Physiologischer Gestaltwandel
Während des Wachstums verändern sich die Beinachsen des Kindes. Beim Kleinkind beobachtet man ein physiologisches O-Bein (Genu varum). Insbesondere bei Kindern, die früh zum Laufen kommen, kann dieses stark ausgeprägt sein. Im Laufe der folgenden 6–7 Jahre gradet sich die Beinachse aus, oft vorübergehend über ein X-Bein (Genu valgum), bis sich dann bis zum Abschluss des Wachstums die endgültigen Beinachsen entwickeln. Keine dieser altersabhängigen Formvarianten ist krankhaft. Erst die Abweichung vom Normalen muss erkannt, beobachtet und gegebenenfalls auch behandelt werden.
Beinachsenfehler
Wird ein Kind wegen eines Beinachsenfehlers vorgestellt, so müssen eine Reihe von Krankheiten ausgeschlossen werden. Die Ursache kann mechanischer Art, z. B. posttraumatisch, sein, nach einem infektionsbedingten vorzeitigen einseitigen Verschluss einer Wachstumsfuge, im Rahmen einer Stoffwechselstörung, z. B. bei einem Phosphatdiabetes, einer neurologischen Störung,
Adipositas oder ohne erkenntliche Ursache auftreten. Bei zunehmenden oder plötzlich aufgetretenen Fehlstellungen sollte auch an eine Skelettdysplasie, z. B.
kartilaginäre Exostosen oder eine Enchondromatose gedacht werden.
Aufschluss darüber gibt zunächst die klinische Untersuchung bei der das Alter des Kindes sowie der Verlauf der Fehlstellung eine wichtige Rolle spielen. Bei ausgeprägter Fehlstellung oder fortgeschrittenem Alter des Kindes ist eine Ganzbeinaufnahme im Stehen mit zentrierten Kniescheiben sinnvoll. Bei Verdacht auf eine übergeordnete Erkrankung können weitergehende Skelettaufnahmen, insbesondere von Wirbelsäule, Becken und Händen, laborchemische Untersuchungen, eine endokrinologische Abklärung oder eine neurologische Untersuchung zur weiteren Klärung beitragen.
Oft gleichen sich sogar starke Fehlstellungen im Laufe des weiteren Wachstums aus, sodass bei einem Kind, das beispielsweise wegen eines O-Beins vorgestellt wird, nur in extremen Fällen gleich geröntgt werden muss. Sinnvoller ist es, anamnestisch eine starke Zunahme, ein Gleichbleiben oder eine Verminderung der Fehlstellung im Laufe des letzten Jahres zu erfragen. Ist der Befund nicht stark ausgeprägt, so ist eine Fotodokumentation nützlich. Bei gleichbleibender oder abnehmender Fehlstellung kann zunächst abgewartet werden. Um jedoch die Möglichkeit einer Wachstumslenkung nicht zu verpassen, empfiehlt sich bei normal wachsenden Kindern eine Kontrolluntersuchung mit dem 10.–11. Lebensjahr.
Auch bei ausgeprägtem, beschwerdefreiem Innenrotationsgang oder Außenrotationsgang empfiehlt sich zunächst einmal abzuwarten. Wenn im Laufe des Wachstums keine Verbesserung auftritt, kann mit Hilfe des MRTs eine Torsionsmessung erfolgen, um die Höhe der Fehlstellung zu lokalisieren. Bei symmetrischer Veränderung und schmerzfreiem Kind kann bei erhöhter Antetorsion zunächst bis zum Wachstumsende abgewartet werden. Bei einer ausgeprägten Retrotorsion oder asymmetrischen Torsionsverhältnisse ist in einzelnen Fällen bereits ein früheres Eingreifen sinnvoll.