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Tumoren und tumorähnliche Proliferationen der Gefäßwand und des perivaskulären Gewebes

Verfasst von: Sebastian Debus, Walter Gross-Fengels und Justus G. Müller
Angeborene Gefäßfehlbildungen, die von ausdifferenzierten arteriellen und venösen Gefäßen ausgehen, werden im Kap. Angiodysplasien behandelt.
Angeborene Gefäßfehlbildungen, die von ausdifferenzierten arteriellen und venösen Gefäßen ausgehen, werden im Kap. Angiodysplasien behandelt.

Glomustumoren

Glomustumoren gehen von den Glomuskörperchen aus. Diese stellen spezialisierte arteriovenöse Shunts dar, deren glatte Muskelzellen im Bereich des Shunts (Sucquet-Hoyer-Kanal) die Temperatur messen. Wie die Glomuskörperchen liegen die Glomustumoren im Bereich von Haut und Subkutis, speziell an den Akren und oft subungual. Nur vereinzelt kommen sie auch im tiefen Weichgewebe oder in Organen, z. B. der Lunge, vor.
Glomustumoren sind nahezu immer benigne und zumeist nur wenige Millimeter groß. Histologisch handelt es sich häufig um Mischformen aus angiomyomatösen, paraganglionären und adenomatösen Anteilen.
Die Rarität eines malignen Glomustumors imponiert klinisch hingegen völlig anders. Es handelt sich um viele Zentimeter große maligne Tumoren, die zumeist makroskopisch wie Karzinome oder Sarkome aussehen. Erst histologisch und immunhistologisch sind diese Tumoren als Sonderform eines Glomustumors typisierbar.
Epidemiologie, Ätiologie und Pathogenese
Innerhalb der Weichteiltumoren treten Glomustumoren mit 1,6 % selten auf. Mit einer Geschlechtsverteilung von 3:1 sind Frauen häufiger betroffen, mit einer Prädominanz im 2. bis 4. Lebensjahrzehnt. In der Regel treten die Glomustumoren solitär auf. Bis zu 10 % der Fälle treten multipel auf, und können dann familiäre Formen (Mutationen von Glomulin GLMN) oder Assoziationen mit Neurofibromatose Typ 1 (NF1)) darstellen. Die Lokalisationen sind vielfältig (Tab. 1).
Tab. 1
Lokalisation und Häufigkeit von Glomustumoren. (Nach (Enzinger und Weiss 2001))
Lokalisation
N
%
Obere Extremität (Finger)
176 (81)
47 (22)
Untere Extremität
98
26
Hals
29
8
Rumpf
24
7
Gastrointestinal
45
12
Gesamt
372
100
Klinik
Glomustumoren wachsen als bläulich-rötliche linsenförmige Tumoren in den dermalen Hautschichten oder der Subkutis der oberen und der unteren Extremitäten, häufig auch in der Subungualregion. Unabhängig von der Tumorgröße ist das Auftreten paroxysmaler, ausstrahlender Schmerzen ein charakteristisches Merkmal der Glomustumoren, die auch durch taktilen Reiz – oft schon bei geringer Berührung – oder plötzliche Kälteexposition hervorgerufen werden können.
Diagnostik
Die kleinen bläulich-rötlichen Knötchen fallen unschwer bei der Inspektion auf. Radiologisch ist bei subungualen Läsionen eine lokale Osteolyse mit umgebendem Osteosklerosesaum charakteristisch. Ein MRT ist bei oberflächlichen Glomustumoren nicht erforderlich.
Therapie
Die vollständige, lokale Resektion ohne die Entfernung eines umgebenden Gewebssaumes ist ausreichend.
Verlauf und Prognose
In bis zu 10 % kommen lokale Rezidive vor. Diese entstehen infolge unvollständiger lokaler Exzision unter Belassung von Tumorresten. In diesen Fällen ist eine Nachresektion erforderlich. Eine strukturierte Tumornachsorge wird nicht empfohlen.

Paragangliome

Paragangliome sind Tumoren parasympathischer vegetativer Ganglien. Der häufigste derartige Tumor ist der des Glomus caroticum, weshalb die Paragangliome oft fälschlich als „Glomustumoren“ bezeichnet werden. Das Glomus caroticum liegt der Gabelung von A. carotis interna und externa unmittelbar an (Abb. 1). Im Glomus caroticum gehen die Nn. carotici des N. glossopharyngeus, des N. vagus und des Truncus sympathicus anatomische und funktionelle Verbindungen ein, wodurch diese Struktur als kreislaufwirksamer Chemorezeptor fungiert.
Histologisch bestehen Paragangliome aus Ganglienzellen, sind also positiv für Synaptophysin und Chromogranin. Glomustumoren (Kap. Tumorerkrankungen des Gefäßsystems: Diagnostik, Therapie und Nachsorge) hingegen sind für diese Marker negativ, aber positiv für glattmuskuläre Marker wie z. B. Actin.
Epidemiologie, Ätiologie und Pathogenese
Die Prävalenz des Karotisparaganglioms ist niedrig: unter allen Tumoren im Halsbereich machen sie einen Anteil von unter 0,01 % aus. Allerdings kommen die Tumoren des Glomus caroticum gehäuft bei Menschen vor, die in einer Höhe von 3000–4000 m leben. Dies legt nahe, dass das Auftreten dieser Tumoren mit Sauerstoffmangel vergesellschaftet ist, und würde auch erklären, warum das Karotisparagangliom bei Patienten mit Herzfehlern gehäuft gesehen wird. Bei letzteren entwickelt sich das Karotisparagangliom charakteristischerweise bilateral.
Während die Glomangiome nahezu immer benigne sind, können bis zu 10 % der Paragangliome metastasieren, z. B. in den Knochen. Diese Fälle sind jedoch für die Metastasenchirurgie gut geeignet, da die Überlebensrate auf diese Weise deutlich erhöht werden kann.
Klassifikation
Die klinische Einteilung erfolgt nach Linder entsprechend der Tumorausbreitung (Abb. 2) (Linder 1953).
  • Typ I ist durch eine gute Abgrenzbarkeit von den benachbarten Strukturen gekennzeichnet, die eine umschriebene Resektion ohne Beteiligung der benachbarten Gefäße erlaubt.
  • Typ II ist größer und wächst semizirkulär um die A. carotis interna, communis oder externa mit ihren Ästen. Charakteristischerweise erfolgt das Wachstum von dorsal her.
  • Typ III stellt die ausgedehnteste Form dar, die die gesamte Karotisgabel zirkulär umwächst.
Klinik
Durch verdrängendes Wachstum können die Karotisparagangliome spezifische Symptome verursachen. Typischerweise kommt es bei Kompression des N. laryngeus recurrens zur Heiserkeit, bei Befall der Ansa cervicalis profunda mit ihren Ästen kann eine Dysphagie entstehen. Daneben wird im Zusammenhang mit dem Karotisparagangliom auch ein Horner- Syndrom und bei Kompression des N. hypoglossus eine Störung der Zungenmotorik beschrieben.
Da das Glomus caroticum physiologischerweise vegetative Funktionen reguliert, kann die Symptomatik vielfältig sein. Neben erheblichen paroxysmalen Blutdruckschwankungen kann eine Bradykardie bis hin zur Bewusstlosigkeit auftreten (Charcot-Weiss-Baker-Syndrom) (Kogel et al. 1992). Als paraneoplastisches Phänomen können erhöhte Corticotropin-Releasing-Hormon (CRH)-Spiegel auftreten. Diese äußern sich klinisch durch Hitzewallungen, Diarrhöen, Heißhungeranfälle mit Spontanhypoglykämien, Tachykardie, Tachypnoe und Migräneanfällen. Sind die Tumoren kleiner als 2 cm, sind sie in der Regel symptomlos.
Diagnostik
Klinisch sind das Zeichen nach Fontaine und die Kocher-Zeichen pathognomonisch (Tab. 2). Die erforderliche apparative und Labordiagnostik ist in (Tab. 3) zusammengefasst.
Tab. 2
Klinische Diagnostik der Karotisparagangliome
 
Durchführung
Differenzialdiagnosen
Fontaine-Zeichen
Zwischen dem 1. und 2. Finger wird die Verschieblichkeit des Tumors getestet
Horizontal, aber nicht vertikal verschieblich, da die Karotisgabel dies nicht zulässt
Keine Verschieblichkeit → (post-)entzündliche Lymphknotenprozesse
Allseitige Verschieblichkeit → z. B. Entzündungen
Kocher-I-Zeichen
Tridigitale Palpation: Daumen und Mittelfinger liegen auf ACI und ACE, Zeigefinger auf Tumor
D I und D III pulsieren, D II pulsiert nicht
D II pulsiert auch → Aneurysma der Karotisgabel
Kocher-II-Zeichen
Bimanuelle Palpation von oral und extern
Tumor kann zirkulär ertastet werden
Aneurysma, Nebenschilddrüsenhyperplasie, Lymphknoten, Knotenstruma (Sonografie!)
Tab. 3
Apparative Diagnostik der Karotisparagangliome
Situation
Diagnostische Maßnahme
Zielsetzung der Maßnahme
Obligate Basisdiagnostik
B-Bild-Sonografie
Lokalisierung, Form und Größe des Tumors
Farbkodierte Duplexsonografie
Ausschluss einer Karotisstenose
Thoraxübersicht
Ausschluss von Metastasen
Schluckstörungen
Röntgen-Breischluck
Ausmaß der lokalen Verdrängung
Verlagerung der Trachea
Tracheoskopie
Ausmaß der lokalen Verdrängung
Ohne kardiale Symptomatik
Kardiologisches Konsil
Ausschluss vegetativer Folgeerscheinungen
Vorliegen kardialer Symptome
Langzeit-EKG
Abklärung vegetativer Folgeerscheinungen
Kardiologisches Konsil
Prüfung eines temporären Schrittmachers
Operationsvorbereitung
Digitale Subtraktionsangiogrfie, alternativ Angio-MRT
Darstellung des Gefäßbaums
Computertomografie, alternativ MRT von Hals und Schädel
Klärung der Beziehung zu Nachbarstrukturen
Eine Probeexzision ist obsolet, da regelhaft Blutungskomplikationen auftreten. Die Diagnostik muss also rein klinisch erfolgen.
Therapie
Das Ausmaß des operativen Eingriffes richtet sich nach der Ausdehnung des Tumors.
Operatives Vorgehen bei einem Paragangliom Typ I
  • Der Patient wird wie zu einer Karotisdesobliteration vorbereitet und gelagert.
  • Der Kopf ist rekliniert und zur kontralateralen gesunden Seite gedreht, um eine optimale Exposition des Situs gewährleisten zu können.
  • Eine Enthaarung der Brust sollte generell erfolgen, um ggf. eine Sternotomie durchführen zu können.
  • Zwei Erythrozytenkonzentrate sollten vorgehalten werden.
  • Die Indikation zur intraoperativen Shunteinlage erfolgt nach den Regeln der Karotischirurgie (Kap.).
  • Nach Inzision vor dem perkutan tastbaren vorderen Rand des M. sternocleidomastoideus wird entlang seiner ventralen Begrenzung die Gefäßnervenscheide präpariert.
  • Medial der V. jugularis interna wird sie eröffnet und zunächst die A. carotis communis aufgesucht.
  • Da das Karotisparagangliom in der Regel aus Ästen der A. carotis externa versorgt wird, erfolgt im nächsten Schritt die vorsichtige Isolierung und Durchtrennung der A. thyroidea superior und der A. lingualis.
  • Typ- I-Tumoren nach Linder lassen sich im Anschluss an die Skelettierung in der Regel problemlos aus der Karotisgabel herausschälen.
Bei Typ-II- und -III-Tumoren sollte, wenn die Tumorlokalisation dies zulässt, zentral die A. carotis externa präliminär abgeklemmt werden, da hierdurch der Blutfluss innerhalb des Tumors erheblich reduziert wird. Im Anschluss daran erfolgt das Ausschälen des Tumors von der A. carotis interna. Gelingt dies nicht, muss die A. carotis communis und die A. carotis interna distal des Tumors abgeklemmt werden. Ist das distale Tumorende nicht zu lokalisieren, sollte ausgehend von der A. carotis communis eine Shunteinlage erfolgen, um die Abklemmzeit kurz zu halten.
Bei Typ-III-Tumoren kann es erforderlich sein, den tumortragenden Abschnitt der A. carotis interna in toto mit dem Tumor zu resezieren und anschließend mittels Venen- oder PTFE-Interponat zu versorgen, beispielsweise mit einem sich gabelnden V.-saphena-magna-Segment.
Teilentfernungen von ausgedehnten Karotisglomustumoren sollten vermieden werden, da es hier zu unkontrollierten Blutungen kommen kann.
Ist eine Infiltration der V. jugularis interna vorhanden, sollte dieses Gefäßsegment ebenfalls zusammen mit dem Tumor reseziert und mittels (Venen)Interposition rekonstruiert werden.
Bei ausgedehnten Tumoren, die nicht in toto resezierbar sind und aufgrund lokal verdrängenden Wachstums zu Schluckstörungen oder Luftnot geführt haben, bietet sich eine interventionelle Katheterembolisation an. Auf diese Weise kann eine Tumorreduktion erreicht werden, wodurch schließlich eine resezierbare Tumorgröße erreicht wird. Ferner lässt sich durch eine präoperative Embolisation der Blutverlust reduzieren und die genaue Versorgung des Tumors durch atypisch verlaufende Äste der A. carotis externa aufzeigen.
Zur Vermeidung intraoperativer Komplikationen sollte eine invasive anästhesiologische Überwachung des Blutdruckes erfolgen, um rechtzeitig auf die Symptomatik eines hypersensitiven Karotissinus (Charcot-Weiss-Baker-Syndrom, arterieller Hypertonus) reagieren zu können.
Prognose und Nachsorge
Unter Shuntprotektion wird die Rate intra- und postoperativer Schlaganfälle mit 2,7 % angegeben. Nach vollständiger Resektion kommen Lokalrezidive nicht vor. Bei Patienten mit multifokalem Paragangliomen sollte jedoch eine lebenslange Nachsorge erfolgen. Hierzu sind die klinische Untersuchung und die Farbdoppler-Ultraschalluntersuchung in jährlichem Abstand ausreichend.

Solitärer fibröser Tumor (Hämangioperizytom)

Epidemiologie, Ätiologie und Pathogenese
Die solitären fibrösen Tumore können aufgrund ihrer Makroskopie und hohen Vaskularisation ebenso wie die Paragangliome zu den „perivasalen“ Gefäßtumoren gerechnet werden. Mit einer Inzidenz von 2,7 % aller Weichgewebstumoren kommen sie selten vor. Die ehemals „Hämangioperizytom“ genannten Tumoren zeigen immunhistochemisch, pathologisch und insbesondere klinisch und biologisch große Ähnlichkeiten zu den ursprünglich „solitäres fibröses Pleuramesotheliom“ genannten Tumoren und werden deswegen heute mit diesen als solitärer fibröser Tumor (SFT) zusammengefasst. Hierfür spricht auch die 2013 beschriebene gemeinsame genetische Veränderungen einer NAB2-STAT6-Fusion (12q13), die immunhistochemisch mit einem Antikörper gegen STAT6 detektiert werden kann.
Solitäre fibröse Tumoren können in allen Organen auftreten, vorzugsweise im Oberschenkelbereich, Peritoneum und im kleinen Becken. Ihre Biologie ist schwer vorherzusagen, sodass eine komplette Exzision und gesicherte Nachkontrollen angestrebt werden sollten. Etwa 10 % der Fälle wachsen lokal infiltrativ und können rezidivieren, und in seltenen Fällen auch metastasieren. Für die Hämangioperizytome der Meningen ist im Langzeitverlauf (>10 Jahre) eine systemische Metastasierung (Lunge, Knochen, Leber) in etwa 20 % der Fälle beschrieben (WHO Classification of Tumours of the Central Nervous System, revised 4th ed 2016).
Bei einer Tumorgröße über 10 cm oder histologisch eindeutig atypischen Tumoranteilen können Metastasen z. B. in Lunge, Leber oder Knochen auftreten.
Die „Ursprungszelle“ bzw. die Zelle, die in ihrer Differenzierung am ehesten diesen Tumoren entspricht, ist noch nicht genau charakterisiert. Sog. „Perizyten“ aus der Umgebung der Blutgefäße erscheinen als Ursprungszelle aber unwahrscheinlich.
Klinik
Hauptsymptom ist eine schmerzlose, langsam progrediente lokale Schwellung. Bei großen retroperitonealen und pelvinen Tumoren kann es zu Hypoglykämien, bei retroperitonealer Kompression auch zur Ausbildung eines Hydroureters kommen. Ebenfalls wurde eine Assoziation beider Symptome mit einer Maskulinisierung gefunden.
Diagnostik
Bildmorphologisch (Sonografie, CT, MRT) fallen die oft großen Tumoren, die innerhalb von Jahren oder Jahrzehnten entstehen können, durch verdrängendes Wachstum, Zystenbildung und ihre Hypervaskularität auf. Zur Planung der operativen Resektion gehört eine angiografische Abklärung inklusive MRT des Tumors. Die endgültige Diagnose erfolgt histologisch.
Aufgrund der guten Vaskularisation des Tumors kann er klinisch als arteriovenöse Malformation oder Aneurysma fehlgedeutet werden.
Therapie
Die Mehrzahl der solitären fibrösen Tumore wird durch eine lokale radikale chirurgische Resektion ausreichend behandelt. Wenn eine komplette lokale Resektion nicht möglich ist, kann eine adjuvante Radiatio durchgeführt werden. Ebenfalls wurde von lokaler Tumorregression nach neoadjuvanter Strahlentherapie berichtet. Metastasierte Tumoren sprechen auf eine palliative Chemotherapie mit Doxorubicin, Ifosfamid oder Epirubicin als Monotherapie an.
Aufgrund der hohen Vaskularität des Tumors kann eine präoperative Embolisation insbesondere bei ausgedehnten Tumorformationen und anatomisch schwer exponierbaren Tumoren hilfreich sein, um intraoperativ die Blutungsgefahr gering zu halten.
Prognose und Nachsorge
Die Prognose von solitären fibrösen Tumoren ist insgesamt als relativ gut einzustufen. Es sind Fälle mit jahrzehntelangem Tumorwachstum beschrieben. Jedoch können auch Metastasen in dieser Latenz auftreten, was eine lebenslange Tumornachsorge erforderlich macht. Diese sollte in jährlichen Abständen erfolgen und neben einer klinischen Untersuchung zunächst eine B-Bild-Sonografie einschließen. Bei Verdacht auf ein Rezidiv erfolgt die weitergehende Abklärung mittels MRT, Angiografie und ggf. Szintigrfie.

Tumoren der glatten Muskulatur der Gefäßwand

Leiomyosarkom der Gefäßwand

Epidemiologie, Ätiologie und Pathogenese
Leiomyosarkome stellen mit 25 % die häufigste Entität unter allen malignen Sarkomen dar. Bevorzugt treten sie retroperitoneal oder primär im Weichgewebe auf. Nur ein kleiner Teil von ihnen zeigt einen Bezug zu einem großen Gefäß.
Primär gefäßassoziierte Leiomyosarkome wachsen bevorzugt in der V. cava inferior und kommen ausschließlich im Erwachsenenalter vor. Seltener werden Leiomyosarkome in kleineren Venen gefunden, insbesondere sind Venen der unteren Extremitäten wie die V. iliaca, V. femorails und V. saphena magna betroffen. Die ebenfalls seltenen arteriellen Leiomyosarkome gehen von den muskulären Gefäßwandzellen aus und werden am häufigsten in der A. pulmonalis, gefolgt von der Aorta, A. femoralis, A. iliaca und den Viszeralarterien gesehen. Auch eine multifokale, synchrone Tumormanifestation wurde beschrieben (Kolb et al. 2005).
Leiomyosarkome der V. cava betreffen in bis zu 90 % das weibliche Geschlecht, während die Tumoren in kleinen Venen keine Geschlechtsdominanz besitzen. Das mittlere Manifestationsalter liegt bei 50 Jahren.
Klinik
Leiomyosarkome der V. cava inferior sind meist im suprahepatischen Anteil der Vene gelegen. Dementsprechend entwickeln diese Patientinnen häufig ein Budd-Chiari- Syndrom mit Hepatomegalie, Gelbsucht und massivem Aszites.
Ist der Tumor in tieferen Abschnitten der V. cava lokalisiert, kann es bei Beteiligung der Nierenvenen zu einer Nierenfunktionseinschränkung mit Anurie kommen. Eine Resektion dieses Cavaabschnittes kann auch unter Erhalt der Nierenfunktion möglich sein. Liegt der Tumor unterhalb der Nierenvenen, so ist die Symptomatik bei Verlegung des Cavalumens primär durch eine Ödembildung beider Beine charakterisiert. In seltenen Fällen kann es bei ausgedehntem Tumorwachstum zu einer Verbrauchskoagulopathie kommen.
Leiomyosarkome kleinerer Venen können zur Ödembildung in den abhängigen Gewebsarealen führen und über eine lokale Druckwirkung auf benachbarte Nerven Dysästhesien, Taubheit oder eine motorische Paralyse hervorrufen. Angiografisch lässt sich im Sinne eines Entrapments sogar eine Kompression der benachbarten Arterienabschnitte darstellen.
Leiomyosarkome der Gefäße sind durch ein exophytisches (extramurales) oder endophytisches (intravasales) Wachstum gekennzeichnet. Endophytische Tumoren neigen zur hämatogenen Embolisierung oder zum lokalen Gefäßverschluss; die dadurch bedingte Ischämie ist häufig erstes Symptom eines arteriellen Leiomyosarkom s.
Leiomyosarkome wachsen über Jahre zunächst lokal infiltrierend, bevor sie hämatogene Metastasen – meist in Lunge, Nieren, Pleura, Leber und Knochen – absiedeln. Zum Zeitpunkt der Diagnosestellung sind bei 50 % der Patienten bereits Metastasen nachweisbar.
Diagnostik
Leiomyosarkome imitieren bildmorphologisch häufig atherosklerotische und thrombotische Gefäßveränderungen. Ergibt die histologische Untersuchung eines Embolus ein Leiomyosarkom, so ist nach dem Primärtumor zu fahnden. Dazu sollte eine Angiografie in DSA-Technik und eine MR-Angiogrfie der Tumorregion durchgeführt werden.
Wird der Verdacht auf eine Cava-Läsion rechtzeitig ante mortem gestellt, führt eine Kavogrfie zur Diagnose, ebenfalls gibt sie einen Hinweis auf die intravasale Ausdehnung des Tumors.
Aufgrund der Gefahr einer Tumorzellverschleppung sollte generell auf eine Biopsieentnahme zur Diagnosesicherung verzichtet werden! Die histologische Klärung erfolgt durch chirurgische Exploration.
Therapie
Leiomyosarkome werden operativ durch Resektion des tumortragenden Gefäßabschnittes therapiert. Es liegen keine Hinweise vor, dass ein Mindestabstand zum Tumorrand eingehalten werden muss, sodass eine Resektion im Gesunden als ausreichend anzusehen ist. Ebenfalls ist keine En-bloc-Entfernung von umliegendem Gewebe erforderlich, sodass die alleinige Resektion des tumortragenden Gefäßabschnittes erfolgt. Leiomyosarkome neigen nicht zu einer lymphogenen Metastasierung. Eine Wiederherstellung des resezierten Gefäßabschnittes ist immer anzustreben, wobei in der aortoiliakalen Strombahn eine alloplastische, im Extremitätenbereich und an den supraaortalen Gefäßen eine autologe Rekonstruktion mittels Interponat anzustreben ist.
Ein Leiomyosarkom der Vena cava inferior, das bereits zu einem Budd-Chiari-Syndrom geführt hat, ist chirurgisch nicht mehr sanierbar. In diesem Fall ist eine kurative Behandlung nicht mehr möglich. Da periphrenisch intrakavale Tumoren nicht immer resektabel sind, wurden diese Tumoren in Einzelfällen auch radiotherapiert. Bei Tumorsitz in Nierenhöhe kann es insbesondere bei Vorliegen einer Einzelniere oder bereits bestehender Niereninsuffizienz erforderlich sein, eine Niere vor Strahlentherapie an die Iliakalgefäße zu transplantieren, um eine bleibende Organfunktion gewährleisten zu können.
Nachsorge und Prognose
Aufgrund der niedrigen Inzidenz können keine Angaben zur Gesamtprognose nach Primärtherapie gemacht werden. Empfehlungen zu einer strukturierten Nachsorge existieren nicht. Aufgrund der Rezidivgefahr ist eine Nachsorge jedoch sinnvoll. Ein definiertes Schema existiert nicht, aufgrund unserer Erfahrungen wird eine halbjährliche Kontrolle (klinischer Befund, Sonografie und Duplexsonografie, Ganzkörper-CT) innerhalb der ersten 2 Jahre empfohlen, danach erfolgt eine jährliche klinische Kontrolluntersuchung. Da auch langjährige Verlaufsformen mit Spätrezidiven bekannt sind, sollte die Nachsorge lebenslang erfolgen.

Leiomyome

Epidemiologie, Ätiologie und Pathogenese
Mit 5 % aller benignen Weichteiltumoren sind Leiomyome die häufigsten venösen Tumoren. Sie gehen wahrscheinlich von der Wand größerer und kleinerer Venen aus und kommen häufiger bei Frauen vor. Leiomyome entwickeln sich zwischen der 4. und 6. Lebensdekade als solitäre Läsionen. Die Tumoren entwickeln sich in den Extremitäten, vorwiegend im Bereich der Beine.
Klinik
Betroffene Patienten bemerken eine schmerzlose, über Jahre langsam wachsende tumoröse Schwellung.
Diagnostik
Leiomyome weisen keine spezifischen morphologischen Charakteristika in der Bildgebung auf, jedoch können die farbkodierte Duplexsonografie und das MRT Hinweise auf die Tumorentität geben: Leiomyome wachsen lokal begrenzt ohne Infiltration in die Umgebung. Eine definitive Klärung der Tumorentität muss in jedem Fall durch operative Resektion erfolgen. Der mikroskopische Aspekt ist typisch: plumpe Gefäßwände mit zirkumferenziell angeordneten glatten Muskelzellen sind für diesen Tumor charakteristisch. Eine definitive Diagnose ist somit erst postoperativ möglich.
Therapie
Die Therapie besteht in der radikalen operativen Resektion des Tumors. Eine Rezidivneigung besitzt das Leiomyom nicht, vorausgesetzt der Tumor wurde vollständig entfernt. Eine additive Therapie ist nicht erforderlich.
Prognose und Nachsorge
Aufgrund der fehlenden Rezidivneigung ist eine Nachsorge nicht erforderlich. Die Prognose ist gut.

Intravenöse Leiomyomatose

Ätiologie und Pathogenese
Die intravenöse Leiomyomatose kommt sehr selten vor. Die häufigsten Orte der Tumormanifestation sind die intrauterinen Venen und die Vv. hypogastricae. Für die intravenöse Leiomyomatose ist ein intermediäres Wachstumsverhalten charakteristisch: Sie kann sich semimaligne unter Ausbildung eines verdrängenden Wachstums verhalten oder auch aggressiv wachsen und Metastasen ausbilden. Die Tumoren wachsen innerhalb der Venen kontinuierlich intramural zentralwärts fort. 10 % der Patienten entwickeln kardiale Symptome, da dieser Tumor in der V. cava und intrakardial wachsen kann.
Auch diese Tumorform kommt vorwiegend bei Frauen vor, sie entsteht in der Regel prämenopausal. Die Pathogenese ist unklar. Allerdings sind diese Tumoren häufig mit Uterusmyomen vergesellschaftet. Eine prominente Gefäßinvasion in ein Uterusmyom könnte somit Auslöser für die Entstehung einer intravenösen Leiomyomatose sein. Myomzellen aus dem Uterus könnten so in die Venenwand eindringen und dort weiterwachsen.
Klinik
Im Fall von intrauteriner Tumorlokalisation ist das Leitsymptom die abnorme vaginale Blutung und Beckenbodenschmerzen. Der Uterus ist in 50 % der Fälle deutlich vergrößert und sehr gut vaskularisiert. In extrauterinen Lokalisationen wachsen die Tumoren häufig über Jahre symptomlos und können so eine enorme Größe erreichen, bis sie bemerkt werden.
Diagnostik
Ultraschall und CT geben den diagnostischen Hinweis auf den Tumor. Bei intrauterinem Tumorwachstum ist der transvaginale Ultraschall sehr sensitiv.
Histologisch täuscht die intravenöse Leiomyomatose das Bild eines benignen Tumors vor!
Der Tumor besteht vorwiegend aus proliferierenden glatten Muskelzellen. Ähnlich einem Uterusmyom besitzt die intravenöse Leiomyomatose eine gräulich-weiße Farbe, auch histologisch täuscht dieser Tumor ein Uterusmyom vor. Typisch sind hier allerdings plump-bewandete Gefäßstrukturen. Innerhalb der Wand können charakteristischerweise weitere Gefäßanschnitte sichtbar sein („Gefäß im Gefäß“).
Therapie
Im Falle eines rein intrauterinen Wachstums wird in 70 % durch eine Hysterektomie eine definitive Heilung erreicht. In 30 % der Fälle jedoch muss mit einer Tumorpersistenz oder einem Rezidiv gerechnet werden; sowohl intrahepatische als auch intrapulmonale Tumormanifestationen sind beschrieben worden. Wenn eine radikale Resektion der befallenen Gewebsabschnitte möglich ist, kann mit einer längeren Überlebenszeit gerechnet werden. Da einige Tumoren Steroidrezeptoren aufweisen, kann in diesen Fällen eine Antiöstrogentherapie oder eine Oophorektomie als adjuvante Maßnahme sinnvoll sein. Die intrakavalen und intrakardialen Tumoren besitzen eine schlechtere Prognose.
Nachsorge und Prognose
Aufgrund der Rezidivgefahr ist eine Nachsorge sinnvoll. Ein definiertes Schema existiert nicht, jedoch wird eine halbjährliche Kontrolle (klinischer Befund, Sonografie und Duplexsonografie) innerhalb der ersten zwei Jahre empfohlen, danach erfolgt eine jährliche klinische Kontrolluntersuchung bis zum 5. postoperativen Jahr.

Andere Tumorformen

Die von den Fibrozyten der Gefäßwand ausgehenden Fibromyxome, Fibromyxosarkome und die Hämangioendotheliome sind Raritäten, von denen nur Einzelfallbeschreibungen existieren. Sie werden häufig erst dadurch erkannt, dass sie Tumorgewebe in die Peripherie embolisieren, das dort neue Tumorherde bildet.

Tumoren des lymphatischen Systems

Die Tumoren des lymphatischen Systems wird auf Kap. Erkrankungen der Lymphgefäße: Klinik und konservative Therapie verwiesen. Hier wird das Lymphangiosarkom (Stewart-Trewes-Syndrom) besprochen. Auf Tumoren des Lymphgewebes (Lymphome) wird in diesem Buch nicht eingegangen.
Literatur
Debus ES, Sailer M, Illert B, Franke S (1998) Nervenläsionen nach Karotisendarteriektomie. Gefaesschirurgie 3:165–169
Enzinger FM, Weiss S (2001) Malignant vascular tumors, Tumors of lymph vessels and perivascular tumors. In: Enzinger FM, Weiss S (Hrsg) Soft tissue tumors, 4. Aufl. Wiley, S 641
Kogel H, Vollmar JF, Morh W et al (1992) Paragangliome des Glomus caroticum – ein oft verkanntes Krankheitsbild. Vasa 1:57–62
Kolb W, Derungs A et al (2005) Klinische Manifestation bilateraler iliakaler Leiomyosarkme als Aneurysmen. Gefaesschirurgie 10(4):285–288
Linder F (1953) Tumoren der Karotisdrüse. Langenbecks Arch Chir 276:156–161CrossRefPubMed