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Orthopädie und Unfallchirurgie
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Publiziert am: 30.01.2020

Morbus Friedrich

Verfasst von: Tobias Golditz
Der Morbus Friedrich beschreibt eine aseptische Knochennekrose des medialen Endes der Klavikula. Die sehr seltene Pathologie wird zu den Osteonekrosen gezählt. Frauen scheinen häufiger betroffen zu sein als Männer. Ätiopathologisch wird der Zusammenhang zu erhöhter mechanischer Belastung diskutiert, auch Störungen der Mikrozirkulation des sternalen Klavikulaendes sind eine mögliche Ursache. Klinisch imponieren belastungsabhängige Schmerzen im Bereich des sternoklavikulären Übergangs. Radiologisch zeigt sich eine Nekrose des medialen Endes der Klavikula ohne Befall des angrenzenden Sternums. Im fortgeschrittenen Stadium kann es zu einer „Verplumpung“ der Klavikula kommen. Therapeutisch steht die symptombezogene Therapie im Vordergrund. Mechanische Entlastung, analgetische Therapie und lokale Therapie sind Mittel der Wahl. Nur in fortgeschrittenen Stadien kann eine operative Therapie kritisch in Erwägung gezogen werden. Meist kommt es zu einem selbstlimitierenden Verlauf mit guter Prognose. Langwierige Heilungsverläufe sind beschrieben. Eine konsekutive Arthrose des Sternoklavikulargelenks ist möglich.

Einleitung

Definition

Der Morbus Friedrich beschreibt eine aseptische Knochennekrose des medialen Endes der Klavikula (Niethard et al. 2009). Erstbeschrieben durch den Chirurgen H. Friedrich 1924 in seinem Werk „Über ein noch nicht beschriebenes, der Perthesschen Erkrankung analoges Krankheitsbild des sternalen Clavikelendes“ (Friedrich 1924) zählt dieser Prozess zu den seltenen Vertretern der Osteonekrosen.

Entwicklung der Klavikula

Die Klavikula entwickelt sich in der Regel aus 2 Knochenkernen, die in der 5.–6. intrauterinen Woche angelegt werden. Im Verlauf des Wachstums kommt es zu einem kombinierten Wachstum aus epiphysärer enchondromaler Ossifikation und membranöser Ossifikation im Bereich der Meta- und Diaphyse des Schlüsselbeines (Ogden et al. 1979). Insbesondere in den ersten 5 Lebensjahren ist vor allem die diaphysäre Ossifikation besonders aktiv (Ogden et al. 1979).
Zum Zeitpunkt der Pubertät entsteht ein sekundärer Knochenkern im Bereich der medialen Klavikulaepiphyse, der zwischen dem 10.–15. Lebensjahr erscheint (Ogden et al. 1979). In den folgenden Jahren verschmilzt dieser zunehmend mit dem medialen Klavikulaschaft. Zu einer vollständigen Verschmelzung kommt es zwischen dem 20.–30. Lebensjahr (Ogden et al. 1979; Kreitner et al. 1998).
Die Versorgung der Klavikula wird durch 3 hauptversorgende Gefäße gewährleistet. Der lateral-dorsale Bereich wird durch die Arteria (A.) suprascapularis, die anterior-inferioren Anteile werden durch die A. thoracoacromialis versorgt. Das mediale Ende sowie das Sternoklavikulargelenk werden von Ästen der A. thoracica interna durchblutet.

Epidemiologie

Insgesamt handelt es sich beim Morbus Friedrich um eine sehr seltene Erkrankung des sternalen Endes der Klavikula (Levy et al. 1981; Lingg und Heinemeier 1981). Frauen scheinen häufiger betroffen zu sein als Männer (Grifka und Markus 2011). Die publizierten Fälle betreffen sowohl Kinder als auch erwachsene Patienten (Levy et al. 1981). Bis jetzt ist nur ein bilateraler Befall publiziert (Levy et al. 1981).

Ätiopathogenese

In seiner Originalpublikation stellte Friedrich bereits den Zusammenhang zwischen mechanischer Belastung und der Osteonekrose der Klavikula her (Friedrich 1924). Auch in jüngeren Werken wird ein Zusammenhang zu mechanischer Belastung beschrieben (Grifka und Markus 2011). Lingg veröffentlichte in den 1980er-Jahren eine Serie aus 6 Fallberichten und konnte hier keine Verbindung zu erhöhter mechanischer Belastung feststellen (Lingg und Heinemeier 1981). Denoch vermutet auch er lokale Faktoren, z. B. Verletzungsfolgen oder Dauerbelastungen, die eine Entstehung begünstigen. Ebenfalls führt er eine verminderte Blutversorgung mit Störungen der Mikrozirkulation, begünstigt durch die endständige apophysennahe Lokalisation am sternalen Ende des Schlüsselbeines, als eine mögliche Kausalität an (Lingg und Heinemeier 1981).
Histologisch zeigen sich in fortgeschrittenen Stadien nekrotische Knochenareale mit einem Untergang des spongiösen Trabekelwerks (Lingg und Heinemeier 1981) (Siehe Abb. 1). In den Randbereichen werden reaktive osteoblastische Aktivitäten beschrieben. Der unmittelbar angrenzende Knorpel des Sternoklavikulargelenks ist stark arthrotisch alteriert mit angrenzenden subchondralen Nekrosen. Insgesamt zeigt sich eine avaskuläre Nekrose (Carrera et al. 2008) (Siehe Abb. 1).

Klinik

Klinisch ist der Lokalbefund führend. Es imponieren Schmerzen des sternoklavikulären Übergangs mit lokaler Schwellung und Druckschmerz (Levy et al. 1981; Lingg und Heinemeier 1981; Grifka und Markus 2011). Mitunter treten die Schmerzen spontan, ohne entsprechenden Auslöser auf (Levy et al. 1981). Aber auch belastungsabhängige Symptomatik und in fortgeschrittenen Stadien auch Ruheschmerzen werden angeführt (Lingg und Heinemeier 1981).
Nach Lingg lassen sich 3 Stadien der Krankheitsentwicklung differenzieren (Lingg und Heinemeier 1981): Stadium I zeigt sich mit geringer Klinik und Schmerzarmut, aber bereits beginnender Knochennekrose. Im Stadium II kommt es zu vermehrten belastungsabhängigen Schmerzen, deutlichem Lokalbefund mit Schwellung und Druckschmerz. Es fehlt Nacht- oder Ruheschmerz. Im Rahmen des Stadiums III entwickelt sich eine Sekundärarthrose im Sternoklavikulargelenk mit zusätzlichen Ruheschmerzen.
Für eine Abgrenzung zu möglichen differenzialdiagnostischen Überlegungen fehlen systemische Entzündungszeichen und andere Hinweis auf Osteomyelitis, Hinweise auf eine rheumatologische Grunderkrankung oder Beweise für eine lokale Entzündung in der Punktion des Sternoklavikulargelenks zum Ausschluss einer Sternoklavikulargelenkarthritis. Darüber hinaus zeigt sich keine Fehlstellung oder Instabilität im Rahmen einer Sternoklavikulargelenkinstabilität oder -luxation.

Diagnostik

Bei der seltenen Natur dieses Prozesses ist es bei entsprechender Klinik entscheidend, den Morbus Friedrich als mögliche Differenzialdiagnose in Betracht zu ziehen. In der klinischen Untersuchung imponiert der oben genannte Befund. Röntgenologisch zeigen sich charakteristische Befunde. So sieht man eine Nekrose mit randständiger Sklerosierung des medialen Pols der Klavikula. Eine Mitbeteiligung des angrenzenden Sternumanteils zeigt sich nicht (Lingg und Heinemeier 1981). Nach Lingg befällt die Nekrose nur den kaudalen Anteil des Klavikulaendes, eine Mitreaktion des kranialen Anteils wird nicht beschrieben (Lingg und Heinemeier 1981). Im Jugend- und jungen Erwachsenalter steht nativröntgenologisch eher der resorptive Charakter im Vordergrund, beim älteren Menschen sind vor allem sklerotische Veränderungen führend (Grifka und Markus 2011).
In fortgeschrittenen Krankheitsstadien kommt es zu einer vermehrten Resorption der Nekrosen mit vermehrter osteoblastischer Aktivität. Dies führt zu einer zunehmenden „Verplumpung“ des medialen Endes des Schlüsselbeins, auch als Arthrosis deformans beschrieben (Lingg und Heinemeier 1981). Restitutio ad integrum nach Abklingen der Symptomatik wird ebenfalls beschrieben. (Levy et al. 1981)

Therapie

Konservative Therapie

Die Therapie des Morbus Friedrich ist in der Regel rein konservativ und symptombezogen (Grifka und Markus 2011). Bedarfsgerechte analgetische Therapie und lokale physikalische Maßnahmen sind mögliche Ansätze. Im akuten Stadium empfiehlt sich eine schmerzadaptierte Entlastung. Einzelne Autoren nennen die Möglichkeit eine Infiltration mit Kortikosteroiden und Lokalanästhetika (Hiramuro-Shoji et al. 2003).

Operative Therapie

Von früher beschriebenen operativen Ansätzen, unter anderem mit Resektionsarthroplastiken, wird heute Abstand genommen (Levy et al. 1981; Lingg und Heinemeier 1981; Anders et al. 2011). Bei persistierenden Schmerzen mit konsekutiver Einschränkungen der Beweglichkeit des Schultergürtels kann als Ultima Ratio eine operative Therapie in Betracht gezogen werden (Carrera et al. 2008).

Nachbehandlung und Prognose

Insgesamt weist die Erkrankung eine gute Prognose mit möglichem Restitutio ad integrum auf (Levy et al. 1981). Lingg beschrieb in fortgeschrittenen Stadien ein Endstadium in der Arthrosis deformans mit konsekutiver Arthrose des Sternoklavikulargelenks (Lingg und Heinemeier 1981).
Es werden langwierige Heilungsverläufe mit bis zu 1,5 Jahren genannt (Levy et al. 1981).
Literatur
Anders S, Lechler P, Grifka J, Schaumburger J (2011) Repair of local cartilage defects in the patellofemoral joint. Orthopade 40(10):885–888, 890–885CrossRef
Carrera EF, Carvalho RL, Netto NA, Nicolao FA, Pedro FJ (2008) Avascular necrosis of the sternal end of the clavicle: a case report. J Shoulder Elb Surg 17(4):e31–e33CrossRef
Friedrich (1924) Über ein noch nicht beschriebenes, der Perthesschen Erkrankung analoges Krankheitsbild des sternalen Clavikelendes. Dtsch Z Chri 187:385–398CrossRef
Grifka JK, Markus (2011) Orthopädie und Unfallchirurgie, Für Praxis, Klinik und Facharztprüfung. Springer, Berlin
Hiramuro-Shoji F, Wirth MA, Rockwood CA Jr (2003) Atraumatic conditions of the sternoclavicular joint. J Shoulder Elb Surg 12(1):79–88CrossRef
Kreitner KF, Schweden FJ, Riepert T, Nafe B, Thelen M (1998) Bone age determination based on the study of the medial extremity of the clavicle. Eur Radiol 8(7):1116–1122CrossRef
Levy M, Goldberg I, Fischel RE, Frisch E, Maor P (1981) Friedrich’s disease. Aseptic necrosis of the sternal end of the clavicle. J Bone Joint Surg Br 63b(4):539–541CrossRef
Lingg G, Heinemeier G (1981) Friedrich’s disease – aseptic necrosis of the sternal end of the clavicle (author’s transl). Rofo 134(1):74–77CrossRef
Niethard FU, Pfeil J, Biberthaler P (2009) Orthopädie und Unfallchirurgie. Thieme, Stuttgart [u.a.]CrossRef
Ogden JA, Conlogue GJ, Bronson ML (1979) Radiology of postnatal skeletal development. III. The clavicle. Skelet Radiol 4(4):196–203CrossRef