Grundlagen der operativen Therapie
Im Folgenden werden die konventionellen gefäßchirurgischen Rekonstruktionsverfahren im Einzelnen vorgestellt. Modifikationen und Kombinationen der verschiedenen Techniken sind dabei in der Praxis keine Seltenheit und werden nach Bedarf vorgenommen. Die Wahl des operativen, endovaskulären Verfahrens oder auch der Kombination aus beiden Techniken richtet sich nach dem morphologischen Veschlussmuster. Lokalisierte Läsionen werden in der Regel endovaskulär, diffuse und ausgedehnte Prozesse vorzugsweise offen-chirurgisch angegangen (Tab.
1).
Tab. 1
Therapieverfahren in Abhängigkeit vom TASC-Typ
A | Therapie der Wahl sind endovaskuläre Verfahren |
B | Endovaskuläre Verfahren werden häufiger als offene chirurgische Verfahren angewandt |
C | Offene chirurgische Verfahren werden häufiger als endovaskuläre angewandt |
D | Therapie der Wahl sind offene chirurgische Verfahren |
Operative Therapie der aortoiliakalen Achse
Chirurgische Maßnahmen haben in dieser Region einen deutlich höheren Langzeiterfolg als in distaler gelegenen Lokalisationen. Die Verfahrenswahl ist maßgeblich davon abhängig, ob eine lokalisierte Stenose/Verschluss vorliegt, oder ob der Verschlussprozess diffus und/oder beidseits vorhanden ist.
Operative Therapie der Oberschenkeletage
Folgende Leitsätze gelten für infrainguinale Rekonstruktionen
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Die distale Anastomose sollte auf der größten und am wenigsten verkalkten Empfängerarterie erfolgen.
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Infragenuale Bypässe sollten mit autologem Material durchgeführt werden.
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Bypasslängen sollten so kurz wie möglich gehalten werden (die Spenderarterie muss nicht immer die AFC sein).
Die Länge des Bypasses ist für die Offenheitsrate allerdings weniger entscheidend als das distale Spendergefäß. Es sollte somit eine längere Bypasstrecke in Kauf genommen werden, wenn die beste Empfängerarterie weiter distal lokalisiert ist.
Eingriffe an der Femoralisgabel
Bypassimplantation
Die erste erfolgreiche femoropopliteale Bypassoperation mit V. saphena magna wurde im Jahre 1964 durch Jean Kunlin in Paris durchgeführt. Seitdem wurden die heute verwandten alloplastischen Materialien (s. unten) entwickelt. Eine Bypassimplantation ist immer dann indiziert, wenn die Gefäßpathologie wegen lokoregionärer Gegebenheiten weder direkt (lokale DO) behandelt werden kann, noch aufgrund der Länge interventionell therapierbar ist. Für die Rekonstruktion in der aorto-iliakalen Etage werden in der Regel gewirkte Velour- oder Doppelvelour-Polyester-Prothesen verwandt. Nur selten kommt autologes Material zum Einsatz. Im Bereich der femoro-poplitealen Etage ist der gleichnamige femoro-popliteale Bypass die am häufigsten durchgeführte Rekonstruktion. Er wird proximal meist auf der Femoralisgabel angeschlossen und kann distal auf alle drei Segmente der A. poplitea anastomosiert werden.
Eine Besonderheit des femoro-poplitealen Segment-III-Bypasses ist der gelenkübergreifende Charakter der Rekonstruktion. Sie muss dann im Falle eines alloplastischen Bypasses mit einer Spiral- oder Ringverstärkung in diesem Bereich durchgeführt werden. Im Falle eines Verschlusses der A. femoro-poplitea im Adduktorenkanal kann der Bypass als Distal-origin-Bypass ausgeführt werden. Dabei wird die infektgefährdete Leistenregion als operativer Zugang umgangen. In der Oberschenkelregion finden vornehmlich autologe Venen (V. saphna magna/parva; seltener epifasziale Arm- oder tiefe Beinvenen) als Rekonstruktionssubstrat Verwendung. Die Anlage kann orthotop, also in der tiefen Gefäßloge, oder in situ, d. h. im eigenen Gefäßbett, erfolgen.
Bezüglich der Venenklappen ist bei der Verwendung von autologem Material darauf zu achten, die Venenklappen mit geeigneten Kathetersystemen zu zerstören oder aber die Vene zu drehen (sog. Reversed-Venenbypass). Alloplastische Materialien finden im Falle fehlender autologer Materialien Anwendung und liefern supragenual etwas schlechtere Langzeitergebnisse (s. unten). Gerecktes, dünnwandiges Polytetrafluorethylen (ePTFE) wird am häufigsten verwandt, ggf. sind Beschichtungen mit Carbon oder Heparin zur Reduktion der Verschlussrate angezeigt. Im kruro-pedalen Bereich werden zumeist gelenkübergreifende Bypässe auf den Truncus tibiofibularis oder die einzelnen Unterschenkelarterien implantiert. Wegen der geringen Lumengröße der Anschlussgefäße ist auf eine Minimierung der Traumatisierung insbesondere in Bezug auf die Gefäßobstruktion während der Rekonstruktion sowie auf einen Spannungsfreien Hautverschluss zu achten. Bypassmaterial der Wahl ist bei sehr distalen Gefäßrekonstruktionen immer die autologe Vene. Extraanatomische Bypassführungen werden bei Infekten der konventionellen Gefäßlogen vorgenommen.
Femoropopliteale Empfängererregion
In der femoropoplitealen Region stellt der alloplastische Gefäßersatz (Polytetrafluorethylen, Polyethylenterephtalat) eine akzeptierte Alternative zum autologen Venenbypass dar, obwohl sich Stimmen mehren, die auch in dieser Lokalisation die Verwendung der V. saphena magna (VSM) favorisieren. Vergleichende
Metaanalysen ergaben oberhalb des Kniegelenkspaltes bessere Resultate für die autologe Vene: Die 5-Jahres-Offenheitsraten lagen bei der VSM bei 66 %, gefolgt von 47 % bei PTFE (Clagett et al.
1997; Shah et al.
1996). Unterhalb des Kniegelenks werden die Unterschiede deutlicher: Die 5-Jahres-Offenheitsrate lag bei VSM reversed bei 77 %, in situ bei 68 %, bei humaner Umbilikalvene bei 60 % und bei PTFE schließlich bei 40 % (Franzeck et al.
1982). Neu ist die Beschichtung von PTFE mit Heparin. Hierdurch können supragenual mit der Vene vergleichbare Ergebnisse erzielt werden.
Maßnahmen zur Verbesserung der Langzeitoffenheitsrate
Kombinationseingriffe
Durch die Einführung interventioneller Techniken wurde das Spektrum der oben genannten konventionellen gefäßchirurgischen Therapieoptionen erheblich erweitert. Dabei wird individuell, häufig auch intraoperativ, über das optimale Vorgehen entschieden. Sowohl Kathetertechniken als auch Stenteigenschaften und Darstellungsmöglichkeiten mit hochauflösender
digitaler Subtraktionsangiographie haben in den letzten Jahren deutliche Entwicklungsschübe erlebt. Sie machen ein differenziertes, morphologieaptiertes therapeutisches Management möglich. Eine optimale Voraussetzung hierzu ist allerdings eine hochauflösende und leistungsstarke Angiografieeinheit im Operationssaal (Angiosuite im Operationssaal).