Lebertransplantation
In Deutschland wurde die erste pädiatrische
Lebertransplantation (pLTx) 1972 durchgeführt. Mit der klinischen Einführung von
Ciclosporin A (CsA) und der Entwicklung von Operationstechniken, die die LTx von an die Größe der Kinder adaptierten Leberteilen ermöglichen, wurde die pLTx zum Standardverfahren im Endstadium von akuten und chronischen Lebererkrankungen, Lebertumoren sowie einer Reihe hepatisch bedingter Stoffwechselerkrankungen. Dabei werden an großen, spezialisierten pädiatrischen Lebertransplantationszentren bei guter
Lebensqualität Langzeitüberlebensraten (5–10 Jahre) von 85–90 % erreicht. Im Vergleich zum Erwachsenenkollektiv werden damit bei vergleichbaren Kurzzeit-Patienten- und Organüberlebensraten ca. 20 % höhere 10-Jahres-Überlebensraten erzielt. Das hat auch zu Überlegungen geführt, eine pLTx nicht nur bei primär letal verlaufenden Lebererkrankungen durchzuführen, sondern auch bei solchen, die eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität bewirken. Hierzu zählen cholestasebedingte schwere
Wachstumsstörungen, unbeherrschbarer Juckreiz oder eine Osteopathie, sowie unbeherrschbare zerebrale Krampfanfälle bei hepatisch bedingten metabolischen Erkrankungen. Anders als bei anderen Organtransplantationen erreicht die Überlebenskurve ca. 1 Jahr nach pLTx ein Plateau. Nach dieser Zeit kommen nur noch wenige pädiatrische Patienten transplantationsbedingt ums Leben. Diese Erfolge basieren zu einem entscheidenden Teil darauf, dass die Patienten vor, während, aber auch langfristig nach pLTx von hoch spezialierten sog. pädiatrischen Transplantationsteams (pädiatrische Hepatologen, auf die pädiatrische Transplantation spezialisierte Chirurgen, pädiatrische
Intensivmediziner, Kinderkrankenpflege, Ernährungsspezialisten, Psychologen etc.) in einem mit allen Möglichkeiten ausgestatteten pädiatrischen Lebertransplantationszentrum kindgerecht betreut werden. Diese großen Erfolge quo ad vitam führen zu einer weltweit stetig steigenden Zahl an Patienten, die im Kindes- und Jugendalter lebertransplantiert werden. Hierdurch wird das neue Krankheitsbild „Lebertransplantierter“ generiert. Wie bei anderen chronischen Erkrankungen, leiden auch Lebertransplantierte unter den (unerwünschten) Wirkungen der Immunsuppression, aber auch unter den Aspekten einer schlechten Therapie-Adhärenz mit der Konsequenz von möglichen chronischen Abstoßungen oder sogar dem Verlust des Transplantates oder des Lebens. Worauf die von einigen Zentren beschriebenen erheblichen Anteile an Patienten mit Transplantatfibrose im Langzeitverlauf zurück zu führen ist, ist bisher nicht geklärt. Darüber hinaus werden in den letzten Jahren zunehmend De-novo-Störungen, v. a. „(Auto-)Immunerkrankungen“ im Transplantat, aber auch systemisch – z. B.
Nahrungsmittelallergien beschrieben.
Mit ca. 50 % überwiegen biliäre Zirrhosen (vor allem die [extrahepatische] Gallengangsatresie), gefolgt von der heterogenen Gruppe der Stoffwechselerkrankungen und dem akuten Leberversagen (ALV). Im Gegensatz zu Erwachsenen spielen postnekrotische (ca. 5 %) und alkoholtoxische Zirrhosen (0 %) sowie Lebertumoren (<5 %) eine untergeordnete oder keine Rolle. In der Gruppe hepatischer Stoffwechselerkrankungen ohne Entwicklung einer Zirrhose sind in den letzten Jahren die Indikationen besonders ausgedehnt worden. Andererseits wurden für einige dieser Erkrankungen alternative Therapiekonzepte entwickelt, sodass betroffene Patienten derzeit nicht mehr oder nur noch in Ausnahmefällen transplantiert werden. Ein Beispiel hierfür ist die medikamentöse Therapie der
Tyrosinämie Typ I. Darüber hinaus wurde bzw. wird aktuell bei einem Teil dieser Erkrankungen (z. B. Harnstoffzyklusdefekte,
Crigler-Najjar-Syndrom Typ I [CN-1]) die Bedeutung von Zelltransplantationen (Hepatozyten, adulte Stammzellen) überprüft. Dabei scheint es möglich, mittels Hepatozytentransplantation temporär eine ausreichende
Enzymaktivität zu erzielen. Im weiteren Verlauf mussten allerdings alle bisher zelltransplantierten Patienten lebertransplantiert werden bzw. verstarben. Ein relevanter positiver Effekt einer Zelltransplantation konnte dagegen bei ALV bisher nicht nachgewiesen werden.
Bei Kindern und Jugendlichen mit chronischen Lebererkrankungen wird die Prognose nach LTx entscheidend von der Morbidität (vor allem dem Ernährungszustand) prä-LTx beeinflusst. Das veranschaulicht die zentrale Bedeutung der Terminierung einer pLTx, aber auch einer „aggressiven“ Therapie/Prophylaxe wesentlicher Komplikationen einer fortgeschrittenen Lebererkrankung. Unter Berücksichtigung einer relevanten Wartezeit auf der Transplantationswarteliste orientieren wir uns in der Entscheidung zur Aufnahme auf diese an folgenden Parametern:
eingeschränkte Lebersyntheseleistung (Cholinesterase [CHE], Vitamin-K-unabhängige
Gerinnungsfaktoren, z. B. Faktor V),
Gedeihstörung unter individuell optimierter Ernährungstherapie (gegebenenfalls auch via perkutaner endoskopischer Gastrostomie [PEG]),
(mehrfache) Cholangitisepisoden,
Entwicklung eines hepatopulmonalen und/oder -renalen Syndroms,
deutlich eingeschränkte
Lebensqualität (quälender Juckreiz, ausgeprägte hepatische Osteopathie etc.).
Die Indikation zur pLTx bei akutem ALV (Abschn.
1) oder bei Lebertumoren kann dagegen nur individuell gestellt werden. In der Gruppe der Stoffwechselerkrankungen ohne Zirrhose ist die Indikation und Terminierung einer LTx nicht anhand des Verlusts der globalen Leberfunktion oder einer portalen
Hypertonie zu definieren. Daher bedarf es in dieser Gruppe einer besonders sorgfältigen Evaluation. Hierzu ist zunächst die Störung selbst exakt zu definieren und zu klären, inwieweit das Ausmaß extrahepatischer Manifestationen mit einer pLTx zu verbessern bzw. deren Progress zu verhindern ist. Prinzipiell sollte eine pLTx nur erwogen werden, wenn
die extrahepatische Manifestation entscheidend zu modellieren (Tyrosinämie) ist und
die extrahepatischen Manifestationen nicht bereits so fortgeschritten sind, dass sie eine Kontraindikation darstellen.