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Pädiatrie
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Publiziert am: 02.04.2019

Antimikrobielle Therapie bei Kindern und Jugendlichen

Verfasst von: Reinhard Berner und Thomas Lehrnbecher
Um antibakterielle Therapie effektiv und rational zu gestalten, müssen das Spektrum der antimikrobiellen Aktivität eines Antibiotikums oder Chemotherapeutikums ebenso bekannt sein wie dessen pharmakokinetische Eigenschaften und unerwünschten Wirkungen. Die klinische Wirksamkeit eines von seinem antimikrobiellen Spektrum her geeignet scheinenden Präparats wird wesentlich von der Frage bestimmt, ob die in vivo erreichbare Serum- bzw. Gewebekonzentration die minimale Hemmkonzentration (MHK) des betreffenden Erregers am Infektionsort übersteigen wird. Die Auswahl des geeigneten Medikaments hängt daher neben dem antimikrobiellen Spektrum und pharmakokinetischen Eigenschaften entscheidend von klinischen Aspekten wie Infektionsort, Grundkrankheit, Alter, Vortherapie und möglicher Toxizität ab. Aufgrund der vielfältigen Einflüsse ist es nicht verwunderlich, dass nur in Ausnahmefällen ein einziges Antibiotikum als allein mögliche Wahl angesehen werden kann bzw. alle notwendigen Eigenschaften in idealer Weise auf sich vereint. Klinische Studien zum Nachweis der Wirksamkeit sollten Voraussetzung für den Einsatz eines Antibiotikums in der Kinder- und Jugendmedizin sein und sind relevanter als die antimikrobielle Aktivität alleine.

Antibakterielle Therapie

Grundlagen

Um antibakterielle Therapie effektiv und rational zu gestalten, müssen das Spektrum der antimikrobiellen Aktivität eines Antibiotikums oder Chemotherapeutikums ebenso bekannt sein wie dessen pharmakokinetische Eigenschaften und Nebenwirkungen. Die klinische Wirksamkeit eines von seinem Spektrum her geeignet scheinenden Präparats wird wesentlich von der Frage bestimmt, ob die in vivo erreichbare Serum- bzw. Gewebekonzentration die minimale Hemmkonzentration (MHK) des betreffenden Erregers am Infektionsort übersteigen wird. Die Auswahl des geeigneten Medikaments hängt daher neben dem antimikrobiellen Spektrum und pharmakokinetischen Eigenschaften entscheidend von klinischen Aspekten wie Infektionsort, Grundkrankheit, Alter, Vortherapie und möglicher Toxizität ab. Aufgrund der vielfältigen Einflüsse ist es nicht verwunderlich, dass nur in Ausnahmefällen ein einziges Antibiotikum als allein mögliche Wahl angesehen werden kann bzw. alle notwendigen Eigenschaften in idealer Weise auf sich vereint. Klinische Studien zum Nachweis der Wirksamkeit sollten Voraussetzung für den Einsatz eines Antibiotikums in der Kinder- und Jugendmedizin sein und sind relevanter als die antimikrobielle Aktivität alleine.

Pharmakokinetik

Bei der oralen Gabe von Antibiotika ist zunächst die Resorptionsrate zu berücksichtigen. Gleichzeitige Nahrungsaufnahme verzögert die Resorption für viele Antibiotika (z. B. Makrolide) bei erhaltener Gesamtaufnahme, andere dagegen werden insgesamt vermindert aufgenommen (z. B. Penicilline), wieder andere werden nahrungsunabhängig resorbiert (z. B. Clindamycin). Unter biologischer Verfügbarkeit versteht man den Anteil eines oral verabreichten Präparats, der nach Resorption aus dem Magen-Darm-Trakt aktuell zur Verfügung steht. Sie hängt von der Zubereitung des Medikaments durch den Hersteller ebenso wie von Einflüssen aus dem Verdauungstrakt ab. In Präparationen für Kinder werden beispielsweise β-Laktam-Antibiotika aus wässrigen Suspensionen (sog. Trockensäfte) wesentlich besser resorbiert als aus Fertigsuspensionen auf Triglycerid- oder Ölbasis. Nach Resorption aus dem Darm oder nach parenteraler Zufuhr gelangt das Pharmakon zunächst in den intravasalen Raum und verteilt sich zwar schnell im Blut, nicht aber gleichmäßig in allen Kompartimenten und Geweben. Die Gewebeverteilung hängt neben der Lipidlöslichkeit des Medikaments von Faktoren wie der Proteinbindung, der Anwesenheit von aktiven Transportmechanismen, die das Antibiotikum aus dem Gewebe herauszupumpen vermögen, oder der Durchgängigkeit der Kapillaren (Fensterung) ab. Diese Faktoren wiederum können durch die Erkrankung selbst beeinflusst werden (z. B. erhöhte Permeabilität der Blut-Liquor-Schranke bei Meningitis). Der Grad der Proteinbindung an Serum- oder Gewebseiweißstoff ist je nach Wirkstoff unterschiedlich. Der gebundene Anteil befindet sich im Gleichgewicht mit dem freien Anteil. Einfluss auf die Bindung haben das Lebensalter (beim Neugeborenen geringer als beim Erwachsenen), der pH-Wert, die Verdrängung durch ein zweites Medikament und der Eiweißgehalt des Serums (z. B. Hypalbuminämie). Neben der Gewebepenetration spielt bei fakultativ oder obligat intrazellulären Erregern auch die intrazelluläre Aktivität des Antibiotikums eine wesentliche Rolle. Eine eingeschränkte Penetration oder intrazelluläre Inaktivierung kann die antimikrobielle Aktivität behindern oder aufheben (z. B. intrazelluläre Protonierung von Aminoglykosiden). Auch die Inaktivierung eines Antibiotikums, z. B. Aminoglykosiden bei niedrigem Gewebe-pH in entzündetem Gewebe oder Körperflüssigkeiten, kann den Therapieerfolg beeinflussen und muss bei der Indikationsstellung berücksichtigt werden. Die Elimination von Antibiotika umfasst Biotransformation (z. B. Glukuronidierung von Chloramphenicol in der Leber) und Ausscheidung. Die Ausscheidung der meisten Antibiotika erfolgt über die Nieren, seltener über die Galle (Kap. „Grundlagen der Pharmakologie und Arzneimitteltherapie im Kindes- und Jugendalter“).
Das European Committee on Antimicrobial Susceptibility Testing (EUCAST) hat die Kategorie „I“ bei der Antibiotika-Resistenzbestimmung neu definiert. Demnach berücksichtigen die Bewertungen „S“ und „I“ ab dem 01.01.2019 explizit Aspekte der Dosierung bzw. der am gewünschten Wirkort erreichbaren Konzentrationen der jeweiligen Substanzen. Das neue „I“ bedeutet somit „sensibel bei erhöhter (Increased) Exposition“ und „S“ bedeutet „sensibel bei normaler Exposition“. „R“ bedeutet unverändert „resistent“.

Postantibiotischer Effekt

Bestimmte Antibiotika, z. B. Aminoglykoside, erzielen einen sog. postantibiotischen Effekt (PAE). Damit ist die Wirksamkeit eines Antibiotikums über die Periode der Exposition eines Keims gegenüber dem wirksamen Spiegel eines Antibiotikums hinaus gemeint. Der PAE erlaubt beispielsweise bei Aminoglykosiden die Einmaldosierung pro Tag bei gleicher Wirksamkeit und geringerer Toxizität im Vergleich zur Gabe in mehreren Einzeldosen.

Wirkung versus In-vitro-Aktivität

Zu unterscheiden ist die klinische Wirksamkeit von der In-vitro-Aktivität eines Antibiotikums. Ein in vitro aktives Präparat kann klinisch unwirksam sein und umgekehrt. Die Aktivität eines Antibiotikums ist durch die Aspekte antimikrobielles Spektrum, Wirktyp und Wirkmechanismus charakterisierbar. Das Aktivitätsspektrum gibt an, bei welchen Erregern ein Effekt im Sinne von Wachstumshemmung oder Keimabtötung erzielt wird. Der Wirktyp ist entweder bakteriostatisch oder bakterizid. Bakteriostase bedeutet, dass der Erreger in seiner Vermehrung gehemmt, jedoch nicht abgetötet wird. Bakterizidie bedeutet Abtötung der Bakterienzelle. Sie ist bei bestimmten Antibiotika, z. B. Aminoglykosiden, konzentrationsabhängig. Bakterizide zellwandaktive Antibiotika, z. B. β-Laktam-Antibiotika, wirken in der Regel nach einer unterschiedlich langen Latenzphase abtötend auf proliferierende Keime. Ruhende Keime werden nicht erfasst, aber im Zustand der Ruhe festgehalten. Sie werden als Persister bezeichnet. Nach Ende der Antibiotikaeinwirkung sind die bei neuerlichem Wachstum entstehenden Tochterzellen wieder voll empfindlich. Als Maß für die Aktivität eines Antibiotikums in vitro dient die minimale Hemmkonzentration (MHK). Sie gibt diejenige Konzentration an, bei der ein Bakterienwachstum nicht mehr möglich ist. Demgegenüber gibt die – nur mit großem Aufwand bestimmbare – minimale bakterizide Konzentration (MBK) die geringste Konzentration an, die nach 24 Stunden in flüssiger Kultur zum Absterben von 99,9 % der bakteriellen Ausgangspopulation geführt hat. Der Begriff Toleranz beschreibt ein Phänomen, bei dem die MBK eines Antibiotikums mehr als 32-fach über der MHK liegt. Sie wird vor allem bei Streptokokken gegenüber β-Laktam-Antibiotika beobachtet. Mögliche Angriffspunkte von Antibiotika sind Hemmung der Zellwandsynthese, Schädigung der Zellmembran, Veränderung der Zytoplasmamembran, Hemmung der Proteinsynthese, Hemmung von mRNA-Polymerase oder von DNA-Isomerasen sowie Hemmung der Folsäuresynthese.

Resistenz

Resistenz im klinischen Sinne liegt vor, wenn die MHK eines Antibiotikums für den entsprechenden Erreger im Serum oder im Gewebe nicht erreicht bzw. nicht überschritten wird. Natürliche Resistenz bedeutet, dass ein Keim a priori für ein bestimmtes Antibiotikum nicht empfindlich ist, d. h. keinen Angriffspunkt für das Antibiotikum bietet oder aber konstitutiv Enzyme besitzt, die das Medikament inaktivieren. Demgegenüber heißt primäre Resistenz, dass einige Stämme einer Bakterienspezies empfindlich, andere jedoch resistent sind. Sekundäre Resistenz tritt durch Mutation und Selektion unter Antibiotikawirkung ein. Eine Übertragung von resistenzvermittelndem genetischem Material (z. B. durch Plasmide oder Transposons, s. u.) ist speziesübergreifend von einer Bakterienart auf die andere möglich.
Mechanismen der Resistenz
Bakterien können durch chromosomale und extrachromosomale genetische Determinanten Resistenz tragen oder erwerben. Plasmide sind extrachromosomale DNA-Elemente, die genetische Information für Antibiotikaresistenz innerhalb einer Spezies, aber auch von einer auf die andere Bakterienart übertragen können, z. B. durch Transduktion oder Konjugation. Auch chromosomale Informationen können z. B. durch Transposons („springende Gene“) übertragen werden. Auf molekularer Ebene entsteht Resistenz durch Punktmutationen, Transposition von DNA-Sequenzen oder den Erwerb größerer DNA-Abschnitte. Phänotypische Mechanismen der bakteriellen Antibiotikaresistenz sind u. a.:
  • eine veränderte Permeabilität der Bakterienzellwand,
  • veränderte Bindungsproteine, über die das Antibiotikum seine Wirkung nicht mehr entfalten kann,
  • veränderte Enzyme, die durch das Antibiotikum nicht mehr inaktiviert werden können,
  • Änderung des intrazellulären Bindungsorts,
  • antibiotikainaktivierende Enzyme,
  • Transportmechanismen, die einen aktiven Auswärtsstrom des Antibiotikums aus der Zelle bewirken,
  • Bypassmetabolismus, d. h. Stoffwechselzielprodukte werden über einen alternativen Stoffwechselweg gebildet.
Kreuzresistenz bedeutet, dass Bakterien gleichzeitig gegen mehrere Antibiotika derselben Wirkstoffgruppe resistent sind.
Bedeutung der Resistenz
Die Entstehung hochresistenter bzw. multiresistenter pathogener Bakterienstämme droht zu einem wesentlichen Problem der modernen Medizin zu werden. Beispiele sind gegenüber Penicillin und Cephalosporin resistente Pneumokokken als Meningitiserreger, gegen Oxacillin bzw. Methicillin resistente Staphylococcus-aureus-Stämme (MRSA) oder gegen Vancomycin resistente Enterokokken (VRE) bei onkologischen Patienten, multiresistente gramnegative Stäbchen (sog. MRGN) bei Intensivpatienten (z. B. Extended-Spectrum-β-Laktamase [ESBL] oder Carbapenemase produzierende Klebsiellen), Tab. 1. Rationale Antibiotikatherapie im Sinne einer Vorgabe von Therapiestrategien im regionalen und im überregionalen Rahmen, Leitlinienempfehlungen, das Verbot von Antibiotika als Futterzusatz in der Tiermast, Hygienekontrollprogramme, aber auch der zurückhaltende Einsatz von Antibiotika in der täglichen Praxis sind essenzielle Voraussetzungen für die Wirksamkeit von Antibiotika auch in der Zukunft.
Tab. 1
Klassifizierung multiresistenter gramnegativer Stäbchen auf Basis ihrer phänotypischen Resistenzeigenschaften. (aus Robert-Koch-Institut 2019, Epidemiol Bull 9, mit freundl. Genehmigung)
Antibiotikagruppe
Leitsubstanz
Enterobacteriaceae
Acinetobacter spp.
3MRGN
4MRGN
3MRGN
4MRGN
3MRGN
4MRGN
Acylureido-penicilline
Piperacillin/ Tazobactam
R
R
Nur 1 der 4 Antibiotikagruppen wirksam (sensibel)
R
R
R
Cephalosporine der 3./4. Generation
Cefotaxim und/oder Ceftazidim
R
R
R
R
R
Carbapeneme
Imipenem und/oder Meropenem
S oder I
R
R
S oder I
R
Fluorchinolone
Ciprofloxacin
R
R
R
R
R
   
oder Nachweis einer Carbapenemase
 
oder Nachweis einer Carbapenemase
 
oder Nachweis einer Carbapenemase
3MRGN multiresistente gramnegative Stäbchen mit Resistenz gegen 3 der 4 Antibiotikagruppen, 4MGRN multiresistente gramnegative Stäbchen mit Resistenz gegen 4 der 4 Antibiotikagruppen, R resistent oder intermediär sensibel, S sensibel
Unter Antibiotic Stewardship (ABS) versteht man das programmatische, nachhaltige Bemühen einer medizinischen Institution um Verbesserung und Sicherstellung einer rationalen Antiinfektiva-Verordnung. Hierzu bedarf es einer lokalen Expertengruppe, lokaler Leitlinien und lokaler Leitlinien-Implementierung sowie Antibiotika-„Controlling“ und Resistenz-Monitoring. ABS-Programme im Krankenhaus haben das Ziel, die Qualität der Verordnungen von Antiinfektiva bzgl. Auswahl der Substanzen, Dosierung, Applikation und Anwendungsdauer zu verbessern und zu sichern, um damit beste klinische Behandlungsergebnisse unter Beachtung einer Minimierung von Toxizität für den Patienten sowie von Resistenzentwicklung und Kosten zu erreichen. Primäres Ziel von ABS-Programmen ist also die patientenorientierte Verbesserung der Behandlung und erst sekundär die Einsparung von Kosten und Vermeidung von Resistenzentwicklung.

Antibiotische Behandlung von bakteriellen Infektionskrankheiten

Das adäquate Management einer bakteriellen Infektionskrankheit erfordert die Klärung der folgenden Fragen:
1.
Welches ist der ursächliche oder wahrscheinlichste Infektionserreger, und wie ist die zu vermutende Empfindlichkeit des Erregers?
 
2.
Welches ist der Infektionsfokus bzw. welche Organe sind betroffen?
 
3.
Liegt eine besondere Disposition des Patienten vor, und wie ist die klinische Situation des Patienten (z. B. Grundkrankheit, spezifische Erregerexposition, Lebensalter)?
 
4.
Darüber hinaus sollte bekannt sein, welche Eigenschaften das einzusetzende Antibiotikum aufweist (bakterizide oder bakteriostatische Aktivität, intrazelluläre Aktivität, Gewebepenetration, Pharmakokinetik, Verträglichkeit) und welche klinischen Studienerfahrungen zur Wirksamkeit vorliegen.
 

Strategien der Antibiotikatherapie

Liegt eine behandlungswürdige bakterielle Infektion vor, sollte grundsätzlich ein Präparat mit möglichst engem Spektrum eingesetzt werden, da Breitspektrumantibiotika die natürliche mikrobielle Flora des Wirts verändern und der Kolonisation mit Pilzen und hochresistenten Bakterien Vorschub leisten können.
Gezielte Therapie
Die gezielte Therapie ist die Idealform, bei der nach Kulturergebnis und Resistenz mit einem möglichst schmal wirksamen Mittel behandelt wird. Sie ist z. B. bei der Behandlung der A-Streptokokken-Pharyngitis (mit Penicillin) sinnvoll, und sie ist für den Therapieerfolg z. B. bei der Behandlung der Endokarditis, der Osteomyelitis oder der Staphylococcus-aureus-Bakteriämie essenziell, für die in klinischen Studien gezeigt wurde, dass durch die gezielte Therapie mit geeigneten β-Laktam-Antibiotika Behandlungsergebnisse signifikant verbessert werden.
Kalkulierte oder empirische Therapie
Der klinische Alltag erfordert am häufigsten die kalkulierte oder empirische Therapie, bei der ein Mittel ausgewählt werden soll, das – bei noch unbekanntem Erreger – das zu erwartende Erregerspektrum möglichst spezifisch umfasst, passende pharmakokinetische Eigenschaften besitzt und mit den geringsten Nebenwirkungen ausgestattet ist. Nach Erregernachweis ist gezielt umzustellen.
„Tarragona-Strategie“
Die Interventionstherapie ist bei lebensbedrohlichen Infektionen notwendig. Auch sie ist eine kalkulierte Therapie, die die erwarteten Erreger einer Krankheit mit einem möglichst breiten Spektrum erfassen soll und insbesondere auf diejenigen Erreger zielt, die mit einer hohen Letalität assoziiert sind. Beispiel sind das Fieber unklarer Ursache beim onkologischen Patienten mit Neutropenie oder die Initialbehandlung der Sepsis des Neugeborenen oder bei Patienten mit septischem Schock. Dabei muss das Erregerspektrum des Krankenhauses bzw. die entsprechende regionale Resistenzsituation berücksichtigt werden.
Eskalations- und Deeskalationstherapie
Unter Eskalationstherapie versteht man den Behandlungsbeginn mit einem Antibiotikum, das die typischen Erreger einer Krankheit erfasst. Beim Nichtansprechen wird auf ein Antibiotikum oder eine Antibiotika-Kombination umgestellt, die ein breiteres Erregerspektrum einbezieht. Die Deeskalationstherapie, bei der man mit der breitest möglichen Kombination beginnt und in der Folge reduziert, birgt die Gefahr in sich, bei der breiten Initialtherapie zu verbleiben, sofern diese erfolgreich war. Diese Therapiestrategie (siehe oben Abschn. „Tarragona-Strategie“) sollte nur in Einzelfällen angewandt und stets kritisch hinterfragt werden.

Therapiedauer

In der Regel wird die antibiotische Therapie einer schweren Infektionskrankheit in der Klinik parenteral begonnen. In den meisten Fällen kann etwa 48 Stunden nach Besserung des Allgemeinzustands und Entfieberung des Patienten auf eine enterale Therapie umgestellt werden. Ausnahmen stellen die Behandlung der Meningitis oder der Endokarditis dar. Die Gesamttherapiedauer hängt vom Ort und der Art der Infektion ab. Wichtig ist eine Evaluation des Therapieerfolgs in der Regel 48–72 Stunden nach Behandlungsbeginn (Ausnahmen wiederum chronische oder subakute Infektionen). Ist ein Therapieerfolg nicht zu verzeichnen, muss die Behandlung modifiziert oder die Verdachtsdiagnose überdacht werden.

Einteilung der für die Pädiatrie wichtigsten Antibiotikastoffgruppen

Dosierungen in Tab. 2 und Tab. 3, Nebenwirkungen in Tab. 4.
Tab. 2
Empfohlene Dosierungen ausgewählter Antibiotika und Chemotherapeutika jenseits der Neugeborenenperiode
Medikament
Applikation
Einzeldosen/Tag
Kinderdosierung/kg KG und Tag
Maximale Tagesdosis
Parenterales und orales Penicillin
Penicillin G
i. v.
4–6
100.000–500.000 E
24 Mio. E
- (Bei Meningitis)
i. v.
4–6
300.000–1.000.000 E
24 Mio. E
Penicillin V
p.o.
3
50.000–100.000 E
6 Mio. E
Penicillinasefeste Penicilline
Flucloxacillin
i. v., (p.o.)
3–4
100–150 mg
8 g
Aminopenicilline
Ampicillin
i. v.
4
100(–200) mg
12 g
- (Bei Meningitis)
i. v.
4
300–400 mg
12 g
Amoxicillin
p.o.
2–3
50(–90) mg
6 g
Acylaminopenicilline
Azlo-, Mezlo-, Piperacillin
i. v.
3–4
200(–300) mg
12 g
Enzymgeschützte Peniclline (Kombination mit β-Laktamase-Inhibitoren)
Ampicillin/Sulbactam
i. v.
3–4
150–225 mg
12 g
Amoxicillin/Clavulansäure
p.o.
2–3
50–80 mg (bezogen auf Amoxicillin)
3,75 g
Piperacillin/Tazobactam
i. v.
3–4
225 mg
13,5 g
Carbapeneme und Monobactame
Imipenema
i. v.
4
40–60 mg
4 g
Meropenema
i. v.
3
60 mg
6 g
- (Bei Meningitis)
i. v.
3
120 mg
6 g
Aztreonam
i. v.
3
45–90(–120) mg
6 g
Parenterale Cephalosporine
Cefazolin
i. v.
9
50–100(–150) mg
6 g
Cefamandol
i. v.
3–4
75–100 mg
12 g
Cefuroxim
i. v.
3
75–150 mg
6 g
Cefotaxim
i. v.
3–4
100–150 mg
9 g
- (Bei Meningitis)
i. v.
4
200 mg
9 g
Ceftriaxon
i. v.
1
50–75 mg
4 g
- (Bei Meningitis)
i. v.
1
80–100 mg
4 g
Ceftazidim
i. v.
3–4
100–150 mg
6 g
- (Bei Meningitis)
i. v.
4
200 mg
6 g
Cefepim
i. v.
2–3
100–150 mg
 
Oralcephalosporine
Cefalexin
p.o.
4
50–100 mg
4 g
Cefadroxil
p.o.
2
50–100 mg
4 g
Cefaclor
p.o.
3
30–50(–100) mg
4 g
Loracarbef
p.o.
2
15–30 mg
0,8 g
Cefuroxim
p.o.
2–3
20–30(–50) mg
1 g
Cefixim
p.o.
2
8–12 mg
0,4 g
Cefpodoxim
p.o.
2
8–10 mg
0,4 g
Ceftibuten
p.o.
1
9 mg
0,4 g
Aminoglykoside
i. v.
1
5–7,5 mg
0,4 g
i. v.
1
5–7,5 mg
0,4 g
Netilmicinb
i. v.
1
6–7,5 mg
0,6 g
i. v.
1
15 mg
1,5 g
Tetrazykline
Doxycyclin
i. v., p.o.
1
2–4 mg
0,2 g
Makrolide
Erythromycin
i. v., p.o.
2–3
30–50 mg
4 g
Clarithromycin
p.o.
2
10–15 mg
1 g
Azithromycin
p.o.
1
10 mg (für 3 Tage)
0,5 g
Roxythromycin
p.o.
2
5–7,5 mg
1 g
Lincosamide
Clindamycin
p.o., i. v.
3
20–40 mg
2,4 g
Glykopeptide
i. v.
3
40–60 mg
3 g
- (Bei Meningitis)
i. v.
3
60 mg
3 g
i. v.
1
Initial 20 mg, dann 10 mg
0,8 g
Gyrasehemmer (Chinolone)
Ciprofloxacind
i. v., p.o.
2
20(–30) mg
1,5 g
Folsäureantagonisten
Trimethroprim/Sulfamethoxazol (TMP/SMZ)
i. v., p.o.
2
8 mg TMP/40 mg SMZ
K. A.
- (Bei Pneumocystis-Infektion)
4
20 mg TMP/100 mg SMZ
K. A.
Trimethoprim
p.o.
2
5 mg
K. A.
- (Zur Prophylaxe)
p.o.
1
2 mg
K. A.
Antibiotika unterschiedlicher Stoffklassen
Fosfomycin
i. v.
3
200(–300) mg
20 g
Rifampicin
i. v., p.o.
1–2
10–20 mg
0,6 g
Metronidazol
i. v., p.o.
3
15–30 mg
2,25 g
Nitrofurantoin
p.o.
2
3–5 mg
0,4 g
- (Zur Prophylaxe)
p.o.
1–2
1 mg
0,4 g
Chloramphenicole
i. v.
3–4
50(–100) mg
3 g
Linezolid f
Kinder >12 Jahre
i. v., p.o
2
20 mg
K. A.
Kinder <12 Jahre
i. v., p.o.
3
30 mg
K. A.
K. A. keine Angabe
aBisher für die Anwendung bei Säuglingen unter 3 Monaten nicht zugelassen. Einsatz nur bei fehlenden Alternativpräparaten im Rahmen eines Heilversuchs
bBei Einmaldosierung Bestimmung der Talspiegel empfohlen (<1 mg/l; siehe Text)
cBestimmung der Serumspiegel empfohlen, üblicherweise vor der 3. Gabe. Talspiegel: 10–15 mg/l
dBisher bei Kindern noch nicht zugelassen. Einsatz nur bei fehlenden Alternativpräparaten im Rahmen eines Heilversuchs
eBestimmung der Serumspiegel empfohlen (Soll: 10–25 mg/l)
fNicht zugelassen für Kinder; Dosierungsangaben gelten unter Vorbehalt
Tab. 3
Empfohlene Dosierungen ausgewählter Antibiotika in der Neugeborenenperiode
Medikament
Applikation
Einzeldosen/Tag
Dosierung/kg KG und Tag
Bemerkung
Penicillin G
i. v.
4–6
100.000–300.000 E
-
- (Bei Meningitis)
i. v.
4–6
500.000 E
-
Flucloxacillin
i. v.
3
50–100 mg
-
Ampicillin
i. v.
3
150–200 mg
-
- (Bei Meningitis)
i. v.
3
200–300 mg
-
Azlo-, Mezlo-, Piperacillin
i. v.
3
150–200 mg
-
- (Bei Meningitis)
i. v.
3
200–300 mg
-
Cefotiam
i. v.
2–3
100 mg
-
Cefotaxim
i. v.
2–3
100–150 mg
-
- (Bei Meningitis)
i. v.
4
200 mg
-
Ceftazidim
i. v.
2–3
100 mg
-
- (Bei Meningitis)
i. v.
4
200 mg
-
Imipenema
i. v.
4
60–80 mg
-
Meropene a
    
- (Bei Meningitis)
    
Amikacinb
i. v.
  
Talspiegel: <4 mg/l
<30. SSW
1
7,5 mg
30.–37. SSW
  
<28 Tage
1
10 mg
≥28 Tagec
1
15 mg
<37. SSW
1
15
Genta-, Netilmicin, Tobramycinb
i. v.
  
Talspiegel: <2 mg/l
<30. SSW
1
3,5 mg
 
30.–37. SSW
18-stündlich
3,5 mg
 
<37. SSWc
1
7,5 mg
 
Erythromycin
i. v.
3
40 mg
-
Clindamycin
i. v.
   
- FG <4 Wochen
3
15 mg
 
- FG ≥4 Wochen
3
20 mg
 
- NG >1 Wochen
3
20–40 mg
 
Metronidazol
i. v.
1–3
20–30 mg
 
Fosfomycin
i. v.
  
Hoher Natriumgehalt
- NG <4 Wochen
2
100 mg
 
- Säuglinge
3
200–250 mg
 
Vancomycinb
i. v.
  
Talspiegel: 10–15 mg/l
<30. SSW
1
15 mg
30.–37. SSW
18-stündlich
15 mg
<37. SSW
2
30 mg
Teicoplanin
i. v.
1
Initial 16 mg, dann 8 mg
-
Chloramphenicolb
i. v.
  
Serumspiegel: 10–25 mg/l
1. und 2. Lebenswoche
1
25 mg
 
3. und 4. Lebenswoche
2
50 mg
 
<4. Lebenswoche
3–4
50–100 mg
 
Linezolidd
i. v., p.o.
  
-
<34. SSW und <7 Tage
2
20 mg
<34. SSW und 7 Tage
3
30 mg
FG Frühgeborene, NG Neugeborene, SSW Schwangerschaftswoche
aBisher für die Anwendung bei Säuglingen unter 3 Monaten nicht zugelassen. Einsatz nur bei fehlenden Alternativpräparaten im Rahmen eines Heilversuchs
bDosisanpassung nach Serumspiegelbestimmung. Bestimmung üblicherweise am 3. Therapietag bzw. vor und nach der 3. Gabe
cBei Einmaldosierung nur Bestimmung der Talspiegel empfohlen (siehe Text)
dNicht zugelassen für Kinder; Dosierungsangaben gelten unter Vorbehalt
Tab. 4
Häufige Nebenwirkungen wichtiger Antibiotika und Chemotherapeutika
Medikamentengruppe
Allergie
Nervensystem
Nieren
Leber
Hämatopoese
Gastrointestinaltrakt
Penicilline
+
(+)
(+)
(+)
Cephalosporine
+
(+)
(+)
(+)
(+)
Makrolide
(+)
(+)
(+)
Tetrazykline
+
(+)
+
(+)
+
Sulfonamide
+
(+)
+
+
+
+
Glykopeptide
(+)
(+)
(+)
(+)
Chinolone
(+)
(+)
(+)
(+)
(+)
+
Aminoglykoside
(+)
+
+
(+)
Metronidazol
(+)
(+)
Chloramphenicol
(+)
(+)
+
(+)
Clindamycin
(+)
(+)
+
+ häufig (5–10 %) oder schwerwiegend; (+) selten (<5 %); – fraglich

β-Laktam-Antibiotika

Penicilline und Cephalosporine sind die wichtigsten Vertreter dieser Gruppe. Gemeinsam ist ihnen der β-Laktam-Ring. Durch Modifikation des Grundmoleküls und das Anhängen von Seitenketten entstehen Gruppen von verwandten Substanzen mit unterschiedlichem antimikrobiellem Spektrum und unterschiedlicher Pharmakokinetik. β-Laktam-Antibiotika hemmen die Peptidoglykansynthese der Bakterienzellwand. Sie wirken bakterizid bei proliferierenden Keimen, sind aber nicht aktiv bei ruhenden oder zellwandlosen Bakterien. Sie werden über verschiedene Arten von Rezeptoren, Penicillinbindeproteine (PBP), an die Bakterienzelle gebunden. Resistenz kann über fehlende oder veränderte PBP oder aber die Produktion unterschiedlicher β-Laktamasen, die den β-Laktam-Ring enzymatisch spalten, vermittelt sein. Besondere Bedeutung hat in den letzten Jahren das vermehrte Auftreten von gramnegativen Stäbchen (insbesondere Escherichia[E.] coli und Klebsiella spp.) gewonnen, die die Fähigkeit besitzen, praktisch alle β-Laktam-Antibiotika enzymatisch zu hydrolysieren; sog. Extended-Spectrum-β-Laktamase (ESBL) produzierende sowie Carbapenemase-bildende Erreger. Infektionen mit ESBL- und Carbapenemase-bildenden Erregern sind mit einer erhöhten Letalität assoziiert, was nicht mit einer erhöhten Virulenz, sondern fehlenden adäquaten Therapieoptionen zusammenhängt.
Neben der Resistenzentstehung bzw. klinischen Unwirksamkeit ist die wichtigste Therapiekomplikation die Sensibilisierung und die Entstehung einer Allergie. Diese tritt insgesamt jedoch nur sehr selten auf bzw. wird in ihrer Häufigkeit deutlich überschätzt. In einer Untersuchung an über 300 Kindern mit ärztlich diagnostizierter Penicillin-Allergie wiesen bei detaillierter Überprüfung bzw. Provokation lediglich unter 1 % tatsächlich Symptome einer allergischen Sofortrektion auf, sodass bei Verdacht auf Antibiotika-Allergie eine allergologische Testung dringend anzuraten ist. Wegen der Ähnlichkeit der Molekülstruktur von Penicillinen und Cephalosporinen besteht in bis zu 30 % der Fälle eine Kreuzallergie. Eine allergische Kreuzreaktivität zu Carbapenemen und Monobactamen besteht nicht.
Aufgrund der Fülle der verschiedenen Penicilline und Cephalosporine kann hier nur eine Auswahl der wichtigsten Vertreter besprochen werden.
Penicilline
Penicilline stellen aufgrund der einzigartigen Kombination aus hoher Wirksamkeit und geringer Toxizität nach wie vor die wichtigste Antibiotikastoffgruppe für die Pädiatrie dar. Innerhalb der Penicilline unterscheidet man nach der chemischen Struktur der Seitenketten verschiedene Untergruppen.
Benzylpenicillin (Penicillin G)
Das Wirkspektrum des klassischen Penicillin G erstreckt sich im Wesentlichen auf grampositive Kokken und Stäbchen. Empfindlich sind in der Regel aerobe und anaerobe Streptokokken, Pneumokokken, Clostridien (nicht Clostridium difficile), Bacillus anthracis, Aktinomyzeten, Corynebacterium diphtheriae, aber auch gramnegative Keime wie Meningokokken, Gonokokken und Fusobakterien. Ebenfalls erfasst werden Spirochäten wie Treponema pallidum, Borrelien und Pasteurellen. Staphylokokken sind mit Ausnahme der seltenen penicillinase-negativen Stämme resistent. Die Wirkung gegen Listerien und Enterokokken ist mäßig. Penicillin G besitzt keine Stabilität gegen bakterielle β-Laktamasen, hat jedoch eine außerordentlich starke antimikrobielle Aktivität gegen empfindliche Keime und ist daher dort als Mittel der Wahl anzusehen. In den letzten Jahren hat sich in europäischen Nachbarländern eine zunehmende Penicillinresistenz bei Pneumokokken entwickelt (Resistenzraten bis zu 70 %), die bisher in Deutschland nur in unter 10 % beobachtet wird. Bei schweren Infektionen mit potenziell toleranten Keimen, z. B. neonataler Meningitis durch Gruppe-B-Streptokokken, ist eine initiale Kombinationsbehandlung mit Aminoglykosiden empfohlen. Die wichtigste Nebenwirkung von Penicillin ist die anaphylaktische Reaktion. Sehr selten können bei höchsten Dosierungen ZNS-Symptome, Neutropenie und Thrombozytopenie auftreten sowie eine unstillbare Blutungsneigung, die jedoch direkt nach Absetzen von Penicillin sistiert. Ein wesentlicher Nachteil in der Behandlung von schweren Infektionen ist die Notwendigkeit, das Medikament in 4-stündlichen Intervallen zu applizieren. Indikationen für die Behandlung mit Penicillin stellen alle Infektionskrankheiten durch penicillinempfindliche Erreger dar.
Phenoxypenicillin (Penicillin V)
Phenoxypenicillin besitzt die gleiche Aktivität wie Penicillin G, ist jedoch resistent gegenüber Magensäure und daher oral applizierbar. Indikationen sind wie bei Penicillin G alle oral behandelbaren Infektionskrankheiten durch empfindliche Erreger, insbesondere Infektionen durch β-hämolysierende Streptokokken. Zusätzlich wird Penicillin zur Infektionsprophylaxe bei Kindern mit tatsächlicher oder funktioneller Asplenie sowie zur Prophylaxe des rheumatischen Fiebers (2-mal 200.000 E/Tag bis zum 5. Lebensjahr, 2-mal 400.000 E/Tag ab dem 5. Lebensjahr) eingesetzt. Wegen der besonderen Pharmakokinetik kann bei A-Streptokokken-Angina dem Phenoxymethylpenicillin-Benzathin der Vorzug gegeben werden, das mit 50.000 E/kg KG/Tag in 2 Einzeldosen/Tag patientenfreundlich dosiert werden kann.
Isoxazolylpenicilline
Isoxazolylpenicilline (Oxacillin, Dicloxacillin, Flucloxacillin) werden als penicillinasefeste Penicilline bezeichnet. Sie sind stabil gegenüber den von Staphylokokken gebildeten β-Laktamasen, haben jedoch eine etwas geringere Aktivität als Penicillin G gegenüber penicillinempfindlichen Keimen. Der klinische Einsatz dieser Präparate ist auf Staphylokokken-Infektionen beschränkt, dort allerdings sind sie als Mittel der Wahl anzusehen. Wird ein penicillinempfindlicher Keim isoliert, sollte auf das weniger toxische und billigere Penicillin umgestellt werden. Die Resorption nach oraler Gabe ist in der Regel schlecht, sodass hohe Dosierungen notwendig sind bzw. auf Alternativpräparate auszuweichen ist. Gegenüber Oxacillin bzw. Methicillin resistente Staphylokokken sind gegen alle β-Laktam-Antibiotika, einschließlich Imipenem, resistent.
Aminopenicilline
Aminopenicilline (Ampicillin, Amoxicillin) sind wie Penicillin G nicht penicillinasefest. Die Aktivität gegen grampositive Keime wie Pneumokokken oder β-hämolysierende Streptokokken entspricht in etwa der des Penicillins, das Spektrum ist jedoch gegen eine ganze Reihe gramnegativer Stäbchen erweitert. Ampicillin wirkt bakterizid gegen Haemophilus influenzae, Meningokokken, Proteus mirabilis und viele Escherichia(E.)-coli-Stämme. Trotz guter In-vitro-Aktivität findet sich klinisch keine Wirksamkeit gegenüber Bordetella pertussis. Eine gute Wirksamkeit weist Ampicillin gegenüber Enterokokken und Listerien auf. In den letzten Jahren wird eine zunehmende, allerdings regional sehr unterschiedliche Rate β-Laktamase-produzierender Stämme von E. coli, Salmonellen und Shigellen beobachtet. Bei Harnwegsinfektionen beträgt die Resistenzrate von E. coli heute in Deutschland in der Regel über 50 %. Primär ampicillinresistent sind indol-positive Proteus-Stämme (Proteus vulgaris), Enterobacter, Klebsiellen und Pseudomonaden. Da die Empfindlichkeit von Enterobakterien sehr unterschiedlich ist, sollte Ampicillin bis zum Nachweis der Empfindlichkeit des ursächlichen Erregers bei schweren Infektionen nur in Kombination mit einem Aminoglykosid eingesetzt werden. Die orale Bioverfügbarkeit von Ampicillin liegt bei etwa 30 %, die von Amoxicillin bei etwa 60 %, daher wird oral vorwiegend das Amoxicillin eingesetzt. Die Einnahme von Amoxicillin (in Form von Trockensäften) mit viel Flüssigkeit verbessert die Resorption und reduziert die Rate intestinaler Nebenwirkungen. Wie Penicillin kann Ampicillin allergische Nebenwirkungen zeigen, üblicherweise als rötelnähnliches Exanthem mit Pruritus und Urtikaria. Deutlich häufiger allerdings treten nichtjuckende Hautausschläge mit makulopapulösem Charakter auf, deren Ursache keine Allergie ist und deren Auftreten in der Regel keinen Hinderungsgrund für die Fortsetzung der Therapie darstellt. Möglicherweise liegen bei einer ganzen Reihe von Virusinfektionen (einschließlich Epstein-Barr-Virus) subklinische Vaskulitiden vor, die sich durch Ampicillingabe demaskieren. Dies würde erklären, warum bei der Behandlung gewöhnlicher Infektionen des Respirationstrakts so häufig Hautausschläge beobachtet werden, während dies bei der Behandlung von schweren bakteriellen Infektionen wie Meningitis oder Urosepsis praktisch nie auftritt. Ampicillin und Amoxicillin sind die wichtigsten Medikamente bei der Behandlung von Infektionen des Respirations- und Harntrakts sowie invasiver Infektionen durch empfindliche Haemophilus- und Salmonellen-Stämme. Daneben kann die Frühmanifestation der Lyme-Borreliose (Erythema chronicum migrans und Lymphozytom) erfolgreich mit Amoxicillin behandelt werden.
Acylaminopenicilline
Im Unterschied zum Ampicillin besitzen die Acylaminopenicilline (Azlo-, Mezlo-, Piperacillin) Aktivität gegenüber Pseudomonaden, manchen indol-positiven Proteusarten und gegenüber β-Laktamase-negativen Anaerobiern. Abgesehen davon sind ampicillinresistente Enterobakterien in der Regel auch gegen die Vertreter dieser Gruppe resistent. Acylaminopenicilline sind nicht penicillinasestabil und nur parenteral anwendbar. Innerhalb der Gruppe zeichnen sich Piperacillin und Mezlocillin durch eine gegenüber dem Azlocillin höhere Aktiviät gegen Enterobakterien aus, während die Aktiviät von Piperacillin und Azlocillin gegen Pseudomonaden höher ist als die des Mezlocillins. Indikationen stellen Infektionen mit dem Verdacht auf die Beteiligung von Pseudomonas aeruginosa dar. Häufig werden Acylaminopenicilline mit einem Aminoglykosid kombiniert.
Enzymgeschützte Penicilline
Aufgrund ihrer fehlenden β-Laktamase-Stabilität sind verschiedene Kombinationen von Amino- bzw. Acylaminopenicillinen mit β-Laktamase-Hemmstoffen (Clavulansäure, Sulbactam, Tazobactam) als sog. enzymgeschützte Penicilline im Handel. Damit erweitert sich das Spektrum der jeweiligen Penicilline auf solche Keime, die aufgrund von β-Laktamase-Produktion sonst resistent wären, so z. B. β-Laktamase-produzierende Haemophilus-Stämme, Staphylococcus aureus, viele Enterobakterien sowie die große Gruppe β-Laktamase-produzierender Anaerobier. Nicht alle β-Laktamasen werden jedoch durch die verfügbaren Inhibitoren gehemmt, und nicht jede Resistenz gegenüber Penicillinen ist β-Laktamase-vermittelt, wie z. B. die Oxacillinresistenz von Staphylokokken. Bei der oralen Anwendung von Amoxicillin + Clavulansäure treten in 10–20 % zum Teil erhebliche gastrointestinale Nebenwirkungen auf, die dem Clavulansäureanteil zugeschrieben werden und höhere Dosierungen limitieren. Nicht zuletzt kann es wie bei jeder Kombinationstherapie zu einem unterschiedlichen Mischungsverhältnis der Kombinationspartner am Wirkungsort in den Geweben kommen. Hierdurch ist nicht immer gewährleistet, dass das bakterielle Enzym gehemmt wird, noch bevor das Antibiotikum zerstört werden kann. Die derzeit üblichen festen Kombinationen sind Ampicillin + Sulbactam, Amoxicillin + Clavulansäure, Piperacillin + Tazobactam. Die Dosierung orientiert sich jeweils am Penicillinanteil. Als Indikationen für den Einsatz von Ampicillin + Sulbactam werden Mischinfektionen mit Anaerobiern z. B. nach Hundebiss oder Aspirationspneumonien angesehen, für Piperacillin + Sulbactam schwere intraabdominale Infektionen, aber auch die empirische Initialtherapie, z. B. bei onkologischen Patienten. Der Einsatz von Amoxicillin + Clavulansäure ist gleichwertig zu oralen Cephalosporinen bei Infektionen des Respirations- oder Harntrakts anzusehen, für die eine Behandlung mit Amoxicillin alleine nicht ausreicht.
Cephalosporine
Die Einteilung der Cephalosporine in unterschiedliche sog. Generationen wird trotz des problematischen Begriffs weiterhin verwendet, sollte aber zunehmend ersetzt werden durch den entsprechenden Gruppennamen.
  • Im Allgemeinen sind Cephalosporine der Cefazolin-Gruppe (sog. Erstgenerationscephalosporine) sehr gut aktiv gegen grampositive Kokken und nur eingeschränkt aktiv im gramnegativen Bereich.
  • Cephlaosporine der Cefuroxim-Gruppe (sog. Zweitgenerationscephalosporine) zeigen in der Regel gleiche Aktivität im grampositiven und bessere Aktivität im gramnegativen Bereich,
  • Cephalosporine der Cefotaxim-Gruppe (sog. Drittgenerationscephalosporine) weniger gute Aktivität im grampositiven, aber deutlich stärkere Aktivität im erweiterten gramnegativen Spektrum.
  • Cephalosporine der Ceftazidim-Gruppe haben zusätzlich eine stärkere Aktivität gegen Pseudomonas spp.
  • Neuere Cephalosporine, sog. Cephalosporine der Gruppe 4 (sog. Viertgenerationscephalosporine) sollen beide Spektren gleichermaßen umfassen.
Im Unterschied zu den Penicillinen sind alle Cephalosporine mehr oder weniger gut β-Laktamase-stabil. Grundsätzlich unwirksam sind Cephalosporine sowohl gegen Enterokokken, Listerien, Bordetellen und oxacillinresistente Staphylokokken als auch – wie alle β-Laktam-Antibiotika – gegen Chlamydien, Mykoplasmen und Legionellen. Cephalosporine sind nicht zur Eradikation von Corynebacterium diphtheriae oder Bordetella pertussis bei Erkrankten oder Trägern geeignet.
Basiscephalosporine oder Cephlosporine der Gruppe 1, Cefazolingruppe (parenteral)
Cefazolin hat die beste Staphylokokken-Aktivität aller Cephalosporine. Nicht aktiv ist Cefazolin gegen oxacillinresistente Staphylokokken, ebensowenig gegen einen Teil der Pneumokokken-Stämme. Die Wirksamkeit gegen gramnegative Stäbchen ist mäßig. Resistent sind Pseudomonaden, meist auch Haemophilus influenzae, Klebsiellen, Proteus, Enterobacter und viele andere Enterobakterien. Der Einsatz im Kindesalter ist daher auf wenige Ausnahmen, z. B. bei Staphylokokken-Infektionen und zur perioperativen Prophylaxe, beschränkt.
Intermediärcephalosporine oder Cephalosporine der Gruppe 2
Zur Cefuroximgruppe (parenteral) gehören Cefuroxim und Cefamandol. Das Spektrum ist im Vergleich zur Cefazolingruppe in den gramnegativen Bereich erweitert. Hervorzuheben ist die gute Aktivität gegen Haemophilus influenzae bei erhaltener Wirksamkeit gegen grampositive Kokken, insbesondere Staphylokokken. Vom pädiatrischen Standpunkt ist dies von besonderem Interesse, da es vor Erhalt der bakteriologischen Kulturergebnisse die kalkulierte Initialbehandlung von Infektionen erlaubt, die typischerweise durch Staphylococcus aureus, Haemophilus influenzae oder Streptococcus pneumoniae hervorgerufen werden, wie z. B. Pneumonie, Knochen- und Gelenkinfektionen, Orbitalphlegmone und andere Weichteilinfektionen. Nicht eingesetzt werden sollten Cephalosporine der Cefuroxim-Gruppe zur Behandlung der bakteriellen Meningitis, der Epiglottitis durch Haemophilus influenzae sowie septischer Manifestationen von Salmonellen-Infektionen wegen unzuverlässiger klinischer Wirksamkeit trotz in vitro nachgewiesener Aktivität. Resistent sind u. a. Pseudomonaden, Proteus vulgaris, Citrobacter und Bacteroides fragilis.
Cephamycine, Cefoxitingruppe (parenteral)
Cefoxitin gehört ebenfalls in die Gruppe der Intermediärcephalosporine mit einer jedoch deutlich verminderten Aktivität gegen grampositive Kokken und Haemophilus influenzae bei ähnlicher Wirksamkeit gegen Enterobakterien. Hervorzuheben ist die hohe β-Laktamase-Stabilität mit einer guten Wirksamkeit gegen Anaerobier insbesondere gegen Bacteroides fragilis. Hauptindikation ist daher die Prophylaxe und Behandlung von (Abdominal-)Infektionen mit Verdacht auf die Beteiligung von Anaerobiern.
Cephalosporine der Gruppe 3, Cefotaximgruppe (parenteral)
Die wichtigsten Vertreter dieser Gruppe sind Cefotaxim und Ceftriaxon. Sie zeichnen sich im Vergleich zu den Zweitgenerationscephalosporinen durch eine höhere antimikrobielle Aktivität, ein breiteres gramnegatives Spektrum und eine bei entzündeten Meningen gute Liquorgängigkeit aus. Die Aktivität gegen Haemophilus influenzae und grampositive und gramnegative Kokken ist sehr gut, abgesehen von einer im Vergleich zu den Basis- und Zweitgenerationscephalosporinen etwas geringeren Aktivität gegen Staphylococcus aureus. Die Wirksamkeit bei Infektionen durch koagulase-negative Staphylokokken ist aufgrund der hohen Rate an Oxacillinresistenz sehr eingeschränkt. Nicht aktiv ist die Cefotaximgruppe gegen Pseudomonaden, Clostridium difficile und Bacteroides fragilis. Ampicillinresistente Salmonellen und Shigellen sind gut empfindlich. Die wichtigsten Indikationen in der Pädiatrie sind die Initialbehandlung der bakteriellen Meningitis und anderer schwerer lebensbedrohlicher Infektionen auch bei Patienten unter Immunsuppression. Bei Verdacht auf Beteiligung von Listerien, Enterokokken, Pseudomonaden oder Anaerobiern muss entsprechend mit Ampicillin, einem Acylaminopenicillin und Aminoglykosid, oder Metronidazol kombiniert werden. Das Spätstadium der Lyme-Borreliose (Arthritis, Neuroborreliose) kann ebenfalls mit Ceftriaxon oder Cefotaxim behandelt werden. Der Vorteil von Ceftriaxon liegt in der Einmaldosierung pro Tag und der damit verbundenen Möglichkeit einer ambulanten Therapie. Allerdings wird bei Ceftriaxon unter höherer Dosierung nicht selten eine Pseudocholelithiasis beobachtet, welche die Therapie limitieren kann, in der Regel jedoch nach Absetzen reversibel ist.
Cephalosporine der Gruppe 3, Ceftazidimgruppe (parenteral)
Ceftazidim gehört im Prinzip zu den Cephalosporinen der Gruppe 3 (sog. Drittgenerationscephalosporine), ist zusätzlich jedoch gegen die meisten Stämme von Pseudomonas aeruginosa sowie gegen Burkholderia cepacia, Acinetobacter und andere Nonfermenter wirksam. Die Wirksamkeit gegenüber Staphylococcus aureus ist etwa 2- bis 3-fach schwächer als die von Cefotaxim, ansonsten ist Ceftazidim neben Cefepim das Cephalosporin mit dem derzeit breitesten antibakteriellen Wirkspektrum. Ceftazidim stellt das wirksamste und am besten erprobte Medikament in der Behandlung von Pseudomonas-Infektionen einschließlich Meningitis, Sepsis, Pneumonie, Osteomyelitis und Weichteilinfektionen dar. Einen wichtigen Stellenwert hat Ceftazidim auch bei der Behandlung von Infektionen bei Patienten mit Neutropenie. Eine Vielzahl von Studien belegt die klinische Ebenbürtigkeit der Monotherapie mit Ceftazidim gegenüber verschiedenen etablierten Kombinationstherapien. In vitro scheint ein Synergismus zwischen Ceftazidim und Aminoglykosiden zu bestehen, der sich klinisch jedoch nicht bemerkbar macht. Cefsulodin hat ein schmales Spektrum mit starker Aktivität gegen Pseudomonas aeruginosa, jedoch nur schwacher Aktivität gegen Enterobakterien. Staphylokokken und Streptokokken werden in vitro ebenfalls gehemmt. Da klinische Studien fehlen, kommt Cefsulodin ausschließlich als Alternative bei nachgewiesenen Pseudomonas-Infektionen infrage. Cefepim ist in seiner Pseudomonas-Aktivität dem Ceftazidim, in seiner Staphylokokken-Wirksamkeit dem Cefotaxim vergleichbar. Es stellt das heute verfügbare Cephalosporin mit dem breitesten Wirkspektrum dar und wird als sog. Viertgenerationscephalosporin bezeichnet. Ein Problem stellt die ESBL-Produktion verschiedener gramnegativer Stäbchenbakterien dar; ESBL-produzierende Bakterien sind klinisch als resistent gegen alle Cephalosporine einzustufen. Es besteht eine klare Assoziation zwischen dem Einsatz von Cephalosporinen (insbesondere der Ceftazidimgruppe) in Krankenhäusern und der zunehmenden Häufigkeit von ESBL-Bildnern.
Neuere (parenterale) Cephalosporine wie Ceftobiprol und Ceftarolin befinden sich derzeit in klinischer Erprobung. Ihr Vorteil ist die Wirksamkeit gegen MRSA und MRSE (Methicillin-resistente Staphylococcus epidermidis) sowie penicillinresistente Streptokokken und VRE. Das breite Aktivitätsspektrum beinhaltet ebenfalls gramnegative Erreger, aber keine ESBL-bildenden Enterobacteriaceae und nur bedingt Anaerobier. Die klinischen Prüfungen schließen Patienten mit komplizierten Haut- und Weichteilinfektionen sowie ambulant erworbener Pneumonie ein.
Klassische Oralcephalosporine, Cefalexingruppe
Cefalexin und Cefadroxil entsprechen in ihrem Wirkspektrum den Basiscephalosporinen mit einer guten Wirksamkeit gegenüber Staphylokokken, jedoch relativ schwacher Aktivität gegen gramnegative Stäbchen einschließlich Haemophilus influenzae. Die Verträglichkeit und die Resorption nach oraler Gabe sind gut, sogar bei Gabe zu den Mahlzeiten. Die Penetration in das Mittelohr oder in die Nebenhöhlen allerdings ist schlecht. Als Indikation gilt insbesondere die orale Fortsetzung der Antibiotikatherapie von schweren Staphylokokken-Infektionen, wie z. B. Osteomyelitis oder septische Arthritis, unter Berücksichtigung der entsprechenden Behandlungskriterien. Cefaclor, Loracarbef, Cefprozil und Cefuroximaxetil liegen von ihrem Spektrum her zwischen den Basiscephalosporinen und den Cephalosporinen der Cefuroxim-Gruppe. Cefaclor wirkt gegenüber den Basiscephalosporinen 4- bis 8-mal stärker auf Streptokokken, Pneumokokken und empfindliche gramnegative Stäbchen (E. coli, Proteus mirabilis, Klebsiella), wobei es weniger aktiv ist als die anderen Vertreter der Gruppe, deren Vorteil aus pädiatrischer Sicht die gute Aktivität gegenüber allen aeroben Keimen (nicht Mycoplasma pneumoniae) ist, die akute Infektionen des Respirationstrakts auslösen können, einschließlich Moraxella catarrhalis und β-Laktamase-negativen und -positiven Haemophilus-influenzae-Stämmen. Allerdings finden sich heute in bis zu 15 % β-Laktamase-negative, cephalosporinresistente Haemophilus-influenzae-Stämme. Spezifischer Nachteil des Cefaclors ist das Risiko der Entstehung einer serumkrankheitähnlichen Symptomatik mit schweren Hautveränderungen, Fieber und Gelenkbeschwerden.
Oralcephalosporine mit erweitertem Spektrum, Cefiximgruppe
Die wichtigsten Vertreter sind Cefixim, Cefpodoxim und Ceftibuten, die sich vom Cefotaxim ableiten und damit der Cefotaxim-Gruppe zuzuordnen sind. Im Vergleich zu Cefaclor ist Cefixim gegen Haemophilus influenzae 6-fach stärker aktiv, gegen A-Streptokokken 10-fach, gegen Klebsiella pneumoniae 30-fach, gegen Proteus mirabilis 130-fach. Gegen Proteus vulgaris, Enterobacter cloacae, Salmonellen und Shigellen zeigt Cefixim gute Aktivität, während Cefalexin und Cefaclor nicht aktiv sind. Gegen Pneumokokken ist die Aktivität in vitro gleich gut, aber schlechter als die von Cefpodoxim. Staphylokokken sind nahezu resistent gegenüber Cefixim. Nicht aktiv ist Cefixim gegenüber Pseudomonaden und Bacteroides fragilis. Das Spektrum von Cefpodoxim ist ähnlich dem von Cefixim. Cefpodoxim ist jedoch gegenüber A-Streptokokken und Pneumokokken 10- bis 20-fach stärker aktiv als Cefaclor, gegen Haemophilus influenzae 30-fach stärker. Oxacillinempfindliche Staphylokokken sind gegen Cefpodoxim und Cefaclor gleich empfindlich. Die Aktivität von Ceftibuten entspricht in etwa der von Cefixim mit stärkerer Aktivität gegen die meisten Enterobakterien, bei jedoch fehlender Aktivität gegen Staphylokokken und schwächerer Aktivität gegen Pneumokokken. Aufgrund der höheren Aktivität können die Oralcephalosporine mit erweitertem Spektrum erheblich niedriger dosiert werden als die klassischen Oralcephalosporine mit dadurch z. T. besserer Verträglichkeit; Ceftibuten kann obendrein 1-mal pro Tag dosiert werden. Die Bioverfügbarkeit nach oraler Gabe liegt bei 90 %. Nichtsdestoweniger ist die Indikation sehr streng zu stellen. In der Regel sollten die Medikamente dieser Gruppe nur bei Therapieversagen konventioneller Präparate oder aber bei Infektionen mit nachgewiesenermaßen gegen andere Präparate resistenten Erregern eingesetzt werden. Dies ist sehr wichtig, um nicht einer weiteren Resistenzentwicklung Vorschub zu leisten.
Andere β-Laktam-Antibiotika
Carbapeneme
Bei Carbapenemen (Imipenem und Meropenem) handelt es sich um β-Laktam-Antibiotika, die weder den Penicillinen noch den Cephalosporinen zuzuordnen sind. Carbapeneme hemmen die Zellwandsynthese und besitzen bereits bei niedrigen Konzentrationen eine starke bakterizide Aktivität. Eine allergische Kreuzreaktivität mit Cephalosporinen oder Penicillinen besteht nicht. Sie vereinigen die Eigenschaften von breitwirksamen Penicillinen und Cephalosporinen und erfassen das mit Abstand breiteste Spektrum aller verfügbaren Antibiotika einschließlich grampositiver Kokken, gramnegativer Enterobakterien, Enterokokken, Listerien, Pseudomonaden und Anaerobier. Keime mit erworbener multipler Resistenz sind in der Regel empfindlich gegenüber Imipenem. Die einzigen regelmäßig resistenten Bakterien sind Enterococcus faecium, Burkholderia cepacia und Stenotrophomonas maltophilia, Clostridium difficile, Mykoplasmen, Chlamydien und Mycobacterium tuberculosis-Komplex. Carbapeneme sind Mittel der Wahl bei Infektionen durch ESBL. Sorge bereitet heute die zunehmende Verbreitung von Carbapenemasebildung bei gramnegativen Stäbchen, allen voran bei Acinetobacter spp., aber auch bei Enterobakterien wie Klebsiella spp., sog. KPC-Resistenz. Diese wird vermittelt durch einen Porinverlust in der äußeren Bakterienzellmembran und gleichzeitige Bildung von β-Laktamasen, sei es ESBL- oder AmpC-vermittelt. Die Letalität bei Infektionen mit KPC-resistenten Erregern ist aufgrund der eingeschränkten Therapiemöglichkeiten enorm hoch.
Imipenem: Imipenem ist ein Derivat des natürlich vorkommenden Thienamycins. Da es bei alleiniger Gabe durch das körpereigene Enzym Dehydropeptidase 1 rasch in den Nieren abgebaut wird, muss die Gabe kombiniert mit Cilastatin, einem reversiblen, kompetitiven Hemmstoff dieses Enzyms, erfolgen. In der verfügbaren Darreichungsform ist Imipenem mit Cilastatin im Verhältnis 1:1 gemischt. Die Menge des Cilastatins wird bei Dosierungsangaben nicht berücksichtigt. Erfahrungsgemäß muss dies bei der Verordnung eindeutig formuliert und an die Pflege kommuniziert werden, um relevante Unterdosiserungen zu vermeiden. Die Liquorgängigkeit von Imipenem ist gering. Es wird nur in geringer Menge in der Galle ausgeschieden. Die Verträglichkeit bei Kindern ist gut. Bei höherer Dosierung werden insgesamt selten, insbesondere aber bei älteren Kindern und Erwachsenen zentralnervöse Nebenwirkungen wie Übelkeit, Schwindel, Verwirrtheit, Tremor bis hin zu Krampfanfällen beobachtet. Imipenem ist bei lebensbedrohlichen Mischinfektionen mit Verdacht auf Anaerobierbeteiligung, bei Infektionen durch multiresistente Erreger mit nachgewiesener Empfindlichkeit, bei schwerer Sepsis in Neutropenie und Versagen einer Therapie mit anderen Breitspektrumantibiotika indiziert. Bei der ungezielten Therapie sind Kombinationen mit anderen Antibiotika möglich, die gegen resistente Staphylokokken, Enterokokken oder Pseudomonaden sowie gegen Erreger von intrazellulären Infektionen wirken.
Meropenem: Meropenem besitzt ein ähnliches Wirkungsspektrum wie Imipenem. Es benötigt keine Kombination mit Cilastatin. Gegen Pseudomonas aeruginosa ist die Wirksamkeit stärker, gegen Anaerobier gleich gut, gegen grampositive Kokken (insbesondere Staphylokokken und Enterokokken) schwächer als bei Imipenem. Hervorzuheben ist die gute Liquorgängigkeit. Sehr erfolgreich eingesetzt und gut toleriert wurde Meropenem bei der Behandlung von Kindern mit bakterieller Meningitis durch penicillin- und cephalosporinresistente Erreger.
Ertapenem: Ertapenem ist ein neueres Carbapenem mit einem ähnlichen Wirkungsspektrum wie Imipenem und Meropenem. Spezifische Indikationen, die über die von Imipenem oder Meropenem hinausgehen, bestehen in der Pädiatrie nicht.
Monobactame
Aztreonam zeichnet sich durch eine hohe Stabilität gegenüber β-Laktamasen gramnegativer Bakterien aus. Es wirkt bakterizid auf fast alle aeroben gramnegativen Stäbchen (Ausnahme Acinetobacter, Alcaligenes), hat jedoch keine Aktivität gegen grampositive Bakterien, Anaerobier und zellwandlose Bakterien. Klinische Erfahrungen mit Aztreonam sind gering, die Indikationen in der Pädiatrie limitiert auf die gezielte Behandlung von Infektionen durch sonst resistente Bakterien und bei Allergie gegen andere β-Laktam-Antibiotika. Üblicheweise wird Aztreonam mit anderen Antibiotika kombiniert.

Makrolide

Erythromycin ist die Leitsubstanz der Makrolide, von der sich die anderen, für die Pädiatrie wichtigen Makrolide Roxithromycin, Clarithromycin und Azithromycin ableiten. Der antibakterielle Effekt der Makrolide beruht auf der Hemmung der bakteriellen Proteinsynthese. Die Zielstruktur stellt wie auch bei Chloramphenicol und Clindamycin die 50S-Untereinheit der Ribosome mit nachfolgender Hemmung der mRNA-Synthese dar. Die Bindungsaffinität zur 50S-Untereinheit ist relevant für die antibakterielle Aktivität, in der sich die verschiedenen Makrolidderivate unterscheiden. Der Wirktyp der Makrolide ist bakteriostatisch. Im Unterschied zu den β-Laktam-Antibiotika nehmen Bakterien in der stationären Wachstumsphase – z. B. in einem Abszess – deutlich mehr Makrolidantibiotikum als in der logarithmischen Wachstumsphase auf. Eine weitere wichtige Eigenschaft ist der PAE, der über mehrere Stunden anhält. Der Schwerpunkt der antibakteriellen Aktivität der Makrolide liegt bei grampositiven, aeroben und anaeroben Kokken und Stäbchen sowie bei gramnegativen Kokken. Gramnegative Stäbchenbakterien wie Enterobakterien und Pseudomonaden sind resistent, während Bordetella pertussis, Legionellen und die meisten Stämme von Haemophilus influenzae relativ empfindlich sind. Ebenfalls empfindlich sind Spiralbakterien wie Campylobacter, Helicobacter, Treponemen und Borrelien sowie zellwandlose Bakterien wie Chlamydien, Mykoplasmen und Rickettsien. Erythromycin und die neueren Makrolidderivate unterscheiden sich nur z. T. in vitro in ihrer antibakteriellen Aktivität, die Besonderheiten liegen vor allem in den unterschiedlichen pharmakologischen Eigenschaften.
Erythromycin
Wegen der Säurelabilität des Erythromycins sind verschiedene Derivate wie Erythromycinäthlylsuccinat, -stearat und -estolat sowie für die i. v.-Applikation das Lactobionat im klinischen Gebrauch. Antibiotisch wirksam ist ausschließlich die freie Base. Die Bioverfügbarkeit und die Plasmaspiegel der verschiedenen Präparate unterscheiden sich zwar, Unterschiede in der klinischen Wirksamkeit sind jedoch – mit Ausnahme der besseren Wirksamkeit des Estolats z. B. bei Pertussis – nicht relevant. Wegen der guten Resorption, der Möglichkeit der Verlängerung des Dosierungintervalls auf 12 Stunden und des fehlenden Eigengeschmacks wird dem Estolat häufig der Vorzug gegeben. Es sollte wie die anderen Erythromycinester zusammen mit den Mahlzeiten verabreicht werden; hierdurch werden die gastrointestinalen Nebenwirkungen deutlich reduziert. Nebenwirkungen des Erythromycins sind ansonsten z. T. ausgeprägte gastrointestinale Beschwerden, insbesondere bei Jugendlichen und Erwachsenen, und sehr selten allergische Reaktionen. Die i. v.-Präparate führen häufig zur Phlebitis und sollten als Kurzinfusion über mindestens 30–60 min verabreicht werden. Erythromycin kann bei Patienten, die eine QT-Verlängerung im EKG haben, gefährliche Rhythmusstörungen hervorrufen. Wahrscheinlich alle Makrolide können bei Anwendung im Neugeborenen- und jungen Säuglingsalter zu einer hypertrophen Pylorusstenose führen. Insgesamt gilt jedoch Erythromycin in der Pädiatrie als das Antibiotikum mit der niedrigsten Toxizität. Indikationen stellen insbesondere banale Krankheiten wie die A-Streptokokken-Pharyngitis bei Penicillinallergie dar. Darüber hinaus wird Erythromycin auch bei der ambulanten Therapie von Atemwegsinfektionen sowie Haut- und Weichteilinfektionen durch Staphylococcus aureus und A-Streptokokken eingesetzt. Allerdings spielt heute die erheblich zunehmende Makrolidresistenz eine wichtige Rolle, sodass Makrolide in diesen Indikationen nicht als Mittel der 1. Wahl anzusehen sind. Weitere mögliche Indikationen sind Pneumonien durch Chlamydien, Mykoplasmen, Ureaplasmen, Legionellen sowie Pertussis. Erythromycin ist das Mittel der Wahl zur Behandlung der Diphtherie sowie zur Eradikation von Corynebacterium diphtheriae und Bordetella pertussis bei Trägern. Grundsätzlich kontrovers wird der Einsatz von Makroliden bei Infektionen durch Bartonella henselae diskutiert.
Roxithromycin
Roxithromycin ist in vitro ähnlich aktiv wie Erythromycin, jedoch weniger aktiv gegen Haemophilus influenzae. Aufgrund der verlängerten Halbwertszeit kann es einmal pro Tag appliziert werden. Hervorzuheben sind die sehr gute intrazelluläre Aktivität und die gute enterale Resorption. Die Indikationen sind ähnlich wie bei Erythromycin.
Clarithromycin
Clarithromycin ist stärker aktiv gegen Legionellen, Chlamydien und grampositive Erreger und etwa gleich wirksam gegen Haemophilus influenzae. Es ist zusätzlich aktiv gegen Mycobacterium-avium-Komplex und kann, gegebenenfalls kombiniert mit Rifabutin/Rifampicin und Propionamid oder anderen Medikamenten zur Behandlung von Infektionen durch atypische Mykobakterien eingesetzt werden. Ebenfalls wird Clarithromycin zur einwöchigen Tripletherapie gemeinsam mit Amoxicillin und Omeprazol zur Behandlung der Helicobacter-pylori-Infektion verwendet. Gastrointestinale Resorption und Verträglichkeit sind gut. Es kann 2-mal/Tag verabreicht werden. Clarithromycin wird daher heute häufig den anderen Makroliden vorgezogen.
Azithromycin
Azithromycin gehört formal zu den sog. Azaliden. Es hat eine bessere Aktivität gegen Haemophilus influenzae und Moraxella catarrhalis, jedoch eine geringere Aktivität gegen Staphylokokken und Streptokokken einschließlich Pneumokokken. Es erreicht hohe Konzentrationen in Geweben ebenso wie intrazellulär. Die außerordentlich lange Halbwertszeit von ca. 100 Stunden bewirkt, dass Azithromycin bei einer Applikation über 3 Tage mehr als eine Woche in wirksamer Konzentration im Körper bleibt. Allerdings besteht die Gefahr der Resistenzentwicklung durch lange aufrechterhaltene subinhibitorische Konzentrationen im Gewebe.

Lincosamide

Lincosamide unterscheiden sich strukturell deutlich von den Makroliden, haben jedoch bezüglich Spektrum und Wirkungsmechanismus viele Gemeinsamkeiten. Der einzige klinisch relevante Vertreter ist Clindamycin. Clindamycin hemmt die Proteinsynthese empfindlicher Keime durch Bindung an die ribosomale 50S-Untereinheit und wirkt bakteriostatisch oder bakterizid in Abhängigkeit von der Konzentration am Ort der Infektion und der Empfindlichkeit des Erregers. Das Spektrum umfasst grampositive Kokken und Anaerobier. Gut empfindlich sind Staphylokokken, Pneumokokken, A-Streptokokken und vergrünende Streptokokken. Enterokokken und Listerien sind stets resistent. Unter den Anaerobiern sind Bacteroides-, Fusobacterium-Arten, anaerobe Streptokokken und Propionibakterien empfindlich. Es besteht eine gewisse Kreuzresistenz zu den Makroliden. Die Bioverfügbarkeit nach oraler Gabe liegt bei etwa 75 % und ist unabhängig von der Nahrungszufuhr. Clindamycin besitzt eine gute Gewebegängigkeit mit guter Penetration in den Knochen. Wirksame Liquorspiegel werden nicht erreicht. Gastrointestinale Nebenwirkungen werden bei 5–20 % berichtet; selten entwickelt sich die gefürchtete pseudomembranöse Enterokolitis. Indikationen für Clindamycin in der Pädiatrie sind Anaerobierinfektionen (z. B. Lungenabszess), schwere Staphylokokken-Infektionen oder die orale Weiterbehandlung der Staphylokokken-Osteomyelitis und anderer tiefen Weichgewebeinfektionen. Zur oralen Weiterbehandlung geben viele Autoren allerdings staphylokokkenwirksamen Cephalosporinen den Vorzug, da primär clindamycinresistente Staphylokokken vorkommen. Aus diesem Grund sollte bei schweren Infektionen die Empfindlichkeit in vitro nachgewiesen sein. Clindamycin stellt in Kombination mit Penicillin G das Mittel der Wahl zur Behandlung des „toxic shock“ und des „toxic shock-like syndrome“ dar unter der Vorstellung, dass Clindamycin die Toxinproduktion von Staphylokokken bzw. Streptokokken über die Hemmung der Proteinsynthese blockiert. Ebenfalls wird Clindamycin zur Eradikationsbehandlung bei rezidivierenden A-Streptokokken-Infektionen eingesetzt. Clindamycin kann zur Therapie der ZNS-Toxoplasmose bei AIDS oder bei chloroquinresistenter Malaria in Kombination mit Chinin herangezogen werden.

Tetrazykline

Die wichtigsten Vertreter der unter sich nahe verwandten Tetrazykline sind die sog. neueren Tetrazykline, Doxyzyklin und Minozyklin, zur systemischen Therapie eingesetzt wird praktisch nur Doxyzyklin. Tetrazykline wirken bakteriostatisch durch Hemmung der bakteriellen Proteinsynthese. Sie gelten als Breitspektrumantibiotika und sind extra- sowie intrazellulär wirksam. Das Spektrum erstreckt sich auf grampositive und gramnegative Erreger wie Streptokokken, Pneumokokken, Staphylokokken, Haemophilus influenzae, Bordetella pertussis, Borrelien und Enterobakterien. Der Anteil resistenter Stämme, insbesondere von Pneumokokken und Haemophilus, ist regional unterschiedlich. Immer resistent sind u. a. Pseudomonas aeruginosa und Proteus-Arten. Hervorzuheben ist die gute Wirksamkeit gegenüber intrazellulären Erregern wie Mykoplasmen, Chlamydien und Rickettsien. Die Applikation ist bevorzugt oral, kann aber auch parenteral erfolgen. Die orale Bioverfügbarkeit liegt bei über 75 %. Die häufigsten Nebenwirkungen betreffen – wie bei anderen Antibiotika – den Gastrointestinaltrakt. Daneben können ausgeprägte, nicht immer reversible Fotodermatosen bei Sonneneinstrahlung unter Tetrazyklintherapie entstehen. Tetrazykline sollten nicht an Kinder jünger als 9 Jahre verabreicht werden, da es zu einer irreversiblen Gelbfärbung der Zähne mit Schmelzdefekten und erhöhter Kariesanfälligkeit kommen kann, auch wenn diese Nebenwirkung für Doxyzyklin nicht nachgewiesen ist. Indikationen für Tetrazykline in der Pädiatrie sind wegen der guten Mykoplasmenaktivität die Behandlung der ambulant erworbenen Pneumonie des älteren Kindes, Erkrankungen durch Mykoplasmen, Chlamydien, Rickettsien sowie die Behandlung der Lyme-Borreliose im Frühstadium.
Tigezyklin ist eine neue, vom Minozyklin abgeleitete Substanz mit erweitertem Wirkspektrum gegenüber vielen minozyklinresistenten Mikroorganismen. Sein Wirkspektrum umfasst grampositive und gramnegative Bakterien und sog. atypische Bakterien. Besonders wichtig ist die Wirkung gegen methicillinresistente Staphylokokken, vancomycinresistente Enterokokken, Klebsiellen mit Bildung von Breitspektrum-β-Laktamasen und tetrazyklinresistente Bakterien.

Aminoglykoside

Aminoglykoside hemmen die bakterielle ribosomale Proteinsynthese. Sie wirken nicht nur in der Proliferations-, sondern auch in der Ruhephase von Bakterien. Der Wirktyp ist bakterizid. Aminoglykoside werden oral kaum resorbiert und daher nur parenteral verabreicht mit Ausnahme der Inhalationstherapie von Tobramycin bei CF. Die wichtigsten und klinisch relevanten Nebenwirkungen betreffen Niere und Hörorgan. In der Kombinationsbehandlung mit β-Laktam-Antibiotika wird heute die Einmaldosierung pro Tag bevorzugt. Aufgrund der höheren Spitzenspiegel wird eine höhere bakterizide Aktivität erreicht, während aufgrund des über einen längeren Zeitraum niedrigen Talspiegels die Nephro- und die Ototoxizität reduziert sind. Ein ausgeprägter PAE gewährleistet die anhaltende Hemmung des Bakterienwachstums auch während der Periode des niedrigen Talspiegels. Je höher die initiale Aminoglykosidkonzentration, desto länger anhaltend ist der PAE. Serumspiegelkontrollen sind insbesondere bei Neugeborenen und Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion sowie bei Therapie, die über wenige Tage hinausgeht, zwingend durchzuführen: bei sehr selten indizierter mehrwöchiger Therapie mindestens 1-mal pro Woche. Bei ansonsten gesunden Patienten genügt bei der Einmaldosierung pro Tag die Bestimmung eines Talspiegels, der 18–24 Stunden nach der letzten Gabe (üblicherweise vor der 3. Gabe) entnommen wird und unter 1 mg/l liegen sollte. Bei Patienten mit Mukoviszidose sind höhere Dosierungen erforderlich. Hier muss das Erreichen eines wirksamen Spiegels durch Bestimmung des Peakspiegels dokumentiert werden.
Von klinischer Bedeutung sind heute lediglich die neueren Aminoglykoside Gentamicin, Tobramycin, Netilmicin und Amikacin, deren Spektrum sehr ähnlich ist. Es umfasst Enterobakterien, Pseudomonaden, etliche Nonfermenter und Staphylokokken. Gegen Streptokokken, Enterokokken und Listerien sind Aminoglykoside meist nur in Kombination mit β-Laktam-Antibiotika aktiv. Darüber hinaus zeigt sich in Kombination mit β-Laktam-Antibiotika bei einigen Bakterienarten ein synergistischer Effekt, z. B. mit Piperacillin gegen Pseudomonaden oder mit Cephalosporinen gegen Klebsiellen. Tobramycin ist bei Pseudomonas aeruginosa dem Gentamicin in vitro überlegen. Amikacin zeichnet sich durch das breiteste Spektrum und die geringste Resistenzrate aus, d. h. es ist gegen die meisten gentamicinresistenten Stämme von E. coli, Klebsiella, Proteus, Enterobacter, Citrobacter, Serratia, aber auch Pseudomonas, Acinetobacter und Staphylococcus aureus wirksam. Nichtempfindlich sind die meisten Anaerobier, Burkholderia cepacia und Stenotrophomonas maltophilia. Aufgrund der geringeren antimikrobiellen Aktivität muss Amikacin wesentlich höher dosiert werden als Gentamicin. Aminoglykoside sind wichtige Kombinationspartner von β-Laktam-Antibiotika u. a. bei Patienten mit Sepsis und Infektionen mit multiresistenten Erregern.

Sulfonamide und Trimethoprim

Sulfonamide werden heute aufgrund der relativ geringen antimikrobiellen Aktivität sowie der schnellen Resistenzentwicklung nicht mehr als Monotherapeutika eingesetzt, finden jedoch weiterhin als Kombinationspartner von Folsäureantagonisten wie Trimethoprim oder Pyrimethamin Anwendung bei der Therapie von Infektionen durch Bakterien und eukaryote Erreger (Toxoplasma gondii und Pneumocystis jiroveci). Sulfonamide hemmen die bakterielle Folsäuresynthese über einen anderen Angriffspunkt als die Hemmstoffe der Dihydrofolatreduktase, wie z. B. Trimethoprim. Die klinisch gebräuchlichste Kombination ist Trimethoprim mit Sulfamethoxazol (Cotrimoxazol) in einem Mischungsverhältnis von 1:5. Die doppelte Hemmung der bakteriellen Folsäuresynthese bewirkt eine synergistische Wirkungssteigerung mit einem je nach Bakterienart bakteriziden Effekt. Das Spektrum erstreckt sich auf die meisten aeroben Bakterienarten; ein nicht unerheblicher Anteil an Isolaten kann resistent sein. Grundsätzlich unwirksam ist Cotrimoxazol gegen Mykoplasmen, Chlamydien und Pseudomonas aeruginosa, dagegen sind Burkholderia cepacia und Stenotrophomonas maltophilia meist empfindlich. Zur Behandlung von Pneumocystis jiroveci ist eine 4-fache Dosiserhöhung notwendig. Nach oraler Gabe wird Cotrimoxazol nahezu vollständig resorbiert. Es werden hohe Gewebespiegel insbesondere in den Nieren und in der Lunge erzielt. Liquorkonzentrationen liegen deutlich niedriger, bei entsprechender Dosiserhöhung werden jedoch wirksame Spiegel erzielt. An Nebenwirkungen sind insbesondere die Allergie bis hin zum seltenen Lyell-Syndrom (Epidermolysis acuta toxica) zu beachten. Darüber hinaus wird bei längerer Anwendung eine reversible Knochenmarkdepression beobachtet. Kontraindikationen sind die Anwendung bei bekannter Allergie, Hepatitis und Leberschäden. Im 1. Lebensmonat sollten Sulfonamide nicht eingesetzt werden, ausgenommen zur Behandlung der konnatalen Toxoplasmose in Kombination mit Pyrimethamin. Weitere Indikationen sind die Behandlung unkomplizierter Harnwegsinfektionen, gastrointestinaler Infektionen durch Shigellen oder Salmonellen, die gezielte Behandlung von empfindlichen Erregern sowie Prophylaxe und Therapie der Pneumocystis-jiroveci-Infektion bei Patienten mit angeborenem oder erworbenem T-Zell-Defekt. Trimethoprim als Monosubstanz wird wegen des fehlenden Sulfonamidanteils besser vertragen und kann zur Behandlung unkomplizierter Harnwegsinfektionen und zur Reinfektionsprophylaxe eingesetzt werden.

Gyrasehemmer

Chinolone, von denen heute nur die neueren Fluochinolone eine Rolle spielen, hemmen die für die Nukleinsäuresynthese notwendige bakterielle DNA-Topoisomerase. Sie wirken bakterizid und können oral sowie parenteral appliziert werden. Die orale Resorptionsrate liegt bei 90 %. Die Liquorgängigkeit ist gering. Die Ausscheidung erfolgt überwiegend über die Nieren. Nebenwirkungen sind selten. Am häufigsten treten gastrointestinale Nebenwirkungen auf, seltener Überempfindlichkeitsreaktionen. Gyrasehemmer sind – außer bei Patienten mit Mukoviszidose, die älter als 5 Jahre sind – bisher nur bei Kindern ab 1 Jahr mit komplizierter Harnwegsinfektion und Pyelonephritis als Zweittherapie sowie für alle Kinder zur Soforttherapie des Milzbrands mit systemischer Beteiligung und bei Inhalation von B. anthracis zugelassen. Bei Untersuchungen an jungen Hunden wurden nach hohen Dosen und unter starker Belastung irreversible Knorpelschäden festgestellt. Diese sind allerdings bei Kindern trotz umfangreicher Anwendungsbeobachtungen nicht aufgetreten. Bei älteren Kindern können reversible Arthralgien beobachtet werden. Der Einsatz im Kindesalter im Rahmen eines Heilversuchs ist bisher dennoch auf Situationen beschränkt, in denen adäquate Alternativtherapien fehlen. Chinolone werden in die Gruppen I–IV eingeteilt. Zur Gruppe I gehört das Norfloxacin, zur Gruppe II Ofloxacin und Ciprofloxacin, zur Gruppe III Levofloxacin, zur Gruppe IV Moxifloxacin. Für die Pädiatrie ist gegenwärtig praktisch nur Ciprofloxacin relevant, auch wenn Moxifloxacin durch seine hohe Aktivität gegen grampositive (einschließlich Pneumokokken) und atypische Erreger, sowie Levofloxacillin durch seine Aktivität ebenfalls gegen „atypische“ Erreger möglicherweise in Zukunft auch für die Behandlung von schweren Infektionen der unteren Atemwege bei Kindern und Jugendlichen eine Rolle spielen könnte.
Das Spektrum von Ciprofloxacin umfasst die meisten aeroben gramnegativen und grampositiven Bakterien; die Aktivität gegenüber gramnegativen ist deutlich besser als gegenüber grampositiven Bakterien. Pneumokokken, Enterokokken, A- und B-Streptokokken sind nur mäßig empfindlich. Die Aktivität gegenüber Neisserien und Haemophilus influenzae ist gut. Ein regional unterschiedlicher Teil von Staphylokokken, Pseudomonaden, Stenotrophomonas maltophilia und Acinetobacter-Stämmen ist resistent. Bei längerer Behandlungsdauer kann es insbesondere bei Infektionen durch Pseudomonaden und Staphylokokken zur sekundären Resistenzentwicklung kommen. Die Aktivität von Ofloxacin gegenüber gramnegativen Bakterien ist etwas geringer als die von Ciprofloxacin, gegenüber grampositiven etwa gleich. Ciprofloxacin, Levofloxacin und Moxifloxacin besitzen eine gewisse Aktivität gegenüber Mykobakterien. Der Schwerpunkt der antimikrobiellen Aktivität der Gyrasehemmer liegt bei den Enterobakterien. Als Indikation sind unter Berücksichtigung der oben angeführten Einschränkungen Infektionen durch Pseudomonas aeruginosa oder andere multiresistente Keime anzusehen, die oral behandelt werden können, z. bei Mukoviszidose, Osteomyelitis und chronischer Otitis media. Sie sind auch zur Behandlung von Typhus, Salmonellosen, Shigellosen und zur Sanierung von Salmonellen-Dauerausscheidern sowie Ciprofloxacin zur Prophylaxe bei Meningokokken-Exposition geeignet. Aufgrund der hohen Resorptionsrate ist die Wirksamkeit der oralen der der parenteralen Therapie vergleichbar. Dies birgt nicht zuletzt in den Behandlungskosten erhebliche Vorteile.

Glykopeptide

Die heute verfügbaren Glykopeptide sind Vancomycin und Teicoplanin. Sie greifen durch Hemmung der Peptidoglykanpolymerisation in die Zellwandsythese grampositiver Bakterien ein. Sie treten anders als β-Laktam-Antibiotika nicht in Wechselwirkung mit Enzymen der Zellwandsynthese, sondern mit Bausteinen der Zellwand selbst. Bakterizidie wird ebenso wie bei β-Laktam-Antibiotika nur bei proliferierenden Keimpopulationen erzielt. Vancomycin und Teicoplanin müssen parenteral appliziert werden. An Nebenwirkungen werden am häufigsten Thrombophlebitis und Schmerzen während der Infusion beobachtet, daher muss Vancomycin insbesondere bei Kindern langsam (>30 min) und nicht zu hoch konzentriert verabreicht werden. Bei zu rascher Gabe können Schüttelfrost und Fieber bis hin zum Blutdruckabfall und zum Herzstillstand auftreten. Das Auftreten von Hautrötung mit Juckreiz insbesondere an Oberkörper und Gesicht bis hin zum generalisierten Flush („red man syndrome“) wird ebenfalls nach zu rascher Gabe beobachtet. Vancomycin wird zu 80–90 % renal ausgeschieden. Die gefürchtete Nephro- und Ototoxizität tritt bei den neuen Vancomycinpräparationen sehr selten und nur bei sehr hohen Serumkonzentrationen, z. B. infolge Niereninsuffizienz, auf. Daher sind unter Therapie die Nierenfunktion und Serumspiegel (Talspiegel) zu kontrollieren: Dies gilt insbesondere für Neugeborene und Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion. Teicoplanin wird im Allgemeinen gut vertragen, Serumspiegelbestimmungen sind daher aus Toxizitätsgründen nicht notwendig. Aufgrund der langen Halbwertszeit kann es einmal am Tag appliziert werden. Die Gewebegängigkeit der Glykopeptide mit Ausnahme des Knochens ist gut. Vancomycin ist bei nichtentzündeten Meningen schlecht liquorgängig, nur bei Meningitis können wirksame Spiegel erreicht werden. Teicoplanin ist nicht liquorgängig. Glykopeptide sind in vitro gegenüber praktisch allen grampositiven Kokken und Stäbchen, auch gegenüber oxacillinresistenten Staphylococcus-aureus-Stämmen und koagulase-negativen Staphylokokken, Enterokokken sowie Corynebacterium jeikeium wirksam. Sie haben aufgrund der wachsenden Zahl von fremdkörperassoziierten Krankenhausinfektionen durch multiresistente grampositive Bakterien erheblich an Bedeutung gewonnen. In den letzten Jahren sind infolge des häufigen Einsatzes jedoch vermehrt Infektionen durch glykopeptidresistente Enterokokken und glykopeptidresistente koagulase-negative Staphylokokken beobachtet worden. Bei schweren Staphylokokken-Infektionen scheint ein Synergismus mit Rifampicin zu bestehen, bei schweren Enterokokken- oder Streptococcus-viridans-Infektionen ein Synergismus mit Gentamicin. Zwischen Vancomycin und Teicoplanin besteht eine inkomplette Kreuzresistenz, so können Enterokokken gegenüber Vancomycin resistent und gegenüber Teicoplanin empfindlich und koagulase-negative Staphylokokken gegenüber Teicoplanin resistent und gegenüber Vancomycin empfindlich sein. Aufgrund der zunehmenden Resistenzentwicklung und der Tatsache, dass bei Glykopeptidresistenz nur wenige neue, im Kindesalter kaum evaluierte Antibiotika gegenüber grampositiven Erregern zur Verfügung stehen, ist die Indikation zur Anwendung der Glykopeptide streng zu stellen. Als Indikationen können nur nachgewiesene Infektionen durch entsprechend resistente Erreger gelten. Regelhaft sind Infektionen durch glykopeptidempfindliche Keime wenig foudroyant, sodass der Erregernachweis vor Beginn einer Therapie abgewartet werden kann; Ausnahmen sind onkologische Patienten in Neutropenie. Zur Behandlung der antibiotikainduzierten pseudomembranösen Enterokolitis kann Vancomyin oral eingesetzt werden.

Chloramphenicol

Chloramphenicol war das erste klinisch eingesetzte Breitspektrumantibiotikum, das synthetisch hergestellt wurde. Wegen der niedrigen Produktionskosten wird Chloramphenicol insbesondere in Teilen der Welt, in denen weniger toxische und wirksamere Antibiotika zu teuer sind, weiterhin breit angewendet. Chloramphenicol hemmt die bakterielle Proteinsynthese, die Wirkungsweise ist bakteriostatisch. Die Resorption nach oraler Gabe ist rasch und liegt bei ca. 90 %. Chloramphenicol penetriert gut in alle Organe einschließlich des Glaskörpers und des Kammerwassers des Auges sowie in Abszesse. Auch intrazellulär gelegene Keime werden erfasst. Im Liquor werden 50 % der Serumkonzentration erreicht, bei entzündeten Meningen sogar 100 %. Die Ausscheidung erfolgt überwiegend renal (90 %). Die Anwendung von Chloramphenicol kann mit erheblichen Nebenwirkungen belastet sein. Am gefürchtetsten ist die aplastische Anämie mit Panzytopenie, jedoch können auch isoliert einzelne Reihen der Blutbildung betroffen sein. Die aplastische Anämie kann sowohl nach kurzer als auch nach längerer Behandlungsdauer auftreten, scheint am häufigsten nach intermittierenden kurzen Behandlungszyklen zu sein und tritt meist etwa 1 Woche nach Therapieende auf. Die Häufigkeit wird mit 1:10.000 bis 1:50.000 angegeben. Sie kann nach oraler und nach parenteraler Gabe auftreten. Bei Früh- und Neugeborenen kann es durch eine noch mangelnde Glukuronidierungsfähigkeit der Leber zu einer Akkumulation von unkonjugiertem aktivem Chloramphenicol kommen, das zu schwerer akuter Toxizität mit irreversiblem Kreislaufversagen führt (Gray-Syndrom). Daher sollte Chloramphenicol in dieser Altersgruppe nicht eingesetzt werden. Ist dies dennoch notwendig, sind engmaschige Kontrollen des Serumspiegels erforderlich, z. T. mehrfach täglich. Häufigere, aber weniger schwerwiegende Nebenwirkungen von Chloramphenicol betreffen den Magen-Darm-Trakt. Die Indikation für Chloramphenicol ist streng zu stellen, da andere wirksame und weniger toxische Medikamente zur Verfügung stehen. Verbliebene Indikationen sind schwere intraokuläre Infektionen durch empfindliche Erreger, bei denen nebenwirkungsärmere Antibiotika (z. B. Chinolone) unwirksam sind, sowie in bestimmten Situationen die Behandlung von Hirnabszessen oder therapierefraktären Meningitiden. Die Gesamtdosis von 25–30 g bei Erwachsenen und 700 mg/kg KG bei Kindern, entsprechend einer Behandlungsdauer von ca. 14 Tagen, darf nicht überschritten werden.

Nitrofurane

Der Hauptvertreter Nitrofurantoin wirkt bakteriostatisch durch Enzymhemmung im bakteriellen Zuckerstoffwechsel. Nitrofurantoin wird rasch und vollständig aus dem Darm resorbiert und ebenso rasch wieder über die Nieren eliminiert, sodass keine wirksamen Serumspiegel erreicht werden. Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion kann es aber zu einer Akkumulation mit toxischen Nebenwirkungen kommen. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Erbrechen und Übelkeit sowie allergische Hautreaktionen. Gefürchtet ist die Polyneuropathie, die insbesondere bei Langzeittherapie oder Niereninsuffizienz beobachtet wird und nur teilweise reversibel ist. In vitro ist Nitrofurantoin aktiv gegen die Mehrzahl der üblichen gramnegativen und grampositiven Erreger von Harnwegsinfektionen mit Ausnahme der meisten Proteus- und Pseudomonas-Arten. Im Gegensatz zu anderen Substanzen, die zur Behandlung von Harnwegsinfektionen üblicherweise eingesetzt werden, entstehen Resistenzen unter Therapie nur selten. Dennoch ist die Indikation streng zu stellen. Es sollte nur zur Langzeitprophylaxe von Harnwegsinfektionen eingesetzt werden, bei der andere, weniger toxische Medikamente nicht wirksam sind. Bei jungen Säuglingen (1. Trimenon) darf Nitrofurantoin wegen der Gefahr einer hämolytischen Anämie nicht verwendet werden.

Metronidazol

Metronidazol gehört zur Gruppe der Nitroimidazole, die in ihrer Struktur den Nitrofuranen ähneln. Sie hemmen die Nukleinsäuresynthese anaerober Bakterien und wirken stark bakterizid. Daneben sind sie bereits in niedrigen Konzentrationen gegen Protozoen wie Amöben, Lamblien und Trichomonaden wirksam. Metronidazol wird enteral rasch und gut resorbiert. Die Ausscheidung erfolgt überwiegend über die Nieren. Häufig werden gastrointestinale Nebenwirkungen beobachtet, die jedoch nur selten eine Therapieunterbrechung erforderlich machen. Schwerwiegender sind periphere Neuropathien und zentralnervöse Symptome. Metronidazol erzielt hohe Konzentrationen im Liquor sowie eine exzellente Gewebepenetration einschließlich Gehirn und Abszesshöhlen. Das Spektrum umfasst fast alle obligat anaeroben Bakterien einschließlich Bacteroides-Arten und Clostridien. Daher wird es erfolgreich bei der Behandlung von Hirnabszessen als Kombinationspartner von Penicillinen und Cephalosporinen eingesetzt. Weitere Indikationen sind Abdominal- oder andere Infektionen mit Beteiligung von Anaerobiern. Daneben ist Metronidazol das Mittel der Wahl zur oralen Behandlung der Enterokolitis durch toxinbildende Closttridium-ifficile-Stämme.

Fosfomycin

Fosfomycin ist ein sehr einfach aufgebautes, kleines Molekül, das sich in keine der bekannten Antibiotikagruppen einteilen lässt. Es wirkt durch Blockade der Zellwandsynthese bakterizid in der Wachstumsphase von Bakterien. Aufgrund der schlechten oralen Resorption muss es bei systemischen Infektionen parenteral appliziert werden. An Nebenwirkungen sind neben gastrointestinalen Beschwerden, Hautausschlag und Venenreizung insbesondere die starke Natriumbelastung bei höherer Dosierung zu beachten. Das antibakterielle Spektrum umfasst Staphylokokken, Haemophilus influenzae, E. coli und andere Enterobakterien sowie einen Teil von Pseudomonas-Stämmen und Anaerobiern. Sekundäre Resistenzentwicklung ist möglich. Die kleine Molekülgröße bewirkt eine gute Gewebegängigkeit, insbesondere in den Knochen. Indikationen für die Anwendung von Fosfomycin sind schwere Infektionskrankheiten, z. B. Osteomyelitis, Mastoiditis oder Meningitis. Bei schweren Staphylokokken-Infektionen kann Fosfomycin auch mit β-Laktam-Antibiotika und Vancomycin kombiniert werden. Da nur wenige Studien zur klinischen Wirksamkeit vorliegen, ist Fosfomycin als Reserveantibiotikum beim Versagen anderer Alternativen anzusehen.

Rifampicin und Rifabutin

Rifampicin und Rifabutin gehören in die Gruppe der Ansamycine. Sie hemmen die bakterielle RNA-Polymerase mit einer breiten antimikrobiellen und stark bakteriziden Aktivität. Sie werden nach oraler Gabe fast vollständig resorbiert. Die Gewebegängigkeit ist gut, ebenso die intrazelluläre Penetration und Aktivität. Die Liquorgängigkeit ist gering. Häufig sind gastrointestinale Nebenwirkungen sowie ein geringer Transaminasenanstieg. Bei Transaminasen über 100 U/l und Anstieg des Bilirubins muss Rifampicin abgesetzt werden, da insbesondere bei Vorschädigung der Leber letale Leberdystrophien auftreten können. Selten beobachtet man Blutbildveränderungen sowie ein grippeähnliches Krankheitsbild. Zu beachten ist die Orangeverfärbung von Körperflüssigkeiten (Urin, Speichel, Tränenflüssigkeit usw.) unter Therapie, die auch zu einer permanenten Verfärbung von Kontaktlinsen führen kann. Das Spektrum von Rifampicin umfasst insbesondere bestimmte Mykobakterien (u. a. Mycobacterium tuberculosis), grampositive Kokken einschließlich oxacillinresistenter Staphylokokken und penicillinresistenter Pneumokokken, Meningokokken, Haemophilus influenzae, Legionellen und Chlamydien. Aufgrund der raschen Resistenzentwicklung unter Rifampicinmonotherapie muss eine Kombinationsbehandlung mit anderen Antibiotika bzw. Tuberkulostatika erfolgen. Zur kurzfristigen Eradikationstherapie bzw. Prophylaxe bei Haemophilus-influenzae- oder Meningokokken-Exposition kann Rifampicin, üblicherweise 10 mg/kg KG alle 12 h über 2 Tage oder 20 mg/kg KG alle 24 h über 4 Tage, allein eingesetzt werden (maximal 600 mg/Tag). Weitere Indikationen sind neben der Tuberkulosetherapie (Abschn. 1.3) die Behandlung von schweren Staphylokokken-Infektionen (z. B. Endokarditis oder Shuntinfektionen) sowie Meningitis durch penicillin- und cephalosporinresistente Pneumokokken als Kombinationspartner von β-Laktam-Antibiotika bzw. Vancomycin. Rifabutin, das über einen 2. Mechanismus bakterizid wirkt, kann bei Rifampicinresistenz versucht werden. Daneben ist seine Aktivität gegen atypische Mykobakterien deutlich besser als die von Rifampicin. Ob dies klinisch eine Rolle spielt, ist offen. Als Kombinationspartner von Clarithromycin und gegebenenfalls Protionamid wird es alternativ zu Rifampicin zur Therapie von atypischen Mykobakterien-Infektionen eingesetzt. Hierbei ist das Auftreten von reversiblen Uveitiden (regelmäßige augenärztliche Untersuchung notwendig) und einer reversiblen Braunverfärbung der Zähne zu beachten.

Fusidinsäure

Fusidinsäure ist keiner der bekannten Antibiotikaklassen zuzuordnen und in der Pädiatrie von untergeordneter Bedeutung. Es wirkt bakteriostatisch durch Hemmung der Proteinsynthese. Die Resorption nach oraler Gabe ist langsam. Es werden gute Gewebespiegel insbesondere im Knochen, in der Synovia sowie im Eiter erzeugt. Die Aktivität beschränkt sich im Wesentlichen auf Staphylokokken. Klinische Studien zur Wirksamkeit fehlen. Bei Staphylokokken-Infektionen kann es theoretisch bei Penicillinallergie oder Versagen anderer Antibiotika eingesetzt werden, bei schweren Infektionen auch als Kombinationspartner konventioneller Antibiotika, wird aber praktisch kaum eingesetzt mit Ausnahme der beliebten lokalen Anwendung bei Hautinfektionen.

Mupirocin

Mupirocin ist eine von Pseudomonas fluorescens sezernierte Substanz mit bakteriostatischer Wirkung durch Hemmung der bakteriellen Proteinsynthese. Es besteht keine Verwandtschaft zu anderen Antibiotika. Die antibakterielle Aktivität schließt die typischen Erreger von Hautinfektionen, Staphylococcus aureus und Gruppe-A-Streptokokken, ein. Es wird daher lokal zur Behandlung von Hautinfektionen mit gelegentlichen örtlichen Reizungserscheinungen eingesetzt. Daneben wird es in Kombination mit anderen Maßnahmen zur Elimination von nasaler Besiedlung mit oxacillinresistenten Staphylokokken verwendet. Der steigende Gebrauch hat allerdings zu einer relevanten Zunahme der Resistenz bei MRSA geführt, sodass heute in vielen Fällen eine Behandlung mit Octenidin (statt Mupirocin) erfolgen sollte.

Polymyxine

Polymyxine (Colistin, Polymyxin B) besitzen keine Verwandtschaft zu anderen Antibiotika. Sie werden enteral praktisch nicht resorbiert, besitzen aber erhebliche Neuro- und Nephrotoxizität bei parenteraler Anwendung sowie eine schlechte Gewebepenetration. Heftige allergische Reaktionen können auftreten. Die Wirkungsweise ist bakterizid bei ruhenden und sich teilenden Bakterien durch Veränderung der Zytoplasmamembran. Das Spektrum erstreckt sich ausschließlich auf gramnegative Bakterien einschließlich Pseudomonaden. Der Einsatz ist im Wesentlichen auf lokale Anwendungen beschränkt, z. B. zur nicht unumstrittenen selektiven Darmdekontamination bei onkologischen Patienten, zur topischen Behandlung der Otitis externa oder Konjunktivitis durch Pseudomonaden. Aufgrund zunehmender Resistenzentwicklung bei gramnegativen Stäbchen wird Colistin heute auch zur Inhalationstherapie bei Patienten mit Mukoviszidose (Colistimethat-Natrium, zugelassen ab 2 Jahren; 1 mg Colistimethat =12.500 IE; 80 mg =1.000.000 IE) sowie in parenteraler Form bei schweren Infektionen durch multiresistente gramnegative Bakterien eingesetzt.

Pristinamycinderivate

Die Pristamycine gehören in die Gruppe der Streptogramine. Erhältlich ist heute das Kombinationspräparat Synercid, bestehend aus den Einzelkomponenten Quinupristin und Dalfopristin, die stark synergistisch wirken. Das Aktivitätsspektrum umfasst alle grampositiven Kokken. Von besonderer Bedeutung ist seine Aktivität auch gegen oxacillinresistente Staphylokokken, vancomycinresistente Enterokokken und penicillinresistente Pneumokokken. Die Aktivität in vitro gegen Enterococcus faecalis ist deutlich geringer als die gegen Enterococcus faecium. Weiterhin sind Quinupristin/Dalfopristin aktiv gegen Legionellen, Mykoplasmen und Chlamydien sowie gegen einige Anaerobier (nicht Bacteroides fragilis). Eine Kreuzresistenz zu Antibiotika anderer Klassen besteht nicht. Quinupristin/Dalfopristin werden i. v. appliziert (Dosierung 3-mal täglich je 7,5 mg/kg KG). An Nebenwirkungen ist besonders die starke Venenwandreizung relevant; deswegen muss es stark verdünnt appliziert werden. Die Bedeutung von Quinupristin/Dalfopristin liegt in der Aktivität auch gegen multiresistente Staphylokokken, Enterokokken und Pneumokokken. Für Kinder und Jugendliche ist die Kombination nicht zugelassen. Das Präparat ist derzeit nicht erhältlich.

Oxazolidinone

Oxazolidinone stellen eine neue Klasse vollsynthetischer Antibiotika dar, deren bisher wichtigster Vertreter das Linezolid ist. Sie hemmen die bakterielle Proteinsynthese. Bei einer Bioverfügbarkeit von 100 % sind sie oral und parenteral gleichermaßen anwendbar. Ihre besondere Bedeutung liegt wie bei Quinupristin/Dalfopristin in der Aktivität gegen multiresistente grampositive Bakterien einschließlich oxacillinresistenter Staphylokokken, vancomycinresistenter Enterokokken und penicillinresistenter Pneumokokken. Eine Kreuzresistenz zu Antibiotika anderer Klassen besteht nicht. Sie könnten damit auch bei Kindern als Reserveantibiotika zur Therapie ansonsten nicht behandelbarer Infektionen durch grampositive Erreger eine erhebliche Bedeutung gewinnen. Ebenfalls empfindlich sein können typische und atypische Mykobakterien, sodass es auch dort als Reserveantibiotikum eingesetzt wird. Die Penetration in Gewebe wie Lunge, Haut, Knochen und Liquor ist ausgezeichnet. Linezolid wird überwiegend renal ausgeschieden. Die Dosierung wird für Kinder >12 Jahren mit 10 mg/kg KG alle 12 Stunden, bei Kindern <12 Jahren mit 10 mg/kg KG alle 8 Stunden und bei Frühgeborenen <34. SSW und jünger als 7 Tagen mit 10 mg/kg KG alle 12 Stunden angegeben. An Nebenwirkungen stehen gastrointestinale Beschwerden, hämatologische Veränderungen und allergische Hautreaktionen im Vordergrund.

Daptomycin

Daptomycin ist ein zyklisches Peptidantibiotikum, das durch eine irreversible Bindung an die Zellmembran bakterizid wirkt. Es ist aktiv gegen multiresistente grampositive Bakterien wie Staph. aureus und koagulasenegative Staphylokokken einschließlich methicillin- und vancomycinresistenter und -intermediärempfindlicher Stämme (VRSA, VISA), Streptokokken einschließlich penicillinresistenter Stämme, Enterokokken einschließlich vancomycinresistenter Stämme (VRE) und ist u. a. geeignet für die Behandlung komplizierter Haut- und Weichteilinfektionen durch MRSA oder VRSA. Seine Wirkung gegen MSSA ist zwischen der von β-Laktam-Antibiotika wie Flucloxacillin und der von Vancomycin einzuordnen. Daptomycin ist nicht wirksam zur Therapie der Pneumonie, weil es durch Surfactant inaktiviert wird. Daptomycin ist für Kinder und Jugendliche nicht zugelassen.

Notroxolin

Nitroxolin führt über die Chelatbildung mit Magnesiumionen der Bakterienzelle unter anderem zur Adhärenzhemmung sensibler, fimbrientragender Bakterien am Uroepithel. Es ist geeignet zur Therapie der unkomplizierten Zystitis und zugelassen ab 3 Jahren. Wegen niedriger Gewebespiegel im Nierenparenchym ist Nitroxolin nicht einsetzbar bei Pyelonephritis und sollte nicht angewendet werden bei Nierenfunktionseinschränkung.

Medikamente zur Behandlung der Tuberkulose

Man unterscheidet bei den Mitteln zur Behandlung der Tuberkulose (Kap. „Atypische bakterielle Infektionen bei Kindern und Jugendlichen: Mykobakteriosen“) Substanzen der 1. Wahl mit höherer Effektivität und niedrigerer Toxizität sowie Substanzen der Reserve mit geringerer Effektivität und teilweise zahlreicheren oder schwerwiegenderen Nebenwirkungen. Nur die Tuberkulostatika der 1. Wahl sollen hier besprochen werden. Zu ihnen gehören Isoniazid, Rifampicin (Abschn. 1.2, „Rifampicin und Rifabutin“), Pyrazinamid, Streptomycin und Ethambutol. Die empfohlenen Dosierungen sind in Tab. 5 aufgelistet.
Tab. 5
Empfohlene Dosierungen ausgewählter Antituberkulostatika
Medikament
Applikation
Einzeldosen/Tag
Kinderdosierung/kg KG und Tag
Maximale Tagesdosis
Isoniazid
p.o.
1
200 mg/m2 KOF entsprechend
0,3 g
0–5 Jahre
p.o.
1
8–10 mg
6–9 Jahre
p.o.
1
7–8 mg
10–14 Jahre
p.o.
1
6–7 mg
15–18 Jahre
p.o.
1
5–6 mg
Pyrazinamid a
p.o.
1
30 mg
2 g
Rifampicin
p.o.
1
350 mg/m2 KOF entsprechend
0,6 g
0–5 Jahre
p.o.
1
15 mg
6–9 Jahre
p.o.
1
12 mg
10–14 Jahre
p.o.
1
10 mg
15–18 Jahre
p.o.
1
10 mg
Rifabutin
p.o.
1
5 mg
Ethambutol
p.o.
1
850 mg/m2 KOF entsprechend
1,75 g
0–5 Jahre
p.o.
1
30 mg
<5 Jahre
p.o.
1
25 mg
Streptomycin b
i. m., i. v.
1
20 mg
0,75 g
aMaximale Therapiedauer 2–3 Monate; b maximale Gesamtdosis 30 g/m2 KOF

Isoniazid

Isoniazid (INH) hemmt die bakterielle Nukleinsäure- und Mykolsäuresynthese in konzentrationsabhängig entweder bakterizider oder bakteriostatischer Form. Isoniazid wirkt ausschließlich auf Mykobakterien vom Mycobacterium-tuberculosis-Komplex. Es wird nach oraler Gabe gut resorbiert und im Organismus durch Azetylierung entweder schnell oder langsam inaktiviert. Gewebe- und Liquorgängigkeit sind gut. An Nebenwirkungen kann es insbesondere bei vorgeschädigter Leber und zu Therapiebeginn zu vorübergehenden Transaminasenanstiegen bis hin zu klinisch manifester Hepatitis kommen. Das bei Erwachsenen beobachtete Leberversagen kommt bei Kindern nicht vor. Darüber hinaus können zentralnervöse Störungen und periphere Neuritiden auftreten. Prophylaktisch sollte Vitamin B6 verabreicht werden. Isoniazid gehört zu den wichtigen, gut wirksamen Medikamenten in der Tuberkulosebehandlung. Es ist das Mittel der Wahl zur prophylaktischen Behandlung bei gefährdeten Personen oder Tuberkulinkonvertern.

Rifampicin

Abschn. 1.2, „Rifampicin und Rifabutin“.

Pyrazinamid

Pyrazinamid wirkt bakterizid auf humane Tuberkelbakterien. Es wird enteral gut resorbiert und weist eine gute Gewebediffusion und Liquorgängigkeit auf. Nebenwirkungen treten sehr selten auf und betreffen die Blutbildung und die Leber. Es gehört zu den essenziellen Medikamenten in der initialen Kombinationsbehandlung der Tuberkulose.

Rifabutin

Abschn. 1.2, „Rifampicin und Rifabutin“.

Ethambutol

Ethambutol hat eine bakteriostatische Wirkung auf proliferierende Tuberkelbakterien. Es wird nach oraler Gabe gut resorbiert und ist gut liquorgängig. Die wichtigste Nebenwirkung ist die meist reversible Retrobulbärneuritis, daher sind regelmäßige augenärztliche Untersuchungen notwendig.

Streptomycin

Streptomycin wirkt als Aminoglykosid bakterizid auf extrazellulär gelegene Tuberkelbakterien. Die Resorption nach oraler Gabe ist minimal. Die Anreicherung in den Geweben, einschließlich Lunge, ist gut, die Penetration in den Liquor gering. Die Nebenwirkungen entsprechen denen der anderen Aminoglykoside (Abschn. 1.2, „Aminoglykoside“). Wegen der parenteralen Applikation und den nicht unerheblichen Nebenwirkungen bei langer Therapiedauer wird Streptomycin heute nur noch selten gebraucht.

Antimykotische Therapie

Durch die Entwicklung neuer Breitspektrumantimykotika konnten die Optionen zur Prophylaxe und Therapie invasiver Pilzinfektionen deutlich erweitert werden. Allerdings ist bisher nur ein Teil der antimykotischen Substanzen für Kinder zugelassen und es bestehen nicht für alle Antimykotika Dosisempfehlungen für alle pädiatrische Altersgruppen (Tab. 6). Im Gegensatz zu erwachsenen Patienten ist aufgrund der dramatischen Veränderungen im Verhältnis zwischen Körperoberfläche und Körpergewicht von Geburt bis hin zum Jugendalter sowie der altersabhängigen funktionellen Charakteristika von Leber und Niere hinsichtlich der Verstoffwechselung und Elimination des Medikamentes bei Kindern eine einheitliche Dosierung der antimykotischen Medikamente nach Körperoberfläche oder nach Körpergewicht in vielen Fällen nicht möglich.
Tab. 6
Empfohlene Dosierungen ausgewählter Antimykotika
Substanz
(Handelsname)a
Tagesdosisb
Bemerkungenc
Amphotericin-B-Deoxycholat
(z. B. Fungizone™)
0,7–1 mg/kg KG in 1 ED i. v.
 
Liposomales Amphotericin B
(z. B. AmBisome™)
(1–)3(–5) mg/kg KG in 1 ED i. v.
1 mg/kg KG entsprechend kleineren Studien als Option für die empirische Therapie
≥5 mg/kg KG bei Mukormykose
Amphotericin-B-Lipidkomplex (z. B. Abelcet™)
5 mg/kg KG in 1 ED i. v.
≥5 mg/kg KG bei Mukormykose
Fluconazol
(z. B. Diflucan™ und Generika)
(8)–12 mg/kg KG in 1 ED i. v. oder p.o.
Max. Tagesdosis 400 mg für Prophylaxe, 800 mg für Therapie
Itraconazol
(z. B. Sempera™ und Generika)
5 mg/kg KG in 2 ED p.o. (Suspension)
TDM empfohlen
(Talspiegel ≥0,5 μg/ml)
Voriconazol
(z. B. VFend™ und Generika)
2–12 Jahre bzw. 12–14 Jahre und <50 kg: 16 mg/kg KG in 2 ED (Tag 1: 18 mg/kg KG) i. v. und 18 mg/kg KG in 2 ED p.o. (max. 700 mg/d)
TDM empfohlen
(Talspiegel 1–6 μg/ml)
≥15 Jahre bzw. 12–14 Jahre und ≥50 kg: 8 mg/kg KG in 2 ED (Tag 1: 12 mg/kg KG) i. v.; 400 mg in 2 ED p.o.
Posaconazol
(z. B. Noxafil™)
300 mg (Tag 1: 2×300 mg) p. o. oder i. v. in 1 ED für Patienten ≥ 13 Jahre; fehlende Dosisempfehlung für Patienten < 13 Jahre.
 
Isavuconazol
(z. B. Cresemba™)
200 mg (Tag 1 und 2: 600 mg in 3 ED) in 1 ED p.o. oder i. v. für Erwachsene; bisher keine Dosisempfehlung für Pädiatrische Patienten
TDM für Pädiatrische Patienten empfohlen Suspension wird oft ungenügend resorbiert
Caspofungin
(z. B. Cancidas™ und Generika)
50 mg/m2 KOF (Tag 1: 70 mg/m2 KOF) in 1 ED i. v. (max. 70 mg)
 
Micafungin
(z. B. Mycamine™)
Therapie:
2–4 mg/kg KG (>50 kg: 100–200 mg) in 1 ED i. v.
 
Prophylaxe:
1 mg/kg KG (>50 kg: 50 mg) in 1 ED i. v.
 
Anidulafungin
(z. B. Ecalta™)
100 mg (Tag 1: 200 mg) in 1 ED i. v. für Erwachsene; bisher keine Dosisempfehlung für Pädiatrische Patienten
 
5-Flucytosin
(z. B. Ancotil™)
100 mg/kg KG in 3–4 ED i. v.
TDM empfohlen
(Talspiegel 40–60 μg/ml)
aDie für das Kindesalter zugelassenen Substanzen sind fett gedruckt
bBeachte: Nicht für alle Substanzen liegen pädiatrische Dosierungen vor!
cWeitere Anmerkungen im Text sowie in den jeweiligen Fachinformationen sind zu beachten
ED Einzeldosis; i. v. intravenöse Gabe; p.o. orale Gabe; TDM therapeutisches Drugmonitoring

Polyene: Amphotericin B

Für viele Jahre war das zur Substanzklasse der Polyene gehörende Amphotericin B die Standardsubstanz in der Behandlung invasiver Mykosen. Aufgrund der hohen Rate an infusionsassoziierten Nebenwirkungen sowie der ausgeprägten Nephrotoxizität (Kaliumverlust, Kreatininanstieg) ist das konventionelle Amphotericin-B-Deoxycholat nur noch bei Früh- und Neugeborenen mit Candidämie und bei der Kryptokokken-Meningoenzephalitis in Kombination mit 5-Flucytosin Substanz der 1. Wahl und wird ansonsten nicht mehr empfohlen. Dahingegen sind Amphotericinlipidformulierungen aufgrund des deutlich besseren Nebenwirkungsprofils weit verbreitet. Das liposomale Amphotericin B ist eine für das Kindesalter zugelassene Option der empirischen antimykotischen Therapie bei Fieber und Granulozytopenie. Außerdem ist die Substanz für pädiatrische Patienten zugelassen als Erstlinientherapie invasiver Infektionen durch Candida spp., Aspergillus spp. und andere Pilzarten, wie z. B. Mucormyceten. Bei einer ZNS-Beteiligung wird eine Dosissteigerung auf mindestens 5 mg/kg KG pro Tag empfohlen. Amphotericin-B-Lipidkomplex besitzt gegenüber dem liposomalen Amphotericin B ein ungünstigeres Nebenwirkungsprofil und ist im Kindesalter als Zweitlinientherapie invasiver Infektionen sowohl durch Candida und Aspergillus spp. als auch durch andere Pilzarten zugelassen.

Triazole

Antimykotische Triazole sind insgesamt besser verträglich als konventionelles Amphotericin B. Der Wirkmechanismus dieser Substanzen besteht in einer Hemmung der Zytochrom-P450-abhängigen Umwandlung von Lanosterol in Ergosterol, was zur Hemmung des Zellwachstums führt. Gemeinsam sind den Triazolen mehr oder weniger stark ausgeprägte Arzneimittelinteraktionen mit zahlreichen Substanzen, was bei der Anwendung unbedingt beachtet werden muss. Die derzeit verfügbaren Triazole wie Fluconazol, Itraconazol, Voriconazol, Posaconazol und Isavuconazol sind sowohl oral als auch parenteral verfügbar.

Fluconazol

Das Wirkspektrum von Fluconazol umfasst u. a. Candida-Arten und Cryptococcus neoformans, nicht jedoch Aspergillus spp. und andere opportunistische Fadenpilze. C. krusei ist intrinsisch resistent, C. glabrata besitzt eine eingeschränkte Empfindlichkeit. Die Substanz ist für das Kindesalter zugelassen und insbesondere eine Option in der Primärprophylaxe und Erstlinientherapie invasiver Candida-Infektionen, wobei Letzteres nur für nicht-granulozytopene Patienten in stabilem klinischem Zustand gilt.

Itraconazol

Itraconazol ist für das Kindesalter nicht zugelassen und besitzt über die für Fluconazol beschriebene Aktivität hinaus eine antimykotische Wirkung gegen Aspergillus-Arten und einige andere opportunistische Schimmelpilze. Bei oraler Verabreichung werden häufig gastrointestinale Nebenwirkungen beobachtet, und aufgrund der variablen Resorption sollte ein therapeutisches Monitoring (Talspiegel ≥0,5 μg/ml) durchgeführt werden. Itraconazol ist eine Option für die Primärprophylaxe invasiver Pilzinfektionen bei Hochrisikopatienten sowie für die orale Zweitlinientherapie invasiver Aspergillus-Infektionen und der oralen Konsolidierungs- und Erhaltungstherapie invasiver Infektionen durch Aspergillus spp. und andere Fadenpilze.

Voriconazol

Voriconazol ist ein synthetisches Triazol mit Breitspektrumaktivität gegenüber Hefe- und Schimmelpilzen, wobei Mucormyceten nicht erfasst werden. Die Substanz ist für Kinder ab 2 Jahren zugelassen. Zu den wichtigsten unerwünschten Nebenwirkungen gehören vorübergehende Transaminasenerhöhungen (<20 %), Hautreaktionen (<10 %), Halluzinationen (<10 %) und dosisabhängige vorübergehende Sehstörungen (<45 %). Aufgrund des variablen Metabolismus wird ein therapeutisches Monitoring angeraten (Talspiegel ≥1–6 μg/ml). Die Substanz wird empfohlen für die Erstlinientherapie invasiver Infektionen durch Candida- und Aspergillus-Arten (insbesondere bei ZNS-Aspergillosen) und ist eine Option zur Therapie invasiver Infektionen durch Fusarium spp., Scedosporium prolificans und anderer Fadenpilze. Voriconazol besitzt auch eine Zulassung zur Primärprophylaxe invasiver Pilzinfektionen bei Hochrisikopatienten.

Posaconazol

Posaconazol ist aktiv gegenüber Hefe- und Schimmelpilzen, jedoch im Gegensatz zu Voriconazol auch gegen Mucormyceten. Die Substanz ist für Patienten <18 Jahre nicht zugelassen. Jugendliche ≥13 Jahren weisen eine ähnliche Pharmakokinetik wie Erwachsene auf; die pädiatrischen Dosisfindungsstudien befinden sich im fortgeschrittenen Stadium. Die Absorption der gastroresistenten Tabletten ist im Gegensatz zur bisher gebräuchlichen Suspension deutlich verbessert. Neben der Primärprophylaxe invasiver Pilzinfektionen bei Hochrisikopatienten wird die Substanz vor allem als orale Zweitlinientherapie invasiver Aspergillus-Infektionen und zur oralen Konsolidierungs- und Erhaltungstherapie invasiver Infektionen durch Aspergillus spp., Erreger der Mucormykose und andere Fadenpilzen eingesetzt.

Isavuconazol

Isavuconazol ist ein neues Triazol, das bei Erwachsenen zur Erstlinienbehandlung der invasiven Aspergillose und zur Behandlung der Mukormykose zugelassen ist. Vorteile gegenüber Voriconazol sind eine weniger variable Exposition und geringere Arzneimittelinteraktionen. Pädiatrische Dosisfindungsstudien sind initiiert.

Echinocandine

Die Echinocandine wirken über eine Hemmung der Synthese von 1,3-β-D-Glucan, einem wesentlichen Zellwandbestandteil vieler pathogener Pilze. Die vorliegenden Daten legen nahe, dass die derzeit verfügbaren Echinocandine sich hinsichtlich ihres Wirkspektrums, ihrer antimykotischen Aktivität sowie ihrer insgesamt sehr guten Verträglichkeit nicht fundamental unterscheiden. Echinocandine, die nur intravenös verabreicht werden können, haben eine breite antimykotische Wirkung gegenüber Candida- und Aspergillus-Arten; allerdings fehlt den Substanzen eine Aktivität gegenüber Mucormyceten. Für pädiatrische Patienten aller Altersstufen sind Caspofungin und Micafungin zugelassen, Anidulafungin bisher nicht. Caspofungin hat eine Indikation für die empirische antimykotische Therapie bei Fieber und Granulozytopenie und ist eine Option der Erstlinientherapie invasiver Candida-Infektionen sowie der Zweitlinientherapie invasiver Aspergillus-Infektionen. Micafungin ist für die Primärprophylaxe invasiver Candida-Infektionen sowie als Option der Erstlinientherapie invasiver Candida-Infektionen indiziert.

Flucytosin

5-Flucytosin (5-FC) ist für pädiatrische Patienten zugelassen und besitzt eine antimykotische Aktivität bei Hefepilzen. Ein therapeutisches Monitoring wird empfohlen (Talspiegel 40-60 μg/ml). Aufgrund der raschen Resistenzbildung wird 5-FC generell nicht als alleinige Substanz eingesetzt. Indikationen bestehen für die Kombination mit Amphotericin B bei der Kryptokokken-Meningitis und der Behandlung schwerer Candida-Infektionen, insbesondere der Candida-Meningoenzephalitis.

Kombinationstherapie

Generell kann wie bei der antibiotischen Therapie bei individuellen Patienten eine Kombinationstherapie mit verschiedenen Antimykotika erwogen werden, insbesondere eine Kombination von Echinocandinen mit Polyenen oder mit Triazolen. Einer potenziell, jedoch bisher nicht überzeugend nachgewiesenen verbesserten Prognose stehen jedoch Nachteile wie eine höhere Toxizität und höhere Kosten gegenüber.

Therapieprinzipien

Aufgrund der Schwierigkeit, invasive Pilzinfektionen frühzeitig und sicher zu diagnostizieren und zu behandeln, sind über die letzten Dekaden Algorithmen der antimykotischen Chemotherapie entwickelt worden. Eine antimykotische Chemoprophylaxe kann bei Patienten mit hohem Risiko für invasive Pilzinfektionen (in der Regel >10 %) erwogen werden. Die Gabe von antimykotischen Substanzen bei granulozytopenen Patienten mit persistierendem Fieber (>96 Stunden) oder neu auftretendem Fieber unter adäquater empirischer antibakterieller Therapie ist als empirische Therapie Standardverfahren in vielen Kliniken. Dahingegen gibt es für die präemptive Gabe von antimykotischen Substanzen (Zielgruppe: Patientenkollektiv wie bei der empirischen Therapie, jedoch zusätzlich Nachweis von Galaktomannan im Serum und/oder Lungeninfiltrate in der Computertomografie) bisher wenig Daten bei Kindern. Entsprechend den Kriterien der EORTC/MSG (European Organisation for Research and Treatment of Cancer/Mycoses Study Group) wird die Gabe antimykotischer Substanzen bei Risikopatienten mit kompatiblen klinischen, radiologischen und mikrobiologischen Befunden bzw. mikrobiologischem und/oder mikroskopischem Nachweis eines Pilzerregers aus sterilen Geweben bzw. Körperflüssigkeiten als Therapie wahrscheinlicher bzw. gesicherter Pilzinfektionen bezeichnet.
Weiterführende Literatur
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Lehrnbecher T (2015) Antifungal prophylaxis in pediatric patients undergoing therapy for cancer: drugs and dosing. Curr Opin Infect Dis 28:523–531CrossRef
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Lehrnbecher T, Becker K, Groll AH (2017b) Current algorithms in fungal diagnosis in the immunocompromised host. Methods Mol Biol 1508:67–84CrossRef
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Robert-Koch-Institut (2019) Definition der Multiresistenz gegenüber Antibiotika bei gramnegativen Stäbchen im Hinblick auf Maßnahmen zur Vermeidung der Weiterverarbeitung. Epidemiol Bull 9