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Vaskuläre Wundheilung

Verfasst von: Matthias Augustin, Katharina Herberger, Holger Diener und Eike Sebastian Debus
Wunden sind umschriebene Gewebsverletzungen. Ist das Integument verletzt, spricht man von offenen oder äußeren Wunden. Die Heilung und Behandlung von Wunden ist abhängig von der Wundentstehung und der Wundart.

Wundheilung

Wunden sind umschriebene Gewebsverletzungen. Ist das Integument verletzt, spricht man von offenen oder äußeren Wunden. Die Heilung und Behandlung von Wunden ist abhängig von der Wundentstehung und der Wundart.

Mechanismen der Wundheilung

Unter einer primären Wundheilung (per primam intentionem) versteht man den unkomplizierten Heilvorgang gut adaptierter Wunden (z. B. nach Hautinzision bei aseptischen Eingriffen). Unter Ausbildung einer minimalen Narbe ist der Heilungsvorgang innerhalb von wenigen Tagen beendet. Von einer sekundären Wundheilung (per secundam intentionem) spricht man dagegen, wenn der Heilvorgang durch lokale (Infekt, mangelnde Durchblutung, bradytrophes Gewebe etc.) oder systemische Faktoren (Diabetes mellitus, Immunschwäche etc.) gestört ist. Die Wunden werden durch Granulationsgewebe ausgefüllt und ziehen sich sekundär zusammen. Hierdurch entsteht nach mehreren Wochen eine deutlich sichtbare Narbe. Behandlungsziel bei einer sekundär heilenden Wunde ist die Umwandlung in eine Heilung per primam intentionen, z. B. durch sekundären Verschluss der Wunde. Kontaminierte Wundregionen mit Nekroserändern oder Wundtaschen fördern durch Bakterienwachstum die Ausbildung einer manifesten Wundinfektion. Diese Infektionsherde sollten daher durch radikales chirurgisches Débridement mit Wundrandausschneidung innerhalb von 6–8 h entfernt werden (Wundexzision nach Friedrich). Dadurch erreicht man zudem einen glatten Wundrand, der sich durch eine Naht adaptieren lässt. Somit kann auch eine kontaminierte Wunde einer primären Wundheilung zugeführt werden.
Eine Sonderform der Wundheilung ist die epitheliale Wundheilung unter Ausbildung von Wundschorf. Die Verletzung reicht hier lediglich bis ins Korium. Bei diesen oberflächlichen Wunden des Integumentes kommt es zu einer Restitutio ad integrum, d. h. die Wunde heilt ohne Narbenbildung aus. Hier kommt es zu einer echten Regeneration des ursprünglichen Gewebes. Sie wird auch am Peritoneum, am Gefäßendothel oder an der Pleura beobachtet.

Phasen der Wundheilung

Die ursprünglich auf rein morphologischen Kriterien basierende Einteilung der Wundheilung in 3 Phasen hat auch heute unverändert Gültigkeit:
1.
Exsudative (inflammatorische) Phase
 
2.
Proliferative Phase
 
3.
Reparative Phase
 
Durch die Entdeckung von Wachstumsfaktoren und Chemokinen hat sich das Verständnis der Physiologie und Pathophysiologie der Wundheilung erheblich erweitert. Morphologische, biochemische und molekularbiologische Vorgänge laufen parallel nebeneinander ab und beeinflussen sich gegenseitig. Dabei gehen die Phasen der Wundheilung ineinander über oder überlappen sich innerhalb der Wunde; am Beispiel eines Heilvorganges per primam intentionem werden sie zur besseren Anschaulichkeit getrennt voneinander dargestellt.
In den ersten 4 h nach Wundsetzung kommt es durch Gewebsuntergang und Einblutung ins Gewebe zunächst zur Ausbildung der sog. primären Azidose. Primär kontrahieren sich die verletzten Gefäße, und es kommt zusammen mit der Einleitung der Gerinnungskaskade (extrinsisches System) und der Aggregation von Thrombozyten an der Gefäßwand zu einem Sistieren der initialen Blutung. Jedoch wird bereits in dieser Phase durch Degranulation der Thrombozyten (α-Granula) der erste Schritt für den Heilungsvorgang gelegt. Die α-Granula beinhalten Wachstumsfaktoren, deren wichtigste das PDGF („platelet derived growth factor“), das IGF I („insuline-like growth factor-I“), EGF („epidermal growth factor“) und das TGF-β („transforming growth factor-β“) sind. Sie diffundieren in die Umgebung der Wunde und in das Blut. TGF-β und TNF-α, das durch Endothelzellen gebildet und freigesetzt wird, bewirken eine Einwanderung von Monozyten und neutrophilen Granulozyten. Sie beginnen mit der Phagozytose von Zelltrümmern und Bakterien, Proteoglykane und Eiweiße werden katabolisiert. Hierdurch wird die inflammatorische Phase initiiert. Es kommt zu Elektrolytverschiebungen mit Störung des osmotischen Gleichgewichts, so dass ein interstitielles Ödem entsteht. Die zunehmende lokale Azidose führt zur Steigerung der Gefäßpermeabilität mit Zunahme des perivasalen Ödems, das die lokale Azidose durch Ausbildung eines lokalen O2-Mangels verstärkt. Es kommt zur Ausbildung der sekundären Azidose mit Zunahme des pCO2 (4. bis 12. Stunde). Der Stoffwechsel stellt sich auf die anaerobe Glykolyse um, wodurch Milchsäure, Zitronensäure und Proteinabbauprodukte entstehen. Lytische Enzyme bauen Kollagen ab, der Katabolismus erreicht seinen Höhepunkt. Granulozyten dominieren das histologische Bild. Sie sezernieren proinflammatorische Zytokine, vor allem TNF-α und Interleukine sowie Proteasen, die zerstörte und denaturierte Extrazellularmatrix katabolisieren.
Von der 12. bis zur 36. Stunde an kommt es zur Proliferation von Makrophagen und antigenpräsentierenden dendritischen Zellen. Sie selbst produzieren eine Reihe von Zytokinen – TGF-α und TGF-β, bFGF („basic fibroblast growth factor“) und andere –, wodurch wiederum Fibroblasten und Endothelzellen proliferieren. Die vorwiegend von den Fibroblasten gebildete extrazelluläre Matrix bildet ein Netz durch den Thrombus, an dem die Fibroblasten und Endothelzellen entlang wachsen. Es entsteht allmählich ein anaboles Wundmilieu. Bis zum 3. Tag nach der Wundsetzung nimmt die Gefäßproliferation stark zu. Es entstehen die ersten Kapillarlichtungen, und mit der Zunahme der lokalen Blutversorgung kommt es zu einer Abnahme des pCO2 und der Azidose. Der Gewebe-pH normalisiert sich, die proliferative Phase wird eingeleitet. Bis zum 4. Tag beginnt die Kollagensynthese. Die Vorläufer des Kollagens, Protokollagen und Tropokollagen, differenzieren zunächst zum Kollagentyp III aus. Bis zum 6. Tag kommt es zu einer deutlichen Abnahme der phagozytierenden Zellen; die Fibroblasten nehmen stark zu und differenzieren sich zu Myofibroblasten. Hierdurch kommt es zu einer sichtbaren Kontraktion der Wunde. Von den Wundrändern kommt es nun unter dem Einfluss von KGF („keratinocyte-derived growth factor“) und EGF zur Migration von Epithelzellen und somit zur Epithelialisierung der Wunde.
Bis zum 10. Tag nimmt nun der Flüssigkeitsgehalt der Wunde deutlich ab, so dass sich das osmotische Gleichgewicht der Wunde dem der Umgebung angleicht. Es kommt zum Ausreifen des Kollagens zum Kollagentyp I. Die anfänglich ungerichtete Faserstruktur nimmt eine den mechanischen Beanspruchungen entsprechende Verlaufsrichtung an. Es kommt zu einer deutlichen Zunahme der mechanischen Belastbarkeit der Wunde (reparative Phase). Diese abschließende Phase der Wundheilung kann bis zu einem Jahr dauern. Es kommt zu einer Abnahme des Zell-, Kapillar- und Proteoglykangehalts der Wunde zugunsten des Kollagengehalts. Unter dem Einfluss von Matrix-Metalloproteasen nimmt auch der Proteoglykan- und Hyaluronsäuregehalt der Wundmatrix ab. Der lokale Metabolismus passt sich unter Ausbildung einer mehr oder minder großen Narbe schließlich dem der Umgebung vollständig an, und die mechanische Stabilität des Gewebes wird fast vollständig wiederhergestellt.

Organspezifische Regenerationsfähigkeit

Integument
Die Epidermis regeneriert rasch von der Keimschicht aus. Eine Regeneration der Hautanhangsgebilde (Haare, Talg- und Schweißdrüsen) erfolgt nicht. Narbenwucherungen in Form von breiten, erhabenen Narben (hypertrophe Narben) oder über das ursprüngliche Trauma hinaus wachsende Narben (Keloide) entstehen in Folge einer gesteigerten Kollagensynthese. Die Narben verlieren gewöhnlich nach einigen Monaten ihr rötliches Aussehen. Sie werden schmaler und adaptieren ihre Farbe an das unverletzte umgebende Integument. Unter Narbenneuralgie versteht man einen druckschmerzhaften Narbenbezirk. Bei Juckreiz, Schmerzen oder überschießender Narbenbildung ist der Versuch der Eindämmung einer Narbenwucherung durch eine Kompressionsbehandlung, eine Röntgen-Laser- oder Kryotherapie oder eine Medikamentenbehandlung sinnvoll, z. B. mit steroidalen oder nicht-steroidalen Antiphlogistika. Die Wahl der Therapie richtet sich nach der individuellen Symptomkonstellation und ist in den meisten Fällen als Kombinationstherapie empfehlenswert (Leitlinie Therapie pathologischer Narben 2015).
Bindegewebe
Die Regenerationskraft der verschiedenen Bindegewebssysteme ist so erheblich, dass selbst große Hohlräume vollständig bindegewebig ausgefüllt werden.
Muskeln
Die kontraktile Substanz geht zugrunde. Fehlt das Sarkolemm, wird der entstandene Defekt durch Bindegewebe ersetzt.
Sehnen
Bei guter Adaptation der Sehnenstümpfe (exakte Sehnennaht!) und Ausbleiben einer Infektion können durchtrennte Sehnen nahezu narbenlos ausheilen. Häufig stellt jedoch eine Sehnenruptur einen Locus minoris resistentiae dar (Cave: Re-Ruptur).

Reißfestigkeit einzelner Körperregionen

Für Wunden mit primärer Wundheilung gilt, dass Wunden am Kopf schneller eine Festigkeit aufweisen als Wunden am Rumpf und an den unteren Extremitäten. Für die Entfernung von Hautnahtmaterial gelten daher folgende Anhaltspunkte, die natürlich individuellen Schwankungen unterliegen können:
  • Gesicht und Hals: ab Tag 4
  • Rumpf und Leistenregion: ab Tag 10
  • Rücken: ab Tag 14
  • obere Extremität: ab Tag 10
  • untere Extremität: ab Tag 12

Wundheilungsstörungen

Wundinfektionen

Chemische oder maschinell bedingte Verletzungen sind weniger infektionsgefährdet als solche, die in der Landwirtschaft oder im Krankenhaus erworben werden. Metzger, Abdecker, Kanal- oder Müllarbeiter sind durch selektionierte, besonders virulente Keime besonders gefährdet. Von einer primären Infektion spricht man, wenn Kontaminationen durch den Verletzungsgegenstand oder durch Keime von der Körperoberfläche entstehen. Bei sekundären Infektionen werden Keime erst sekundär (z. B. durch Wundversorgung) übertragen. Der Keimgehalt bei Gelegenheitswunden ist zunächst gering. Die Bakterien (z. B. E. coli, Proteus, Pyocyaneus, seltener Gasbrand- oder Tetanuserreger) benötigen mehr als 6 h, um sich zu vermehren und so an Virulenz zu gewinnen. Streptokokken und Staphylokokken finden sich meist erst nach 12–24 h. Das Entstehen einer Infektion, insbesondere von Anaerobiern, wird durch Minderdurchblutung mit der Folge ungenügender lokaler Sauerstoffversorgung begünstigt. Daher sind natürlich alle Formen von Nekrosen besonders infektionsgefährdet.
Der Verlauf einer Wundinfektion wird bestimmt durch die Quantität und Virulenz der Erreger, die Resistenz des Organismus und die örtlichen Gewebeverhältnisse (Fremdkörper, Durchblutung, Gewebs-pO2).

Wunddehiszenz

Ein postoperatives Auseinanderweichen der Gewebeschichten einer Wunde wird als Wunddehiszenz oder als Wundruptur bezeichnet (z. B. Platzbauch mit Vorfall von Darmschlingen nach einer abdominellen Operation). Dies kann durch in der Wundtiefe gelegene Wundheilungsstörungen infolge von Seromen, Hämatomen oder auch bei Nahtspannungen auftreten.
Ätiologisch kommen folgende Faktoren in Betracht:
  • Lokale Faktoren: z. B. schlechter Knotensitz oder schlecht gestochene Naht (zu wenig Gewebe), Fasziennekrose, Serom- oder Hämatombildung, Infektion
  • Allgemeine Faktoren: Leberschaden, Urämie, Diabetes mellitus, Tumorkachexie (Anämie, Hypoproteinämie), Vitaminmangel, Konstitution, hohes Alter (herabgesetzte Abwehr)
  • Medikamentöse Faktoren: Antikoagulanzien, Zytostatika, Hormone (Kortikoide, Katecholamine)
  • Mechanische Faktoren: intraabdominelle Druckerhöhung (z. B. durch Aszites, Darmparalyse mit Meteorismus, Erbrechen, Husten, Singultus)

Chronische Wunden

Chronische Wunden sind in Deutschland häufig und haben nicht zuletzt aufgrund ihrer hohen Krankheitslast für den Patienten und aufgrund ihrer hohen Folgekosten eine große sozio-demographische Bedeutung. Häufigste chronische Wunden sind das Dekubitalulkus, das diabetische Fußulkus und das vaskuläre Ulcus cruris. Die Angaben zu ihrer Häufigkeit schwanken erheblich. So werden in Fachkreisen zum Ulkus Häufigkeitsangaben zwischen 500.000 und 1,5 Mio. gemacht. Keine der genannten Angaben beruht auf genügend gesicherten Daten, die meisten sind grobe Schätzungen und insgesamt wahrscheinlich zu hoch. In der einzigen aktuellen bevölkerungsbezogenen Studie zur Häufigkeit von Venenerkrankungen fanden aber Rabe et al. (2003) eine Häufigkeit von lediglich 0,1 % offener und 0,6 % abgeheilter Wunden in der „Bonner Venenstudie“. Bezogen auf ganz Deutschland würde dies einer Häufigkeit des Ulcus cruris von etwa 80.000 Wunden und 480.000 abgeheilten Wunden entsprechen. Anamnestisch gaben in dieser Studie 1,1 % ein jemals aufgetretenes Ulkus an. Hochgerechnet würde dies einer Langzeitprävalenz von ca. 900.000 Ulcera crurum in Deutschland entsprechen. Aktuellere Analysen auf Basis einer gesetzlichen Krankenversicherung zeigen eine Prävalenz von 0,4 % behandelten Personen mit einer chronischen Wunde und eine Inzidenz von 0,22 % in Deutschland für 2012. Weiterhin zeigt sich eine jährliche Erhöhung der Prävalenz und Inzidenz 2009–2012 (Heyer et al. 2015).
Gefäßchirurgen und Hautärzte tragen zur Versorgung des Ulcus cruris wesentlich bei. Die Hamburger Wundstudie 2006/2007 hat an über 500 Patienten einen beträchtlichen Versorgungsanteil ermittelt, der bei jeweils ca. 25 % liegt. Wesentliche Ergebnisse dieser Versorgungsstudie sind (Herberger et al. 2012; Augustin et al. 2011):
  • Ein Großteil der Patienten mit Ulkus wird nach den modernen Standards der Leitlinien versorgt.
  • Mehrheitlich wird eine phasengerechte lokale Therapie unter Verwendung moderner Wundauflagen vorgenommen.
  • Während die Abklärung von Wundkrankheiten weit überwiegend sachgerecht erfolgte (z. B. Gefäßdiagnostik, Abklärungsdiabetes), bestehen erhebliche Defizite in der Erhebung patientenrelevanter Endpunkte wie Schmerzen und Lebensqualität.
  • Es wurden zu selten Biopsien zur Abklärung von Differenzialdiagnosen und Epikutantestungen zum Ausschluss von Kontaktallergien durchgeführt.
  • Ziel des vorliegenden Artikels ist die Zusammenstellung des aktuellen praktischen Wissens zur leitliniengerechten Behandlung des Ulcus cruris.
Goldstandard der medizinischen Behandlung sind die Erkenntnisse der evidenzbasierten Medizin in Verbindung mit der individuellen Situation des Patienten. Zur „externen Evidenz“ liegen im Bereich der Therapie chronischer Wunden allerdings nur wenige aus hochwertigen Studien gesicherte Erkenntnisse vor. Diese Evidenz ist den publizierten Metaanalysen, den Cochrane-Reviews sowie den HTA-Berichten zu chronischen Wunden zu entnehmen. Beim Ulcus cruris wie bei den anderen chronischen Wunden beruht jedoch die individuelle Entscheidung am Patienten auch heute noch überwiegend auf der „best evidence“ aufgrund von Studien geringerer Qualität und aufgrund von Erfahrungswissen. Von großem Wert für die Praxis sind die Leitlinien der internationalen Fachgesellschaften, insbesondere aber die AWMF-Leitlinie zum Ulcus cruris venosum der deutschen phlebologischen Gesellschaft. Sie stellen eine Verbindung zwischen dem evidenzbasierten Studienwissen und der praktischen Erfahrungsbasis dar.

Diagnostik

Anamnese

Die Anamnese des Patienten mit einer chronischen Wunderkrankung kann bereits einen guten Hinweis auf die zugrunde liegenden Erkrankungen geben, denkt man beispielsweise an die typische Schmerzanamnese eines pAVK-Patienten mit Claudicatio intermittens. Die Anamnese sollte Begleiterkrankungen, das genaue Beschwerdebild, Schmerzprofil, vorherige Traumata sowie Operationen umfassen. Weiterhin sind vorangegangene Thrombosen sowie thrombembolische Komplikationen wie auch die Familienanamnese von Interesse.

Klinische Untersuchung

Zunächst erfolgt die klinische Inspektion des Ulkus (Lokalisation, Größe, Beläge, Ulkusumgebung, Pulsstatus), eine angiologische, internistische wie auch neurologische (Sensibilitätsprüfung) Ganzkörperuntersuchung.
Bereits die Anamnese und die klinische Untersuchung lassen Rückschlüsse auf die Genese der Ulzera zu und sollten zur Planung der weiteren Diagnostik dienen.

Klinische Diagnostik

Die Dokumentation des Wundbefundes ist ein wichtiger Parameter zur Objektivierung der Wundentwicklung bzw. des Heilungsverlaufes. Neben der Photodokumentation gehört auch eine verbale Beschreibung des Wundbefundes zur vollständigen Dokumentation. Da diese im Therapieverlauf von unterschiedlichen Personen und Professionen genutzt werden soll, ist eine größtmögliche Objektivierung und Standardisierung anzustreben. Hierzu stehen verschiedene Modelle zur Verfügung. Ein bewährtes Schema zur Wunddokumentation und -therapie ist das TIME-Schema (Tab. 1).
Tab. 1
Modelle zur standardisierten Wundbeurteilung
Wundkontrolle nach dem TIME-Schema
T
Tissue
I
Infection or inflammation
M
Moisture imbalance
E
Edge
Greis-Modell
G
Grund der Wunde
R
Rand der Wunde
E
Exsudat aus der Wunde
I
Inflammation der Wundumgebung
S
Subjektive Symptomatik
Ufer-Schema
U
Umgebung der Wunde
F
Fläche der Wunde
E
Exsudat aus der Wunde
R
Rand der Wunde
URGE-Einteilung
U
Umgebung der Wunde
R
Rand der Wunde
G
Grund der Wunde
E
Exsudat aus der Wunde
Unerlässlich zur Objektivierung der Wunddokumentation ist eine Bestimmung und Dokumentation der Wundgröße. Diese sollte idealerweise zunächst digital per Photodokumentation erfolgen, erreicht bei zirkulären und tiefen Wunden jedoch ihre Grenzen. Daher sollte außerdem eine Flächenbestimmung mittels Rasterfolie und Punktzählmethode erfolgen (Bahmer 1997; Bahmer und Schwichtenberg 2000).
Ein weiterer Schritt ist die Schmerzdokumentation anhand des 10-Punkte-Schmerzscores an einer 10 cm visuell-analogen Skala, welche regelmäßig erhoben werden sollte.

Apparative Diagnostik

Einen Überblick über die apparative Diagnostik bei Gefäßerkrankungen gibt Tab. 2 und 3 stellt gängige Differenzialdiagnosen chronischer Ulzera dar.
Tab. 2
Diagnostisch-instrumenteller Methoden zur Diagnosefindung mit Darstellung des indikatorischen Erfordernisses und des Evidenzgrades
Untersuchung
Obligat bei
Fakultativ bei
Leitlinienempfehlung
Brachiopedalindex
Allen Ulcera cruris
  
Direktionale Doppler-Untersuchung
Verdacht auf chronisch-venöse Insuffizienz
  
Duplex-Untersuchung
Verdacht auf Thrombose
Abklärung sonstiger Durchblutungsstörungen
 
Schmerzscore
Allen Ulcera cruris
 
A
Biopsie
 
Verdacht auf Malignom
Nicht heilende Wunde >1 Jahr
Suspekte Morphologie
Abklärung Vaskulitis
B
Epikutantest
Verdacht auf Kontaktallergie
Alle 2–3 Jahre bei UC
A
Abstrich – Bakteriologie
Infektionszeichen
Erstvorstellung
Planung stationärer Aufnahme
A
Serologische Untersuchungen (u. a. Vaskulitisdiagnostik, Gerinnungsanalytik)
 
Klinischen Hinweisen, z. B. auf Vaskulitis, Phlebothrombosen in Eigen- oder Familienanamnese
A
Tab. 3
Differenzialdiagnosen chronischer Ulzera. Neben den Ulkusentitäten sind die wichtigsten diagnostischen Merkmale aufgeführt
Differenzialdiagnosen
Beweisführende Untersuchungen
Ulcus cruris venosum
Nachweis einer chronisch-venösen Insuffizienz im Doppler/Duplex, Ausschluss pAVK: Brachiopedalindex >0,8, keine Zeichen einer Vaskulitis (Abb. 1)
Ulcus cruris arteriosum
Nachweis einer pAVK durch Brachiopedalindex, weiterführende Untersuchung durch digitale Subtraktionsangiographie, MR-Angiographie
Ulcus cruris mixtum
S. oben, Nachweis sowohl von pAVK wie auch chronisch-venösen Insuffizienz
Diabetisches Ulkus
Nachweis einer diabetischen Stoffwechsellage (erhöhte Nüchternglukose, Glukose-Toleranztest, HbA1c), Neuropathie-Nachweis in neurologischer Untersuchung, Angiopathie-Nachweis durch Brachiopedalindex, digitale Subtraktionsangiographie/MR-Angiographie/weiterführende Kleingefäßdiagnostik
Vaskulitisches Ulkus
Biopsie: Vaskulitisnachweis, serologische Vaskulitisdiagnostik
Pyoderma gangraenosum
Biopsie: Pyoderma-gangraenosum-Nachweis, positiver Pathergie-Test, u. U. Nachweis einer assoziierten Erkrankung (z. B. M. Crohn)

Arterieller Gefäßstatus

Die Verschlussdoppleruntersuchung (Brachiopedalindex – BPI oder auch Ankle brachial Index – ABI genannt) sollte bei jeder Wunde am Fuß erfolgen, obligat durchzuführen ist diese Untersuchung allerdings bei nicht palpablen Fußpulsen beziehungsweise bei klinischen Zeichen einer peripher arteriellen Verschlusskrankheit.
Erhoben wird der Quotient aus dem systolischen Knöchelarteriendruck zu systolischem Oberarmdruck, wobei Werte von <0,9 und >1,3 als pathologisch eingestuft werden. Ein Wert von <0,9 gilt als beweisend für das Vorliegen einer pAVK. Bei einem Wert über 1,3 ist von einem falsch hohen Wert auszugehen, es besteht die Möglichkeit, dass eine zu kleine Manschette verwendet wurde bzw. eine Mediasklerose Typ Mönckeberg oder ein chronifiziertes Stauungsödem vorliegt. Bei nicht plausiblem ABI-Wert sollte eine ergänzende Untersuchung wie eine Zehendruckmessung (TBI) und Pulsatilitätsindex durchgeführt werden (Leitlinie pAVK).
Eine weiterführende Diagnostik muss bei pathologischem Ergebnis der Verschlussdoppleruntersuchung durchgeführt werden. Diagnostisches Mittel der Wahl ist in diesem Fall die farbkodierte Duplexsonographie. Bei nicht eindeutigen Befunden in der Duplexsonographie sind zusätzliche bildgebende Verfahren nötig (Magnetresonanzangiographie (MRA), computertomographische Angiographie (CTA), intraarterielle digitale Subtraktionsangiographie (DSA)). Wichtig bei der Angiographie ist die exakte Darstellung der kruropedalen Ausstrombahn mit den Fußarkaden, um dortige Stenosen aufzudecken, die vor allem typischerweise beim diabetische Fußsyndrom zu finden sind. Bei einer glomerulären Filtrationsrate (GFR) von <60 ml/min ist mit einem erhöhten Risiko einer kontrastmittelinduzierten Nephropathie zu rechnen (Levey et al. 2003). Empfohlen sind eine zusätzliche Hydratation und eine Flüssigkeitsbilanzierung. Weiterhin sollten nephrotoxische Arzneimittel wie z. B. nichtsteroidale Antiphlogistika, aber auch Diuretika, wenn möglich 24 h vor der Kontrastmittelgabe pausiert werden und die Kontrastmittelmenge so gering wie möglich gehalten werden. Zusätzlich können 2-mal täglich 600 mg Acetylcystein (ACC) oral einen Tag vor und nach der Angiographie verabreicht werden. Sie wird als nephroprotektive Maßnahme diskutiert, wissenschaftliche Evidenz konnte bisher jedoch noch nicht erbracht werden. Die MR-Angiographie ist zwar nicht nephrotoxisch, kann aber bei Patienten mit akuten oder chronischen Nierenfunktionsstörungen aufgrund der verabreichten (höheren) Kontrastmittelmenge zu einer spezifischen Nebenwirkung, der sogenannten nephrogenen systemischen Fibrose, führen. Eine Alternative besteht in der Möglichkeit der digitalen Subtraktionsangiographie in Form einer CO2 Angiographie. Bei allen Verfahren ist vor deren Durchführung neben einer Niereninsuffizienz auch eine Kontrastmittelallergie und eine Schilddrüsenfunktionsstörung zu evaluieren (pAVK-Leitlinie; Lawall et al. 2015).

Venöser Gefäßstatus

Die Basisdiagnostik beinhaltet gemäß Leitlinie „Ulcus cruris venosum“ der Deutschen Phlebologischen Gesellschaft (LL-UCV) die direktionale Dopplersonographie der Venen (epifaszial, transfaszial und subfaszial, einschließlich spontanen, provozierten Signalen, Valsalva-Manöver). Gegebenenfalls sind weiterführende Untersuchungen des tiefen Venensystems (Phlebographie, Phlebodynamometrie, Venen-Verschluss-Plethysmographie) erforderlich.

Labordiagnostik

Biopsie und Histopathologie

Eine histologische Untersuchung sollte bei jedem Ulkus erfolgen, das über ein Jahr besteht. Hierbei steht vor allem der Malignomausschluss im Vordergrund (z. B. Spinaliom, Basaliom). Bei auffälliger Morphologie sollte ebenfalls eine Biopsie erfolgen. Hierzu zählt beispielsweise ein aufgeworfener Randsaum bei einem Basaliom, ein livide verfärbter Randsaum wie bei einer Vaskulitis oder einem Pyoderma gangraenosum (Abb. 2) oder eine ungewöhnliche Konfiguration oder Lokalisation des Ulkus. Der Entnahmeort der Biopsie ist entscheidend, um ein aussagekräftiges Ergebnis zu erhalten. So sollten bei Malignomverdacht Serienbiopsien aus dem Randsaum und dem Ulkuszentrum entnommen werden, wohingegen ein Ulkus vaskulitischer Genese am Rand und nicht innerhalb der Wunde biopsiert werden sollte. Außerdem ist eine möglichst frische Läsion zu wählen. Die Spindelexzision ist hierbei der Stanzbiopsie überlegen, da aufgrund des größeren Gewebestücks oftmals eine größere Aussagekraft der Histologie besteht.

Mikrobiologie

Eine mikrobiologische Untersuchung sollte immer dann erfolgen, wenn sich klinische Hinweise auf eine Infektion oder eine Wundheilungsstörung infolge einer kritischen Kolonisation bzw. einer Lokalinfektion ergeben. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass unterschiedliche Wundentitäten unterschiedlich auf die bakterielle Kontamination reagieren (Schmidt et al. 2000). Die Keimbesiedelung eines venösen Ulcus cruris hat einen anderen Stellenwert als beispielsweise die eines arteriellen Ulkus oder gar eines diabetischen vaskulären Ulkus: ersteres zeigt eine lange lokale Persistenz, wogegen letzteres aufgrund einer systemischen Immunopathie sehr schnell zur aufsteigenden systemischen Infektion neigt. Dementsprechend kommt eine Amputation eines venösen Ulkus aufgrund einer bakteriellen Kontamination praktisch nie vor, wogegen ein Patient mit diabetisch-vaskulopathischem Ulkus (Malum perforans) eine hohe Amputationsgefährdung hat. Ebenso ist die Virulenz unterschiedlicher Keimarten zu bewerten: ein mit Pseudomonas aeruginosa kontaminiertes Ulkus besitzt ein deutlich höheres Amputationsrisiko als eine mit Staphylokokkus epidermidis besiedelte Wunde.
Das Risiko eines Diabetikers mit Pseudomonas spec. superinfiziertem Malum perforans, eine Amputation zu erleiden, beträgt nahezu 100 %!
Der Abstrich sollte nach Spülen mit Kochsalzlösung durch Bestreichen des Wundgrundes im Zentrum mit einem Watteträger erfolgen. Empfehlenswert ist die Abstrichentnahme in Form des Essener Kreisels (Dissemond 2014). Man unterscheidet verschiedene Stufen der Anwesenheit von Bakterien in der Wunde (Abb. 3).
Grundsätzlich ist eine mikrobiologische Untersuchung bei Erstvorstellung des Patienten sowie vor der stationären Aufnahme sinnvoll und von der KRINKO empfohlen, um eine eventuelle Besiedelung mit Problemkeimen (MRSA, ORSA, MRGN) auszuschließen.
80 % aller chronischen Ulzera sind bakteriell kolonisiert. Die beiden häufigsten Erreger sind Staphylokokkus aureus und Pseudomonas aeruginosa (Hansson et al. 1995). Die Studienlage zur Bedeutung der bakteriellen Kolonisation ist uneinheitlich und reicht von der Meinung, diese sei nicht relevant, bis hin zur 10(Bahmer und Schwichtenberg 2000)-Regel, bei der eine Störung der Wundheilung ab einer Menge von über einer Million pro cm3 als wundheilungsstörend postuliert wird (Hansson et al. 1995; Brook et al. 1998). Liegen jedoch klinische Zeichen einer Infektion vor, sollte eine antiseptische oder gegebenenfalls eine systemische antibiotische Therapie eingeleitet werden.
Lokale Infektionszeichen (Abb. 4a) sind Rötung und Schwellung, ein fibrinös-eitriger Wundbelag, einhergehend mit einer sistierenden Wundheilung. Zu den systemischen Infektionszeichen (Abb. 4b) zählen dagegen Temperaturanstieg, Leukozyten-/CRP-Erhöhung.

Serumdiagnostik

Bei Erstvorstellung des Patienten sollte eine Basisdiagnostik erfolgen. Hierzu gehört eine Nieren- und Leberanalytik, Albumin, ein Blutbild, Elektrolyte und C-reaktives Protein. Die weiterführende Diagnostik sollte symptomorientiert erfolgen. Eine Gerinnungsanalytik (Plasmaaktivitäten von ATIII, Protein-S, Protein-C und APC-Resistenz) ist empfehlenswert bei positiver Familienanamnese für thrombembolische Geschehen oder Phlebothrombosen in der Eigenanamnese, sowie bei einem thrombotischen Ereignis ohne Vorliegen offensichtlicher Risikofaktoren (Leitlinie DGG). Die Autoimmundiagnostik sollte bei Verdacht auf ein vaskulitsches Geschehen erfolgen (ANA, ENA, dsDNS, Kryoglobuline, Kälteagglutinine usw.).

Epikutantestung

Bei Patienten mit chronischen Wunden liegen gehäuft Kontaktsensibilisierungen vor. Empfehlenswert ist eine allergologische Diagnostik bei jedem Patienten, dessen Ulkus über zwei Jahre besteht und bei dem seitdem keine Diagnostik erfolgt ist. Klar indiziert ist eine Epikutantestung jedoch bei klinischem Verdacht auf das Vorliegen eines Kontaktekzems. Häufig ist die Abgrenzung eines Kontaktekzems gegenüber einer Stauungsdermatitis oder einer Wundrose schwierig. Eine scharfe Begrenzung, zum Beispiel in Form und Ausdehnung der Wundauflage, fehlende Infektionsparameter (Wundbelag, Fieber, CRP, Leukozyten, Exsudation) deuten eher auf das Vorliegen eines Kontaktekzems hin, das plötzliche und einseitige Auftreten sprechen eher gegen eine Stauungsdermatitis.

Therapie

Die Therapie des Ulcus cruris beginnt mit der sachgerechten Diagnosestellung und Diagnostik der zugrunde liegenden Erkrankung. In der Therapie sind alle ermittelten kausalen Faktoren zu berücksichtigen (Tab. 2 und 3).
Die symptomatische Wundtherapie lässt sich in die externe Therapie, die interne Behandlung, die operative Therapie, die physikalischen Maßnahmen sowie weitere begleitende, z. B. soziale, Maßnahmen untergliedern.
Übersicht der Wundtherapien
  • Lokaltherapien
  • Systemtherapien
  • Operative Therapien
  • Physikalische Therapien
  • Sonstige Therapien

Lokale Therapie

Die externe Therapie des Ulkus richtet sich im Wesentlichen nach dem klinischen Befund der Wunde, der zugrunde liegenden Erkrankung sowie dem Ausmaß an Schmerzen und anderen subjektiven Beeinträchtigungen. Sie wird im Einzelfall durch Komorbidität (z. B. pAVK, Kontaktallergien) eingeschränkt.
In praxi hat sich die Kenntnis der phasengerechten Wundbehandlung als hilfreich erwiesen. Der phasengebundene Heilungsverlauf findet grundsätzlich in jeder Wunde statt, wobei in größeren Wunden mehrere Phasen ineinander greifen können. Bei chronischen Wunden ist die Wundheilung häufig in diesen Phasen beeinträchtigt und sistiert. Ziel der topischen Behandlung ist die Beseitigung von heilungshemmenden Einflüssen (d. h. Austrocknung, Auskühlung, Infektionen), die Unterstützung der Phasen sowie der Schutz der Wunde vor Komplikationen.

Wundreinigung

Die Wundreinigung stellt den ersten Schritt auf dem Weg der Wundheilungsförderung dar. Fibrinöse Beläge und totes Zellmaterial sind der Nährboden für Bakterien und verhindern eine zügige Granulation. Ziel ist es, totes Zellmaterial möglichst vollständig zu entfernen.
Eine weitere wichtige Zielsetzung der Wundreinigung ist die Beseitigung des Biofilms, mit dem sich mehr als 60 % aller Erreger bakterieller Infektionen vor dem Immunsystem des Wirtes schützen. Man versteht hierunter eine von den Bakterien produzierte Matrix aus extrazellulären polymeren Stoffen (EPS), die in Verbindung mit Wasser Hydrogeleigenschaften besitzt. Der Biofilm kann die Wirkung von Antiseptika erheblich reduzieren.
Zur Wundreinigung stehen unterschiedliche Verfahren zur Verfügung.
Die Reinigung der Wunde von abgestorbenem Gewebe kann nicht durch eine antiseptische Wundbehandlung ersetzt werden. Schon der regelmäßige Verbandwechsel, die Anwendung von Wundumschlägen und eine geeignete Wundauflage tragen zur Wundreinigung bei.
Bei ausgeprägten und vor allem fest haftenden Belägen ist ein chirurgisches Débridement empfehlenswert, da es eine der effektivsten Methoden ist, Beläge effektiv und zügig zu entfernen. Hierbei ist eine gute Schmerzcoupierung notwendig, vorausgesetzt der Patient leidet nicht an einer peripheren Neuropathie mit eingeschränkter oder aufgehobener Sensibilität (diabetische Neuropathie). Diese kann mit lokalen Maßnahmen wie EMLA-Creme erfolgen. Bei ausgedehnten Befunden kann eine Leitungsanästhesie oder sogar eine Spinalanästhesie nötig sein. Die Kürettage mit einer Stiefelkürette oder aber einem scharfen Löffel hat sich bewährt, da hierbei die Traumatisierung des gesunden Gewebes in Grenzen gehalten werden kann und es sich um eine wenig aufwendige Methode handelt.
Eine gute Alternative zum chirurgischen Débridement stellt die Ultraschallreinigung dar. Hierbei wird mittels eines Ultraschall-Strahls das abgestorbene Gewebe entfernt. Diese Methode ist schonender für das gesunde Gewebe und hat einen positiven Effekt auf die Granulation. Bei der Anwendung hat sich gezeigt, dass es zu einem „Nachbrennen“, also einem Schmerz nach der Behandlung kommt, der mit oraler Schmerzmedikation versorgt werden sollte.
Bei weniger ausgeprägtem Belag oder zur Andauung des festen Gewebes zwischen den Verbandwechseln kann eine Wundreinigung mittels enzymatischen Wundauflagen gewählt werden. Hier stehen unter anderem Varidase (Streptokinase) und Iruxol (Clostridiopepdidase A) zur Verfügung. Ein Vorteil dieser Methoden ist die selektive Wirkung auf das tote Gewebe und die geringere Schmerzhaftigkeit. Allerdings findet die Wundreinigung hierdurch in deutlich geringerer Geschwindigkeit statt und sie ist somit häufig nur als zusätzliches Hilfsmittel geeignet. Wegen der langen Behandlungszeit, der kurzen Wirkdauer, die zudem häufige Verbandswechsel erforderlich werden lassen, und nicht zuletzt aufgrund der hohen Behandlungskosten verliert die enzymatische Wundreinigung zunehmend an Bedeutung. Von der ehemals vorhandenen breiten Produktpalette sind nur noch die oben genannten Produkte zugelassen. In der eigenen Klinik findet die enzymatische Wundreinigung keine Verwendung mehr.
Beim biochirurgischen Débridement dienen speziell gezüchtete sterile Fliegenmaden zur Reinigung unsauberer und infizierter Wunden (Abb. 5). Die Larven werden entweder lose oder in verschweißten Nylonbeutel („Biobag“, „Vitapad“) geliefert. Freilaufende Larven werden mit einer speziellen Lösung auf die Wunde geschwemmt und anschließend mittels spezifischen, meist mitgelieferten Verbandsmaterialen in der Wunde gehalten. Dabei scheint der Speichel der Fliegenlarven die entscheidende Rolle zu spielen. In vitro konnte sogar eine Keimzahlverminderung um bis zu 5 Logarithmusstufen erreicht werden. Es wird vermutet, dass sich in Verbindung mit dem Peroxidasesystemen ein Hypothiocyanat bildet, welches mikrobiozid wirksam ist. Eine andere Arbeitsgruppe vermutet Dermaseptin-ähnliche Propeptide als antibiotische Wirkprinzipien der Larven. Dermaseptine sind stark wirksame Antibiotika, die allerdings auf menschliche Erythrozyten toxisch wirken (Heuer und Heuer 2010). Daneben wird ein in Abhängigkeit der Nahrungsaufnahme von den Maden unterschiedlich ausgeschiedener Wirkstoff vermutet. Pseudomonaden bilden allerdings einen besonderen Biofilm, den Maden nicht durchdringen können. Daher ist die Anwendung bei nachgewiesener Besiedlung oder Infektion von Pseudomonas spec. nicht zu empfehlen. Eine gute Wirksamkeit ist dagegen bei multiresistenten Keimen und im Besonderen bei MRSA gegeben. Eine lokale Eradikation ist in der Literatur beschrieben.
Vorsicht ist auch bei zu feuchten aber auch bei trockenen Wunden geboten, da die Fliegenmaden sowohl Sauerstoff als auch genügend Flüssigkeit benötigen. Starke Blutungen, die unmittelbare Nähe zu großen Blutgefäßen und Wunden die in Kontakt mit großen Körperhöhlen stehen, gelten als Kontraindikationen einer Anwendung. Als Vorteil erweist sich die lange Verbandszeit von bis zu 5 Tagen sowie eine Selektivität auf totes Gewebe. Nachteilig sind der hohe Preis, Schwierigkeiten bei der Kostenerstattung, die lange Planungszeit (mindestens 24 h) bzw. die fehlende unmittelbare Verfügbarkeit und nicht zuletzt die erforderliche (psychische) Akzeptanz beim Patienten (Heuer und Heuer 2010).
Eine weitere Säule der Therapie einer infizierten Wunde ist die antiseptische Behandlung. Hierbei wird zwischen Wunddesinfektion und antiseptischen Wundauflagen unterschieden. Die Wunddesinfektion kann bei jedem Verbandwechsel erfolgen. Hierzu können mit Antiseptika getränkte Kompressen verwendet werden, die Wunde kann gespült oder kurzzeitig gebadet werden. Liegt eine Wundinfektion vor, sollte bei jedem Verbandswechsel eine Spülung der Wunde mit antiseptischen Externa erfolgen. Hier stehen Iodophore, Polihexanid, Octenidin und Silber zur Verfügung.
Die Anforderungen an ein Antiseptikum sind vielfältig. Vor allem sollte ein Gleichgewicht zwischen konsequenter Keimbeseitigung auf der einen und Aufrechterhaltung der Wundheilung auf der anderen Seite gewährleistet sein.
Die relative Effektivität der einzelnen Substanzen ist nach den Kriterien der evidenzbasierten Medizin noch unklar (Health Technology Assessment 2000). Bei der Auswahl der Therapeutika kann man sich an den Konsensusempfehlungen der DGfW orientieren (Konsensusempfehlung 2004). Lokale Antibiotika sollten wegen des kontaktallergischen Potenzials und ihrer Resistenzentwicklung nicht eingesetzt werden. Darüber hinaus ist zu beachten, dass einige dieser Substanzen die Wundheilung stark hemmen können. Ideale Antiseptika sind Silbernitrat 1 %, Chloramin T 1 %, Polihexanid, Octenidin oder PVP-Jod. Bei Jodlösungen muss jedoch die mögliche Jodresorption aus der Wunde beachtet werden.
Tab. 4 gibt einen Überblick über das Wirkspektrum wie auch die Wirkgeschwindigkeit der einzelnen antiseptischen Substanzen.
Tab. 4
Merkmale der Wundantiseptika
 
Wirkungseintritt
Bakterizid
Sporozoid
Fungizid
viruzid
30 sec
+
+
+
+
Octenidin
30 sec bis 5 min
+
+
(+)
Poliheyanid
5–20 min
+
+
Ca. 3 h
+
+
Für die kurzfristige Wundreinigung und Wundspülung haben sich Polihexanid, Octenidin und Iod bewährt. Für die längerfristige Anwendung als Wundauflage eignen sich vornehmlich Silber und Polihexanid.
Als obsolet sind Wasserstoffperoxid unter anderem wegen seiner Zytotoxizität und geringen Wirkung, Quecksilber, Ethacrinlactat, Kaliumpermanganat sowie topische Antibiotika aufgrund ihrer Sensibilisierungspotenz und der Resistenzenbildung anzusehen. Weitere Einzelheiten und Bewertungen zu weiteren Stoffen finden sich in der Konsensusempfehlung zur Auswahl von Wirkstoffen für die Wundantiseptik (Bahmer und Schwichtenberg 2000).
Ist die Wunde infiziert, sollten Antibiotika nach Keimaustestung eingesetzt werden. Sie werden jedoch ausschließlich systemisch – kalkuliert oder nach Austestung – eingesetzt. Die lokale Gabe ist obsolet. Zum einen werden Antibiotika nach Lokalapplikation schnell durch Enzyme inaktiviert, zum anderen führen sie häufig zu Allergisierungsreaktionen und zu Resistenzbildungen. Darüber hinaus hemmen viele Antibiotika die Wundheilung.

Granulationsförderung

Methoden der Granulationsförderung
  • Moderne Wundauflagen
  • Vakuumversiegelungstherapie
  • Ultraschall
  • Strom
  • Stoßwellen
Die erstmals von Winter 1962 propagierte feuchte Wundbehandlung ist aus der heutigen modernen Wundtherapie nicht mehr wegzudenken. Die Metaanalyse von Heyer et al. (2013) bestätigt die Wirksamkeit hydroaktiver Wundauflagen und zeigt eine um 52 % höhere Abheilungswahrscheinlichkeit gegenüber konventionellen Wundauflagen. So existiert mittlerweile eine unübersichtlich große Zahl an Wundauflagen diverser Hersteller, die sich verschiedenen Kategorien zuordnen lassen. Die nachstehende Tabelle gibt einen Überblick über die wichtigsten Wundauflagen, die zur Förderung der Granulation, aber auch in anderen Phasen der Wundheilung, eingesetzt werden (Abb. 6 und Tab. 5).
Tab. 5
Übersicht der hydroaktiven, modernen Wundauflagen. Nach Probst und Vasel-Biergans (2009)
Wundtherapie
Einsatz
Alginate
Tiefe, zerklüftete Wunden, bei starker Sekretion, Fibrinbeläge
Hydrogele
Trockene Wunden, Nekrosen und Fibrinbeläge (autolytisches Débridement)
Hydrokolloide
Leicht-mäßig sezernierende, granulierende bzw. epithelisierende Wunden
Schaumstoffe
Stark exsudierende Wunden, bei Kompressionsbehandlung, in jeder Phase der Wundheilung einsetzbar
Folienverbände
Schutz nichtnässender Wunden, z. B. in der Epithelisierungsphase
Aktivkohle
Fibrinbeläge und Nekrosen, stark sezernierende Wunden, Geruchselimination
Die modernen Wundauflagen lassen sich hinsichtlich ihrer Wirkung auf die Wunde in drei Gruppen einteilen: Es werden passive von aktiven und interaktiven Wundauflagen unterschieden (Tab. 6). Unter den passiven Wundauflagen werden zum einen die klassischen Gazeverbände verstanden, die zum Erhalt der Wundfeuchtigkeit entweder regelmäßig (mehrfach täglich) befeuchtet, oder aber mittels Okklusivverband nach außen abgedichtet werden müssen. Nachteil der Befeuchtung ist die Auskühlung der Wunde durch Verdunstung: ein Absinken der Gewebetemperatur unter 36 °C bewirkt eine Hemmung bzw. ein Sistieren der Stoffwechselaktivität von Zellen (z. B. Fibroblasten). Aus diesem Grund werden Okklusionsverbände bevorzugt. Die Wunde bleibt feucht, da das Wundsekret im Verband verbleibt und nicht abgegeben wird.
Tab. 6
Moderne Wundauflagen. Sie sind nach ihrer Wirkungsweise auf die Wunde katalogisiert
Kategorie
Wirkungsweise
Substanzbeispiel
Passive Wundauflagen
- Ohne Okklusion
- Mit Okklusion
Gaze, Vlies, Fettgaze
Polyurethanfolie
Interaktive Wundauflagen
Semipermeabel
Hydrokolloide, Hydropolymere, Alginate, Hydrogele, Karbonauflagen, Auflagen mit antiseptischen Agenzien, enzymatisch aktive Wundauflagen
Aktive Wundsysteme
Auflagen mit eigenen Wirksubstanzen
Hyaluronsäure – haltige Wundauflagen (Hyalofill, Hyalogran), proteasemodulierende Matrix (Promogran), wachstumsfaktorhaltige Systeme (Regranex)
Die interaktiven Wundauflagen besitzen in der Regel eine äußere, für Flüssigkeiten undurchlässige semipermeable Membran, die aber den Gasaustausch mit der Umgebung ermöglicht. Prototyp dieser Verbandssysteme ist der Hydrokolloidverband. Das Wundsekret wird zunächst in diese Wundauflagen aufgesogen, um dann auch wieder an die Wunde abgegeben zu werden (= interaktiv, sog. Phasenumkehr).
Die aktiven Wundauflagen stellen die letzte Entwicklung der modernen Wundauflagen dar. Ihnen ist die Kombination einer feuchten Wundauflage mit einer aktiven, wundheilungsfördernden Wirksubstanz gemeinsam. Hyaluronsäurehaltige Präparate zur Förderung der Bindegewebsneubildung sind ebenso auf dem Markt wie proteasemodulierende Systeme zur Inaktivierung der wundheilungshemmenden eiweißspaltenden Enzyme. In neuerer Zeit wurde eine Substanz für den diabetischen Fuß zugelassen, die den Wachstumsfaktor PDGF („platelet derived growth factor“) beinhaltet. Unter der Vorstellung, dass hierdurch die Zielzellen dieses Wachstumsfaktors zusätzlich stimuliert werden, wurde dieser Faktor eingeführt. Randomisierte Studien am diabetischen, angiopathischen Fuß konnten eine (wenn auch schwache) Förderung der Wundheilung im Vergleich zur Kontrollgruppe nachweisen.
Allen diesen Substanzen gemeinsam ist das Dilemma, dass eine positive Wirkung in theoretischen Überlegungen zur Wirkungsweise nachvollziehbar ist und im In-vitro-Versuch auch belegt wurde. Die Situation der chronischen Wunde ist jedoch ein außerordentlich komplexes, bis heute noch nicht voll verstandenes System, so dass die eigentliche Wirksamkeit dieser Substanzen letztlich noch hinterfragt werden muss.

Systemische Therapie

Die systemische Therapie ist beim Ulcus cruris weniger bedeutsam als die topische Behandlung. Dennoch müssen in verschiedenen Situationen adäquate systemische Arzneimittel eingesetzt werden, insbesondere in der Schmerz- und Infektionstherapie (Tab. 7).
Tab. 7
Wirkstoffe und -gruppen in der systemischen Therapie chronischer Wunden
Präparat
Bedeutung in der Praxis
Schmerztherapeutika
Standard der Behandlung
Bei systemischer Wundinfektion essenziell
Bei entzündlichen, v. a. autoimmunologisch bedingten Grunderkrankungen
Pentoxyphyllin∗
Selten eingesetzt
Zink∗
Nur bei Zinkmangel
Prostaglandin E1
Selten eingesetzt
Kumarin
Selten eingesetzt
Fibrinolytika
Selten eingesetzt
Nur bei kardialer Indikation
Flavonoide, Saponine
Im Nutzen unklare Venentherapeutika
Metaanalyse liegt vor
Die Schmerztherapie ist für den Patienten essenziell, da Schmerzen seine Lebensqualität einschränken und die therapeutischen Maßnahmen (z. B. Débridement, Kompressionstherapie, Mobilisation) erschweren können. Anhaltspunkt der Schmerztherapie ist das Stufenschema nach WHO (Abb. 7).
Empfohlene Schmerzlinderungsmaßnahmen bei Wundschmerzen (nach Senecal 1999)
  • Schritt 1: Einsatz von NSAR ± Lokalanästhetikum
  • Schritt 2: Hinzunahme eines milden Opioids (oral verabreicht, wenn möglich)
  • Schritt 3: Ersatz des milden Opioid-Analgetikums durch ein stark wirksames Opiat und nicht-opioide Analgetika

Operative Therapien

Ziel der operativen Verfahren ist zum einen die Beseitigung von kausalen Faktoren (z. B. Veneninsuffizienz, pAVK), zum zweiten die plastische Deckung von Wunden. Zur kausalen gefäßchirurgischen Therapie zählen die Verfahren der Phlebochirurgie sowie die arterielle Revaskularisation mittels/stentgestützter Ballondilatation und/oder Bypasschirurgie. Beide Entitäten haben sich in praxi einen festen Stellenwert erworben, sind aber durch Evidenz-basierte Studien nur unzureichend gestützt. Trotz der eingeschränkten Evidenz aus Studien ist der Einsatz operativer Verfahren jedoch dringend zu empfehlen, sofern die Gefäßsituation klinisch eindeutig als Kausalfaktor der Wunde anzusehen ist.
Zur Ausschaltung insuffizienter Venen sowie zur Beseitigung arterieller Stenosen beziehungsweise zur arteriellen Chirurgie gibt es einschlägige Leitlinien, auf die an dieser Stelle verwiesen sei.
Zur Deckung des Ulkus werden sowohl allogene wie auch autologe Gewebe eingesetzt, wobei die autologen Verfahren weitaus bedeutender sind. Hier werden Voll- und Spalthauttransplantate, Insellappenplastiken sowie Verschiebelappenplastiken unterschieden. Eine weitere Besonderheit sind die Verfahren des „tissue engineering“, insbesondere die Applikation autologer Keratinozyten, die spezialisierten Zentren vorbehalten sind.
Gemeinsame Anforderung an diese Verfahren ist ein gut vorbereiteter Wundgrund, der sowohl eine ausreichende Granulation wie auch eine klinische Infektionsfreiheit aufweisen muss. Umgekehrt stellen die kritische bakterielle Wundbesiedlung, die unzureichende Granulation sowie die fehlende Immobilisation die stärksten Komplikationsfaktoren aller Transplantate dar.
Plastische Deckung
  • Mesh-, Spalt-, Vollhaut, Reverdin
  • Keratinozytentransplantation
  • Synthetische Hautäquivalente

Hauttransplantation

In der Phase der Epithelisierung gilt die Verpflanzung von Spalthaut- bzw. Meshgrafttransplantaten auf ein vorkonditioniertes Ulcus cruris als Methode der ersten Wahl. Hierbei wird ein 0,2–0,4 mm dickes Spalthauttransplantat mithilfe eines Dermatoms meist vom lateralen Oberschenkel, wahlweise auch aus dem Bereich des Haaransatzes im Nacken, in der Größe des Ulkusdurchmessers entnommen. Zur Verbesserung des Sekretabflusses und der Einheilung erfolgt häufig das Meshen der Spalthaut im Verhältnis 1:1,5; bei größeren Ulzera lässt sich das Verhältnis entsprechend vergrößern. Mit dieser Methode werden Langzeiterfolge von vollständig abgeheilten Ulzera erzielt, die über 50 % betragen (Kirsner et al. 1995). Bei Vorliegen einer ausgeprägten Dermatosklerose werden höhere Einheilungsraten durch vorheriges Shaving von Ulkusgrund und -rändern erzielt (Schmeller und Gaber 2000).
Eine weitere einfache Möglichkeit der autologen Hauttransplantation stellt die Reverdin-Methode dar, bei der einzelne kleine Hautläppchen zur Ulkusdeckung verwendet werden (Oien et al. 2002).

Hautersatzverfahren

Die oben beschriebene Prozedur der Spalthauttransplantation ist mit einer zusätzlichen, bisweilen schmerzhaften und schlecht heilenden Wunde im Bereich der Entnahmestelle verbunden und kann nicht in allen Fällen eingesetzt werden. Alternativ kommen insbesondere bei therapierefraktären Ulzera Verfahren des sog. tissue engineering, d. h. Kultivierung und Applikation von Zellverbänden bzw. -suspensionen, infrage. Hierbei hat sich die Transplantation von allogenen oder autologen Keratinoyzten und/oder Fibroblasten als bewährte Methode erwiesen, deren Wirksamkeit in verschiedenen klinischen Studien gezeigt werden konnte (Falanga 2000; Augustin et al. 2001). Im Fall der Keratinozyten stammen diese aus interfollikulärer Epidermis oder der äußeren Wurzelscheide von Haarfollikeln und werden innerhalb von 2–3 Wochen vermehrt. Schließlich werden die so gewonnenen Zellsuspensionen – meist unter Zuhilfenahme einer Matrix, wie z. B. Fibrinkleber – auf die Wunde transplantiert. Der Erfolg des „tissue engineering“ liegt dabei nicht vorrangig im Anwachsen der einzelnen Zellen, sondern vielmehr in der Stimulation von Wachstumsfaktoren im Wundbett, die eine beschleunigte Reepithelisierung herbeiführen (Liu et al. 2004).
Als Vorteile gegenüber der herkömmlichen Spalthauttransplantation lassen sich ein fehlendes (allogenes Verfahren) bzw. deutlich kleineres (autologes Verfahren) Hautentnahmeareal und damit verbunden geringere Schmerzhaftigkeit nennen sowie eine deutlich schnellere Mobilisierung des Patienten.

Physikalische Therapie

Die physikalischen Behandlungsmethoden des Ulcus cruris sind von großer Bedeutung (Tab. 8).
Tab. 8
Wichtige physikalische Verfahren in der Therapie des Ulcus cruris
Verfahren
Metaanalyse oder Cochrane-Review liegt vor
Empfehlung in der Leitlinie der DGP
Medizinische Kompressionstherapie
X
A
Apparative intermittierende Kompression
X
A
Vakuumtherapie
 
A
Ultraschalltherapie
X
A
Lasertherapie
X
B
Elektrostimulation
X
A
Krankengymnastik, Gehtraining
 
A
Lymphtherapie
 
A
Druckentlastung, Schuhwerk
 
A
Bäder, Auflagen
  
Kompressionstherapie
Essenziell und in ihrer Evidenz auf höchster Stufe belegt ist die Kompressionstherapie des Ulcus cruris venosum. Die Unterlassung einer Kompressionsbehandlung stellt hier einen Behandlungsfehler dar. Auch Ulzera anderer Genese können von der Kompressionsbehandlung profitieren. Vorsicht ist aber geboten bei Zeichen der arteriellen Verschlusskrankheit und bei der peripheren Polyneuropathie. In höheren Stadien dieser Erkrankungen ist die Kompressionsbehandlung kontraindiziert. Die Kompressionstherapie sollte auch der Schmerzsituation des Patienten angepasst sein.
Vakuumversiegelungstherapie
Bei der Vakuumtherapie wird die Wunde mittels Schwamm steril abgedeckt und über eine mit einem Schlauchsystem verbundene Pumpe ein Unterdruck erzeugt, welcher eine kontinuierliche oder intermittierende Sogwirkung auf die Wunde ausübt. Die Vakuumversiegelung ermöglicht so den kontinuierlichen Abtransport von Wundsekret und die Reinigung von Mikroorganismen. Zudem wirkt sie granulationsfördernd, so dass in vielen Fällen bereits nach wenigen Tagen ein deutliches Hochwachsen des Wundgrundes erkennbar ist. Weitere Effekte sind Wundretraktion und Ödemreduktion mit verbesserter Mikrozirkulation (Willy et al. 2005). Bei sachgemäßer Anwendung ist diese Therapie nebenwirkungsarm (Willy et al. 2006) und für den Patienten sowohl im stationären wie auch im ambulanten Bereich von erwiesenem Nutzen (Augustin und Zschocke 2006).
Ultraschall-assistierte Wundbehandlung
Im Rahmen der Wundreinigung wird seit einigen Jahren die Ultraschall-assistierte Wundbehandlung (UAW) als Alternative zum chirurgischen Débridement eingesetzt. Bei dieser Methode werden Nekrosen und Fibrinbeläge mithilfe niederfrequenten Ultraschalls aus der Wunde herausgelöst. Neben der Schonung gesunden Gewebes, Förderung der Zellproliferation und der Granulation ist die fehlende bzw. nur geringe Schmerzhaftigkeit für den Patienten sowie die hohe Akzeptanz durch den Patienten (Uhlemann et al. 2003; Tan et al. 2007; Herberger et al. 2011) hervorzuheben. Zudem berichten mehrere Untersuchungen über einen antimikrobiellen Effekt des Ultraschalls (Scherba et al. 1991; Schoenbach und Song 1980).
Elektrotherapie
Im Fall schlecht heilender Wunden mit fehlender Granulation steht mit der Elektrotherapie ein Verfahren zur Verfügung, das durch lokale Abgabe ionisierender Gleichstromimpulse die Granulationsbildung anregt. Diese wiederum ist Voraussetzung für die Epithelisierung, die zusätzlich durch die Gleichstromtherapie gefördert wird. In der Regel erfolgen hierzu zweimal tägliche Applikationen der Stromelektrode auf der Wunde für jeweils 30 Minuten.
In Studien konnte gezeigt werden, dass an Silberelektroden angelegter Gleichstrom geringer Stärke eine antibakterielle Wirkung in Wunden hat (Falcone und Spadaro 1986). Mit Gleichstrom behandelte Spalthauttransplantate wiesen außerdem eine schnellere Reepithelisierung, höhere Haardichte sowie geringere Kontraktion und dermale Fibrose auf (Chu et al. 1990). Des Weiteren wurde von verschiedenen Arbeitsgruppen eine gesteigerte Angiogenese in Wunden gemessen (Jünger et al. 1997; Greenberg et al. 2000).
Extrakorporale Stoßwellenlithotripsie
Als weitere Alternative bei therapierefraktären chronischen Wunden gibt es die aus der Urologie stammende Möglichkeit der Stoßwellentherapie. Die hierbei freigesetzte Energie soll sich nach Einzelfallberichten positiv auf die Wundheilung auswirken (Sparsa et al. 2005).
Lasertherapie
Die sog. Low-intensity-Lasertherapie unter Verwendung von Helium/Neon- bzw. Gallium/Arsenid-Laser soll die Funktion eines Débridements erfüllen, Granulation induzieren und Schmerzen reduzieren. Bislang vorliegende Resultate verschiedener Studien können jedoch keinen allgemeingültigen evidenzbasierten Nutzen nachweisen (Kopera et al. 2005; Lagan et al. 2002).
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