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Pädiatrie
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Publiziert am: 10.01.2019

Fremdkörperaspiration

Verfasst von: Thomas Nicolai
Kinder im Alter von 1–4 Jahren haben teilweise Schwierigkeiten mit dem Kauen und Abschlucken von bestimmten Nahrungsmitteln wie Nüssen oder Karotten und nehmen viele Objekte zur Exploration erst einmal in den Mund, darunter auch Kleinteile aus Spielzeugbaukästen etc. Daher werden diese Objekte in dieser Altersgruppe immer wieder aspiriert, bei älteren Kindern passiert dies mit Nadeln, Nägeln etc. Insbesondere bei laryngealer oder trachealer Lage des Fremdkörpers kommt es immer wieder zu tragischen Verläufen mit perakuter Erstickung. Zur Diagnostik ist bei einer entsprechenden Anamnese eine Bronchoskopie indiziert. Die Fremdkörperentfernung wird mit dem starren Instrumentarium in Vollnarkose durchgeführt. Wenn die Wahrscheinlichkeit, tatsächlich einen Fremdkörper vorzufinden, gering ist, kann mit einer flexiblen Bronchoskopie ein Aspirationsausschluss erfolgen.
Kinder im Alter von 1–4 Jahren haben teilweise Schwierigkeiten mit dem Kauen und Abschlucken von bestimmten Nahrungsmitteln wie Nüssen oder Karotten und nehmen viele Objekte zur Exploration erst einmal in den Mund, darunter auch Kleinteile aus Spielzeugbaukästen etc. Daher werden diese Objekte in dieser Altersgruppe immer wieder aspiriert, bei älteren Kindern passiert dies mit Nadeln, Nägeln etc. Insbesondere bei laryngealer oder trachealer Lage des Fremdkörpers kommt es immer wieder zu tragischen Verläufen mit perakuter Erstickung.
Epidemiologie
Es wird geschätzt, dass in den USA jährlich etwa 2000 Todesfälle durch Fremdkörperaspirationen auftreten, in Europa dürfte die Zahl ähnlich liegen. Für Kleinkinder unterhalb des 4. Lebensjahres wird das Risiko einer letalen Fremdkörperaspiration auf 0,7/100.000 Personen und Jahr geschätzt. In den USA erstickten 2001 169 Kinder an Fremdkörpern (30 % davon waren Nahrungsmittel), und 17.500 Kinder wurden wegen Aspirationen in Kliniken behandelt.
Klinische Symptome
Nicht selten wird von einer plötzliche Hustenattacke berichtet, meist auch einem blauen Anlaufen des Gesichts und einem Atemnotanfall. Danach besteht häufig ein Hustenreiz oder die Atmung ist z. B. durch verlängerte Exspiration mit Giemen, Pfeifen oder Stridor auffällig. Nicht selten muss man explizit nach einer Aspirationssituation fragen, da die Eltern dieses Ereignis nicht mit den späteren respiratorischen Symptomen in Beziehung bringen.
Eine chronische obstruktive Bronchitis, die bei einem bis dahin ganz gesunden Kleinkind plötzlich begonnen hat und nie wieder ganz abheilt, kann in Wahrheit durch eine chronische Fremdkörperaspiration hervorgerufen sein. Typisch ist eine Seitendifferenz der pulmonalen Befunde bei Auskultation oder radiologischer Bildgebung. Auch bei rezidivierenden Pneumonien, Lungenabszessen oder Hämoptysen sollte an eine Fremdkörperaspiration als Ursache gedacht werden.
Nach einer akuten Aspiration kann es durch Hustenstöße zu einer sekundären Verlagerung des Fremdkörpers mit plötzlicher Verlegung der Atemwege kommen.
Differenzialdiagnosen
Wegen ähnlicher Symptomatik muss auch an einen Krupp (Pseudokrupp), eine Epiglottitis, Diphtherie oder bakterielle Tracheitis gedacht werden. Eine inspiratorische Atembehinderung tritt auch beim allergischen Larynxödem oder einem Retropharyngealabszess auf, eine exspiratorische, manchmal auch seitendifferente Obstruktion kann auch beim Asthma oder der Bronchiolitis vorkommen.
Der ausgeprägte Hustenreiz nach einer nicht bemerkten Aspiration kann schwer von einem Keuchhusten zu unterscheiden sein.
Bei Patienten mit operierten Ösophagusatresien werden nicht selten Scheinaspirationen durch in der motilitätsgestörten Speiseröhre festhängende Nahrungsboli, die die Trachea von hinten komprimieren können, beobachtet, die als Aspirationsereignisse fehlgedeutet werden können.
Bei anamnestisch möglicher Aspiration besteht fast immer eine Indikation zur Bronchoskopie, um hier zu einer definitiven Klärung zu kommen.
Diagnose
Eine akut drohende Erstickung erkennt man an einem Abfall der transkutan gemessenen Sauerstoffsättigung und einem kaum noch hörbaren Lufteinstrom in die Lunge bzw. einer mangelnden inspiratorischen Thoraxexkursion trotz maximaler Atemanstrengung. Ein in- und exspiratorischer Stridor deutet auf eine tracheale oder laryngeale Lage des Fremdkörpers und damit auf eine besondere Erstickungsgefahr hin.
Eine Röntgenthoraxaufnahme (ggf. aufgeblendet bis zum Larynx) ist bei röntgendichten Fremdkörpern hilfreich und kann eine einseitige Überblähung und Minderperfusion der betroffenen Lunge zeigen. Bei drohender akuter Erstickung sollte keine Zeit mit der Bildgebung verschwendet werden, da ohnehin die sofortige Bronchoskopie die entscheidende therapeutische Maßnahme ist.
Typische radiologische Aspirationszeichen (lokale Überblähung oder Minderbelüftung) entwickeln sich meist erst nach 24–48 Stunden, die Sensitivität und Spezifität des Röntgen-Thorax liegt bei etwa 60–70 %. Meist erlaubt die Bronchoskopie am besten Diagnose und Therapie.
Therapie
Die Therapie ist davon abhängig, wie akut die Situation ist.
Akute Erstickungszeichen
Wenn ein Kind nach beobachteter oder vermuteter Fremdkörperaspiration selbst atmet und bei Bewusstsein ist, sollte nicht versucht werden, den Fremdkörper zu entfernen (etwa durch Klopfen auf den Rücken etc.), da sonst ggf. eine noch gefährlichere und evtl. total obstruierende Position des Fremdkörpers eintreten kann. Bei drohender Erstickung muss bis zur Fremdkörperextraktion jederzeit sofortige Beatmung bzw. Intubation möglich sein, z. B. durch ärztliche Begleitung bei einem evtl. erforderlichen Transport. Wenn das Kind jedoch nur noch insuffizient oder gar nicht mehr atmet, soll nach der Anwendung von 5 Rückenschlägen mit dem Ziel den Fremdkörper zu mobilisieren bei Kindern >1 Jahr der Versuch gemacht werden, den Fremdkörper mithilfe eines Heimlich-Handgriffs durch Kompression des Abdomens mit Auspressung der Luft aus der Lunge nach oben zu entfernen. Im 1. Lebensjahr sind aber Leber und Milzzerreißungen und andere Verletzungen der abdominalen Organe berichtet worden, sodass hier der Heimlich-Handgriff nicht durchgeführt werden sollte. Auch bei Erwachsenen wurden Organverletzungen insbesondere bei fehlerhafter Anwendung beschrieben. Durch Standard-Thoraxkompression wie bei der kardiopulmonalen Reanimation gegen einen verschlossenen Atemweg kann derselbe Effekt erzielt werden wie durch den Heimlich-Handgriff.
Sowohl der Heimlich-Handgriff als auch die Thoraxkompression können auch von den Anwesenden bei Anleitung über das Telefon durchgeführt werden. Eine zweizeitige Verlagerung des Fremdkörpers mit akuter Erstickung kommt vor.
Ist die geschilderte Maßnahme nicht erfolgreich, wird im Pharynx nach einem Fremdkörper gesucht, dann der Patient Mund-zu-Mund- oder maskenbeatmet. Bringt dies keinen Erfolg, soll bei Vorhandensein der entsprechenden Ausrüstung und Expertise intubiert werden. Hierbei kann man mittels eines maximal vorgeschobenen und dann wieder in die typische Lage zurückgezogenen Endotrachealtubus den Fremdkörper aus der Trachea weiter nach distal verlagern, sodass dann zumindest einseitig beatmet werden kann.
Fremdkörperentfernung
Mit der Bronchoskopie kann auch beim frisch aspirierten Fremdkörper bis zur Nüchternheit des Patienten gewartet werden, wenn keine akute Erstickungsgefahr besteht und es sich nicht um einen Säugling handelt.
Die Fremdkörperentfernung bei schon länger zurückliegender Aspiration sollte bald, aber unter optimalen personellen und technischen Umständen geplant werden. Die Häufigkeit von Komplikationen steigt, wenn die Entfernung nicht spätestens am 1.–2. Tag nach dem Aspirationsereignis vorgenommen wird.
Die Fremdkörperentfernung wird mit dem starren Instrumentarium in Vollnarkose durchgeführt (Abb. 1 und 2). Wenn die Wahrscheinlichkeit, tatsächlich einen Fremdkörper vorzufinden, gering ist, kann mit einer flexiblen Bronchoskopie ein Aspirationsausschluss erfolgen. Bei Auffinden eines Fremdkörpers wird dennoch auf die starre Technik gewechselt. Über die erfolgreiche Verwendung flexibler Endoskope und Instrumente zur Extraktion von manchen Fremdkörpertypen auch bei Kindern wurde berichtet, es sind aber auch tödliche Komplikationen aufgetreten. Da mit dem starren Instrumentarium eine sichere Extraktionsmethode zur Verfügung steht, bei der auch ein sicherer Atemweg und eine Möglichkeit zur Absaugung und Verwendung größerer Extraktionsinstrumente besteht, muss die Extraktion mit dem flexiblen Bronchoskop derzeit als experimentell angesehen. Diese Technik ist am ehesten für kleine, beim Verlust während der Extraktion nicht potenziell die großen Atemwege verschließende Fremdkörpern denkbar. Die offizielle Empfehlung internationaler Fachgesellschaften wie der American Thoracic Society (ATS) ist die Fremdkörperentfernung mit der starren Technik.
Das genaue Verfahren der Extraktion muss der Erfahrung des Operateurs überlassen bleiben.
Ist eine Entfernung nicht innerhalb einer Eingriffsdauer von 1–2 Stunden möglich, sollte die Operation beendet und entweder später erneut versucht oder das Kind an ein Zentrum oder einen Operateur mit großer Erfahrung verlegt werden.
Sonderfälle
Flüssigkeiten oder Teig müssen meist nicht endoskopisch geborgen werden, da sie sich auflösen oder abgehustet werden können. Bei der Aspiration größerer Mengen von Säuglingspuder (praktisch nur möglich, wenn die Dose über das Gesicht gehalten wurde und sich dabei die Einfüllöffnung geöffnet hatte), muss eine Absaugung mittels einer Bronchoskopie durchgeführt werden. In der Regel ist dabei ein Erstickungsanfall aufgetreten, und es besteht ein pathologischer Auskultationsbefund oder Dyspnoe.
Bei einer chronischen Fremdkörperaspiration (die evtl. Wochen zurückliegt) kann eine antibiotische Therapie vor der Bronchoskopie durchgeführt werden. Durch Rückgang der sekundären Infektion kann die Extraktion evtl. vereinfacht werden. Diese Antibiose muss aber in ständiger Bronchoskopiebereitschaft erfolgen, da eine Verlagerung des Fremdkörpers (Abschwellung des fixierenden Granulationswalls) möglich ist. Der Nutzen eines solchen Vorgehens ist jedoch ebenso wie eine Behandlung mit Steroiden vor der Bronchoskopie nicht gesichert.
Verlauf und Prognose
Bei verschleppter Diagnose kann es zu chronischer obstruktiver Bronchitis, wiederholten Pneumonien, Abszessbildung, chronischem Husten sowie Hämoptysen und sogar respiratorischer Insuffizienz kommen.
Eine Verlegung sollte nur mit Arztbegleitung wegen der Gefahr der Dislokation bzw. akuter respiratorischer Verschlechterung vorgenommen werden!
Weiterführende Literatur
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