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Orthopädie und Unfallchirurgie
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Publiziert am: 18.02.2022

Erkrankungen von Schultergürtel und Schultergelenk: Diagnostik – Bildgebung

Verfasst von: Moritz Koch und Frieder Mauch
Basis der Bildgebung der Schulter ist die konventionelle Röntgenaufnahme in 2 Ebenen. Für individuelle Fragestellungen existiert eine Vielzahl an Zielaufnahmen, die einen Informationsgewinn zu einzelnen knöchernen Aspekten des Schultergelenks liefern können. Die sonografische Darstellung ermöglicht eine schnelle, einfache, dynamische und strahlenfreie Beurteilung der Weichteilverhältnisse der Schulter. Sie eignet sich insbesondere in der akuten Diagnostik großer Rotatorenmanschettenverletzungen und der postoperativen Kontrolle nach Rotatorenmanschettenrekonstruktionen sowie der Visualisierung von Kalkeinlagerungen und Flüssigkeitsansammlungen. Schichtbildgebende Verfahren wie CT und MRT erweitern die Diagnosemöglichkeiten. Die Diagnostik komplexer oder okkulter Frakturen sowie eine exakte Operationsplanung können mittels CT gewährleistet werden. Die MRT-Untersuchung ermöglicht ergänzend eine differenzierte Beurteilung der Rotatorenmanschette sowie des Labrums und des Knochenmarks.

Einleitung

Basis der Bildgebung der Schulter ist die konventionelle Röntgenaufnahme in 2 Ebenen. Für individuelle Fragestellungen existiert eine Vielzahl an Zielaufnahmen, die einen Informationsgewinn zu einzelnen knöchernen Aspekten des Schultergelenks liefern können.
Die sonografische Darstellung ermöglicht eine schnelle, einfache, dynamische und strahlenfreie Beurteilung der Weichteilverhältnisse der Schulter. Sie eignet sich insbesondere in der akuten Diagnostik großer Rotatorenmanschettenverletzungen und der postoperativen Kontrolle nach Rotatorenmanschettenrekonstruktionen sowie der Visualisierung von Kalkeinlagerungen und Flüssigkeitsansammlungen.
Schichtbildgebende Verfahren wie Computertomografie (CT) und Magnetresonanztomografie (MRT) erweitern die Diagnosemöglichkeiten. Die Diagnostik komplexer oder okkulter Frakturen sowie eine exakte Operationsplanung können mittels CT gewährleistet werden. Die MRT-Untersuchung ermöglicht ergänzend eine differenzierte Beurteilung der Rotatorenmanschette sowie des Labrums und des Knochenmarks.

Nativröntgen des Schultergelenks

Basierend auf der vorausgegangenen klinischen Untersuchung ist die Röntgendarstellung die Basis der radiologischen Untersuchung der Schulter. Anhand der klinischen Symptome kann eine gezielte Diagnostik erfolgen. Ergänzend zur Standardbildgebung stehen spezielle Aufnahmetechniken für spezifische Fragestellungen zur Verfügung.
Die Darstellung der Schulter erfolgt immer in 2 Ebenen. Standardmäßig wird die True-a.p.-Aufnahme als erste Ebene durch eine axiale oder Outlet-View-Aufnahme ergänzt. Die Wahl der zweiten Ebene richtet sich nach der jeweiligen Fragestellung und oftmals nach der schmerzbedingten Durchführbarkeit.

True-a.p.-Aufnahme

Die True-a.p.-Aufnahme dient als erste Ebene der Beurteilung von Frakturen, arthrotischen Veränderungen und der Humeruskopfstellung relativ zu Glenoid und Akromion (Abb. 1). Zusätzlich kann sie wegweisend in der Darstellung von Kalzifikationen der Rotatorenmanschette sein.
Um eine exakte Beurteilung in der anterioposterioren Abbildung des Schultergelenks zu gewährleisten, ist stets eine überlagerungsfreie Darstellung des Gelenkspalts zu fordern. Zudem sollte das Tuberculum majus lateralseitig randbildend zur Darstellung kommen. Vor allem posttraumatisch können somit Frakturen am Glenoid und Tuberculum majus sowie Luxationen bestmöglich diagnostiziert werden. Nur durch einen vollständig abgebildeten Gelenkspalt ohne Überlagerung kann die anterioposterior oftmals übersehene posteriore Luxation sicher ausgeschlossen werden. Weitere Zeichen einer posterioren Luxation sind eine fixierte Innenrotationsstellung sowie das Rim Sign, das einen Abstand des Humeruskopf vom Glenoid größer 6 mm beschreibt. Ebenso kann die sog. Trough Line, eine vertikale Impressionslinie im Humeruskopf, als Zeichen eines reverse Hill-Sachs-Defekts vorliegen (Abb. 2).
Die Maloney-Linie, eine gedachte Hilfslinie vom Glenoidunterrand zum Humeruskopf, dient zur Beurteilung der Humeruskopfzentrierung. Eine Unterbrechung der Linie zusammen mit einer Abnahme des akromiohumeralen Abstands sind Zeichen einer Kranialisierung des Humeruskopfes, z. B. im Rahmen einer Defektarthropathie (Abb. 3).
Zusätzlich kann eine Evaluation der Humeruskopfüberdachung anhand des Critical Shoulder Angle (CSA) nach Gerber, des Akromionindex nach Nyffeler sowie des lateralen Akromionwinkels (LAA) nach Banas erfolgen (Banas et al. 1995; Nyffeler et al. 2006). Der CSA ist der Winkel zwischen der Linie vom superioren zu inferioren Glenoidrand zur Linie vom inferioren Glenoidrand zum lateralsten Punkt des Akromion (Abb. 4).
Der Akromionindex beschreibt das Verhältnis von der Strecke: Glenoidfläche – laterale Akromionkante zu der Strecke: Glenoidfläche – lateraler Humeruskopfrand (Abb. 5).
Der laterale Akromionwinkel entspricht dem Winkel zwischen Akromionunterfläche und Glenoidfläche (Abb. 6).
Ein großer CSA (>36°) sowie ein niedriger lateraler Akromionwinkel (<70°) sind mit degenerativen Veränderungen der Rotatorenmanschette und Rotatorenmanschettenrupturen assoziiert (Banas et al. 1995; Spiegl et al. 2016; Viehöfer et al. 2016; Balke et al. 2013).
Bei klinischem Verdacht einer Fraktur des Tuberculum majus oder einer Tendinosis calcarea empfiehlt sich alternativ zur True-a.p.-Aufnahme eine Abbildung in Innen- und Außenrotation. Somit können die räumlichen Verhältnisse besser abgebildet und mögliche Überlagerungen vermieden werden. Die Klassifikation der Tendinosis calcarea erfolgt nach Gärtner (Gärtner 1993).
Klassifikation der Tendinosis calcarea nach Gärtner
  • Typ I: Kalkdepot scharf begrenzt und röntgendicht
  • Typ II:
    1.
    Kalkdepot unscharf begrenzt, aber röntgendicht
     
    2.
    Kalkdepot scharf begrenzt, aber transparent
     
  • Typ III: Kalkdepot unscharf begrenzt und transparent

Axiale Aufnahme

Die axiale Darstellung des Schultergelenks erfolgt bei 90°-abduziertem Arm im Liegen oder Sitzen. Auch hier ist auf eine überlagerungsfreie Darstellung des Gelenkspalts zu achten (Abb. 7).
So kann eine Beurteilung der Zentrierung des Humeruskopfes erfolgen und Luxationen sicher diagnostiziert oder ausgeschlossen werden. Vor allem nach Luxationen des Schultergelenks dient diese Aufnahme der Erstdiagnostik von Begleitverletzungen wie knöchernen Bankart-Läsionen oder Hill-Sachs-Defekten. Basierend auf dieser Untersuchung kann die Indikation zu weiterer Schichtbilddiagnostik gestellt werden. Zusätzlich können Frakturen des Glenoids sowie Pathologien des Akromion (Fraktur, Os acromiale) abgebildet werden. Prinzipiell kann eine axiale Darstellung auch als zweite Ebene in der Diagnostik der Humeruskopffraktur dienen. Schmerzbedingt ist die Aufnahme jedoch oftmals nicht durchführbar.

Outlet-View-Aufnahme

In der lateralen Aufnahme des Schultergelenks projiziert sich der Humeruskopf zentral in die sich Y-förmig darstellende Skapula (Abb. 8a). Die Aufnahme erfolgt bei angelegtem Arm und ermöglicht so in posttraumatischen Situationen die schmerzarme Darstellung der Schulter in einer zweiten Ebene. Zusätzlich zur Traumadiagnostik kann die Form des Akromion beurteilt werden. Die Einteilung der Akromiontypen erfolgt nach Bigliani (Bigliani 1986). Beurteilt wird in der Klassifikation die Krümmung des Akromion (Abb. 8b).
Akromiontypen nach Bigliani (Abb. 8b) (Toivonen et al. 1995)
  • Typ 1: flaches/gerade Akromion
  • Typ 2: konvex gebogenes Akromion
  • Typ 3: nach kaudal hakenförmiges Akromion
Ein stark gekrümmtes Akromion steigert das Risiko degenerativer Schäden der Rotatorenmanschette, insbesondere der Supraspinatussehne (Balke et al. 2013).

Darstellung des ACG

Zanca View

Diese Aufnahme dient der Beurteilung arthrotischer Veränderungen im Akromioklavikulargelenk (AC-Gelenk, ACG) sowie der postoperativen Kontrolle nach lateraler Klavikularesektion. Im 10–15° ansteigenden Strahlengang kommt der AC-Gelenkspalt überlappungsfrei zur Darstellung und ermöglicht eine Beurteilung der Gelenksituation (Abb. 9).

Panoramaaufnahme

Bei klinischem Verdacht einer ACG-Sprengung wird eine beidseitige Panoramaaufnahme unter Belastung durchgeführt (Abb. 10). Beide Arme werden mit 10 kg pro Seite belastet. Die Gewichte sollten nicht in der Hand gehalten werden, um eine Verfälschung der Untersuchung durch aktive Muskelkontraktion zu vermeiden. Im Seitenvergleich werden der korakoklavikuläre sowie der akromioklavikuläre Abstand vermessen.

Alexander View

Zur weiteren Differenzierung empfiehlt sich ab einem Klavikulahochstand um mehr als Schaftbreite in der Panoramaaufnahme oder bei klinischem Verdacht auf horizontale Instabilität die zusätzliche Anfertigung einer beidseitigen Alexander-View-Aufnahme (Wellmann et al. 2013b). Die Aufnahmetechnik entspricht dem Outlet View mit horizontal adduziertem Arm. So kann im Seitenvergleich eine superioposteriore Translation der Klavikula als Zeichen der horizontalen Instabilität quantifiziert werden (Abb. 11).
Die Messung erfolgt von der anterioinferioren Spitze des Akromion zum korrespondierenden anterioinferiorsten Punkt der lateralen Klavikula (Wellmann et al. 2013a).

Sonografie des Schultergelenks

In der Diagnostik der Weichteilpathologien am Schultergelenk stellt die Sonografie ebenfalls eine Standarduntersuchung dar. In 6 nach den Leitlinien der DEGUM definierten Standardschnittebenen erfolgt die Darstellung jeweils longitudinal und transversal von dorsal, lateral und ventral. Die lange Bizepssehne, die Bursae subacromialis/subdeltoidea sowie die Sehnen und Muskeln der Rotatorenmanschette können dynamisch dargestellt werden. Transmurale Rupturen können untersucherabhängig mit vergleichbarer Sensitivität zu MRT-Untersuchungen diagnostiziert werden (Abb. 12).
In der Diagnostik der Partialrupturen ist das MRT der Sonografie jedoch überlegen (Lenza et al. 2013; De Jesus et al. 2009). Zuverlässig lassen sich auch Kalkeinlagerungen der Sehne darstellen und gegebenenfalls unter sonografischer Kontrolle punktieren. Die Möglichkeit der dynamischen Untersuchung ist neben der weitläufigen Verfügbarkeit und den niedrigen Untersuchungskosten ein großer Vorteil gegenüber den sonst statischen Diagnoseverfahren. In der Beurteilung der langen Bizepssehne können so bewegungsabhängige Subluxationstendenzen erkannt werden. Ebenso lassen sich Flüssigkeitsansammlungen im Rahmen entzündlicher Prozesse mit geringem Aufwand darstellen und farbdopplersonografisch qualitativ einordnen.

Computertomografie (CT)

Spezielle Fragestellungen, die eine dreidimensionale Auflösung der Knochenstrukturen erfordern, können mit der Basisröntgendiagnostik nicht immer ausreichend geklärt werden. Erst mithilfe der CT-Untersuchung lassen sich dann komplexe Frakturen sowie degenerative Knochenveränderung genauer beurteilen. Gerade zur Planung des operativen Prozederes ist eine exakte Darstellung der Knochenverhältnisse unerlässlich.
Im Fall von mehrfragmentären Humeruskopffrakturen kann so eine genaue dreidimensionale Einschätzung der Frakturverhältnisse erfolgen. Dreidimensionale Rekonstruktionen ermöglichen dem Operateur zudem eine bessere Visualisierung und sichere Planung der Versorgung (Habermeyer 1997). In Grenzfällen kann die CT-Untersuchung auch den entscheidenden Informationsgewinn in der Planung der operativen oder konservativen Therapie bei weniger komplexen Humeruskopffrakturen liefern (Lill und Josten 2001). Ebenso lassen sich schwer einsehbare Frakturen des Tuberculum majus oder der Skapula mithilfe der Schichtbildgebung sicher ausschließen oder diagnostizieren.
Auch in der Beurteilung eines Hill-Sachs-Defekts liefert die CT therapieentscheidende Informationen. So kann durch dreidimensionale Vermessung des Hill-Sachs-Defekts zwischen „engaging“ und „non-engaging“ Defekten unterschieden werden. Hierfür entscheidend ist die Größe und Lokalisation des Defekts in Relation zum Glenoidtrack. Der Glenoidtrack beschreibt die Kontaktfläche des Glenoids im Verlauf der Abduktionsbewegung in Außenrotation. Die Breite des Glenoidtracks beträgt 84 % der a.p. Abmessung des Glenoids selbst (Yamamoto et al. 2007). Problematisch sind Defekte die größer als die Glenoidtrackbreite sind oder solche die ventral des Glenoidtracks lokalisiert sind (Shaha et al. 2016). Hinzu kommt die Möglichkeit einer Verkleinerung des Glenoidtracks durch knöchernen Verlust im Rahmen einer Glenoidfraktur, die das Risiko eines „engaging“ Hill-Sachs-Defekts entsprechend vergrößert. Auch dies kann und sollte in der CT-Untersuchung beurteilt werden. Nur durch Kenntnis all dieser Parameter kann eine adäquate Therapie geplant werden (Abb. 13).
Je nach Traumakonfiguration können so die Möglichkeiten der Glenoidrekonstruktion, des Glenoidaufbaus oder der Defektdeckung mittels Auffüllung oder Remplissage abgewogen und eine individuelle Therapie gewährleistet werden (Di Giacomo et al. 2014).
Neben der bereits erwähnten posttraumatischen Diagnostik von Glenoidfrakturen nach Schulterluxation stellt die CT-Untersuchung einen ebenfalls therapieentscheidenden Faktor für die präoperative Einschätzung des Glenoids in der Endoprothetik dar (Mizuno et al. 2013). Die Einteilung des Glenoidtyps bei arthrotischer Veränderung erfolgt nach Walch anhand der axialen Schichtung (Walch et al. 1999). Typ-A-Glenoide zeichnen sich zentral eingeschliffen ab, wohingegen Typ-B-Glenoide durch einen dorsal dezentrierten Substanzverlust gekennzeichnet sind (Abb. 14).
Entscheidend in der Beurteilung ist die Betrachtung der Stellung des Humeruskopfes relativ zum Zentrum des Glenoids, beurteilt anhand der Längsachse der Skapula. So kann eine Verwechslung der oftmals ähnlich imponierenden Typ-A2- und -B3-Glenoide vermieden werden. Dem Glenoid vom Typ C liegt eine dysplastische Veränderung zugrunde. Das seltene Typ-D-Glenoid ist durch ventralen Substanzverlust gekennzeichnet.
Glenoidtypen nach Walch (axiale Ebene, Abb. 14b)
  • Typ A: Humeruskopf über dem Glenoid zentriert
    • A1: geringer Substanzverlust
    • A2: Glenoid zentral ausgeschliffen
  • Typ B: Humeruskopf posterior dezentriert
    • B1: beginnende posteriore subchondrale Sklerosierung
    • B2: bikonkaver posteriorer Substanzverlust
    • B3: Glenoid monokonkav posterior dezentral ausgeschliffen
  • Typ C:
    • C1: primäre dysplastische Anlage des Glenoids
    • C2: primäre dysplastische Anlage des Glenoids mit zusätzlichem Neoglenoid
  • Typ D: Humeruskopf ventral dezentriert
Die Klassifikation des Glenoids nach Favard bei Cuff-Arthropathie erfolgt anhand parakoronarer Schichten (Abb. 15). Neben der Lokalisation des Substanzverlustes ist hier auch das Ausmaß des Abriebs entscheidend für die Einteilung (Gohlke 2009).
Glenoidklassifikation nach Favard (parakoronare Ebene, Abb. 15b)
  • E1: zentraler Abrieb
  • E2: kranialer Abrieb
  • E3: kranialer Abrieb mit großem Defekt
  • E4: kaudaler Abrieb

Magnetresonanztomografie (MRT)

Die MRT-Untersuchung dient ergänzend zur Röntgenbildgebung der Diagnostik von Veränderungen der Sehnen, Muskeln und Weichteilstrukturen des Schultergelenks. Die Bildgebung erfolgt in axialer, parasagittaler und parakoronarer Ebene. Die parasagittale Ebene orientiert sich entlang der Längsachse der Supraspinatussehne. Die parakoronare Ebene verläuft parallel zur Fläche des Glenoids.

Diagnostik der Rotatorenmanschette

Pathologien der Rotatorenmanschette sind eine der häufigsten Indikationen für eine MRT-Untersuchung der Schulter. Die Hauptebenen der Beurteilung von Supra- und Infraspinatussehne sind die parakoronaren und parasagittalen Ebenen. Die Subscapularissehne kann in den axialen und parakoronaren Ebenen beurteilt werden.
Transmurale Rupturen können bereits in der nativen Bildgebung zuverlässig diagnostiziert werden (Sensitivität 81–97 %, Spezifität 93–97 %) (Smith et al. 2012a; Nazarian et al. 2013). Die für Partialrupturen niedrigere Sensitivität (50–89 %) und niedrigere Spezifität (75–89 %) kann durch i. a. Kontrastmittelapplikation deutlich erhöht werden (Sensitivität 86 %, Spezifität 96 %) (Rhee et al. 2012). Vor allem artikularseitige Rupturen können so besser dargestellt werden (Abb. 16).
Um die Supraspinatussehne korrekt beurteilen und die häufigen ventralen Teilrupturen der Supraspinatussehne („rim rent tears“) diagnostizieren zu können, ist eine korrekte Lagerung des Arms in Neutralrotation notwendig. Zur genaueren Darstellung kann eine Aufnahme in ABER-Position („abduction and external rotation“) durchgeführt werden. In der Beurteilung gilt es, Größe, Lokalisation und Form der Ruptur zu beschreiben (Abb. 17).
Die Einteilung nach Snyder differenziert Partial- und Totalrupturen und klassifiziert diese näher. Ein Sonderfall der Partialrupturen der Klasse A nach Snyder sind sog. PASTA-Läsionen („partial articular supraspinatus tendon avulsion“), bei denen es zur Avulsion des gelenkseitigen Sehnenblatts kommt (Snyder et al. 1991).
Einteilung der Rupturgröße nach Snyder
  • Klasse A: artikularseitige Rupturen
  • Klasse B: bursaseitige Rupturen
  • Klasse C: Komplettrupturen
  • Zusätzlich wird stets die Größe der Ruptur beschrieben.
Unabhängig von der Defektgröße ist jede transmurale Ruptur, die alle Schichten der Sehne betrifft, als Komplettruptur zu werten. Die Größe kann in Zentimetern in parakoronarer und parasagittaler Ebene vermessen werden. Die Einteilung der Komplettrupturen kann nach Bateman anhand der parasagittalen Defektstrecke eingeteilt werden (Bateman 1963).
Einteilung der Rupturgröße nach Bateman
  • Grad I: <1 cm
  • Grad II: 1–3 cm
  • Grad III: 3–5 cm
  • Grad IV: >5 cm
Die Rupturform, die für die operative Rekonstruktion von Bedeutung ist, kann anhand des Rupturverlaufs beschrieben und in 4 Kategorien unterteilt werden: halbmondförmig („cresecent shaped“), U-förmig, L-förmig und massenrupturiert (Abb. 18).
Bei Komplettrupturen sollte zudem die Retraktion des Sehnenstumpfes in der parakoronaren Ebene quantifiziert werden. Hierzu kann die Einteilung nach Patte erfolgen oder die Strecke in Zentimenter ausgemessen werden (Patte 1990).
Retraktionsgrad nach Patte
  • Grad 1: geringe Retraktion bis zum Apex
  • Grad 2: Retraktion bis zum Apex oder darüber hinaus, jedoch nicht bis zum Glenoid
  • Grad 3: Retraktion bis zum Glenoid oder darüber hinaus
Bei veralteten Rupturen empfiehlt sich darüber hinaus eine Beurteilung der Muskelatrophie und Muskelverfettung als prognostische Faktoren einer möglichen Operation. Je größer die Atrophie oder Verfettung, desto unwahrscheinlicher ist eine erfolgreiche Rekonstruktion der Sehne.
Die Muskelatrophie des Muskelbauchs der Supraspinatussehne wird durch das Tangentenzeichen nach Zanetti beurteilt (Zanetti et al. 1998). Liegt der Muskelbauch in den parasagittalen Ebenen unter einer gedachten Linie in der Fossa supraspinata, ist das Tangentenzeichen als positiv zu werten und von einer prognostisch relevanten Atrophie auszugehen (Abb. 19).
Zu beachten ist, dass es bei größeren Rupturen durch die Retraktion zu einer Medialisierung des Muskelbauches kommen kann. Es sollte deswegen in der parakoronaren Ebene überprüft werden, ob die Schichtung bis weit genug nach medial reicht. So kann sicher der Muskelbauch und nicht etwa die weit retrahierte Sehne beurteilt werden.
Die Verfettung der Muskulatur wird nach Goutallier eingeteilt und beschreibt das Verhältnis von Muskulatur zu Fettgewebe im Bereich des betroffenen Muskels (Goutallier et al. 1994). Die Beurteilung erfolgt in T1-gewichteten parasagittalen Ebenen. Hier gilt es, wie in der Beurteilung der Atrophie, zu überprüfen, ob die Schichten weit genug nach medial reichen, um sicher den Muskel beurteilen zu können (Abb. 19).
Einteilung der Verfettung der Muskulatur nach Goutallier
  • Grad 0: normaler Muskel
  • Grad 1: einzelne Fettstreifen, geringe Verfettung
  • Grad 2: mehr normale Muskelmasse als muskuläre Verfettung
  • Grad 3: gleich großer Anteil von normaler Muskelmasse und muskulärer Verfettung
  • Grad 4: mehr muskuläre Verfettung als normale Muskelmasse

Bizepssehnenanker

Die Beurteilung des Bizepssehnenankers in der nativen MRT-Diagnostik ist oft limitiert. Um die Diagnosesicherheit zu erhöhen, ist deshalb bei klinischem Verdacht die Durchführung einer MR-Arthrografie indiziert (Abb. 20).
Aufgrund der räumlichen Enge ist eine eindeutige Klassifikation dennoch oft schwierig. Es empfiehlt sich eine exakte Beschreibung der Läsion sowie eine Evaluation der Qualität der Bizepssehne und des Labrums (Größe, Dislokation, Risskonfiguration und -verlauf). Hierauf basiert auch die morphologische Klassifikation der SLAP-Läsion nach Snyder (Rahhal und Snyder 1998). Eine Beurteilung der Stabilität des Bizepsankers und eine valide Einteilung der Läsion gelingen, bei entsprechenden klinischen Symptomen, häufig nur mittels diagnostischer Arthroskopie (Smith et al. 2012b).
Von einer Läsion abzugrenzen ist der oftmals physiologisch vorliegende sublabrale Rezessus (Inzidenz 7–17 %) (Rhee et al. 2012). Dieser stellt sich im MRT als glatt berandete Linie zwischen Glenoid und Labrum dar, die nicht in das Labrum oder den Bizepssehnenansatz hineinreicht (Dunham et al. 2012).
Klassifikation der SLAP-Läsionen nach Snyder
  • Typ I: Irregularität des Ankers, kein Abriss, Anker stabil
  • Typ II: Ablösung des kranialen Labrum vom Glenoid
  • Typ III: Abriss und Dislokation des Labrums (entsprechend eines Korbhenkelrisses), lange Bizepssehne intakt
  • Typ IV: Typ III mit Einriss der langen Bizepssehne

Labrum

Der häufigste Pathomechanismus einer Labrumsverletzung ist die Schulterluxation des jungen Patienten. Im Gegensatz dazu kommt es bei älteren Patienten (>40 Jahre) im Rahmen einer Schulterluxation eher zu Verletzungen der Rotatorenmanschette oder Avulsionsfrakturen des Tuberculum majus. Ebenso findet sich bei habituellen Schulterluxationen im Gegensatz zur traumatischen Genese selten ein spezifisches Korrelat in der MRT-Untersuchung.
Läsionen des Labrums lassen sich am besten in fettsupprimierten axialen Ebenen beurteilen (Abb. 21a).
Der in der Akutphase vorliegende Erguss erübrigt die i. a. Kontrastmittelgabe und ermöglicht eine genaue Diagnostik der Labrumpathologie. Außerhalb der Akutphase kann eine Arthrografie eine suffiziente Beurteilbarkeit gewährleisten. Entscheidend sind die Beurteilung der Größe, Lokalisation und Qualität der Labrumsverletzung sowie die Mitbeurteilung der Kapsel- und Knochenstrukturen. Bei Verdacht eines knöchernen Glenoiddefekts kann zusätzlich eine CT-Diagnostik notwendig sein. Die genaue Beurteilung ist insbesondere für die Entscheidung zwischen konservativer und operativer Therapie, aber auch für die Planung der ggf. nötigen Rekonstruktion essenziell.
Verletzungen des Labrums sind meist anterioinferior lokalisiert und lassen sich nach Ausmaß der betroffenen Strukturen einteilen (Abb. 21b).
Eine Bankart-Läsion liegt bei vollständiger Ablösung des ventralen Kapsel-Labrum-Komplexes vom ventralen Glenoid vor. Im Falle einer zusätzlichen knöchernen Absprengung in diesem Verbund kann eine knöcherne Bankart-Läsion diagnostiziert werden. Eine CT-Diagnostik kann zur Größenbestimmung des Fragments notwendig sein.
Bei einer Perthes-Läsion handelt es sich um einen rein periostalen Abriss des Kapsel-Labrum-Komplexes. Zur Steigerung der Diagnosesicherheit kann bei klinischem Verdacht die Lagerung in ABER-Position erfolgen. Reine Perthes-Läsionen können prinzipiell erfolgreich konservativ behandelt werden.
Die ALPSA-Läsion („anterior labral periosteal sleeve avulsion“) charakterisiert sich durch Abriss und Medialisierung des Kapsel-Labrum Komplexes. Das abgerissene Labrum liegt nicht mehr vor Ort und lässt sich oft in weiter kaudalen Schnitten medialisiert darstellen. Die ventrale Weichteilstabilisierung ist nicht mehr gewährleistet, weswegen diese Läsion oft mit Rezidivluxationen vergesellschaftet ist.
Eine GLAD-Läsion („glenolabral articular disruption“) zeichnet sich durch eine zusätzliche Verletzung des Knorpels ab. Hier liegt eine komplette Ablösung des Kapsel-Labrum-Komplexes mit Abscherverletzung meist am ventrokaudalen Glenoidknorpel vor. Meist ist eine zeitnahe operative Versorgung notwendig.
Im Rahmen der posttraumatischen Luxationsdiagnostik sollte zusätzlich zur Beurteilung der axialen Ebenen stets die Möglichkeit einer vorliegenden HAGL-Läsion („humeral avulsion of glenohumeral ligaments“) überprüft werden. Diese kann leicht übersehen werden, hat jedoch eine hohe therapeutische Relevanz. Es handelt sich hierbei um die Ablösung des medialen glenohumeralen Ligaments am Ansatz des Humeruskopfes, die in der parakoronaren Ebene gut zur Darstellung kommt (Abb. 22).

Knorpel und Knochen

Die Beurteilung der glenohumeralen Knorpelverhältnisse im MRT ist nur bedingt möglich. Die schmale Knorpelschicht sowie die sphärische, nicht in der Schnittebene verlaufende Gelenkkonfiguration erschweren die Diagnostik. Isolierte lokale Knorpelläsionen sind jedoch selten. Bei klinischem Verdacht eines traumatischen Knorpelschadens helfen Sekundärzeichen wie angrenzendes Knochenmarköden oder Gelenkerguss, die Wahrscheinlichkeit eines Defekts einzugrenzen. Bei begründetem Verdacht kann in letzter Konsequenz eine diagnostische Arthroskopie die beste Diagnosesicherheit bieten. Osteophytäre Anbauten, Gelenkerguss und Gelenkspaltverschmälerung sind ebenfalls im MRT sichtbare Zeichen eines degenerativen Knorpelschadens.
Veränderungen des Knochens, insbesondere des Knochenmarks, stellen eine weitere Indikation der MRT-Untersuchung dar. Bei Verdacht können so avaskuläre Nekrosen, benigne oder maligne Tumoren sowie posttraumatische Umbauprozesse im Knochen dargestellt werden. Die Tumordiagnostik sollte stets um eine Darstellung mit i. v. Kontrastmittel erweitert werden. Zu beachten ist die oftmals im Humerus vorkommende Rekonversion des Knochenmars, die von malignen Veränderungen abzugrenzen ist (Abb. 23).
Häufig zeigen sich nebenbefundlich paralabrale Zysten, die in der konventionellen Röntgendiagnostik nicht zur Darstellung kommen. Abhängig von Größe und Lokalisation handelt es sich meist um Zufallsbefunde ohne Krankheitswert. Große Zysten können jedoch bei ungünstiger Lokalisation zum Nervenentrapment und damit einhergehenden Schmerzen und Funktionsverlust führen.

Hinweis

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.
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