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Orthopädie und Unfallchirurgie
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Publiziert am: 17.03.2022

Osteochondrosen und Osteonekrosen: Allgemeines

Verfasst von: Thilo Hotfiel und Kolja Gelse
Osteochondrosen und Osteonekrosen stellen eine heterogene Gruppe von Erkrankungen des Knochens dar, die zu einem Integritätsverlust der physiologischen Knochen- und/oder Knorpelstruktur führen können und mit typischen stadienadaptierten Umbauprozessen verbunden sind. Bei den Begriffen der Osteochondrose und Osteonekrose handelt es sich nicht um eine einzelne Krankheitsentität, sondern hinsichtlich der Lokalisation, der Pathogenese, des Manifestationsalters und der Prognose um eine heterogene Gruppe von Erkrankungen. Osteonekrosen können grundsätzlich das heranwachsende und das adulte Skelett betreffen. In Anbetracht der Lokalisation sind vorwiegend epiphysäre, seltener auch meta- und diaphysäre Knochenabschnitte betroffen. Beim heranwachsenden Skelett treten Osteochondrosen als epiphysäre und apophysäre Ossifikationsstörungen der Ossifikationszentren auf. Es werden primäre und sekundäre Osteonekrosen, epiphysäre und apophysäre Osteochondrosen im Wachstumsalter sowie die Osteochondrosis dissecans als Sonderform einer Osteochondrose, die fast ausnahmslos die subchondrale Knochenstruktur konvexer Gelenke betrifft und bis zum Herauslösen eines osteochondralen Dissekats führen kann, unterschieden.

Einleitung

Osteochondrosen und Osteonekrosen stellen eine heterogene Gruppe von Erkrankungen des Knochens dar, die zu einem Integritätsverlust der physiologischen Knochen- und/oder Knorpelstruktur führen können und mit entsprechenden fragmentären Umbauprozessen verbunden sind. Bei den Begriffen der Osteochondrose und Osteonekrose handelt es sich nicht um eine einzelne Krankheitsentität, sondern hinsichtlich der Lokalisation, der Pathogenese, des Manifestationsalters und der Prognose um eine heterogene Gruppe von Erkrankungen.
Osteonekrosen können grundsätzlich das heranwachsende und das adulte Skelett betreffen. In Anbetracht der Lokalisation sind vorwiegend epiphysäre, seltener auch meta- und diaphysäre Knochenabschnitte betroffen. Beim heranwachsenden Skelett treten Osteochondrosen als epiphysäre und apophysäre Ossifikationsstörungen der Ossifikationszentren auf. Sowohl für die Osteochondrosen als auch für die Osteonekrosen liegen in der Literatur keine lokalisationsübergreifenden Klassifikationen vor, weiterhin sind terminologische Aspekte nicht einheitlich definiert. Folgende Begrifflichkeiten sollten grundsätzlich differenziert werden:
1.
Primäre und sekundäre Osteonekrosen: Absterben von vitalem Knochengewebe aufgrund ossärer Perfusionsstörungen bis zur konsekutiven subchondralen Fraktur und Integritätsverlust („Kollaps“) angrenzender Knorpel- und Gelenkstrukturen.
 
2.
Epiphysäre und apophysäre Osteochondrosen im Wachstumsalter: Störungen der enchondralen Ossifikation von Epiphysen, Apophysen sowie Epiphysen- und Apophysenfugen im Sinne von Ossifikationsstörungen ohne Nachweis einer Nekrose im eigentlichen Sinne.
 
3.
Osteochondrosis dissecans: Sonderform einer Osteochondrose, die fast ausnahmslos die subchondrale Knochenstruktur konvexer Gelenke betrifft und bis zum Herauslösen eines osteochondralen Dissekats führen kann.
 

Osteonekrosen

Osteonekrosen (aseptische Knochennekrose, avaskuläre Nekrose, ischämische Knochennekrose) beschreiben den Sterbeprozess und Untergang von vitalem Knochengewebe. In Abhängigkeit der Lokalisation und des räumlichen Ausmaßes können sämtliche Anteile eines Knochens, dabei inbegriffen der spongiöse Knochen, der kompakte Knochen und das Knochenmark, betroffen sein, wobei die Nekrose vom letztgenannten Knochenmark (Fettmarksnekrose) am ehesten einem Knocheninfarkt entspricht (Freyschmidt 2016; Bohndorf et al. 2014) (siehe Abb. 1).
Grundsätzlich können epi- und metaphysäre Anteile, seltener auch diaphysäre Strukturen oder gesamte Knochen (z. B. Lunatumnekrose) betroffen sein, wobei sich altersabhängige und geschlechtsspezifische epidemiologische Häufungen gewisser Lokalisationen und Ausprägungsformen zeigen (Tab. 1).
Tab. 1
Ausgewählte Übersicht lokalisationsspezifischer Osteonekrosen
Klavikula, mediales Ende
Humeruskopf
Os lunatum (Mondbein)
Mittelhandknochen, Köpfchen
Idiopathische Hüftkopfnekrose des Erwachsenen
Hüftkopf
Medialer Femurkondylus
Os naviculare (Kahnbein)
Morbus Renander
Sesambein, Großzehe
Die Ursachen von Osteonekrosen stellen sich äußerst heterogen dar und sind bis heute nicht endgültig geklärt (Assouline-Dayan et al. 2002; Renkawitz et al. 2011). Verschiedenste systemische und lokale Faktoren können an der Entstehung einer Osteonekrose beteiligt sein (Tab. 2). Jegliche auslösenden Faktoren führen letztlich zu einer pathogenetisch entscheidenden (transienten) intraossären Perfusionsstörung der Makro- oder Mikrozirkulation (Freyschmidt 2016; Pape 2016). Grundsätzlich findet eine Nekrose auf zellulärer Ebene statt und kann subklinisch auch als ultrastrukturelle Begleitpathologie, z. B. bei fortgeschrittener Osteoarthose und/oder -arthritis, oder Stress- und Insuffizienzfrakturen auftreten.
Tab. 2
Übersicht sekundärer Osteonekrosen
Posttraumatische Osteonekrose
Unterbrechung der Perfusion, durch Gefäßverletzungen oder Okklusion bei Frakturen, Gelenkluxationen/-repositionen, subchondraler Fraktur, intramedullärer Drucksteigerung, Mikrotraumata (Vibration)
Steroidinduzierte Osteonekrose
Oftmals multilokulärer Befall, Pathogenese nicht endgültig geklärt (Multi-Hit-Hypothese: Fettembolien durch Hepatopathien, steroidinduzierte Knochenschädigung, Mikrofrakturen)
Vaskulitische Osteonekrose
Zum Beispiel im Rahmen rheumatischer Grunderkrankungen (Kollagenosen, systemischer Lupus erythematodes, rheumatoide Arthritis)
Pankreatitische Osteonekrose
Einschwemmung von lipolytischen Enzymen bei akuter oder chronischer Pankreatitis
Neurovaskuläre Osteonekrose
Im Rahmen einer Osteoarthropathie bei Diabetes mellitus, Lues
Osteonekrose bei nichtdiabetischen Stoffwechselstörungen
Zum Beispiel Hyperlipidämie, Hyperurikämie, Chondrokalzinose, Morbus Gaucher, Amyloiderkrankungen, myeloproliferative Erkrankungen
Osteonekrose bei Hämoglobinopathien und Gerinnungsstörungen
 
Septische, infektiöse Osteonekrose (septische Osteonekrose)
Im Rahmen einer Osteomyelitis
Tumoröse Osteonekrose
Perfusionsstörungen durch tumoröse Markrauminfiltration, rasche Progredienz zu Spontanfrakturen
Strahleninduzierte Osteonekrose/Dystrophie
Dosisabhängiger Zelltod von Osteoblasten
Osteonekrose durch Noxen, toxische Einflüsse
Chemotherapie, Alkohol
Osteonekrose bei Infektionserkrankungen
Zum Beispiel HIV- und AIDS-assoziierte Nekrosen
Eine zugrunde liegende ossäre Perfusionsstörung kann dabei durch verschiedenste Prozesse ausgelöst werden. Diese beinhalten primär thrombotische oder embolische Gefäßverschlüsse, primär entzündliche, degenerative oder traumatische Gefäßprozesse, neuropathische Regulationsstörungen oder physikalische Einwirkungen wie Hitze, Kälte oder ionisierende Strahlung (Freyschmidt 2016; Fischer und Bohndorf 2007). Bei bestimmten Erkrankungen bzw. unter bestimmten pathologischen Bedingungen kann es durch Volumenexpansion von Fettzellen und anderer Zellen im Knochenmark („bone marrow crowding“) zu einer Erhöhung des intraossären Drucks kommen, wodurch eine konsekutive Perfusionsstörung und Knochenischämie resultieren (Gelse und Hotfiel 2019). Dieser Mechanismus scheint insbesondere für die gehäufte Inzidenz der sekundären Osteonekrose bei chronischem Alkoholabusus und Kortikosteroidtherapie eine wichtige Rolle zu spielen (siehe Abb. 2).
Auch myeloproliferative Erkrankungen und Glykogenspeicherkrankheiten (Morbus Gaucher) können auf diese Weise zur sekundären Osteonekrose führen. Als weiterer möglicher Pathomechanismus führt eine „vaskuläre Okklusion“ zur Ausbildung der Nekrosen. Als häufigster Risikofaktor gilt Nikotin (Gelse und Hotfiel 2019). Gefäßverschlüsse werden weiterhin bei Sichelzellenanämie, Thrombophilie und systemischem Lupus erythematodes oder im Rahmen der Dekompressionskrankheit (Caisson-Krankheit) durch Gasembolien gehäuft beobachtet (Tab. 2). Sofern keine sekundären Ursachen einer Osteonekrose zugrunde liegen oder ermittelt werden können, spricht man von einer primären (spontanen, idiopathischen) Osteonekrose (Bohndorf et al. 2014; Renkawitz et al. 2011). Subchondrale Frakturen, die gehäuft im Rahmen von fortgeschrittenen Osteoarthrosen, Arthritiden oder Osteoporosen beobachtet werden können, werden ebenso als Ursachen einer Osteonekrose diskutiert (Yamamoto und Bullough 2000; Narvaez et al. 2003).
In der Folge von Perfusionsstörungen mit konsekutiv unterbrochener Zufuhr von oxygeniertem Blut und Gewebsischämie treten lokale Knochenmarkreaktionen mit Gewebsödemen und Resorptionszonen auf, die die Perfusionsverhältnisse des Knochens (Drucksteigerungen des Markraums), aber auch die mechanische Belastbarkeit weiter reduzieren (Freyschmidt 2016). Reparative Umbauprozesse beginnen in der Zone zwischen dem gesunden und dem avitalen Knochen, in dem der gesunde Knochen neuen Knochen in dieser Überganszone anlagert. Radiologisch zeigt sich der typische Randsaum, der einen komplexen pathophysiologischen Prozess aus Fibrose, Ausbildung von primitiven Geflechtknochen, Inflammation, Hyperämie und Resorption beinhaltet (Freyschmidt 2016). Der Krankheitsverlauf kann je nach Entität, Lokalisation und Patientenalter über wenige Wochen bis hin zu mehreren Jahren andauern. Der stadienhafte Krankheitsverlauf ist schwer zu prognostizieren und führt häufig zur vollständigen, unaufhaltsamen Destruktion und dem Funktionsverlust eines angrenzenden Bewegungssegments. Im Idealfall resultiert jedoch eine physiologische Wiederherstellung der Knochenstruktur.

Klinik und Diagnostik

Nach sorgfältig durchgeführter Anamnese umfasst die Diagnostik der aseptischen Knochennekrose die körperliche Untersuchung der betroffenen Extremität mit den üblichen Funktionstests im Vergleich zur Gegenseite sowie eine zielgerichtete bildgebende Diagnostik. Während die klinischen Befunde eher unspezifisch sind, weisen die bildgebenden Verfahren pathognomonische stadienabhängige Befunde auf.
Das klinische Bild einer Osteonekrose kann sich je nach Stadium der Erkrankung sehr vielseitig darstellen. Bei lasttragenden Gelenken wird in der Anamnese oftmals schon im Frühstadium ein schleichend einsetzender oder auch akut auftretender progredienter Belastungsschmerz berichtet. In einigen Fällen bestehen bereits bei Erstkonsultation Ruheschmerzen mit konsekutivem Funktionsverlust angrenzender Gelenkstrukturen. In anderen Gelenken können Osteonekrosen dagegen sehr lange klinisch okkult bleiben (Lunatumnekrose). Die Eruierung potenzieller sekundärer Risikofaktoren (Tab. 2) ist obligat. Nach klinischer Untersuchung erfolgt die Indikation zur zielgerichteten bildgebenden Diagnostik. Diese erlaubt je nach Modalität sowohl eine Diagnosesicherung als auch die wichtige Differenzialdiagnostik.
Als primäres bildgebendes Verfahren sollten konventionelle projektionsradiografische Aufnahmen in 2 Ebenen angefertigt werden. Im Röntgenbild lassen sich je nach Stadium der Erkrankung Fragmentationen, sekundäre Umbauprozesse (Aufhellungen im Sinne von Resorptionszonen) oder randwallartige Verschattungen als sklerotische Umbauprozesse erkennen (Freyschmidt 2016; Bohndorf et al. 2014; Fischer und Bohndorf 2007). Im fortgeschrittenen Stadium lässt sich das Ausmaß einer konsekutiven Destruktion von Nachbarstrukturen mit Einbruch angrenzender Gelenkflächen abschätzen. Im Frühstadium bleiben Osteonekrosen im Röntgenbild allerdings oftmals okkult. Demnach sollte bei initial unauffälligem Röntgenbild und bestehendem klinischen Verdacht auf eine Osteonekrose eine weiterführende Diagnostik mittels Magnetresonanztomografie (MRT) durchgeführt werden.
Die MRT besitzt eine hohe Sensitivität und Spezifität und erlaubt eine frühe Diagnosestellung (Bohndorf et al. 2014; Murphey et al. 2014; Sultan et al. 2017). Neben der Diagnosesicherung erlaubt die MRT eine Beurteilung des räumlichen Ausmaßes, der Vitalität sowie eine Beurteilung angrenzender Knorpelstrukturen. Idealerweise sollten flüssigkeitssensitive Sequenzen, wie protonengewichtete oder T2-gewichtete Sequenzen, mit Fettunterdrückung (z. B. STIR [„short tau inversion recovery“], TIRM [„turbo inversion recovery magnitude“]) und T1-gewichtete Sequenzen in mehreren Ebenen angefertigt werden. In der Frühphase einer Osteonekrose zeigt sich eine gesteigerte Signalintensität in T2-gewichteten Sequenzen mit Fettunterdrückung, jedoch ohne korrespondierenden Signalabfall in T1-gewichteten Sequenzen. In diesem Stadium I ist die Differenzierung zwischen einer potenziell reversiblen Knochenmarkreaktion (wie z. B. bei der transienten Osteoporose, einem Knochenmarködemsyndrom oder Stress-/Insuffizienzfraktur) und der irreversiblen Nekrose noch nicht sicher möglich. Erst im fortschreitenden Stadium ist als frühestes Zeichen der irreversiblen Nekrose in der T2-Wichtung eine demarkierende signalarme Linie zwischen vitalen und nekrotischen Knochen („double line sign“) erkennbar (Freyschmidt 2016; Bohndorf et al. 2014; Murphey et al. 2014; Pape 2016). Ebenso zeigt sich in den T1-gewichteten Sequenzen ein Signalabfall als Zeichen geänderter Knochenstoffwechselprozesse. Später manifestieren sich auch röntgenologisch mit dem „flattening“ und „crescent sign“ sichere Zeichen einer Irreversibilität der Läsion (Bohndorf et al. 2014; Karim et al. 2015).
Neben der MRT bietet auch die Knochenszintigrafie die Möglichkeit, Osteonekrosen bereits im Frühstadium zu detektieren (Fredericson et al. 1995; Wolff 2001). Je nach Stadium können sich Mehranreicherungen im Sinne von reaktiven Umbauprozessen („hot spots“) oder Minderanreicherungen („cold spots“) bei avitalen Arealen ergeben (Freyschmidt 2016; Murphey et al. 2014; Fredericson et al. 1995; Wolff 2001). Allerdings weist die ebenfalls sehr sensitive Knochenszintigrafie eine eingeschränkte Spezifität auf.

Klassifikation

Eine entitäts-, lokalisations-, und kausalitätsübergeifende Klassifikation der multiplen und heterogenen Osteonekrosen liegt bislang nicht vor. Aus epidemiologischer Sicht lassen sich lokalisationsspezifische Häufungen erkennen. Je nach Lokalisation werden die Erkrankungen häufig nach dem Erstbeschreiber benannt. Aufgrund lokalisationsspezifischer Besonderheiten finden sich der Lokalisation entsprechende spezifische Klassifikationen, die in den entitätsspezifischen Kapiteln besprochen werden.

Therapie

Die therapeutische Vorgehensweise erfolgt nach sorgfältiger Diagnostik, Klassifikation sowie Beratung und Aufklärung des Patienten. Die zur Verfügung stehenden Therapieverfahren richten sich nach dem Stadium der Erkrankung, dem Patientenalter sowie der Lokalisation. Die Therapieverfahren weisen ein breites Spektrum auf und reichen von symptomatischer, temporärer Entlastung bis hin zum endoprothetischen Gelenkersatz. Obligat sollten Risikofaktoren erfasst und individuell adressiert werden. Die einzelnen Therapieverfahren werden detailliert in den entitätsspezifischen Kapiteln abgehandelt.

Epiphysäre und apophysäre Osteochondrosen im Wachstumsalter

Die Ätiologie dieser als Ossifikationsstörungen bezeichneten Erkrankungen ist bis heute nicht endgültig geklärt. Diskutiert werden verschiedenste Risikofaktoren verbunden mit einer Perfusionsstörung und einer mechanischen Überlastung auf dem Boden von repetitiven Mikrotraumen, biomechanischer Fehlbelastung oder muskulären Dysbalancen (Peck 1995; Arnold et al. 2017; Atanda Jr et al. 2011; Gillespie 2010; Longo et al. 2016). Grundsätzlich wird das Auftreten von Osteochondrosen gehäuft zum Zeitpunkt eines raschen Knochenwachstums beobachtet. Das Längenwachstum der Röhrenknochen bedingt eine vermehrte mechanische Traktionsbelastung der Apophysenstruktur (Longo et al. 2016). Weiterhin werden mit dem Knochenwachstum einhergehende physiologische Veränderungen der Ossifikationszentren im Sinne einer temporären Fragilität sowie ein veränderter Mineralisationszustand angrenzender Knochenstrukturen diskutiert (Longo et al. 2016). Hormonelle Ursachen werden angenommen, konnten jedoch bis heute nicht hinreichend dargelegt werden (Atanda Jr et al. 2011). Mögliche genetische Zusammenhänge ergeben sich durch eine zu beobachtende, erhöhte Prävalenz bei Familienmitgliedern oder Zwillingen (Bohndorf und Michl 2014). Im Gegensatz zu den Osteonekrosen gehen diese Veränderungen nicht mit histologisch nachweisbaren Nekrosen einher (Bohndorf und Michl 2014). Osteochondrosen können an apophysären (nichtartikulären) und epiphysären (artikulären) Wachstumszentren sowie an angrenzenden Wachstumsfugen auftreten und zeigen dabei lokalisationsspezifische Häufungen (Tab. 3) (Bohndorf und Michl 2014; Launay 2015).
Tab. 3
Tabellarische Einteilung und Übersicht ausgewählter Osteochondrosen
Osteochondrosen und Ossifikationsstörungen der Wachstumsfuge
Wirbelkörper, hyaline Deck- und Bodenplatten
Ischiopubische Synchondrose
Morbus Blount
Tibia, proximale Epi- und Metaphyse
Epiphysäre Osteochondrosen und Ossifikationsstörungen
Konvexe Gelenke, z. B. med. Femurkondylus, Talus, Capitulum humeri (Morbus Panner)
Morbus Panner
Distaler Humerus, radialer Condylus/Capitulum humeri
Morbus Legg-Calve-Perthes
Femurkopf
Os naviculare (Kahnbein)
Morbus Köhler-Freiberg (Morbus Köhler II)
Mittelfußknochen, Köpfchen II (III–V)
Mittelgliedbasis, Finger oder Großzehe
Apophysäre (nichtartikuläre) Osteochondrosen
Morbus Sinding-Larsen-Johansson
Apex patellae (unterer Patellapol)
Morbus Osgood-Schlatter
Tuberositas tibiae (Tibiakopf)
Tuber calcanei (Fersenbein)
Mittelfußbasis V
Derzeit sind einige Dutzend Entitäten beschrieben worden (Longo et al. 2016). Je nach Lokalisation und einhergehender biomechanischer Belastung sind epidemiologisch spezifische Altersgipfel und Risikofaktoren bekannt (Atanda Jr et al. 2011). Apophysäre Osteochondrosen werden als Störungen der Ossifikation der Apophyse verstanden. Bedingt durch ihre Ätiologie treten sie gewöhnlicherweise erst nach Beginn der lokalisationsspezifischen enchondralen Ossifikation auf (Bohndorf und Michl 2014). Eine mechanische Belastung nimmt aufgrund ihrer Sehneninsertion eine bedeutsame Rolle ein, weshalb apophysäre Osteochondrosen gelegentlich auch als Traktionsapophysitis bezeichnet werden. Zumeist sind sportlich aktive Heranwachsende betroffen. Dennoch muss davon ausgegangen werden, dass im Zuge des zunehmenden Bewegungsmangels und der Prävalenz von Übergewicht in der Gesellschaft auch Alltagsbelastungen für einige Kinder und Jugendliche zu einer relativen Überlastung führen können und diese Erkrankungen auch in dieser Gruppe gehäuft anzutreffen sind (Launay 2015). Zum Zeitpunkt der Skelettreifung sistiert in der Regel die belastungsabhängige Schmerzsymptomatik.
Inwieweit apophysäre Osteochondrosen die Inzidenz von akuten Apophysenausrissen negativ begünstigen, konnte bislang nicht eindeutig geklärt werden – eine Koinzidenz ist jedoch beschrieben worden (Longo et al. 2016). Der traumatische Ausriss einer Apophyse wird den Frakturen der Wachstumsfugen zugeordnet (Salter-Harris-Frakturtyp I) (Salter und Harris 1963) und sollte nicht mit einer Osteochondrose im eigentlichen Sinne gleichgesetzt werden (Bohndorf und Michl 2014). Durch eine veränderte Knochenkontur nach vorausgegangener epiphysärer oder apophysärer Osteochondrose können anatomische Residuen verbleiden, die zu einem späteren Zeitpunkt an lokaler Stelle symptomatisch werden können (z. B. Haglund-Exostose nach Morbus Sever-Haglund, Meralgia paraesthetica nach Beteiligung der Beckenkammapophyse). In einigen Fällen können diese anatomisch-morphologischen Residuen zu einer veränderten Gelenkkinematik führen und demnach eine präarthrotische Deformität darstellen (Genu varum mit Rotationsfehlstellung nach Morbus Blount, Offset-Störung bei Coxa magna des Hüftkopfes nach einem Morbus Perthes).

Diagnostik und Klassifikation

Klinisch zeigt sich bei apophysären Osteochondrosen eine gut lokalisierbare belastungsabhängige Schmerzsymptomatik mit begleitender Schwellung und Druckempfindlichkeit (Gillespie 2010). Bei epiphysären Osteochondrosen imponiert neben der Schmerzsymptomatik eine Funktionsstörung betroffener Gelenkabschnitte mit Ergussbildung, schmerzhaften Bewegungseinschränkungen bis hin zu Gelenkblockierungen (Gelse und Hotfiel 2019). Als bildgebendes Mittel kann bei apophysären Strukturen die Sonografie eingesetzt werden, die die Fragmentation von apophysären Strukturen und periostale Begleitprozesse darstellen kann (De Flaviis et al. 1989; Carr et al. 2001). Die Röntgendiagnostik zeigt typischerweise Kondensationen, Impaktierungen, Fragmentationszonen mit begleitender Sklerose und Veränderungen der Apophysen- oder Epiphysenfugenmorphologie (Freyschmidt 2016). Je nach Lokalisation existieren verschiedene Klassifikationen und Stadieneinteilungen.

Therapie

In der Regel können die meisten Erkrankungen konservativ therapiert werden. Maßgeblich ist eine Modifikation der mechanischen Belastung durch Belastungsreduktion und Optimierung der Belastungsachse. Je nach zugrunde liegender sportlicher Belastung, Schweregrad und Beschwerden werden Zeiträume einer Belastungsreduktion/Karenz auslösender Belastungen zwischen 4–6 Wochen und 3–5 Monaten angegeben (Arnold et al. 2017). Begleitende lokal antiphlogistische Maßnahmen, physikalische Maßnahmen, physiotherapeutische Trainingstherapie und orthetische Hilfsmittel können je nach Lokalisation adjuvant eingesetzt werden (Peck 1995; Arnold et al. 2017; Lohrer et al. 2012). Im fortgeschrittenen oder therapierefraktären Stadium kann ein operatives Vorgehen notwendig werden. Insbesondere epiphysäre Osteochondrosen erfordern zum Teil eine frühzeitige, komplexe und stadienabhängige Therapie (z. B. Osteochondrosis dissecans, Morbus Perthes), die in den entitätsspezifischen Kapiteln besprochen werden.
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