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Pädiatrie
Info
Verfasst von:
Joachim Freihorst
Publiziert am: 23.02.2019

Atelektasen bei Kindern und Jugendlichen

Atelektasen sind Lungenbezirke mit minder- oder unbelüfteten Alveolen, sie sind immer Ausdruck eines übergeordneten Problems. Häufigste Ursache sind durch Sekret verlegte Bronchien („mucoid impaction“) im Rahmen von Infektionen oder bei Asthma bronchiale oder Mukoviszidose. Auch externe Bronchuskompressionen durch Lymphknoten, Tumoren oder aberrante Blutgefäße können zu Atelektasen führen, seltener sind angeborene oder erworbene Störungen des Surfactantsystems verantwortlich. Die typischen klinischen Symptome mit Klopfschalldämpfung und abgeschwächtem bzw. aufgehobenem Atemgeräusch treten nur bei ausgedehnteren Belüftungsstörungen auf, kleinere Atelektasen bleiben meist symptomlos und werden erst im Röntgenbild durch entsprechende lokalisierte Verschattungen entdeckt. Therapeutisch kommen zunächst physiotherapeutische Maßnahmen zum Einsatz, bei Verdacht auf eine Fremdkörperaspiration oder bei starker klinischer Beeinträchtigung ist eine bronchoskopische Intervention indiziert.
Definition
Unter einer Atelektase versteht man einen Lungenanteil mit minder- oder unbelüfteten Alveolen bei sonst normaler Parenchymstruktur. Die Ausdehnung kann dabei von diffusen Mikroatelektasen über Segment- und Lappenatelektasen bis hin zum Kollaps einer gesamten Lunge reichen. Im radiologischen Sprachgebrauch wird für teilbelüftete Lungenabschnitte auch der Begriff Dystelektase verwandt.
Ätiologie
Atelektasen sind immer Ausdruck eines übergeordneten Problems. Die Ursachen können orientierend in 5 Kategorien eingeteilt werden.
Ätiologie von Atelektasen im Kindesalter
1.
Obstruktionsatelektasen
a.
Intraluminale Bronchusobstruktion
 
b.
Obstruktionsatelektasen: externe Kompression der Bronchien
  • Lymphknoten (Tbc, EBV, CMV, HIV)
  • Tumoren (Lymphom, Metastasen)
  • Gefäßanomalien („vascular sling“), Herzvergrößerung
  • Abknicken („kinking“) bei Spannungspneumothorax, Skoliose
 
 
2.
Kompression des Lungenparenchyms
 
3.
Störungen der Atemmechanik
  • Postoperativ (Sedierung, Schmerzen)
  • Neuromuskuläre Krankheiten, Anomalien des Thoraxskeletts
  • Zwerchfellparesen, Aszites
 
4.
Störungen des Surfactantsystems
  • Atemnotsyndrom (IRDS, ARDS)
  • Ertrinkungsunfälle, Inhalationstraumen
  • Schwere pulmonale Infektionen
 
5.
Iatrogen (vor allem anästhesieassoziiert)
 
Obstruktionsatelektasen entstehen nach Verlegung eines Bronchus oder Bronchiolus, bei Kindern am häufigsten durch aspirierte Fremdkörper oder Sekretpfröpfe (Mucoid impaction), bisweilen auch durch externe Bronchuskompression im Rahmen intrathorakaler Raumforderungen oder kardiovaskulärer Krankheiten. Kompressionsatelektasen sind bei Kindern selten, sie können durch große Tumoren, Pleuraergüsse, Pneumothoraces und Emphyseme, aber auch ein vergrößertes Herz oder Eingeweide bei Zwerchfellhernien hervorgerufen werden. Störungen der Atemmechanik, oft kombiniert mit einer ineffizienten Hustenfunktion, treten häufig perioperativ auf sowie bei neuromuskulären Krankheiten inklusive Skoliosen, bei Zwerchfellparesen und Aszites und können zu hartnäckigen Atelektasen führen. Ein Mangel an pulmonalem Surfactant, wie er typischerweise beim Atemnotsyndrom des Frühgeborenen (IRDS) vorliegt, kann auch beim erworbenen Atemnotsyndrom (ARDS), nach Ertrinkungsunfällen, Inhalationstraumen und schweren Infektionen entstehen und begünstigt über die mangelnde alveoläre Entfaltung das Entstehen lokalisierter Belüftungsstörungen. Häufig treten die genannten Faktoren in Kombination auf.
Pathogenese
Wird ein Lungenabschnitt von der Belüftung abgeschnitten, so wird das enthaltene Atemgas in das durchströmende Blut absorbiert. Dieser Vorgang dauert bei normaler Zusammensetzung der Atemluft aufgrund des hohen Stickstoffgehaltes mehrere Stunden, geht jedoch bei höheren inspiratorischen Sauerstoffkonzentrationen erheblich schneller vonstatten (ca. 6 min bei reinem O2). Bei aufrechterhaltener Perfusion eines atelektatischen Lungenabschnittes kommt es zu einem lokalen Ventilations-Perfusions-Mismatch, das zu einer Hypoxämie mit kompensatorischer Hyperventilation führen kann. Werden größere Lungenabschnitte von der Ventilation abgeschnitten, wird die Kompensationsfähigkeit erschöpft, und es resultiert eine Hyperkapnie. Durch die gestörte mukoziliäre Clearance im Bereich atelektatischer Lungenbezirke kann es zur Sekretretention mit anschließender mikrobieller Besiedelung und Infektion kommen. Dies ist vor allem bei länger bestehenden Atelektasen zu befürchten und hat dann nicht selten die Entstehung von Bronchiektasen zur Folge.
Durch den Volumenverlust im Bereich der Atelektase können anatomische Strukturen verlagert werden (Mediastinalshift, Zwerchfellhochstand) und benachbarte Lungenabschnitte kompensatorisch überblähen. Da jedoch auch umgekehrt ein lokales Emphysem zu Atelektasen benachbarter Lungenanteile führen kann, ist die Frage nach dem primären Problem bisweilen schwierig zu beantworten.
Surfactantmangel oder -dysfunktion begünstigen die Entstehung von Atelektasen, darüber hinaus kommt es in atelektatischen Lungenbezirken zu Störungen der Surfactanthomöostase und -funktion mit erschwerter Wiederbelüftung.
Störungen der Atemmechanik, die zu einer unzureichenden inspiratorischen Entfaltung der Lunge führen, begünstigen wegen der elastischen Retraktionskräfte der Lunge eine Kollapsneigung. Als Ursachen für die im Rahmen von Narkosen auftretenden, meist passageren Belüftungsstörungen werden vor allem hypostatische Effekte, fehlende aktive Thoraxexkursionen und Absorptionsvorgänge bei hohem FiO2 (fraction of inspired oxygen) vermutet.
Die bevorzugte Lokalisation von Atelektasen ist altersabhängig: Bei jungen Säuglingen ist häufig der rechte Oberlappen betroffen (schlechte Sekretdrainage bei Überwiegen der Rückenlage), bei Klein- und Schulkindern der rechte Mittellappen (ungünstiger Abgangswinkel und Nähe des Mittellappenbronchus zu hilären Lymphknoten). Für rezidivierende oder chronische Belüftungsstörungen im Bereich des Mittellappens, die oft mit chronisch-obstruktiven Lungenkrankheiten assoziiert sind, wurde der Begriff des Mittellappensyndroms geprägt.
Klinische Symptome
Abhängig von Ausmaß und Ursache der Atelektase sind die klinischen Befunde variabel. Kleinere Atelektasen sind meist symptomlos und werden eher zufällig im Röntgenbild entdeckt. Nur bei ausgedehnten Atelektasen finden sich die klassischen Zeichen der Klopfschalldämpfung mit abgeschwächtem bzw. aufgehobenem Atemgeräusch, evtl. verbunden mit sichtbar verminderten Thoraxexkursionen über den betroffenen Abschnitten, Tachy-/Dyspnoe und Zyanose. Die Abgrenzung zum Pleuraerguss ist klinisch oft unmöglich. Sind bei Verlegung kleinerer Bronchien oder Bronchiolen die größeren Atemwege noch luftdurchströmt, kann Bronchialatmen zu hören sein.
Akut auftretende Atelektasen größerer Lungenabschnitte mit dramatisch imponierender Atemnot und Zyanose werden nicht nur nach Fremdkörperaspirationen beobachtet, sondern auch im Rahmen von Bronchopneumonien und Bronchiolitiden vor allem viraler Genese (Adenoviren, Influenzavirus A) bei Säuglingen und Kleinkindern sowie bei Kindern aller Altersgruppen mit (meist unzureichend behandeltem) Asthma bronchiale.
Diagnose
Die meisten Atelektasen werden durch das Röntgenbild entdeckt: Sie stellen sich typischerweise als scharf begrenzte Verschattung der betroffenen Lungensegmente bzw. -lappen dar und sind oft durch Volumenminderung und die konsekutive Verlagerung benachbarter Strukturen charakterisiert. Atelektasen können jedoch auch atypische Konfigurationen (Rundatelektase, Plattenatelektase) aufweisen, insbesondere wenn gleichzeitig pleurale Adhäsionen vorhanden sind. Im seitlichen Strahlengang sind vor allem Mittellappen- und Lingulaatelektasen meist besser zu erkennen (Abb. 1).
Die sonografische Darstellung ist wichtig für die Abgrenzung größerer Atelektasen gegenüber Pleuraergüssen. Sie ermöglicht darüber hinaus Verlaufskontrollen ohne zusätzliche Strahlenbelastung (Abb. 2). Dopplersonografisch zeigen Atelektasen, im Gegensatz zu Pneumonien, eine verminderte Perfusion.
Indikationen für spezielle radiologische Untersuchungen wie Thorax-CT/-MRT und Angiografie ergeben sich aus differenzialdiagnostischen Überlegungen (Tumor, Gefäßring).
Die Elektrische Impedanz-Tomografie, die eine kontinuierliche, noninvasive Erfassung der regionalen Ventilation ohne Strahlenbelastung ermöglicht, hat sich bislang nicht als Routinemethode etabliert.
Eine dringliche Bronchoskopie ist indiziert bei Verdacht auf Fremdkörperaspiration sowie bei starker klinischer Beeinträchtigung. Indikationen zur elektiven Bronchoskopie ergeben sich, wenn die Ätiologie nach nichtinvasiver Diagnostik unklar bleibt. In beiden Fällen bestehen dann meist auch gleichzeitig therapeutische Optionen (s. unten).
Laboruntersuchungen sind, außer zur Abgrenzung gegenüber einer Pneumonie, meist wenig hilfreich. Jedoch sollte bei jedem Säugling oder Kleinkind mit persistierenden oder rezidivierenden Atelektasen eine Mukoviszidose ausgeschlossen werden. Bei unklaren Atelektasen in diesem Alter muss auch an eine Tuberkulose gedacht werden.
Differenzialdiagnose
Wichtig und häufig schwierig ist die differenzialdiagnostische Abgrenzung gegenüber pneumonischen Infiltrationen, die radiologisch oft weniger scharf abgegrenzt und weniger volumengemindert erscheinen. Entscheidend für die diagnostische Zuordnung ist jeweils die Zusammenschau aus Anamnese, klinischem Befund und Bildgebung. Weitere Differenzialdiagnosen sind Thymusanteile, intrathorakale Tumoren (inkl. Sequester) und bei Neugeborenen eine Lungenagenesie.
Therapie
Bei Atelektasen, die im Rahmen akuter entzündlicher Atemwegs- und Lungenkrankheiten (Bronchitis, Bronchiolitis, Pneumonie) auftreten, kann in der Regel der Verlauf unter Behandlung der zugrunde liegenden Krankheit abgewartet werden. Atelektasen bei chronisch-obstruktiven Lungenkrankheiten sollten Anlass sein, die antiinflammatorische Therapie zu überprüfen und zu optimieren. Ergibt sich keine primäre Indikation zur Bronchoskopie, sind zunächst physiotherapeutische Maßnahmen angezeigt, die die Anwendung von Abklopf- und Drainagetechniken, Sekretolytika und Bronchodilatoren einschließen. Bei hartnäckigen Atelektasen ist ein Therapieversuch mit vernebelter Desoxyribonuklease (DNase) oder hypertoner Kochsalzlösung zu erwägen. Bis heute liegen allerdings keine kontrollierten Studien zur Effektivität dieser Maßnahmen vor. Bei Hinweisen auf eine bakterielle Infektion sollte großzügig antibiotisch behandelt werden. Bei persistierenden Atelektasen sollte spätestens 4–6 Wochen nach Diagnosestellung eine bronchoskopische Wiedereröffnung versucht werden, ggf. einschließlich einer gezielten Instillation von DNase.
Auf der Intensivstation führen Atelektasen bei intubierten Kindern, meist durch Mucoid impaction hervorgerufen, nicht selten zu einer Verzögerung des Heilungsverlaufs. Auch hier können DNase- und/oder hypertone Kochsalzinhalationen eingesetzt werden, über den liegenden Tubus kann versucht werden, mit dem flexiblen Bronchoskop die Atelektase zu beseitigen. Die Applikation eines positiven endexpiratorischen Drucks (PEEP) und neuere Techniken („intrapulmonary percussive ventilation“, Hochfrequenzoszillationsventilation) scheinen sich vorteilhaft auf das Offenhalten der Lunge auszuwirken. Zu beachten ist, dass es in seltenen Fällen nach Wiedereröffnung einer länger bestehenden Atelektase zu einem sog. Reexpansionsödem kommen kann.
Verlauf und Prognose
Die Zeitdauer, ab wann eine Atelektase irreversibel bleibt, ist nicht genau bekannt, es wird von einer Zeit von 6–8 Wochen ausgegangen (chronische Atelektase). Danach kommt es im günstigsten Fall zu einer zunehmenden Schrumpfung und zum fibrotischen Umbau des betreffenden Lungenanteils, wobei die funktionelle Auswirkung natürlich von der Größe abhängt. Bei bakterieller Infektion atelektatischer Lungenbezirke muss mit Komplikationen wie Pleuropneumonien, Abszessen und letztlich der Entstehung von Bronchiektasen gerechnet werden. Lassen sich diese Komplikationen nicht konservativ durch konsequente Physiotherapie und antibiotische Therapie beherrschen, sollte die Indikation zur chirurgischen Entfernung des betroffenen Lungenbezirkes gestellt werden.
Weiterführende Literatur
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