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Orthopädie und Unfallchirurgie
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Publiziert am: 23.03.2022

Olecranonfrakturen (proximale Ulnafraktur) beim Kind

Verfasst von: Dirk Sommerfeldt und Annelie-Martina Weinberg
Die intraartikuläre apophysäre Fraktur stellt eine Rarität dar. Die meisten Frakturen des Olekranons sind im Kindesalter metaphysäre Stauchungsfrakturen. Als Unfallursache wird für Frakturen, die die proximale Apophyse betreffen, sowohl ein direkter Mechanismus als auch ein indirekter im Sinne einer Apophysenläsion, entsprechend einer Abrissfraktur, vermutet. Für die metaphysären Verletzungen, die extraartikulär liegen, werden in der Literatur verschiedene Unfallmechanismen beschrieben, dabei kann während des Unfallgeschehens der Arm flektiert oder gestreckt sein. Eine direkte Gewalteinwirkung ist ebenfalls möglich. Oftmals findet sich die Olekranonfraktur in Kombination mit einer Läsion des Radius bei atypischen Monteggia-Läsionen. Seltener tritt sie bei Ellbogenluxationen auf.

Allgemeines, Ursache und Häufigkeit

Isolierte Olekranonfrakturen sind mit 0,4 % aller Extremitätenfrakturen selten (Fahey 1980; Henrikson 1966; Maylahn und Fahey 1958; Papavasilou et al. 1987).
Die intraartikuläre apophysäre Fraktur stellt eine Rarität dar. Die meisten Frakturen des Olekranons sind im Kindesalter metaphysäre Stauchungsfrakturen. Als Unfallursache wird für Frakturen, die die proximale Apophyse betreffen, sowohl ein direkter Mechanismus als auch ein indirekter im Sinne einer Apophysenläsion, entsprechend einer Abrissfraktur, vermutet. Für die metaphysären Verletzungen, die extraartikulär liegen, werden in der Literatur verschiedene Unfallmechanismen beschrieben, dabei kann während des Unfallgeschehens der Arm flektiert oder gestreckt sein (Takagi et al. 1999). Eine direkte Gewalteinwirkung ist ebenfalls möglich.
Oftmals findet sich die Olekranonfraktur in Kombination mit einer Läsion des Radius bei atypischen Monteggia-Läsionen. Seltener tritt sie bei Ellbogenluxationen auf.

Entwicklung und Wachstum

Ossifikationskerne, Zeitpunkt des Fugenschlusses

Die Kernsysteme am Olekranon tauchen zwischen dem 7.–10. Lebensjahr auf und verschließen sich zwischen dem 14.–18. Lebensjahr. Für die Diagnostik ist die Grenze der Ossifikation wichtig, die sich im Verlauf des Wachstums langsam nach proximal schiebt (Abb. 1).

Spontankorrekturen

Im Allgemeinen zeigen alle extraartikulär auftretenden Olekranonfrakturen eine gute Spontankorrektur. Dies gilt insbesondere für die Längsfrakturen. Aber auch intraartikuläre Frakturen, die im hinteren Drittel – also dem nichtgelenktragenden Anteil – liegen, weisen ein gutes Remodeling auf, das in die Primärtherapie durchaus integriert werden kann.
Die relevante Ebene ist die Sagittalebene, hier modelliert sich im Kleinkindalter bis 6 Jahre auch ein Step oder Gap von >2 mm im Röntgenbild noch zuverlässig und ohne Spätfolgen.

Wachstumsstörungen

Die proximale Ulnafuge entspricht funktionell einer Apophyse. Somit sind grundsätzlich keine Wachstumsstörungen mit gravierenden Folgen zu erwarten.
Dies darf nicht damit verwechselt werden, dass intraartikuläre Frakturen mit Stufenbildung grundsätzlich eine präarthrotische Deformität darstellen und dementsprechend initial anatomisch eingerichtet werden müssen.

Klassifikation

Die Frakturlinien verlaufen quer bei Abrissfrakturen bzw. schräg bei Kombinationsverletzungen mit Radiusköpfchenluxation oder proximalen Radiusfrakturen (Givon et al. 1997) wie auch in Längsrichtung bei isoliertem Vorliegen. Eine eigene Klassifikation hat sich nicht bewährt (Abb. 2).

Diagnostik

Klinik

Meist ist nach direktem Anpralltrauma bereits in der Notaufnahme ein Hämatom mit Druckschmerz über der Olekranonspitze nachweisbar. Gravierende Fehlstellungen finden sich nur bei Luxationsfrakturen. Die im Kleinkindalter häufige Längsfraktur als reine Stauchungs- oder Wulstfraktur ist klinisch oft blande und auch radiologisch nicht immer einfach zu diagnostizieren (Fujihara et al. 2017). Eine Begleitverletzung des N. ulnaris im Sinne einer Neuropraxie muss klinisch ausgeschlossen werden. Ebenso ist der Weichteilstatus zu überprüfen, offene Frakturen kommen aufgrund des Unfallmechanismus durchaus vor.
Primärer Notfall: Die dislozierte Olekranonfraktur ist als intraartikuläre Fraktur ein Notfall der zweiten Dringlichkeitsstufe (Versorgung nach Nüchternkarenzzeit, wenn logistisch möglich bzw. zwingend innerhalb 24 h).

Radiologie

Die Diagnose lässt sich anhand der anteroposterioren (a.p.) und der seitlichen Röntgenaufnahme verifizieren. Die Frakturdarstellung bei undislozierten Apophysenfrakturen ist bei kleinen Kindern schwierig, da die Olekranonkerne noch nicht sichtbar sind. Hier kommt die Ultraschalluntersuchung zur Anwendung.
Es ist darauf zu achten, dass immer auch eine Beurteilung des Gelenks erfolgt, da die Frakturen des Radiusköpfchens als Monteggia-äquivalente Verletzungen von Frakturen des Olekranons bzw. Luxationen begleitet sein können (Guitton et al. 2009).

Chirurgische und spezielle Anatomie

Das Olekranon ist sowohl Gelenkpartner des distalen Humerus (Humeroulnargelenk = Scharniergelenk) als auch des proximalen Radius (proximales Radioulnargelenk [PRUG] = Drehgelenk). Der Processus coronoideus ventral ist der wesentliche Stabilisator für den proximalen Humerus in der sagittalen Hauptbewegungsebene. Hier inserieren neben den Mm. supinator et brachialis auch das anteriore Bündel des ulnaren Seitenbandkomplexes (MCL) im Bereich des ulnar gelegenen Tuberculum subliminus, das den primären Stabilisator des Humeroulnargelenks gegen Valguskräfte darstellt (Dugas et al. 2007). Das Koronoid ist somit sowohl in der Sagittalebene als auch in der Frontalebene für die Stabilität des Ellbogens von entscheidender Bedeutung. Schließlich zieht vom Processus coronoideus noch die Chorda obliqua zum proximalen Radius, der zusammen mit der Membrana interossea eine wesentliche biomechanische Bedeutung für die longitudinale Stabilität des Unterarms zukommt (Wegmann et al. 2016).

Therapie

Therapieziel und Therapieempfehlung

Ziel ist die Rekonstruktion des Gelenks bzw. der Gelenkstellung im Falle einer dislozierten intraartikulären Fraktur. Nicht alle extra- bzw. intraartikulären Frakturen müssen durch eine Osteosynthese exakt anatomisch rekonstruiert werden, da sie ein gutes Remodeling aufweisen.

Konservative Therapie

Nichtdislozierte Frakturen zeigen gute Ergebnisse nach konservativer Therapie. Primär wird ein gespaltener Oberarmgips angelegt. Bei instabilen Frakturen oder undislozierten intraartikulären Gelenkfrakturen erfolgt nach 7–10 Tagen eine radiologische Kontrolle zum Ausschluss einer sekundären Dislokation. Anschließend wird der Oberarmgips geschlossen (Abb. 3 und 4).
Alle intraartikulären Frakturen, die im hinteren Drittel gelegen sind, sind nicht gelenktragend. Daher können in dieser Region Diastasen ohne Stufe konservativ behandelt werden, da das Remodeling gut ist. Ausnahme bilden Frakturen, die nach ventral verkippt sind, da diese den Radius der Gelenkfläche verkleinern und zu Streckdefiziten führen können.

Operative Therapie

Indikationen der operativen Therapie

Dislozierte intraartikuläre Quer- und Schrägfrakturen müssen offen reponiert werden.
Die Querfraktur wird entsprechend der Behandlung Erwachsener mit einer Zuggurtungsosteosynthese versorgt. Schrägfrakturen können durch Zugschrauben, Kirschner-Drähte (altersabhängig) oder mit einer intramedullären Schiene behandelt werden. Wenn es sich um Stückfrakturen handelt – insbesondere in der Adoleszenz –, können diese mit einer Plattenosteosynthese stabilisiert werden. Als Implantat eignen sich je nach Alter des Patienten sowohl Drittelrohr- als auch Rekonstruktionsplatte (Abb. 5 und 6). Auch moderne winkelstabile, anatomisch präformierte Platten können, wenn vorhanden, genutzt werden, stellen aber biomechanisch im Kindesalter bei guter Heilungstendenz eher eine Übertherapie dar, wenngleich das niedrigere Profil bei schwieriger Weichteilsituation im Einzelfall durchaus hilfreich sein kann.
Bei Kindern unter 6 Jahren kann durch eine alleinige Kirschner-Drahtosteosynthese und anschließende Gipsruhigstellung für 2–3 Wochen eine ausreichende Fixierung und adäquate Versorgung der Fraktur gewährleistet werden. Allerdings werden dann die Drähte parallel zur Längsachse des Knochens ohne Perforation der Gegenkortikalis eingebracht (Abb. 7).

Patienten- und Elternaufklärung

Drahtbruch, verbleibende Gelenkstufen, N.-ulnaris-Läsionen, allgemeine Risiken.

Operationsvorbereitung

Da es sich um keine Notfalloperation – außer bei offenen Frakturen oder Monteggia-ähnlichen Verletzungen mit Dislokation des Radiusköpfchens – handelt, kann die Nüchternheit des Patienten abgewartet werden. Auch eine Versorgung am darauf folgenden Tagesprogramm ist möglich.

Anästhesie und Lagerung

Die Operation kann in Bauch- oder auch in Rückenlage erfolgen. Im Kindesalter erfolgt eine Allgemeinanästhesie, in der Adoleszenz ist bei Rückenlagerung auch eine Plexusanästhesie möglich. Bei Bauchlagerung sollte der Arm über eine Rolle oder einen Handtisch so positioniert werden, dass der Bildwandler problemlos durchgeschwenkt werden kann. Eine Blutsperre ist empfehlenswert.

Zugang

In den meisten Fällen wird ein dorsaler Zuggang unter radialer Umschneidung des Olekranons gewählt. Begonnen wird 2,5 cm oberhalb der Olekranonspitze und je nach Frakturzone entlang der Ulnakante fortgefahren (Platte). Je nach Länge des Zugangs wird der M. anconaeus nach radial und der M. flexor carpi ulnaris ulnar abgelöst. Letzterer wird nach medial gehalten. Muss das Gelenk eingesehen werden, so muss kann die Gelenkkapsel dorsoradial oder -ulnar eröffnet und ggf. das Lig. anulare durchtrennt werden.

Operationstechnik

Operationsprinzip und -ziel: Rekonstruktion der Gelenkfläche.
Olekranonzuggurtung (Abb. 8)
Zunächst wird vorsichtig unter Schonung des N. ulnaris die Fraktur dargestellt. Meist ist Periost in die Fraktur eingeschlagen. Dieses wird aus dem Gelenkspalt entfernt.
Mit dem scharfen Löffel werden Blutkoagel oder kleinste Fragmentanteile aus dem Frakturspalt entfernt. Nachfolgend wird die Reposition durchgeführt und mit kleinen Repositionszangen gehalten. Die Reposition erfolgt in Streckstellung und supiniertem Arm. Bei Adoleszenten kann ggf. ein Bohrkanal in die proximale Ulna notwendig werden, um die Branche der Repositionszange einzuhaken. Hierfür kann das bereits vorgebohrte Loch zum Einbringen des Drahtes verwendet werden. Die Zuggurtung erfolgt mittels Bohrdrähten zwischen 1,5–2,0 mm Stärke. Die Drähte sollten von der dorsalen Olekranonspitze möglichst nahe an der Gelenkfläche der Ulna entlang bis zur Gegenkortikalis geführt und dieselbe ventral gerade durchbohren. Der zweite Draht wird parallel zum ersten eingebracht. Der Zuggurtungsdraht wird ebenfalls entsprechend dem Alter des Kindes angepasst. Distal erfolgt Anlage eines queren Bohrlochs. Der Draht wird dann in einer Achtertour gelegt, wobei der Draht am Knochen anliegen sollte, bevor dieser verzwirbelt wird. Um den interfragmentären Druck zu erhöhen, kann auf der Gegenseite mit einem Einzinkerhaken ein zweiter Zwirbel gelegt werden; Anziehen beider Zwirbel. Die Drahtenden werden um 180° umgebogen und möglichst flach an den Knochen unter der Trizepssehne angelegt; Kürzen der Zwirbel und Umbiegen derselben zum Knochen hin. Anschließend erfolgen die Bildwandlerkontrolle (Abb. 9) und der schichtweise Wundverschluss.
Im Kleinkindalter sind gute Ergebnisse mit reinen PDS-Zuggurtungen beschrieben. Bei Patienten mit über 50 kg Körpergewicht weisen diese Konstrukte allerdings eine höhere Komplikationsrate auf und sollten daher nicht zur Anwendung kommen (Perkins et al. 2014).
Schraubenosteosynthese
Die Schraubenosteosynthese (Abb. 10), heute vorzugsweise mit kanülierten Halbgewindeschrauben durchgeführt, ist bei queren kurzen Fragmenten eine gute Alternative gegenüber der Platte, da es sich nur selten um Trümmerfrakturen handelt. Dagegen hat sich die Schraubenosteosynthese bei Abrissfrakturen in Längsachse der Ulna nur bei kleinen Kindern bewährt. Besonders bei Adoleszenten mit bereits geschlossenen Apophysen kommt es häufig zu Ausrissen. Die schlechtere biomechanische Stabilität wurde auch in Experimenten verifiziert (Fyfe et al. 1985). Im Vergleich von Zuggurtungsosteosynthese vs. kanülierter Schraubenosteosynthese zeigten beide Verfahren bei einem kleinen restrospektiv analysierten Patientenkollektiv keine Unterschiede bezüglich Komplikationsrate oder funktionellem Endergebnis (Corradin et al. 2016).
Plattenosteosynthese
Nach der Reposition der Fraktur wird eine Niedrigprofilplatte vom Kleinfragmentsieb oder eine der anatomisch präformierten Platten 2,7/3,5 für die proximale Ulna angebracht. Winkelstabilität ist in der Regel in dieser Altersgruppe nicht vonnöten. Die proximalen Schrauben können fächerförmig in Richtung Olekranonspitze und Processus coronoideus eingebracht werden, wo sie subkortikal besseren Halt finden. Distal müssen mindestens 4, besser 6 Cortices mit Schrauben sicher im Ulnaschaftbereich gefasst werden. Bei Frakturen der Olekranonspitze sollte ggf. die Platte umgebogen und die erste Schraube schräg in Richtung Gegenkortikalis im Sinne einer Hakenplatte eingebracht werden. Bei modernen anatomischen Plattensystemen ist auch diese Version bereits vorhanden.

Fehler, Gefahren, Komplikationen

Olekranonfrakturen haben bei adäquater Therapie perioperativ sehr selten Komplikationen. Entsprechend jeder Frakturversorgung kann jede Osteosynthese mit einem Infekt oder einer Pseudarthrose einhergehen. Weiterhin können Drahtbrüche nach Zuggurtungsosteosynthesen auftreten.
Bei Einbringen des radialen Drahts ist darauf achten, dass dieser ventral durch die Kortikalis zieht und nicht radialseitig perforiert oder gar übersteht. Dies hat Bewegungseinschränkungen zur Folge.
Ein Drahtbruch während der Behandlung erfordert eine sekundäre Revision. Um Sollbruchstellen zu verhindern, sollte daher der Draht so wenig wie möglich außerhalb der Zwirbel mit der Zange gefasst werden.
Bei Jugendlichen über 14 Jahren mit geschlossenen Fugen ist die Drittelrohrplatte zu schwach, es empfiehlt sich eine 3,5-mm-DCP- oder -LCDC-Platte.
Läsionen des N. ulnaris sind möglich.

Nachbehandlung

Konservativ

Eine Ruhigstellung im Oberarmgips, der primär die ersten 7 Tage gespalten war und anschließend geschlossen wurde, sollte nicht länger als 3 Wochen andauern. Anschließend kann die Bewegung freigegeben werden.
Radiologische Kontrollen: Undislozierte stabile Frakturen (metaphysäre Stauchungsfrakturen) werden nur klinisch kontrolliert. Dislozierte, konservativ behandelte Frakturen werden nach 5–8 Tagen geröntgt, um eine erneute sekundäre Dislokation auszuschließen. Diese Frakturen werden ebenfalls bei Durchbauung und Gipsabnahme nach 3–4 Wochen radiologisch kontrolliert.

Operativ

Bei stabil versorgten Frakturen kann auf eine zusätzliche Gipsruhigstellung über die Wundheilung hinaus verzichtet und nach Abklingen des Wundschmerzes mit spontanen Bewegungsübungen begonnen werden. Bei gleichbleibender Funktionseinschränkung ist eine physiotherapeutische Nachbehandlung hilfreich.
Die Metallentfernung der Zuggurtung erfolgt altersabhängig nach 4–9 Monaten. Es empfiehlt sich, Platten und/oder Schrauben bis zum sechsten Monat nach erfolgter Osteosynthese zu entfernen.
Entsprechend der Ausheilung der Fraktur kann die sportliche Aktivität wieder aufgenommen werden.
Radiologische Kontrollen: Alle operativ versorgten Frakturen werden intraoperativ bzw. innerhalb der ersten Woche geröntgt; anschließend bei Durchbauung nach 3–4 Wochen.

Nachkontrollen

Nachkontrollen sind klinisch in Abständen von 3–4 Wochen bis zur freien Funktion durchzuführen. Sollte es keinen Fortschritt geben oder der Verdacht auf eine knöcherne Brückenbildung bestehen, sollte man eine radiologische Kontrolle durchführen. Bei freier Beweglichkeit kann anschließend die Behandlung abgeschlossen werden. Wachstumskontrollen sind nicht notwendig, da es sich um einen apophysären Frakturmechanismus handelt.

Spätkomplikationen

Da Wachstumsstörungen nicht zu erwarten sind, sind posttraumatische Deformitäten unwahrscheinlich. Funktionelle, durch Kapselschrumpfungen bedingte Deformitäten oder ossäre Randanbauten sind bei der operativen Versorgung möglich. Diese können mit der Implantatentfernung angegangen werden.

Processus-coronoideus-ulnae-Frakturen

Allgemeines

Eine Besonderheit am proximalen Ulnaende stellt die seltene Abscherfraktur des Processus coronoideus ulnae dar. Sie macht nur etwa 1 % der Ellbogenfrakturen aus (Regan und Morrey 1992). Am häufigsten wird diese Fraktur als Begleitverletzung nach Ellbogenluxationen beobachtet und ist selten undisloziert.
Der Processus entwickelt sich als Ausbuchtung der Metaphyse ohne eigenen Ossifikationskern. Bis zum Alter von 5 Jahren ist er Bestandteil der knorpeligen Olekranonapophyse.
Die Einteilung erfolgt nach der Klassifikation nach Regan und Morrey in 3 Typen (Regan und Morrey 1992; Abb. 11):
  • Typ I: Ausrissfraktur der Spitze
  • Typ II: weniger als 50 % des Processus frakturiert
  • Typ III: mehr als 50 % des Processus frakturiert
Der Abriss des Processus coronoideus kann ein wesentlicher Faktor bei der Versorgung der sog. „terrible triad injury“ des Ellengelenks sein, die aus der Radiuskopffraktur im Erwachsenenalter bzw. der Radiushalsfraktur im Kindesalter, der Koronoidfraktur und der Ellbogenluxation mit Abriss des LUCL („lateral ulnar collateral ligament“) oder MCL („medial collateral ligament“) besteht. Alternativ kann vor allem im Kindesalter auch das Olekranon frakturiert sein (Dalliana et al. 2013).

Therapie

Undislozierte Frakturen

Undislozierte Frakturen werden im Oberarmgipsverband für 2–3 Wochen in Rechtwinkelstellung ruhig gestellt.
Da der Processus coronoideus im Vorschulalter noch knorpelig angelegt ist, können Verletzungen in diesem Bereich radiologisch übersehen werden. Es ist daher nach jeder Reposition einer Ellbogenluxation die Stabilität im Sinne einer Schublade des Unterarms nach dorsal zu prüfen.
Bei klinischem Verdacht auf einen Abriss des Kronenfortsatzes empfiehlt sich zur Vermeidung von Spätkomplikationen eine MRT-Untersuchung.

Dislozierte Frakturen

Die dislozierte Fraktur im Kleinkindalter ist eine Rarität und das Fragment oft sehr klein, sie kann daher oft konservativ therapiert werden.
Bei einem ausreichend großen Fragment und in der Adoleszenz dagegen sollte die Fraktur offen exakt reponiert und mit Kirschner-Drähten oder kanülierten Schrauben mit kurzem Gewinde fixiert werden. Liegen zusätzlich zur Koronoidfraktur noch Bandverletzungen oder Frakturen des Radiusköpfchens vor, kann selbst bei kleinen Koronoidfragmenten (Typ I) die operative Refixierung nötig sein, wenn Instabilität besteht (Inden et al. 2014). In der Einteilung nach O’Driscoll wird daher auch die anteromediale Facette des Koronoids berücksichtigt, an der das biomechanisch wichtige AML („anterior mallear anteromedial ligament“) des MCL ansetzt (O’Driscoll et al. 2003).

Zugang

Der Zugang ist meist von den Begleitverletzungen abhängig (dorsoradial bei Radiusköpfchenfrakturen). Die Reposition muss indirekt über einen Einzinker bewerkstelligt werden. Die Einbringung der Schraube erfolgt dann von dorsal. Den besten Überblick gibt der ventrale Zugang, der die direkte Kontrolle und die einfache Refixierung des Fragments von ventral erlaubt. Allerdings ist der Zugang technisch anspruchsvoller (Abb. 121314 und 15). Wird eine exakte Reposition unterlassen, können Blockierungen im Ellbogengelenk oder Instabilitäten auftreten.

Nachbehandlung

Die Nachbehandlung erfolgt wie bei Olekranonfrakturen. Konservativ versorgte Frakturen werden hinsichtlich möglicher sekundärer Dislokationen nach 7–10 Tagen kontrolliert. Die Gipsdauer bei undislozierten Frakturen beträgt durchschnittlich 3 Wochen. Eine radiologische Kontrolle bei Abschluss der Primärbehandlung ist empfehlenswert. Klinisch sind die Frakturen bis zur freien Funktion zu verfolgen.
Literatur
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