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Pädiatrie
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Publiziert am: 29.09.2019

Atypische bakterielle Infektionen bei Kindern und Jugendlichen: Spirochäten

Verfasst von: Hans-Jürgen Christen und Helmut Eiffert
Spirochäten sind Bakterien der Ordnung Spirochaetales. Spiralige Morphologie, Beweglichkeit und hohe Ansprüche an das Kultivierungsmedium sind besondere Kennzeichen dieser Bakterien, die sich zum Teil ausschließlich im tierischen oder menschlichen Organismus vermehren. Humanpathogene Relevanz haben insbesondere Bakterien der Familie Spirochaetaceae mit den Gattungen Borrelia und Treponema sowie der Familie Leptospiraceae mit der Gattung Leptospira. In der Pädiatrie besitzt die Lyme-Borreliose die größte Bedeutung unter den durch Spirochäten verursachten Krankheitsbildern. Nur vereinzelt ist momentan in Westeuropa mit Rückfallfieber, verursacht durch andere Borrelien, angeborener Syphilis durch Treponema pallidum oder Leptospirose zu rechnen.
Definition
Spirochäten sind Bakterien der Ordnung Spirochaetales. Spiralige Morphologie, Beweglichkeit und hohe Ansprüche an das Kultivierungsmedium sind besondere Kennzeichen dieser Bakterien, die sich zum Teil ausschließlich im tierischen oder menschlichen Organismus vermehren. Humanpathogene Relevanz haben insbesondere Bakterien der Familie Spirochaetaceae mit den Gattungen Borrelia und Treponema sowie der Familie Leptospiraceae mit der Gattung Leptospira. In der Pädiatrie besitzt die Lyme-Borreliose die größte Bedeutung unter den durch Spirochäten verursachten Krankheitsbildern. Nur vereinzelt ist momentan in Westeuropa mit Rückfallfieber, verursacht durch andere Borrelien, angeborener Syphilis durch Treponema pallidum (Kap. „Pränatale Infektionen“) oder Leptospirose zu rechnen.

Lyme-Borreliose

Definition
Die Lyme-Borreliose ist die häufigste durch Zecken übertragene Infektionskrankheit des Menschen und wird durch Borrelia burgdorferi sensu lato verursacht. Die Erstbeschreibung als nosologische Entität erfolgte 1977 in der Ortschaft Lyme/Connecticut in den USA. Als Erreger wurde 1982 eine Spirochäte identifiziert und nach dem Entdecker, Willi Burgdorfer, benannt. Klinische Symptomatik und Verlauf der Lyme-Borreliose entsprechen einer Infektionskrankheit mit multipler Organmanifestation, die ganz überwiegend die Haut und – deutlicher seltener – das Nervensystem und die Gelenke betrifft. Die Infektion ist einer kausalen antibiotischen Therapie zugänglich. Im Kindesalter ist die Lyme-Borreliose eine Krankheit mit meist akutem Verlauf und guter Prognose.
Epidemiologie
In Mitteleuropa ist die Zecke Ixodes ricinus (Holzbock) der Vektor von Borrelia burgdorferi sensu lato. Die Entwicklung von Ixodes ricinus vollzieht sich über 1–2 Jahre in 3 Phasen (Larve-Nymphe-Imago), die jeweils mit einer Blutmahlzeit verbunden ist. Als Erregerreservoir von B. burgdorferi gelten Nager, Wild, Vögel, Igel und Haustiere. Die Zecke bevorzugt als Lebensraum eine feuchte Umgebung. Ihre Stechaktivität ist an eine ausreichend hohe Luftfeuchtigkeit und Temperatur gebunden (bimodale saisonale Stechaktivität im Frühjahr und Herbst). Die Verbreitung von B. burgdorferi entspricht in Europa dem geografischen Lebensraum von Ixodes ricinus. Die Zecken halten sich im hohen Gras und niedrigen Gebüsch auf. Prädilektionsstelle für Zeckenstiche ist bei Kindern die Kopf-Hals-Region, einschließlich der behaarten Kopfhaut. Das Infektionsrisiko mit B. burgdorferi korreliert mit der Dauer des Saugaktes der Zecke und steigt ab einer Haftzeit von mehr als 24 Stunden deutlich an. Aufgrund anästhesierender Eigenschaften des Zeckenspeichels wird der Zeckenstich häufig nicht oder erst spät bemerkt.
In Relation zur Häufigkeit von Zeckenstichen ist die Lyme-Borreliose eine seltene Krankheit. In einem Hochendemiegebiet in Südschweden wurde für alle Manifestationen ein Wert von 69 Krankheitsfällen/100.000 Einwohner/Jahr ermittelt. Die Inzidenz für die Neuroborreliose bei Kindern betrug in Südniedersachsen 5,8/100.000/Jahr Kinder im Alter von 1–13 Jahren.
Die Durchseuchung der Zecken mit B. burgdorferi ist regional unterschiedlich und beträgt in Mitteleuropa bis zu 30 %. Die Infektionsrate (Serokonversion) nach dem Stich einer infizierten Zecke wird auf 10 % geschätzt. Die Prävalenz von Antikörpern gegen B. burgdorferi bei Kindern steigt ab dem 6. Lebensjahr an und beträgt im Schulalter ungefähr 5 %. Mit einer klinischen Manifestation muss lediglich nach ca. 1 % der Zeckenstiche gerechnet werden.
In der jahreszeitlichen Verteilung der Lyme-Borreliose besteht eine saisonale Häufung im Frühsommer und Herbst für die dermatologischen Manifestationen (Erythema migrans, Borrelien-Lymphozytom) und die akute Neuroborreliose. Das Auftreten der Lyme-Arthritis ist nicht jahreszeitlich gebunden.
Ätiologie
Der Erreger, B. burgdorferi sensu lato wird in Europa molekulargenetisch in folgende humanpathogene Genospezies unterteilt: B. burgdorferi sensu stricto, B. garinii, B. afzelii, B. spielmanii und B. bavariensis.
Eine Krankheitsspezifität besteht für die Acrodermatitis chronica atrophicans, die offenbar ausschließlich durch B. afzelii verursacht wird. Dagegen sind bei den anderen dermatologischen Manifestationen ebenso wie bei der Neuroborreliose und der Lyme-Arthritis alle humanpathogenen Spezies nachweisbar.
Pathogenese
Die Inokulation des Erregers erfolgt durch den Zeckenstich über die Haut und induziert eine lokale Entzündungsreaktion u. a. mit Makrophagen und Monozyten. Eine hämatogene Disseminierung mit multiplem Organbefall kann folgen. Bei der Neuroborreliose besteht ein klarer topografischer Zusammenhang zwischen der Lokalisation des Zeckenstichs und der nachfolgenden neurologischen Symptomatik. So manifestiert sich die Fazialisparese in der Regel ipsilateral auf der Seite eines vorausgegangenen Zeckenstichs im Kopf-Hals-Bereich. Neben einem hämatogenen Infektionsmodus wird deshalb bei der Neuroborreliose auch eine lokale Erregerinvasion postuliert, die initial eine periphere Neuritis verursacht und sekundär retrograd zu einer Meningoradikulitis führt. Borrelia burgdorferi weist eine hohe Affinität zu den Endothelzellen auf, sodass die bakteriämischen Phasen kurz sind. Die entzündlichen Organveränderungen sind durch eine Perivaskulitis charakterisiert. Chronische Verläufe, wie die Acrodermatitis chronica atrophicans, lassen sich möglicherweise durch eine verminderte Expression von HLA-Klasse-II-Molekülen auf infizierten Zellen erklären, die somit der Immunabwehr entgehen. Bei therapierefraktären Verläufen der Lyme-Arthritis finden sich Hinweise auf eine T-Zell-vermittelte Autoimmunreaktion. In der Pathogenese gibt es keine Hinweise auf die Beteiligung von Toxinen oder Proteasen, sodass allein immunologische Prozesse anzunehmen sind.
Klinische Symptome und Verlauf
In der Systematik der vielfältigen Manifestationen der Lyme-Borreliose wird zwischen einem frühen und einem späten Krankheitsstadium – mit allerdings fließenden Übergängen – differenziert (Tab. 1). Symptome der Haut, des Nervensystems und der Gelenke prägen das klinische Spektrum der Lyme-Borreliose und können in jedem Stadium vorkommen. Dermatologische Manifestationen, insbesondere das Erythema migrans, sind am häufigsten, sie treten bei ungefähr 90 % der Krankheitsfälle auf. Der Anteil der neurologischen Symptome und der Gelenkmanifestationen beträgt jeweils ungefähr 5 %. Der Verlauf ist variabel, meist beschränkt sich die Erkrankung jedoch auf ein Organsystem. So wird eine Neuroborreliose nicht selten ohne vorausgegangene dermatologische Frühsymptome beobachtet.
Tab. 1
Klinische Systematik der Lyme-Borreliose
Organsystem
Frühstadium
Spätstadium
Lokalisiert
Disseminiert
Haut
Erythema migrans
Lymphozytom
 
Acrodermatitis chronica atraophicans
Nervensystem
 
Fazialisparese
Meningoradikulitis
Chronische Enzephalomyelitis
Gelenke
 
Arthralgien
Arthritis
Andere
 
Karditis
Myositis
ophthalmologische Manifestationen
 
Erythema migrans
Das Erythema migrans ist das lokale Leitsymptom der Lyme-Borreliose im Frühstadium. Mit einer Latenz von 1–3 Wochen entwickelt sich diese Effloreszenz an der Zeckenstichstelle, breitet sich zentrifugal aus und zeigt dann eine zentrale Abblassung oder eine livide Verfärbung (Abb. 1). Das Erythema migrans geht nur selten mit Allgemeinsymptomen wie Fieber oder Kopfschmerzen einher. Eine Spontanremission ist häufig, aber Rezidive an gleicher Stelle oder anderen Körperregionen werden beobachtet.
Borrelien-Lymphozytom
Das Borrelien-Lymphozytom wird bevorzugt bei Kindern und Jugendlichen beobachtet und ist wesentlich seltener als das Erythema migrans. Es handelt sich um solitäre Tumoren der Haut mit Prädilektion des Ohrläppchens, der Mamillen und des Skrotums. Die Effloreszenz imponiert mit einer Rötung und einer derben Infiltration (Abb. 2), der histopathologisch eine gutartige lymphoretikuläre Gewebsproliferation zugrunde liegt. Im Unterschied zum Erythema migrans persistiert das Lymphozytom häufig über Wochen und Monate.
Acrodermatitis chronica atrophicans
Die Acrodermatitis chronica atrophicans wurde bei Kindern bislang nur kasuistisch beschrieben. Sie wird dem Spätstadium der Lyme-Borreliose zugerechnet und manifestiert sich nach einer langen Inkubationszeit von Monaten bis Jahren ausschließlich nach Infektion mit B. afzelii. Prädilektionsstellen sind die Akren und die Haut über den großen Gelenken. Nach einer initialen akut-entzündlichen Hautveränderung entwickelt sich eine Atrophie der Epidermis (wie gefältetes Zigarettenpapier).
Neuroborreliose
Die akute periphere Fazialisparese und die lymphozytäre Meningitis prägen mit einem Anteil von über 80 % der Krankheitsfälle das klinische Spektrum der Neuroborreliose im Kindesalter (Abb. 3). Die Lyme-Borreliose ist die häufigste Ursache der akuten peripheren Fazialisparese bei Kindern. In den Sommer- und Herbstmonaten ist jeder 2. Fall dieser Krankheit auf eine Infektion mit B. burgdorferi zurückzuführen. In der Mehrzahl der Fälle manifestiert sich die Fazialisparese monosymptomatisch ohne meningitische Zeichen, obwohl fast immer eine Pleozytose im Liquor nachweisbar ist. Allein bei sehr kurzem Intervall von wenigen Tagen zwischen Manifestation der Fazialisparese und Lumbalpunktion ist initial auch ein normaler Liquorbefund möglich. Eine bilaterale Fazialisparese, die sich konsekutiv mit mehrtägigem Intervall manifestiert, gilt als spezifischer Befund einer Neuroborreliose, ist insgesamt jedoch selten.
Die Borrelien-Meningitis ist mit einem Anteil von ungefähr 25 % die zweithäufigste Manifestation der Neuroborreliose im Kindesalter. Neben Enterovirus-Infektionen ist die Lyme-Borreliose die häufigste verifizierbare Ursache der lymphozytären Meningitis im Kindesalter. Weder anamnestisch noch anhand des klinischen Befundes ist die Borrelien-Meningitis im Einzelfall von der lymphozytären Meningitis viraler Genese zuverlässig zu unterscheiden. Neben der überwiegend akuten Manifestation der Borrelien-Meningitis ist auch eine protrahierte Verlaufsform mit unspezifischen Beschwerden möglich, die im älteren Schrifttum als subakut-chronische lymphozytäre Meningitis bekannt ist. Bei diesen Patienten imponieren ein beeinträchtigtes Allgemeinbefinden, eine Inappetenz mit der Folge einer deutlichen Gewichtsabnahme und rezidivierende Kopfschmerzen mit über Wochen fluktuierender Ausprägung. Fakultativ kann dieses Krankheitsbild auch mit einer Stauungspapille, Abduzensparese und/oder deutlichen Liquordruckerhöhung (>20 cm Wassersäule) einhergehen, sodass die Lyme-Borreliose eine wichtige Differenzialdiagnose beim Pseudotumor cerebri darstellt.
Die lymphozytäre Meningoradikuloneuritis mit Beteiligung des peripheren Nervensystems (Bannwarth-Syndrom), die die typische Manifestation der Neuroborreliose bei Erwachsenen darstellt, wird bei Kindern nur vereinzelt beobachtet. Dieses Krankheitsbild ist durch radikuläre Schmerzen charakterisiert und manifestiert sich bei Kindern nicht selten mit Bauchschmerzen, Rückenschmerzen oder einer monosymptomatischen Strecksteife der Wirbelsäule. Weitere, jedoch seltene Manifestationen einer Neuroborreliose sind isolierte Hirnnervenausfälle (vor allem Okulomotorius-, Trochlearis- und Abduzensparese, Vestibularisaffektion), fokale Enzephalitis, akute Ataxie, akute Querschnittmyelitis und Guillain-Barré-Syndrom. Dem Spätstadium einer Neuroborreliose im Kindesalter sind seltene zerebrovaskuläre Verlaufsformen zuzuordnen, die sich mit einer akuten Hemiparese manifestieren können.
Lyme-Arthritis
Die Systematik der Gelenkmanifestationen der Lyme-Borreliose unterscheidet zwischen Arthralgie, akuter Arthritis und chronischer Arthritis. Intermittierende Arthralgien wechselnder Lokalisation mit Beteiligung gelenknaher Strukturen sind im frühen Stadium der Lyme-Borreliose häufig. Die eigentliche Lyme-Arthritis besteht in einer Monoarthritis oder Oligoarthritis mit intermittierender Manifestation. Sie betrifft am häufigsten die großen Gelenke, bevorzugt das Kniegelenk. Klinisch stehen Gelenkschwellung und Ergussbildung im Vordergrund, während schmerzhafte Bewegungseinschränkungen eher gering ausgeprägt sind. Der Verlauf ist häufig monophasisch. Die Arthritis sistiert nach 1–2 Wochen, kann aber nach Monaten rezidivieren. Der Übergang in eine chronische Arthritis wird bei ungefähr 10 % der Patienten beschrieben. In diesen Fällen können sich irreversible Gelenkveränderungen mit destruktiven Erosionen und funktionellen Defiziten ausbilden. Die relative Häufigkeit der Lyme-Borreliose als Ursache der Arthritis im Kindesalter ist in Europa gering und wird mit 3–5 % angegeben.
Seltene Manifestationen der Lyme-Borreliose
Kardiale Manifestationen der Lyme-Borreliose sind sehr selten. Die Lyme-Karditis manifestiert sich am häufigsten mit Herzrhythmusstörungen, typischerweise einer atrioventrikulären Reizleitungsstörung mit rasch wechselnder Ausprägung. Auch eine Myokarditis und ein Perikarderguss werden als Komplikationen berichtet. Klinisch kann sich die Lyme-Karditis in unspezifischen Allgemeinsymptomen, synkopalen Anfällen, Schwindelgefühlen und Palpitationen äußern.
Ophthalmologische Manifestationen der Lyme-Borreliose, die kasuistisch mitgeteilt wurden, sind Chorioretinitis, Uveitis, Papillitis und Optikusneuritis.
Diagnose
Die Diagnose einer Lyme-Borreliose basiert auf anamnestischen Daten, klinischen Befunden und dem Nachweis spezifischer Antikörper gegen B. burgdorferi. Anamnestische Hinweise auf einen Zeckenstich oder – bei Manifestation im fortgeschrittenen Stadium der Lyme-Borreliose – ein Erythema migrans stützen die Diagnose einer Lyme-Borreliose. Eine diesbezüglich negative Anamnese besteht jedoch bei mindestens der Hälfte der Patienten und schließt eine Lyme-Borreliose nicht aus. Die dermatologischen Symptome einer Lyme-Borreliose sind charakteristisch und erlauben in der Regel eine klinische Diagnose. Beim Erythema migrans und beim Borrelien-Lymphozytom ist die Untersuchung auf spezifische Antikörper von geringer differenzialdiagnostischer Bedeutung, da sie bei der Hälfte der Patienten negative Befunde ergibt. Im Unterschied zu den dermatologischen Manifestationen sind die neurologischen Symptome einer Lyme-Borreliose und auch die Gelenkmanifestationen unspezifisch, sodass hier die erregerspezifische Diagnostik entscheidende Bedeutung besitzt.
Wegen der geringen Keimzahl im Untersuchungsmaterial (Blut, Liquor, Gelenkpunktat, Hautbiopsat) und der langen Generationszeit von B. burgdorferi (ca. 12–18 Stunden) eignet sich weder die Kultivierung noch die Nukleinsäureamplifikation (PCR) des Erregers für die Routinediagnostik. Diese Methoden sollten begründeten Einzelfällen vorbehalten bleiben. Die Labordiagnose basiert in erster Linie auf dem Nachweis spezifischer IgM- und IgG-Antikörper gegen B. burgdorferi im Blut mittels Enzymimmunoassays. Positive und grenzwertige Befunde erfordern eine Bestätigung mittels standardisierter Immuno-Blot-Untersuchung. Falsch-positive IgM-Befunde sind vornehmlich bei akuten Epstein-Barr- und Varicella-Zoster-Virus-Infektionen sowie Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises möglich. Da die serologischen Methoden in der Antikörperdiagnostik der Lyme-Borreliose nicht standardisiert sind, kann ein Vergleich der Befunde unterschiedlicher Laboratorien diskrepante Ergebnisse zeigen.
Die Interpretation der Befunde wird durch die hohe Prävalenz von Antikörpern gegen B. burgdorferi in der Bevölkerung zusätzlich erschwert. Ein positiver Antikörperbefund im Blut kann Ausdruck einer früheren asymptomatischen Infektion ohne Krankheitswert sein. Für die Diagnose einer Neuroborreliose gilt der Nachweis spezifischer Antikörper im Liquor mit autochthoner Synthese im ZNS als diagnostischer Goldstandard. Aktuell verfügbare Immunoassays sind jedoch mit dem Problem geringer Sensitivität für den Antikörpernachweis im Liquor behaftet, sodass dieses diagnostische Kriterium nicht selten unerfüllt bleibt. So ist in vielen Fällen nur der Antikörpernachweis im Serum und nicht im Liquor gegeben. Dies gilt insbesondere bei kurzem Intervall von wenigen Tagen zwischen Manifestation der neurologischen Symptomatik und der Liquoruntersuchung.
Der Titerverlauf der spezifischen Antikörper erlaubt keinen Rückschluss auf die Infektionsaktivität oder die Effektivität der antibiotischen Therapie. Nicht nur IgG-, sondern auch IgM-Antikörper im Serum als auch im Liquor können nach einer effektiven antibiotischen Therapie über Monate bis Jahre persistieren. Aus diesem Grund ist eine Verlaufsuntersuchung der Antikörper nach Abschluss der Therapie einer Neuroborreliose weder im Serum noch im Liquor sinnvoll. Nur im Einzelfall kann beim Ausbleiben der klinischen Besserung der Borreliose-spezifischen Symptome eine Verlaufskontrolle hilfreich sein. Das gilt allerdings explizit nicht für unspezifische Beschwerden!
Neben den spezifischen Antikörperbefunden ist bei der Neuroborreliose der Liquorbefund diagnostisch wegweisend. Entzündliche Liquorveränderungen (lymphozytäre Liquorpleozytose, Störung der Blut-Liquor-Schranke und intrathekale IgM-Synthese) sind mit nur wenigen Ausnahmen ein obligater Befund, sodass dies in der Routinediagnostik eine conditio sine qua non für die Diagnose einer Neuroborreliose darstellt und als Plausibilitätskriterium genutzt werden kann. Dies gilt auch für jene Krankheitsfälle mit Fazialisparese, bei denen jegliche klinische Hinweise auf eine Meningitis fehlen. Obwohl nur ein Viertel der Kinder mit Fazialisparese infolge einer Borrelien-Infektion meningitische Begleitsymptome bietet, sind fast ausnahmslos entzündliche Liquorveränderungen nachzuweisen. Bei Nachweis einer Liquorpleozytose ist eine Lyme-Borreliose bis zum Beweis des Gegenteils anzunehmen. Dagegen ist bei der lymphozytären Meningitis ohne Fazialisparese eine Abgrenzung, z. B. gegen eine virale Meningitis nur durch den Nachweis von Antikörpern gegen B. burgdorferi in Serum und Liquor möglich. Diese Untersuchung zählt deshalb zur Routinediagnostik bei der lymphozytären Meningitis im Kindesalter, um die Möglichkeit einer gezielten antibiotischen Therapie zu wahren.
Der serologische Befund bei der Lyme-Arthritis zeichnet sich durch in der Regel sehr hohe spezifische IgG-Antikörper-Titer aus.
Differenzialdiagnose
Beim Erythema migrans besteht die Möglichkeit der Verwechslung mit Granuloma anulare, Hautmykosen mit anulären Effloreszenzen, Erysipel, Dermatomyositis und Lupus erythematodes. Abzugrenzen ist ferner eine mögliche lokale Reaktion der Haut auf den Zecken- oder Insektenstich, die jedoch im Unterschied zum Erythema migrans innerhalb der ersten 48 Stunden auftritt und selten die Größe eines 1-Euro-Stückes überschreitet. Ein Fremdkörpergranulom bei in situ verbliebenem Zeckenkopf kann ein Borrelien-Lymphozytom imitieren.
Die Lyme-Arthritis betrifft vor allem große Gelenke, insbesondere das Kniegelenk, und lässt sich deshalb insbesondere in der Frühphase schwer von der oligoartikulären Manifestation der juvenilen idiopathischen Arthritis abgrenzen.
Therapie und Prognose
Die Prognose einer Lyme-Borreliose ist umso günstiger, je frühzeitiger die antibiotische Therapie begonnen wird. In-vitro- und In-vivo-Studien belegen eine gute antimikrobielle Wirksamkeit gegen B. burgdorferi für Doxycyclin, Cefotaxim, Ceftriaxon, Penicillin, Amoxicillin und Azithromycin.
Für die Behandlung des Erythema migrans und des Borrelien-Lymphozytoms hat sich die orale Therapie mit Amoxicillin oder – bei Kindern über 8 Jahren – mit Doxycyclin für die Dauer von 14 Tagen bewährt (zur Dosierung, Kap. „Prinzipien der Infektiologie und Infektionsepidemiologie“). Eine Persistenz oder Rezidive dieser dermatologischen Manifestationen sind möglich und können einen zweiten Behandlungszyklus erfordern.
Bei der Neuroborreliose ist eine parenterale antibiotische Therapie indiziert. Dies gilt auch für die monosymptomatische akute periphere Fazialisparese. Penicillin G und Cephalosporine der Cefotaximgruppe für eine Dauer von 14–21Tagen haben sich in der klinischen Praxis als gleichwertig bewährt und führen zu einer raschen Remission der meningealen und radikulären Schmerzsymptomatik innerhalb weniger Tage (zur Dosierung, Kap. „Antimikrobielle Therapie bei Kindern und Jugendlichen“). Das häufigste Symptom, die Fazialisparese, kann dagegen für mehrere Wochen persistieren, wenn die Funktionsstörung nicht auf einer Neurapraxie (Druckschädigung), sondern einer Axonotmesis (Schädigung des Axons) beruht. Der Nachweis einer Liquorpleozytose bei einer Fazialisparese rechtfertigt den Beginn der antibiotischen Therapie noch vor Erhalt der Antikörperbefunde. Analog zu Erfahrungen bei erwachsenen Patienten bildet bei der akuten unkomplizierten Neuroborreliose die orale Doxycyclin-Therapie eine Behandlungsalternative für Kinder im Alter von über 8 Jahren (200 mg/Tag für 14–21 Tage).
Die größten Probleme bestehen in der Behandlung der Lyme-Arthritis, bei der primär eine parenterale Therapie mit Cephalosporinen der Cefotaximgruppe über mindestens 14, in Einzelfällen bis zu 28 Tage indiziert ist. Alternativ kann ein Behandlungsversuch mit Doxycyclin – bzw. bei Kindern im Alter von unter 8 Jahren Amoxicillin – über 4 Wochen erwogen werden.
Die Lyme-Borreliose im Kindesalter ist eine Krankheit mit meist akutem Verlauf, guter Prognose und vermutlich auch nicht geringer Rate an Spontanremissionen. Dies erschwert die präzise Festlegung einheitlicher Therapiemodalitäten. Da jedoch eine Abschätzung des Risikos für chronisch-rezidivierende Verläufe im Einzelfall nicht möglich ist, ist immer eine frühzeitige und konsequente antibiotische Therapie indiziert. Der Therapieeffekt ist allein anhand der klinischen Symptomatik zu beurteilen, während Verlaufsuntersuchungen der Antikörper keine prognostischen Rückschlüsse zulassen. Eine Persistenz erhöhter Antikörpertiter nach Abklingen der Symptomatik rechtfertigt keine Wiederholung der antibiotischen Therapie. Serologische Verlaufskontrollen sollten daher unterbleiben.
Eine Infektion mit B. burgdorferi hinterlässt keine bleibende Immunität. Gesicherte Reinfektionen nach einem mehrjährigen Intervall wurden beschrieben.
Prophylaxe
Die Haftzeit der Zecken bestimmt maßgeblich das Infektionsrisiko, das jenseits von 24 Stunden ansteigt. Die effektivste Vorsorge besteht damit im täglichen Absuchen der Haut auf Zecken am Abend und deren sofortigen Entfernung. Dabei ist insbesondere auf intertriginöse Hautregionen und auf die behaarte Kopfhaut zu achten. Nymphen, die als Hauptvektor für den Menschen gelten, sind vor der Blutmahlzeit nicht größer als 1 mm und können häufig nur durch Abtasten der Haut entdeckt werden. Für die Entfernung der Zecke ist eine Pinzette am besten geeignet, mit der die Zecke am Kopf gefasst und unter kontinuierlichem Zug herausgezogen wird.
Eine prophylaktische antibiotische Therapie nach einem Zeckenstich ist nicht indiziert.
Eine bundesweite Meldepflicht nach Infektionsschutzgesetz besteht nicht. In den Bundesländern Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sind allerdings das Erythema migrans, die akute Neuroborreliose und die Lyme-Arthritis meldepflichtige Erkrankungen.

Rückfallfieber

Definition
Das Rückfallfieber ist eine akute, mit periodischen Fieberschüben auftretende Infektionskrankheit. Erreger sind Borrelien, die durch Arthropoden übertragen werden. Man unterscheidet zwischen epidemischem und endemischem Rückfallfieber. Das epidemische Rückfallfieber wird von B. recurrentis verursacht und durch Läuse übertragen. Erreger des endemischen Rückfallfiebers sind verschiedene Borrelia-Spezies, vor allem B. hermsi und B. duttoni, die durch Zecken übertragen werden.
Epidemiologie
Das Rückfallfieber ist weltweit anzutreffen, kommt aber momentan bevorzugt begrenzt im Sudan und in Äthiopien, im Bereich des Mittelmeers, in Zentralasien, in tropischen sowie subtropischen Regionen der USA und in Mittel- und Südamerika vor. Die Verbreitung der epidemischen Form durch Kleider- oder Kopfläuse ist von sozioökonomischen Faktoren abhängig, während das endemische Rückfallfieber mit der regionalen Verbreitung infizierter Zecken korreliert.
Es handelt sich um eine seltene Infektionskrankheit, deren Inzidenz nicht genau bekannt ist. Erkrankungen an Rückfallfieber über Läuse wurden laut RKI in 43 Fällen im Jahr 2015 und in 5 Fällen im Jahr 2016 berichtet. Die Patienten stammten meist aus Afghanistan und Somalia.
Ätiologie
Erreger der akuten Infektionskrankheit sind verschiedene Borrelia-Spezies. Borrelia recurrentis wird in der Bakteriämiephase durch blutsaugende Läuse aufgenommen. Die weitere Übertragung erfolgt nach Zerquetschen der infizierten Läuse und Eindringen der Bakterien über Wunden und Bisse (epidemisches Rückfallfieber). Borrelia hermsi, B. duttoni und andere verwandte Borrelienarten haben Nagetiere oder Nutztiere als Reservoir und werden durch Zecken übertragen (endemisches Rückfallfieber). Alle Borrelia-Spezies, die Rückfallfieber verursachen können, verfügen über einen genetisch gesteuerten Mechanismus, mit dem das wesentliche Oberflächenantigen variiert werden kann. So können bis zu 30 neue Antigenvarianten entstehen, die jeweils eine neue Bakteriämie und auf diese Weise den zyklischen Krankheitsverlauf erklären.
Klinische Symptome
Nach einer Inkubationszeit von 4–18 Tagen beginnt die Krankheit ohne bemerkenswerte Prodromi mit plötzlichem Schüttelfrost und hohem Fieber. Begleitend können Kopf- und Gliederschmerzen, Schwindel und Übelkeit, Ikterus, petechiale Blutungen sowie Nasenbluten auftreten. Nach 4–10 Tagen fällt das Fieber, und es folgt ein symptomfreies Intervall von ca. 5–9 Tagen, bevor es, bedingt durch den nächsten Bakteriämieschub, zum erneuten Fieberanstieg kommt. In der Folge wird die Dauer der freien Intervalle länger und die der Fieberschübe kürzer mit geringeren Temperaturspitzen. Durchschnittlich werden etwa 5 Zyklen beobachtet. Die sich entwickelnde protektive Immunantwort beendet die Infektion. Als Komplikationen können Myokarditis, Hepatitis, Bronchopneumonie, Meningitis, Erytheme und multiple Blutungen auftreten. Diese Komplikationen erklären eine relativ hohe Letalität. Rückfallfieber in der Schwangerschaft bedeutet ein hohes Risiko für Frühgeburt und Abort.
Das durch Zecken übertragene Rückfallfieber verläuft leichter als das Läuserückfallfieber.
Die Letalität unbehandelter Fälle liegt unter 5 %, kann aber bei geschwächter Immunabwehr deutlich ansteigen. Bei Kindern wird über besonders schwere Fälle berichtet.
Diagnose
Die klinische Verdachtsdiagnose ergibt sich aus rezidivierenden Fieberschüben und einer entsprechenden Anamnese. Hier ist speziell die Reiseanamnese von differenzialdiagnostischer Bedeutung. Im Blutbild wird eine Leukozytose bis 30.000/μl beobachtet. Beweisend ist die mikroskopische Darstellung der Borrelien im Blut oder Liquor während der Fieberphase durch Phasenkontrast- oder Dunkelfeldtechnik, in fixierten Blutausstrichen oder in sog. dicken Tropfen. Anreicherungsverfahren, eine Polymerasekettenraktion sowie serologische Untersuchungen können in spezialisierten Laboratorien durchgeführt werden.
Differenzialdiagnose
Ähnliche klinische Manifestationen werden bei Leptospirose, Typhus, Dengue-Fieber, Brucellose, Fleckfieber, Rattenbisskrankheit, Gelbfieber oder Malaria beobachtet.
Therapie
Die kausale antibiotische Therapie soll möglichst frühzeitig im afebrilen Intervall oder zu Beginn des Fieberstadiums erfolgen, da in der späten Fieberphase die Zahl der Bakterien am höchsten ist und eine Herxheimer-Reaktion möglich ist. Als Antibiotika werden Doxycyclin oder Erythromycin oral über eine Dauer von 14–21 Tagen empfohlen. Bei meningitischer Verlaufsform ist eine bis zu 28 Tage andauernde intravenöse Therapie mit Penicillin G, Cefotaxim oder Ceftriaxon indiziert.
Prophylaxe
Die effektivste Prophylaxe ist die Vermeidung des Kontakts zu den Vektoren. Doxycyclin vor Erregerkontakt kann die Infektion verhindern. Meldepflicht besteht bei epidemischem Rückfallfieber durch B. recurrentis.

Leptospirose

Definition
Die Leptospirose ist eine akute, systemische Infektion bei Menschen und Tieren, die von Spirochäten der Gattung Leptospira verursacht wird. In Europa stellen hauptsächlich Ratten, Mäuse und Haustiere das Erregerreservoir dar. Die Übertragung erfolgt meist über den Urin infizierter Tiere.
Epidemiologie
Die Infektionskrankheit ist weltweit verbreitet und tritt besonders in tropischen und subtropischen Regionen auf. In Deutschland wurden 93 Erkrankungsfälle im Jahr 2016 mitgeteilt (Inzidenz ca. 0,1/100.000 Einwohner/Jahr). Hier ist allerdings eine hohe Dunkelziffer anzunehmen, da die Erkrankung nicht selten untypisch oder auch blande verläuft. Gefährdet sind Personen, die in Kontakt mit Urin von infizierten Tieren oder entsprechend kontaminiertem Wasser kommen. Kinder sind offenbar seltener betroffen, als es ihr erhöhtes Expositionsrisiko erwarten lässt. In der Pädiatrie werden Erkrankungsfälle fast ausnahmslos erst ab dem Alter von 10 Jahren berichtet.
Ätiologie
Bakterien der Spezies L. interrogans mit bisher 24 Serogruppen und über 250 Serovaren sind ursächlich an der Krankheit beteiligt. Im Menschen werden am häufigsten die Serogruppen pomona, canicola und icterohaemorrhagiae nachgewiesen. Die Mikroorganismen sind in vielen Säugetierarten nachweisbar, besonders in Ratten. Infizierte Tiere scheiden die Leptospiren in ihrem Urin aus. Die Übertragung auf den Menschen erfolgt nach Kontakt mit Urin oder entsprechend kontaminiertem Wasser über Hautverletzungen, Schleimhäute oder Konjunktiven.
Pathogenese
Nach Penetration der Haut gelangen die Leptospiren in die Blutbahn, disseminieren und können alle Organe erreichen. Ihre Beweglichkeit erleichtert das Eindringen in das Gewebe. Die hämorrhagische Diathese, die bei schweren Verläufen beobachtet wird, ist weniger auf eine Thrombozytopenie oder eine Verbrauchskoagulopathie als auf eine Vaskulitis mit Endothelschäden zurückzuführen. In der Leber sind fokale hepatozelluläre Nekrosen nachweisbar. Funktionseinschränkungen der Niere finden ihr Korrelat in tubulären Schäden durch Nekrosen, Vaskulitis und lymphozytäre Infiltrate. Eine rezidivierende Uveitis kann durch die Persistenz des Erregers im Kammerwasser über mehrere Monate erklärt werden.
Klinische Symptome
Die Infektion mit Leptospiren verläuft häufig asymptomatisch. Bei klinischer Manifestation werden 2 Verlaufsvarianten unterschieden. Der anikterische Verlauf ist mit einem Anteil von ca. 90 % am häufigsten und meist selbstlimitierend. Bei ca. 10 % der Infektionen kommt es zum schwereren ikterischen Verlauf (Morbus Weil).
Nach einer Inkubationszeit von 1–2 Wochen manifestiert sich die anikterische Leptospirose mit einem hochfieberhaften, septischen Krankheitsbild unter unspezifischen Allgemeinsymptomen: Kopfschmerzen, Erbrechen, Bauchschmerzen, makulopapulöses Exanthem, Pharyngitis, Lymphadenopathie, Spleno- und Hepatomegalie. Es folgt ein 1- bis 3-tägiges Intervall der relativen Erholung. In der 2. Krankheitsphase sind Fieber und Allgemeinbeschwerden geringer ausgeprägt. Typisch in diesem Stadium ist eine aseptische Meningitis mit milder Pleozytose.
Die ikterische Leptospirose (Morbus Weil) ist durch hämorrhagische Vaskulitis und Hepatopathie sowie Nephropathie geprägt. Ein biphasischer Verlauf wie bei der anikterischen Krankheit ist wegen der Persistenz des Fiebers kaum erkennbar. In der 2. Krankheitswoche kann eine Nierenschädigung mit Proteinurie, Hämaturie, Azotämie oder Oligurie manifest werden. Eine Anurie ist ein prognostisch ungünstiges Zeichen.
Diagnose
Die Verdachtsdiagnose ergibt sich bei Patienten mit septischem Krankheitsbild und anamnestischen Hinweisen, die auf einen möglichen Kontakt mit dem Urin von Säugetieren, insbesondere Ratten, schließen lassen; wegweisend kann eine gezielte Reiseanamnese sein. Eine eindeutige Diagnose bietet der Nachweis von Leptospiren aus Körperflüssigkeiten mittels Kulturen oder PCR. In Blut und Liquor ist die Erfolgsaussicht innerhalb von 10 Tagen nach Beginn der Symptomatik am größten, im Urin erst ab der 2. Krankheitswoche.
Der kulturelle Nachweis von Leptospiren aus Blut, Liquor oder Urin gelingt nicht mit bakteriologischen Routinemethoden, sondern dauert länger als 1 Woche und erfordert spezielle Kulturbedingungen. Deshalb ist zusätzlich die Möglichkeit des Antikörpernachweises zu nutzen. Eine Serokonversion oder ein signifikanter Titeranstieg zwischen akuter und Rekonvaleszenzphase belegt die Infektion.
Differenzialdiagnosen
Abzugrenzen sind Virus-Hepatitiden, Hantavirus-Infektionen, hämorrhagische Fieber unterschiedlicher Genese oder Typhus.
Therapie
Neben Penicillin G sind Ampicillin, Ceftriaxon oder Doxycyclin (ab dem Alter von 8 Jahren) für die antibiotische Therapie geeignet, die 7–10 Tage umfassen soll. Die Antibiose sollte möglichst früh eingeleitet werden.
Prophylaxe
In Deutschland ist der Nachweis einer Infektion mit L. interrogans meldepflichtig. Dies eröffnet die Möglichkeit einer Expositionsprophylaxe oder prophylaktischen Gabe von Doxycyclin, da Personen in einem Infektionsgebiet gegebenenfalls die Exposition vermeiden oder nach wahrscheinlicher Exposition gegebenenfalls Doxycyclin prophylaktisch verwenden können. Ein aktiver Impfstoff, über den bisher nur begrenzte Erfahrungen vorliegen, ist in einigen Ländern (z. B. China, Russland, Kuba, Frankreich) zugelassen.
Prognose
Verlauf und Prognose der Krankheit hängen von der frühzeitigen Diagnose, der Virulenz des Erregers und dem Alter der Patienten ab. Die Wirksamkeit der antibiotischen Therapie wurde auch bei Kindern, die eine bessere Prognose als Erwachsene haben, für alle Stadien gezeigt. Die Therapie hat die Letalität der schweren ikterischen Verläufe auf 5–10 % reduziert.
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