (Joels et al. 2008; Labropoulos et al. 1994). Sie sind in der Frühphase meist mit einem begleitenden Weichteilhämatom verbunden. Klinisch werden die Veränderungen durch eine Weichteilschwellung, lokalen Druckschmerz und bei einer AV- Fistel durch einen entsprechenden Auskultationsbefund und die Zeichen der kardialen Belastung aufgrund des Links-Rechts-Shunts erkennbar. Zur Diagnosesicherung reicht häufig die Duplexsonographie aus, bei fraglichen Befunden sollte auf eine CT-Angiographie zurückgegriffen werden. In Abhängigkeit von der Größe des Aneurysma spuriums kann häufig zugewartet werden, da es nicht selten zu einer spontanen Thrombose kommt. Ferner hat sich die duplexsonographische Kompressionstherapie, z. B. im Bereich der Leiste mit oder ohne zusätzliche Injektion von Thrombin bewährt. Bei AV-Fisteln kann in Abhängigkeit von der Lokalisation ein gecoverter Stentgraft eingesetzt werden oder eine operative Unterbindung notwendig werden.

Venöse Blutung

Werden zentrale Venen durch Katheter oder Führungsdrähte verletzt, kann es schnell zu einer hämo-dynamisch relevanten Blutung kommen. Kritisch sind dabei insbesondere Einblutungen in die Thorax- und Bauchhöhle. Bei ungünstiger Lage kann eine Perikardtamponade resultieren. Ferner kann es auch bei Interventionen an der Leber oder der Niere zu ausgeprägten subkapsulären venösen Blutungen kommen, insbesondere bei Patienten mit eingeschränkter Blutgerinnung.

Venöser Gefäßverschluss

Venöse Gefäßverschlüsse können z. B. durch Fehlpunktionen und Fehlsondierungen im Rahmen von arteriellen Interventionen entstehen (Klein-Weigel et al. 2006). Ferner kann es an der Punktionsstelle durch Hämatome zu einer Kompression der benachbarten Vene kommen. Darüber hinaus kann es insbesondere bei Einsatz von mechanischen, externen Kompressionshilfen zu einer vollständigen Verlegung z. B. der V. femoralis mit sekundärem thrombotischem Verschluss kommen. Lang liegende Schleusen oder Portsysteme im venösen System sind darüber hinaus anfällig für sekundäre Thrombosierungen.

Materialfehllage und Fehlfunktionen

Diese können primär oder sekundär entstehen. Im Rahmen einer endovaskulären Ausschaltung eines Bauchaortenaneurysmas kann es leicht zu einer akzidentellen Verlegung bzw. Überstentung des Abganges einer Nierenhauptarterie kommen. Dies lässt sich nur durch eine exakte interventionelle Diagnostik und subtile Bildgebung im Rahmen der Intervention vermeiden. Auch im Bereich der Aortenbifurkation muss auf eine exakte Platzierung von Stents geachtet werden, um den Zustrom zur gegenseitigen Beckenachse nicht zu verlegen. Meist werden diese Patienten erst sekundär symptomatisch. In diesem speziellen Fall kann versucht werden, den Stent von der Gegenseite durch das Maschenwerk zu passieren, auf zu dehnen und mit einem zweiten Stent die betroffene Beckenachse zu stabilisieren (Abb. 4).
Gefürchtet sind Materialfehllagen, z. B. im Rahmen von Embolisationsbehandlungen. Die Migration von Embolisationsmaterial, das z. B. im Rahmen von einer Endoleak-Behandlung eingebracht wird, kann zu einer schweren Ischämie des Myelons mit permanenter Querschnittssymptomatik führen. Ferner kann es zu einem Bruch von Draht- oder Schleusenmaterial kommen. Stentmaschen können sich unzureichend entfalten oder zentral in das Gefäßlumen hineinragen. Bei dem Versuch, entsprechende Fehllagen zu korrigieren, kann es zu einer Verkeilung kommen, so dass eine perkutane Entfernung nicht mehr möglich ist (Abb. 5).
Echte Fehlfunktionen wurden in der Vergangenheit mehrfach beobachtet. Dies betraf z. B. die primäre Dichtigkeit von Stentgraftmaterialien durch eine fehlerhafte Verarbeitung oder die Unmöglichkeit Stentgrafts freizusetzen, da das Material im Trägersystem verklemmt bzw. verklebt war. Gerade bei der Verwendung neuer Materialien („new devices“) sollte sorgfältig auf Fehlfunktionen oder ein frühes Versagen der Systeme geachtet werden.

Kardiale Komplikationen

Bei mehr als 25 % der Patienten mit einer peripheren AVK besteht eine koronare Herzerkrankung zum Zeitpunkt der Intervention. Dies verdeutlicht das hohe Risikopotenzial aufgrund der Komorbidität. Ferner kann es durch die Intervention zu Blutdruckabfällen mit sekundärer Minderperfusion des Myokards kommen. Durch Drahtmanipulationen, insbesondere bei der Verwendung von steifen Austauschdrähten kann es zu einer direkten Irritation des Myokards mit Herzrhythmusstörungen kommen. Darüber hinaus können Drähte in den Abgang der Koronararterien geraten und dort zu Minderperfusionen oder Gefäßperforationen führen.
Ferner ist zu bedenken, dass die Patienten gelegentlich dehydriert zur Intervention vorgestellt werden und damit die generelle Thromboseneigung steigt. Darüber hinaus darf die psychische Anspannung der Patienten, insbesondere bei Eingriffen in Lokalanästhesie, nicht unterschätzt werden. Dies erfordert den Einsatz einer suffizienten Analgosedierung.

Neurozerebrale Komplikationen

Bei allen Interventionen im Bereich der hirnversorgenden Gefäße kann es aufgrund von thrombembolischen Ereignissen zu einer Minderperfusion des ZNS kommen (Eckstein et al. 2013). Hierbei ist zu bedenken, dass im Aortenbogen häufig instabile Plaques vorliegen, die leicht mobilisiert werden können. Es kann bereits bei geringgradigen Kathetermanövern ausgelöst werden. Ferner ist zu bedenken, dass in den Kathetern Thromben entstehen bzw. es bei der Kontrastmittelinjektion zu einer Einbringung von kleinen Luftblasen kommen kann, die wiederum zu einer peripheren Minderperfusion führen. Auch kann es durch das Einbringen von Schleusen zu einer partiellen Verlegung von abgehenden Hirngefäßen kommen. Dies muss insbesondere beachtet werden, wenn zur Therapie von Gefäßen im Becken- und Beinbereich ein Zugang über supraaortale Gefäße, z. B. die A. radialis oder die A. brachialis gewählt wird.
Bei der Durchführung einer lokalen Fibrinolysetherapie mit Einbringung von Urokinase oder rt-PA kommt es regelhaft auch zu systemischen Wirkungen auf das Gerinnungssystem. Bei Patienten mit vorgeschädigtem zerebralen Gefäßstatus oder einer schlecht eingestellten arteriellen Hypertonie kann es leicht in diesem Zusammenhang zu Hirnblutungen kommen.

Pulmonale Komplikationen

Bei Zugängen über die Halsgefäße kann es leicht zu einer Pleuraverletzung mit daraus resultierendem Pneumothorax kommen. Ferner können steife Wechseldrähte bei ungünstiger Konstellation auch zu einer Verletzung der A. subclavia oder der A. thoracica interna führen. Einblutungen in die Pleurahöhle sind die Folge. Kommt es zu einer unklaren Zustandsverschlechterung mit verminderter Sauerstoffsättigung, so muss auch immer eine peri- oder postinterventionelle Lungenembolie in Betracht gezogen werden.

Infektion/Abszess

Infektionen und Abszesse nach perkutanen vaskulären Interventionen treten deutlich seltener auf im Vergleich zu offenen operativen Vorgehen. So wird z. B. für die EVAR von abdominellen Aortenaneurysmen eine Infektionsquote von 0,3 % angegeben, wohingegen sie bei offenem chirurgischen Vorgehen bei über 1 % liegt (Gross-Fengels et al. 2013). Auch werden aufgrund der geringeren Invasivität Lymphfisteln nach Perkutaneingriffen nur sehr selten beobachtet. Bei der Einbringung von Fremdmaterialien muss insbesondere bei Patienten, die immunsupprimiert sind, auf eine subtile Implantationstechnik und Nachsorge geachtet werden.
Mit Infektionen im Bereich der Punktionsstelle muss bei ca. 0,2 % der Patienten gerechnet werden.

Postimplantationssyndrom

Zu Beginn der Therapie mit beschichteten Nitinolstents wurden häufiger Postimplantationssyndrome beobachtet. Im eigenen Patientengut beobachteten wir eine ausgeprägte entzündliche Umgebungsreaktion nach Einbringung eines beschichteten Nitinolstents in die Beckenstrombahn. Es kam zu einer Verlegung des Harnleiters mit sekundärer Hydronephrose. Im weiteren Verlauf konnte eine Gefäßverletzung ausgeschlossen werden. Die Umgebungsreaktion war durch eine abakterielle Entzündungs-/Abstoßungsreaktion bedingt (Siemens et al. 1999).
Auch heute noch kommt es bei bis zu 10 % der Patienten nach aortalen Stentgraftimplantationen zu einem Postimplantationssyndrom. Dies ist durch eine Leukozytose, Thrombozytopenie und weitere Laborveränderungen gekennzeichnet. Die subfibrilen Temperaturen sistieren häufig unter der Gabe von nichtsteroidalen Antiphlogistika (z. B. Ibuprofen, Diclofenac). Obwohl bei diesen Patienten in der Regel keine Bakteriämie nachweisbar ist, empfehlen die meisten Arbeitsgruppen die prophylaktische, einmalige Gabe eines Antibiotikums (Cephalosporin periinterventionell) bei der Einbringung von größeren Stentgrafts, und auch die Gabe von niedrig dosierten Steroiden kann die Symptomatik positiv beeinflussen. Beim Postimplantationssyndrom wird aufgrund der unklaren Genese häufig ebenfalls zusätzlich ein Antibiotikum für mehrere Tage verordnet. Da das Postimplantationssyndrom mit gravierenden Komplikationen einhergehen kann, kann im Einzelfall auch eine stationäre Behandlung erforderlich sein.

Anaphylaxie, Kontrastmittel-assoziierte Komplikationen

Bei der Gabe von jodhaltigen Röntgenkontrastmitteln kann es auch bei Verwendung von modernen Präparaten zu Nebenwirkungen kommen. Mit dem Auftreten von milden Reaktionen ist in ca. 3 %, mit moderaten Nebenwirkungen in 0,2–0,4 % und mit schweren, lebensbedrohlichen Veränderungen in ca. 0,04 % der Fälle zu rechnen. Diese anaphylaktischen Reaktionen treten zu 90 % innerhalb der ersten 15 min nach der Kontrastmittelgabe auf, können sich aber in Einzelfällen auch erst nach mehreren Stunden ergeben. Die Veränderungen reichen von Juckreiz über eine Urtikaria bis hin zum Laryngospasmus, Blutdruckabfall und anaphylaktischen Schock. Es empfiehlt sich die Gabe von H1- und H2-Blockern, hochdosierten Kortisonpräparaten und die Applikation von verdünnten Adrenalinlösungen, eine rasche Volumensubstitution sowie die Feststellung der Ventilation. Alle Vorbereitungen zur Durchführung von Reanimationsmaßnahmen müssen erfolgen. Durch Röntgenkontrastmittel kann es zu einer Verschlechterung der Nierenfunktion kommen. Eine große Gefahr besteht hier besonders bei hohen Kontrastmittelmengen, wie sie z. B. im Rahmen von komplexen EVAR-Prozeduren notwendig sind. Auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist bei prädisponierten Patienten zu achten. Bei einem Kreatininserumspiegel von über 2,0 mg/dl ziehen wir im Regelfall vor der Kontrastmittelgabe einen Nephrologen hinzu. Bei Patienten mit bekannten Schilddrüsenerkrankungen wird die Kontrolle der Schilddrüsenfunktionsparameter vor einer Kontrastmittelgabe als obligat angesehen. Durch eine entsprechende Medikation kann so eine Kontrastmittel-induzierte thyreotoxische Krise in der Regel vermieden werden.

Risikogruppen und prädisponierende Erkrankungen

Die folgende Übersicht gibt einen Überblick über Patientengruppen, für die ein erhöhtes Eingriffsrisiko im Rahmen von vaskulären Interventionen besteht.
Risikogruppen und prädisponierende Erkrankungen
  • Patienten im höheren Lebensalter
  • Weibliche Patienten
  • Diabetiker
  • Dialyse-Patienten, Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion/chronischer Hämodialyse
  • Patienten mit Gerinnungsstörungen
  • Patienten unter einer dauerhaften Steroidbehandlung
  • Patienten mit fortgeschrittener Leberfunktionsstörung
  • Patienten mit angeborenen Bindegewebserkrankungen (z. B. Ehlers-Danlos-Syndrom)
  • Patienten mit floriden Infekten
  • Übergewichtige Patienten
  • Patienten mit Voroperationen oder Vorinterventionen im Interventionsbereich
  • Immunsupprimierte Patienten
  • Patienten mit entzündlichen Gefäßerkrankungen

Vermeidung von Komplikationen

Zur Vermeidung bzw. Reduktion von Komplikationen im Rahmen von vaskulären Interventionen können die Empfehlungen herangezogen werden, die in der folgenden Übersicht aufgeführt sind.
Vermeidung und Erkennung von Komplikationen
  • Behandlungsstandards (SOPs) für alle gängigen vaskulären Interventionen etablieren
  • Indikationskriterien für jeden Eingriff festlegen
  • Krankheitsstadium vor Therapiebeginn definieren (Klinik, Labor, Röntgenuntersuchung)
  • Medikation vor dem Eingriff anpassen (z. B. doppelte Plättchenhemmung vor Karotisstent)
  • Ausreichende Maßnahmen für eine Analgosedierung, ggf. Narkose, treffen
  • Monitoring während des Eingriffes sicherstellen
  • Präinterventionelles Angiogramm erstellen
  • Bei wiederholtem Materialwechsel Schleusen einsetzen, um das lokale Gefäßtrauma zu reduzieren
  • Vollständige Okklusion des Gefäßes durch den Katheter mit Verschlechterung der peripheren Perfusion vermeiden
  • Bei längerer Liegedauer von Schleusen oder Kathetersystemen auf ausreichende Antikoagulation
  • achten
  • Besondere Vorsicht bei antegrader Punktion der A. femoralis communis und bei Zugang über die A. brachialis
  • Systeme zum perkutanen Verschluss der Punktionsstelle einsetzen
  • Bei manueller Kompression diese ausreichend lang und dosiert vornehmen, venöse Kompression vermeiden
  • Besondere Vorsicht beim Einsatz von externen mechanischen Kompressionshilfen.
  • Dokumentation des Endbefundes mittels Kontrollangiogramm unter Einschluss der peripheren Ausstrombahn
  • Schnittbilddiagnostik nach EVAR vor Entlassung durchführen
  • Lückenlose postinterventionelle Überwachung sicherstellen
  • Kontrolluntersuchungen am Folgetag, z. B. mittels Duplexsonographie regelhaft terminieren
  • Postinterventionelle Visiten auf Station oder im ambulanten Nachsorgebereich vor Entlassung durchführen
  • Morbiditäts- und Mortalitätskonferenzen regelhaft abhalten
Literatur
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