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Pädiatrie
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Publiziert am: 12.04.2020

Grundlagen der Laboranalytik in der Pädiatrie

Verfasst von: Johannes Lotz
Der Prozess der Messwerterstellung wird systematisch in drei Abschnitte unterteilt, die als präanalytische, analytische und postanalytische Phase bezeichnet werden. In jeder dieser Phasen können typische Probleme auftreten, die zu falschen Laborergebnissen führen. Durch den technischen Fortschritt und die Etablierung eines weitgehend flächendeckenden Qualitätsmanagements wurden die analytischen und postanalytischen Fehler auf ein Minimum reduziert. Etwa zwei Drittel aller Fehler können auf die Präanalytik zurückgeführt werden.

Präanalytik

Der Prozess der Messwerterstellung wird systematisch in drei Abschnitte unterteilt, die als präanalytische, analytische und postanalytische Phase bezeichnet werden. In jeder dieser Phasen können typische Probleme auftreten, die zu falschen Laborergebnissen führen. Durch den technischen Fortschritt und die Etablierung eines weitgehend flächendeckenden Qualitätsmanagements wurden die analytischen und postanalytischen Fehler auf ein Minimum reduziert. Etwa zwei Drittel aller Fehler können auf die Präanalytik zurückgeführt werden.

Blutentnahmegefäße und Blutentnahme

In der Pädiatrie werden zumeist zylindrische Entnahmegefäße verwendet, die durch tropfendes Blut gefüllt werden. Bei Jugendlichen – sobald es der Entwicklungsstatus erlaubt – sollten die für Erwachsene üblichen Abnahmesysteme verwendet werden, um dem Labor eine ausreichende Menge Blut zur Verfügung zu stellen und eine standardisierte Abnahme zu ermöglichen. Bei zu geringen Blutvolumina müssen die Proben gegebenenfalls verdünnt werden, was zu einem Verdünnungsfehler oder zu einer Analytkonzentration unterhalb der Messschwelle des Tests führen kann. In letzterem Falle besteht die Gefahr, dass falsche Schlüsse aus den ermittelten Messwerten gezogen werden.
Vor der Entnahme muss sichergestellt sein, dass die für die Anforderung geeigneten Entnahmegefäße verwendet werden. Bei Spezialuntersuchungen, z. B. Thrombozytenfunktionstests, sollten die notwendigen Blutentnahmegefäße sowie notwendige Blutvolumen vorab erfragt werden. Wird das Blut mit einer Nadel entnommen, sollte folgende Entnahmereihenfolge eingehalten werden, um eine Verschleppung von Additiva zu vermeiden:
1.
Blutkultur (falls indiziert)
 
2.
Röhrchen ohne Additiva (Serum)
 
3.
Gerinnungsröhrchen (Na-Citrat)
 
4.
Röhrchen mit Additiva (Heparin-Plasma, K-EDTA, K-Fluoride, K-Oxalate)
 
Unterschiedliche Füllungsmengen von Röhrchen mit verschiedenen Additiva dürfen niemals ausgeglichen werden. Gelangen Komplexbildner (K-EDTA, Na-Citrat) in ein Serumröhrchen werden Kalzium und Magnesium sowie alle kalziumabhängigen chemischen Reaktionen falsch-niedrig gemessen oder gestört. Beispielhaft finden sich bis zu 80 % geringere Aktivitäten der alkalischen Phosphatase im Falle einer Kontamination mit kalziumbindenden Stoffen. Im Falle von K-EDTA werden zudem signifikant erhöhte Kaliumkonzentrationen gemessen.
Eine Herausforderung bei der tropfenden Abnahme ist das Mischen des Blutes mit den zugesetzten Additiva, die im Röhrchen als Flüssigkeit (z. B. Gerinnungsröhrchen) oder Pulver (z. B. Blutbildröhrchen) vorliegen können. Der erste Bluttropfen grenzt häufig das Antikoagulans von den nachfolgenden Tropfen ab, sodass in der Folge gehäuft Mikro- und Makrogerinnsel entstehen. Daraus resultieren nicht verwertbare Untersuchungsergebnisse. Bei der Abnahme muss daher auf eine unmittelbare Mischung von Blut und Additiva geachtet werden. Dies gilt nicht für Serum-Bestimmungen. Bei Zusatz flüssiger Additiva (z. B. Na-Citrat) muss bei der Abnahme ein definiertes Blutvolumen eingehalten werden, um Verdünnungsfehler und Störungen der (kalziumabhängigen) chemischen Reaktion durch überschüssiges Additivum (z. B. Kalzium-Komplexbildner) zu vermeiden.
Die Entnahmeröhrchen müssen vor der Blutentnahme eindeutig beschriftet werden, um eine nachträgliche Falschzuordnung zu vermeiden. Die Blutentnahme sollte morgens, nüchtern und vor der Einnahme von Medikamenten erfolgen, um in der Verlaufsbeurteilung Schwankungen durch zirkadiane Rhythmen zu vermeiden und die Spiegelbestimmungen von Medikamenten zu standardisieren (Talspiegel).

Transport

Die Transportzeit von Probenmaterial sollte grundsätzlich so kurz wie möglich gehalten werden. Innerhalb eines Klinikums bietet sich eine gebremste Rohrpostanlage an, die keinen signifikanten Einfluss auf die Messung der allermeisten Parameter hat, jedoch die Transportzeit optimiert. Bei der Bestimmung der Glukosekonzentration aus Serum muss mit einem Abfall von etwa 10 mg/dl/h gerechnet werden. Dennoch: Proben zur Durchführung spezieller Anforderungen, wie z. B. Thrombozytenfunktionstestungen oder die Herstellung von Zellpräparaten sollten konventionell transportiert werden. Beim Transport von Gerinnungsproben sollten Temperaturen zwischen 20–25 °C eingehalten werden. Eine Kühlung der Probe (Transport auf Eis) sollte vermieden werden, um eine Kälteaktivierung einzelner Gerinnungsfaktoren zu verhindern.

Einfluss- und Störfaktoren

Neben den In-vivo-Einflussfaktoren, wie z. B. das Alter, Geschlecht oder Schwangerschaft können In-vitro-Störfaktoren durch Beeinflussung der Messung zu falschen Ergebnissen führen. Einflussfaktoren wie Alter und Geschlecht müssen durch Erhebung spezifischer alters- bzw. geschlechtsbezogener Referenzbereiche berücksichtigt werden. Schwieriger ist die korrekte Abbildung vielfältiger ethnischer Einflüsse, wie z. B. die um 30–60 % geringere Anzahl an Leukozyten/Granulozyten in der schwarzen Bevölkerung im Vergleich zu Kaukasiern.
Medikamente können eine Enzyminduktion (Phenytoin, Phenobarbital) bewirken und so in vivo zu einem Anstieg von Leberenzymen führen. Umgekehrt können z. B. Cyclophosphamid oder orale Kontrazeptiva durch Enzymhemmung zu signifikant verminderten Aktivitäten der Cholinesterase führen. Unter Medikation mit Antikoagulanzien (z. B. direkte orale Antikoagulanzien) können spezielle, funktionelle Gerinnungstests durch die Hemmung des F II oder F X zu falschen Ergebnisinterpretationen führen. Daher sollte eine derartige Medikation abgefragt, respektive mit der Untersuchungsanforderung an das Labor übermittelt werden. Bisher sind etwa 50.000 Publikationen zu Drug-related laboratory test interferences (DRTI) erschienen. Interferenzen von Medikamenten in der Laboranalyse werden erst durch die Möglichkeit einer computergestützten Abfrage von elektronischen Krankenakten verlässlich erfassbar werden. Hierbei werden In-vitro-Effekte der Analyse von In-vivo-Einflussfaktoren unterschieden (z. B. wird bei Letzteren unter Medikation mit Protonenpumpenhemmern verstärkt Chromogranin A freigesetzt).
Am häufigsten treten Störungen von Labortests unter Einnahme von Antibiotika, Antipsychotika sowie nach Kontrastmittelgabe (KM) auf, z. B. iodhaltige Kontrastmittel, Gadolinium. Unter KM-Gabe können die Analysen von Kalzium, ACE, Zink, Serumelektrophorese und anderen betroffen sein. Aufgrund des weitverbreiteten Einsatzes von antibiotischen Medikationen muss mit einer relevanten Anzahl von analytischen Störungen gerechnet werden. Dies kann die Urindiagnostik mittels Urinstreifen gleichermaßen betreffen wie die Analytik aus Serum/Plasma. Unter Telavancin- oder Daptomycineinfluss kann es aufgrund von Reaktionen mit dem zugesetzten Gerinnungsreagenz zu einer vermeintlichen Erhöhung der INR kommen. Trimethoprim erhöht unabhängig von der GFR das Kreatinin. Bei auffälligen Befunden besteht die Möglichkeit Hinweise auf eine DRTI in Datenbanken abzugleichen, z. B. unter https://dailymed.nlm.nih.gov/dailymed/ (öffentliche Datenbank des NIH, U.S. National Library of Medicine). Dies setzt jedoch eine vollständige Medikamenten-Anamnese voraus, die auch die Einnahme pharmakologisch wirksamer Substanzen erfasst, die möglicherweise nicht vom Arzt verschrieben wurden.
Bei der Interpretation von Messergebnissen müssen Schwankungen durch bestehende zirkadiane Rhythmen bedacht werden. Daher sollten Blutentnahmen zu einem festgelegten Zeitpunkt durchgeführt werden, bevorzugt morgens. Schwieriger sind Messwertinterpretationen, wenn individuelle zirkadiane Rhythmen vorliegen. Beispielsweise hat die Serumeisen-Konzentration einen erheblichen tageszeitlichen, intraindividuellen Rhythmus. Die Messung der Eisenkonzentration im Serum hat daher eine nur eingeschränkte Aussagekraft bei der Beurteilung eines Eisenmangels. Dies gilt auch für die Bestimmung der Transferrinsättigung, deren Kalkulation die Serum-Eisenkonzentration einschließt.
Erheblich viele Analysen werden durch eine Hämolyse, eine Hyperbilirubinämie oder Lipämie gestört und können dann zu falsch-hohen oder falsch-erniedrigten Konzentrationen/Aktivitäten führen. Beispielhaft kann eine Lipämie durch Störung der fotometrischen Bestimmung der Hämoglobinkonzentration zu einem Anstieg von mehreren g/dl führen. Zu unterscheiden sind Störungen der eigentlichen Messung (z. B. Fotometrie) von einer Freisetzung intrazellulärer Substanzen bei einer In-vitro-Hämolyse, die analytisch korrekt miterfasst werden. Die Messung reflektiert jedoch nicht die In-vivo-Konzentration/Aktivität und kann daher zu Fehlinterpretationen des Ergebnisses führen. Sehr ausgeprägt ist dieser Sachverhalt bei der Bestimmung der neuronenspezifischen Enolase (NSE), deren αγ-Isoform in sehr hohen Konzentrationen im Erythrozyten vorliegt und daher bereits eine sehr geringe Hämolyse zu pathologischen Messergebnissen führt. Zur Vermeidung derartiger Effekte werden daher alle Proben vor der Analyse auf eine bestehende Hämolyse, Hyperbilirubinämie und Lipämie geprüft und zu erwartende Einflüsse auf dem Befundbericht kommentiert.

Interpretation von Labormessergebnissen

Um Labormessergebnisse interpretieren zu können, muss jeweils eine Bezugsgröße gegeben sein, die in Abhängigkeit von dem zu beurteilenden Parameter eine spezifische Interpretation in Bezug auf die medizinische Aussage ermöglicht. Gängige Größen sind:
  • Therapeutische Bereiche (therapeutic drug monitoring, TDM)
  • Grenzwerte (Cut-off-Angaben)
  • Normierte Referenzintervalle, z. B. bei Urinuntersuchungen
Die Referenzangaben zu Labormessergebnissen können nach ihrer Validität eingeteilt werden:
  • Entscheidungsgrenzen, die auf klinischen Outcome-Studien basieren (z. B. Grenzwerte zur HbA1c-Beurteilung). Diese Entscheidungsgrenzen beziehen sich jedoch auf eine spezielle klinische Fragestellung und sind nicht auf alle Patientenkollektive übertragbar.
  • Referenzintervalle, die auf Laborergebnissen von offensichtlich gesunden Probanden oder auf klinischen Einschätzungen basieren. Gewöhnlich wird der 95 %-Perzentilbereich angegeben. Für spezielle Marker können jedoch auch andere Bereiche definiert werden, z. B. die 99. Perzentile für die Troponinbestimmung.
  • Publizierte Empfehlungen von Experten oder Gremien.
  • Referenzgrenzwerte, die vorgegeben sind, z. B. durch Behörden.
  • Referenzintervalle, die auf aktuelle Publikationen oder auf den Beipackzettel des Herstellers Bezug nehmen.

Referenzintervalle

Das Clinical Laboratory Standards Institute (CLSI), eine Organisation, die sich für einen Konsensus in Bezug auf Standardisierungen in medizinischen Laboratorien einsetzt, definiert das Referenzintervall als einen Bereich von Messergebnissen, der einen festgelegten prozentualen Anteil an Messwerten enthält, die an gesunden Probanden erhoben wurden. Üblicherweise bezieht sich der Referenzbereich auf 95 % der Messergebnisse dieser gesunden Probanden. Unter der Vorstellung, dass sich in den Grenzbereichen unerkannte, kranke Probanden befinden könnten, werden 2,5 % der niedrigsten und höchsten Messergebnisse nicht berücksichtigt, sodass der 2,5- bis 97,5-Perzentil-Bereich das Referenzintervall definiert. Für Parameter, die nur Relevanz im Sinne eines erhöhten Messwertes haben, werden entsprechend die 0. und 95. Perzentile als Referenzintervall angegeben.
Dieses Modell, obwohl gut etabliert, ist nicht ohne Kritik. Die Kritikpunkte und Lösungsvorschläge sind zahlreich bis hin zur Vorstellung, adaptierte Cut-off-Werte für die einzelnen Erkrankungen zu definieren. Referenzintervalle basieren häufig auf den Messungen eines hochgradig selektionierten Kollektivs, das letztlich die Realität nur unzureichend abbildet. Ein Beispiel hierfür ist die Selektion von Patienten, die keinerlei Entzündungszeichen aufweisen, um Referenzbereichsintervalle für Entzündungsparameter (z. B. CRP) zu definieren. Bei mehreren Parametern ergeben sich Differenzen in Abhängigkeit von der Ethnie. Dies erlangt eine zusätzliche Komplexität durch Interferenz zwischen verschiedenen Ethnien.
Die Festlegung von Referenzintervallen für Kinder ist eine Herausforderung, die jedoch zunehmend fokussiert wird. Valide Referenzintervalle können nur definiert werden, wenn eine statistisch ausreichende Anzahl von Daten zur Auswertung vorliegt. Aus ethischen Gründen können von Kindern keine größeren Volumina zur Bestimmung von Referenzintervallen entnommen werden. Im Extrem gilt dies für Frühgeborene, die zudem noch eine Abhängigkeit zum Reifegrad aufweisen. Gerade spezielle Tests benötigen jedoch häufig ein relativ großes Blutvolumen. Auch ist die Auswahl „wirklich“ gesunder Kleinkinder aufgrund eingeschränkter Untersuchungsmöglichkeiten schwierig.
Angaben von Referenzintervallen waren bisher häufig wenig differenziert, ohne Bezug auf die Methode, die Geräteplattform oder das Referenzkollektiv. Nicht unüblich war und ist das fortlaufende Zitieren über mehrere Buchgenerationen ohne Anpassung an aktuelle Labor- und Standardisierungsentwicklungen. Im Gegensatz zu Erwachsenen findet sich bei Kindern eine ausgeprägte biochemische Dynamik, die z. B. in der Postnatal-Phase oder mit Beginn der Pubertät berücksichtigt werden muss. Darüber hinaus muss bei der Interpretation der Messergebnisse der individuelle Entwicklungsstatus berücksichtigt werden (z. B. Tanner-Stadien).
Der Verlauf biochemischer Marker zeigt mehrere prinzipielle Verlaufsmuster bis zum Erreichen des Erwachsenenstatus auf:
  • Niedrige Konzentration in der Neonatal-Phase und Zunahme mit fortschreitender Entwicklung (C-Peptid, Insulin, Coeruloplasmin)
  • Hohe Konzentrationen in der Neonatal-Phase, Abfall während der Kindheit und Stabilisierung bis zum Erwachsenenalter (Cystatin C)
  • Große, individuelle Variationsbreite während der Postnatal-Periode mit zunehmender Stabilisierung und nur noch geringen Schwankungen bis zum Erreichen des Erwachsenenalters. (Cholinesterase, DHEAS)
  • Geschlechtsunabhängiger konstanter Verlauf bis zum Erreichen des Erwachsenenalters (alpha1-Proteinase Inhibitor, Immunglobulin E)

Therapeutische Bereiche

Der therapeutische Bereich gibt eine Pharmakon-Konzentration an, die hoch genug ist, eine gewünschte pharmakologische Wirkung zu induzieren, sich jedoch unterhalb einer Konzentration befindet, die unerwünschte Nebenwirkungen provoziert. Voraussetzung eines im klinischen Alltag validen therapeutischen Bereiches ist die notwendige Beziehung zwischen Konzentration und Wirkung des Pharmakons.
Bei der Interpretation einer Medikamenten-Konzentration sollte in Bezug auf den therapeutischen Bereich folgende Zusammenhänge bedacht werden. Therapeutische Bereiche basieren häufig auf empirischen Daten und reflektieren nicht die individuelle Wirksamkeit des Medikaments. Aufgrund vielfältiger Einflussfaktoren, wie z. B. die Eiweißbindung, die Metabolisierungsgeschwindigkeit oder eine Multimorbidität kann meist kein allgemeingültiger therapeutischer Bereich festgelegt werden. Zudem sind gewöhnlich die Bedingungen, die zur Festlegung des Bereiches herangezogen wurden, nicht präsent. Die zu einer Laboranalyse benannten therapeutischen Bereiche sind daher de facto als Orientierungsbereich anzusehen. Zudem ist zu bedenken, dass Labortestsysteme im Verlauf mehrerer Jahre verbessert werden und sich die Wertelage daher verändern kann. Trotz dieses Fortschritts werden die therapeutischen Bereiche jedoch häufig weder durch Studien neu erstellt noch angepasst, sodass es über die Zeit zu Verschiebungen der Randbereiche kommen kann.

Grenzwerte

Beim Nachweis von Fremdsubstanzen sind Referenzbereiche nicht sinnvoll anzuwenden, sodass hier ein Grenzwert (Cut-off, Schwellenwert, Testtrennwert) als Bewertungsmaßstab herangezogen werden kann. Für diese Fälle besteht eine Beziehung zwischen Grenzwert und analytischer Nachweisgrenze des verwendeten Labortests. Für die Festlegung von Grenzwerten gibt es bisher keine verbindlichen Vorgaben, sie werden zweckmäßig definiert. Typischerweise werden derartige Grenzwerte zum Nachweis von Missbrauchsdrogen eingesetzt.
Grenzwerte können auch beim Nachweis endogener Substanzen diagnostische Entscheidungen herbeiführen. Beispielhaft kann zum sicheren Nachweis einer Myokardischämie die Konzentration des kardialen Troponins gemessen und mit der 99. Perzentile eines gesunden Referenzkollektivs verglichen werden. Bei Überschreitung dieses Grenzwertes weist das Messergebnis mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine bestehende kardiale Ischämie hin.
Tumormarker werden ebenfalls in der Regel in Bezug auf einen Grenzwert beurteilt. Die Intention ist die optimale Trennung zweier differenter Gruppen (Gesunde und Erkrankte). In Abhängigkeit vom Stadium einer Erkrankung (frühes Stadium) überlappen sich gewöhnlich die Messergebnisse beider Gruppen.

Fazit

Der Bezug eines Messergebnisses ist nur valide, wenn die präanalytischen Vorgaben strikt eingehalten werden. Auf den Vorgang der Etikettierung, Blutgewinnung, Lagerung und Transport der Probe hat das Labor nur einen begrenzten Einfluss und kann bestenfalls durch die medizinische Validierung auf implausible Ergebnisse hinweisen. Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass die überwiegende Anzahl an falschen Messergebnissen auf die Nichteinhaltung präanalytischer Vorgaben zurückzuführen ist.
Referenzbereiche sind Vergleichsintervalle, die stark abhängig sind von der Auswahl der Probanden, der Methodik, dem Fabrikat des Blutentnahmegefäßes, der Präanalytik. Gemäß der ISO 15189 sind Laboratorien verpflichtet Bezugsgrößen (Referenzintervalle, Cut-offs) in Bezug auf die analysierten Messergebnisse auf dem Befundreport anzugeben. Unter Berücksichtigung dessen, dass das erhaltene Messergebnis abhängig ist vom verwendeten Analysengerät, der verwendeten Methode sowie den verwendeten Reagenzien, ist es primär die Aufgabe des Labors adäquate Referenzintervalle bereitzustellen – wenn solche verfügbar sind. Zudem sollte auf dem Laborbefund erkenntlich sein, dass es sich bei den Referenzintervallen um altersadaptierte Angaben handelt. Die unreflektierte Übernahme von Referenzintervallen aus der Literatur kann zu erheblichen Fehlinterpretationen führen und sollte nicht ohne Rücksprache mit dem Labormediziner erfolgen. Aktuell existieren mehrere Initiativen, die sich speziell mit der Erstellung valider, geräte- und methodenadaptierter Referenzintervalle für Kinder befassen. Beispielhaft können die KiGGS- (RKI Deutschland), NORICHILD- (Scandinavian Societies of Clinical Chemistry) und die CALIPER-Initiative (Canada) aufgeführt werden.
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