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Pädiatrie
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Publiziert am: 24.12.2018

Fetaler und neonataler Kreislauf

Verfasst von: Ulrike Herberg
Die fetale Zirkulation besitzt anatomische und funktionelle Besonderheiten, die für das Verständnis perinataler Anpassungsstörungen wie auch für die perinatale Therapie von Herzfehlern von Bedeutung sind. In dem vorliegenden Kapitel wird der fetale Kreislauf erläutert und die normale wie auch gestörte Transition vom fetalen zum neonatalen Kreislauf dargestellt (persistierende fetale Zirkulation, offener Ductus Botalli). Beim Übergang der fetalen zur neonatalen Zirkulation schließen sich wichtige Shuntverbindungen wie das Foramen ovale und der Ductus Botalli, sodass die vormals parallel geschalteten Kreisläufe in Serie geschaltet werden. Dadurch werden schwere angeborene Herzfehler wie univentrikuläre Herzen oder eine d-Transposition der großen Arterien symptomatisch. Eine Wiedereröffnung fetaler Shuntverbindungen (medikamentös mittels Prostaglandin E2, interventionell mittels Atrioseptostomie) ist für diese Patienten lebensnotwendig.
Die fetale Zirkulation besitzt anatomische und funktionelle Besonderheiten, die für das Verständnis perinataler Anpassungsstörungen wie auch für die perinatale Therapie von Herzfehlern von Bedeutung sind.

Fetale Zirkulation

Während der Fetalzeit erfolgt die Versorgung des Feten über die Plazenta und Nabelvene (Abb. 1). Oxygeniertes, nährstoffreiches Blut mit einer Sauerstoffsättigung von ca. 80 % gelangt über die V. umbilicalis in den Feten und von dort an die Leberpforte. Über den Ductus venosus, einer fetalen Shuntverbindung zwischen Umbilikalvene und unterer Hohlvene, werden etwa 50 % des sauerstoffreichen Blutes an der Leber vorbei in den rechten Vorhof geleitet. Bedingt durch die segelartige Anatomie der Eustachischen Klappe und des Foramen ovale strömt das sauerstoffreiche Blut durch das Foramen ovale als 2. Shuntverbindung vorrangig in den linken Vorhof, linken Ventrikel und die aszendierende Aorta. Somit erfolgt die Versorgung der Koronarien und des Gehirns mit einer Sättigung von ca. 65 % (Abb. 2). Nur ein kleiner Teil des Herzminutenvolumens fließt über den schmalen Aortenisthmus in die deszendierende Aorta.
Aus der unteren Hohlvene, den Lebervenen und der oberen Hohlvene gelangt sauerstoffärmeres, bereits im Feten zirkuliertes Blut präferenziell in den rechten Vorhof und rechten Ventrikel, hier beträgt die Sauerstoffsättigung ca. 55 %. Da die Lunge pränatal nicht entfaltet und damit der Lungengefäßwiderstand hoch ist, wird nur ein geringer Teil der Lunge perfundiert, der wesentliche Anteil (90 % des von dem rechten Ventrikel ausgeworfenen Volumens) wird über den Ductus arteriosus, der 3. Shuntverbindung, in die deszendierende Aorta gepumpt. Somit versorgt der rechte Ventrikel die Bauchorgane, die distalen Extremitäten und perfundiert die Plazenta.
Der fetale Kreislauf ist gekennzeichnet durch
  • die Parallelschaltung des pulmonalarteriellen und systemischen Kreislaufs durch fehlende Trennung beider Kreisläufe (intrakardiale Shuntverbindungen sind Foramen ovale, Ductus Botalli),
  • hohen Gefäßwiderstand der nicht entfalteten Lunge, der einen signifikanten Lungendurchfluss verhindert,
  • niedrigen Gefäßwiderstand der Plazenta, die gleichzeitig der Oxygenierung, Ernährung und Schadstoffentfernung dient,
  • den Druckangleich beider Ventrikel mit Dominanz des rechten Ventrikels, der beim Feten ca. 60 % des kombinierten Herzminutenvolumens pumpt.

Fetale Sauerstoffversorgung

Im Vergleich zum Säugling ist der fetale Sauerstoffpartialdruck niedrig, eine ausreichende Sauerstoffversorgung des Gewebes wird durch folgende Kompensationsmechanismen ausgeglichen: hohe O2-Affinität des fetalen Hämoglobins (HbF), verminderter O2-Verbrauch und selektive Perfusion wichtiger Organe wie Leber, Koronarien und Gehirn durch höher oxygeniertes Blut.

Fetaler Kreislauf bei strukturellen Herzfehlern

Bei strukturellen Herzfehlern, z. B. der Hypoplasie eines Ventrikels, erlaubt die Parallelschaltung des rechten und linken Kreislaufs mit ihren Kurzschlussverbindungen die Versorgung lebenswichtiger Organe. Bei einer Hypoplasie des linken Ventrikels mit Aortenklappenatresie, dem hypoplastischen Linksherz-Syndrom (Kap. „Primär zyanotische Vitien“) werden so der Aortenbogen, die Hals-Arm-Gefäße und Koronarien retrograd von sauerstoffarmem Blut aus dem Ductus arteriosus perfundiert. Somit versorgt der rechte Ventrikel über den Ductus Botalli nicht nur die von der deszendierenden Aorta abgehenden Organe, sondern den kompletten Kreislauf. Im Falle einer rechtsventrikulären Hypoplasie, z. B. bei einer Trikuspidalatresie, strömt das gesamte venöse Blut über das Foramen ovale in den linken Vorhof, linken Ventrikel und die Aorta. Über den Ductus arteriosus erfolgt dann die Versorgung der Lungenarterien. In diesem Fall ist der linke Ventrikel als funktionell singulärer Ventrikel für die Aufrechterhaltung des kompletten Kreislaufs verantwortlich.

Übergangszirkulation von der fetalen zur neonatalen Zirkulation

Der Zeitraum der Umstellung von der fetalen zur neonatalen Zirkulation wird als Übergangszirkulation bezeichnet. Mit der Geburt, d. h. dem Abnabeln von der Plazenta und den ersten Atemzügen, erfolgt eine abrupte Umstellung, die gekennzeichnet ist durch:
  • Ausschaltung der plazentaren Perfusion;
  • Etablierung der pulmonalen Perfusion: Expansion und Durchblutung der Lunge, Abfall des Lungengefäßwiderstandes;
  • funktionellen Verschluss der Shuntverbindungen, damit Nacheinanderschaltung (Serienschaltung) des rechten und linken Kreislaufs;
  • Erhöhung des Systemwiderstandes und der Arbeit des linken Ventrikels.
Mit den ersten Atemzügen erfolgt die Entfaltung der Lunge und ihres Kapillarbettes, die Lungengefäße werden gut durchblutet, die alveoläre Flüssigkeit resorbiert. Damit fällt der Lungengefäßwiderstand um das 5- bis 10-Fache ab. Das vermehrt die Lunge durchströmende, oxygenierte Blut gelangt in den linken Vorhof. Durch den erhöhten Vorhofdruck wird die Valvula des Foramen ovale von linksatrial an das Vorhofseptum gedrückt und das Foramen ovale verschließt sich funktionell. Mit Anstieg des linksatrialen Drucks über den rechtsatrialen Druck entsteht bis zum kompletten Verschluss des Foramen ovale ein Links-rechts-Shunt (Abb. 3). Mit weiterem Abfall des Lungengefäßwiderstandes ändert sich ebenfalls die Shuntrichtung des Ductus arteriosus: Nach initialem Wechselshunt besteht bis zum Duktusverschluss ein Links-rechts-Shunt.
Durch die erhöhte Sauerstoffkonzentration, abfallende Prostaglandinspiegel sowie weitere Faktoren verengt sich der Ductus arteriosus in den ersten 2–7 Stunden nach Geburt. Er verschließt sich bei 90 % der reifen Neugeborenen nach 72 Stunden funktionell und nach 2–3 Wochen strukturell. Bei Frühgeborenen hingegen erfolgt der Verschluss des noch unreifen Duktusgewebes seltener sowie verzögert, sodass bei diesen Kindern ein medikamentöser Verschluss mit Prostaglandinsynthesehemmern (Indomethazin oder Ibuprofen) durchgeführt wird. Der Verschluss des Foramen ovale ist funktioneller Natur, ein kompletter fibröser Verschluss erfolgt bis ins Erwachsenenalter in 80 % der Fälle. Der Ductus venosus verschließt sich in der Regel vor dem 7. Lebenstag.
Nach Abschluss der Übergangsphase haben sich damit die pränatalen Shuntverbindungen, die vor der Geburt eine Parallelschaltung der Kreisläufe ermöglichten, verschlossen. Ohne Shuntverbindungen sind der pulmonale und systemische Kreislauf in Serie geschaltet.
Durch Abfall des Lungengefäßwiderstandes ist der rechte Ventrikel weniger druckbelastet. Im Gegensatz dazu steigt die Druckbelastung des linken Ventrikels an – er wird zum Systemventrikel. Durch Wegfall der Plazenta, durch Aufrechterhaltung der Körpertemperatur, Verdauungs- und Atemarbeit steigt der periphere Widerstand an. Mit Verschluss des Ductus arteriosus muss nun der linke Ventrikel den gesamten Systemkreislauf versorgen.
Mit endgültigem Verschluss der Shuntverbindungen ist der Übergangskreislauf etwa 10–15 Stunden nach Geburt abgeschlossen (Abb. 4).
Allerdings erfolgen im Verlauf der Neonatal- und Säuglingszeit noch weitere Reifungsvorgänge vor allem der Lungengefäße, die zu einem weiteren Abfall des Lungengefäßwiderstandes führen.

Bedeutung für Neugeborene mit strukturellen Herzfehlern

Wie bei gesunden Neugeborenen verschließen sich auch bei Neugeborenen mit Herzfehlern die fetalen Shuntverbindungen (Ductus arteriosus, Foramen ovale) nach Geburt. Kinder mit schweren Herzfehlern, die auf Shuntverbindungen angewiesen sind (z. B. univentrikuläre Herzen, D-Transposition der großen Arterien (d-TGA, Kap. „Primär zyanotische Vitien“), werden unter Umständen erst mit Verschluss dieser Verbindungen symptomatisch. Liegt ein duktusabhängiger Herzfehler vor, so kann der Ductus Botalli durch die Gabe von Prostaglandin E2 offen gehalten werden. Eine Erweiterung des Foramen ovale ist durch eine interventionelle Atrioseptostomie möglich.
Die Symptomatik von Neugeborenen mit Herzfehlern wird zudem durch die Myokardfunktion beeinflusst. Während der rechte Ventrikel pränatal als Systemventrikel an eine erhöhte Nachlast adaptiert ist und daher auch bei erhöhter Druckbelastung, z. B. einer Pulmonalstenose, eine ausreichende Funktion aufweist, kompensiert der linke Ventrikel – bedingt durch den erheblichen bereits physiologischen Anstieg seiner Druck- und Volumenarbeit – eine zusätzliche Druckbelastung z. B. durch eine Aortenstenose nur bedingt. Diese Kinder werden mit Verschluss des Ductus arteriosus mit einer Hypotension, Laktatazidose oder Schock symptomatisch.
Bei einem Teil der Neugeborenen verläuft die transiente Zirkulation nicht regelrecht, Risikofaktoren sind z. B. Frühgeburtlichkeit, maternaler Diabetes und pulmonale Erkrankungen. Fällt in schwerwiegenden Fällen der Lungengefäßwiderstand nicht ab, ist der pulmonalarterielle Widerstand größer als der Systemwiderstand. Diese Persistenz des pulmonalateriellen Widerstandes mit Rechts-links-Shunt über Foramen ovale und Ductus arteriosus wird persistierende fetale Zirkulation genannt (Kap. „Lungenkrankheiten bei Früh- und Neugeborenen“ und „Kongenitale Anomalien von Atemwegen und Lungen inklusive primäre ziliäre Dyskinesie“).
Weiterführende Literatur
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