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Pädiatrie
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Publiziert am: 07.04.2020

Jodprophylaxe der Struma

Verfasst von: Klaus Mohnike
Etwa 75 % des Körperjods wird in der Schilddrüse gespeichert, weitere Orte sind die Speicheldrüsen, die Magenschleimhaut sowie die laktierenden Brustdrüsen. Jod, das nicht gespeichert wird, wird renal ausgeschieden. Indirekt kann aus diesem Zahlenwert die Jodversorgung ermittelt werden. Konzentrationen von 100–299 μg Jod/l Urin werden von der WHO als ausreichende Versorgung definiert. Der Zusammenhang von Jodversorgung, Schilddrüsenvolumen und Synthese von Tetrajodthyronin (T4, Thyroxin) ist seit langem bekannt. Ein Spektrum von Störungen infolge eines Jodmangels wird zusammenfassend als „iodine deficiency disorders (IDD)“ bezeichnet. Bereits ein milder Jodmangel kann zu einer gestörten Hirnentwicklung führen. Ebenso ist ein chronischer Jodmangel Ursache für die Entstehung einer Struma (multi-)nodosa und einer Schilddrüsenautonomie. ‚Ein chronischer Jodmangel, der nicht behandelt wird, hat eine Hypothyreose und einen Kleinwuchs zur Folge‘.
Etwa 75 % des Körperjods wird in der Schilddrüse gespeichert, weitere Orte sind die Speicheldrüsen, die Magenschleimhaut sowie die laktierenden Brustdrüsen. Jod, das nicht gespeichert wird, wird renal ausgeschieden. Indirekt kann aus diesem Zahlenwert die Jodversorgung ermittelt werden. Konzentrationen von 100–299 μg Jod/l Urin werden von der WHO als ausreichende Versorgung definiert. Der Zusammenhang von Jodversorgung, Schilddrüsenvolumen und Synthese von Tetrajodthyronin (T4, Thyroxin) ist seit langem bekannt. Ein Spektrum von Störungen infolge eines Jodmangels wird zusammenfassend als „iodine deficiency disorders (IDD)“ bezeichnet. Bereits ein milder Jodmangel kann zu einer gestörten Hirnentwicklung führen. Ebenso ist ein chronischer Jodmangel Ursache für die Entstehung einer Struma (multi-)nodosa und einer Schilddrüsenautonomie. Ein chronischer Jodmangel, der nicht behandelt wird, hat eine Hypothyreose und einen Kleinwuchs zur Folge.

Jodversorgung

Die natürliche Jodversorgung ist weltweit sehr unterschiedlich, etwa 20 % der Weltbevölkerung werden von der WHO als Jodmangelgebiet eingeschätzt. Durch eine weltweite UN-Kampagne konnte die Versorgung mit Jodsalz in vielen Ländern der Erde verbessert werden. In Deutschland wurde nach der epidemiologischen KiGGS-Studie zwar eine niedrig normale Jodversorgung nachgewiesen, jedoch gibt es Risikogruppen. Etwa 40 % der Kinder und Jugendlichen (Abb. 1) haben keine bedarfsgerechte Jodversorgung.

Ursachen des Jodmangels

Als Ursachen für einen Jodmangel sind neben dem Jodgehalt der Nahrung auch Goitrogene/Strumigene (Substanzen, die eine Vergrößerung der Schilddrüse hervorrufen) zu beachten. Sie hemmen die Jodaufnahme der Schilddrüse. Dazu zählen Thiocyanat-haltiges Gemüse wie Kohl und Rettich, aber auch Glykoside (Mais und Hirse). Darüber hinaus können Phytoöstrogene (Sojaprodukte) die Aktivität der thyreoidalen Peroxidase hemmen.
Die Jodzufuhr über die Nahrung wird durch die Verwendung von jodiertem Kochsalz unterstützt. Nach Herstellerangaben hat in Deutschland jodiertes Speisesalz einen Anteil von 20 μg Jod/g NaCl und wird in Form von Kalium- und Natriumjodat zugesetzt.
Zunehmend werden statt selbst zubereitenden Mahlzeiten industriell hergestellte Fertigwaren als Hauptquelle der Ernährung verwendet. Europaweit einheitliche Rezepturen haben allerdings meist keinen Jodzusatz, d. h. nur 30 % der verarbeiteten Lebensmittel enthalten jodiertes Speisesalz.
Als weitere Jodquelle stehen Milch und Milchprodukte zur Verfügung. Proteingebundenes Jod wird aber nur zu 40–70 % verwertet. Seit den 1930er-Jahren wurde in Großbritannien die Jodversorgung durch Jodzusatz zum Futter der Milchkühe optimiert. Die veränderten Ernährungsgewohnheiten haben in den vergangenen 20 Jahren erneut bei etwa 60 % der 14- bis 15-Jährigen zu einem Jodmangel geführt. Auf diese negative Entwicklung wurde in einem Expertenpanel hingewiesen und Empfehlungen zur Prävention in der Krakow-Deklaration publiziert.

Schilddrüsenvergrößerung

In den 1920er-Jahren wurde in der Schweiz eine flächendeckende Jodsalzkampagne initiiert und in der Folge konnte ein nahezu kompletter Rückgang der Struma beobachtet werden.
Referenzwerte für das Schilddrüsenvolumen von gesunden Kindern und Jugendlichen wurden von Liesenkötter et al. publiziert und werden sowohl für die Diagnostik als auch als Grundlage der epidemiologischen KIGGS-Studie genutzt. Es zeigte sich, dass mit der verbesserten Jodversorgung auch eine Verringerung der Schilddrüsenvolumina nachzuweisen ist. Die Volumenangaben entsprechen den Befunden gut jodversorgter Regionen (z. B. Skandinavien). Demgegenüber sind die Schilddrüsenvolumen in der KIGGS-Studie im Mittel größer (Tab. 1) als in der Studie aus den 1990er-Jahren und ein Hinweis auf veränderte Ernährungsgewohnheiten.
Tab. 1
Schilddrüsenvolumina bei Kindern und Jugendlichen der KIGGS-Studie (nach Thamm et al. 2007)
Alter in Jahren
Geschlecht
n
Mittelwert (± SD)
Median (P25, P75)
Min
Max
6
J
494
2,48 (0,93)
2,4 (1,9–2,9)
0,50
7,60
M
464
2,37 (0,79)
2,2 (1,8–2,8)
0,50
6,70
7
J
504
2,79 (0,97)
2,7 (2,1–2,4)
0,50
6,30
M
486
2,79 (0,90)
2,7 (2,2–3,2)
0,70
7,10
8
J
497
3,31 (1,14)
3,0 (2,5–4,0)
1,10
8,70
M
505
3,33 (1,21)
3,1 (2,4–4,1)
0,40
7,80
9
J
526
3,65 (1,26)
3,5 (2,8–4,3)
1,00
8,60
M
503
3,82 (1,49)
3,6 (2,8–4,6)
1,00
14,80
10
J
522
4,34 (1,74)
4,0 (3,2–5,2)
1,20
13,00
M
460
4,37 (1,76)
4,0 (3,2–5,1)
1,10
15,90
11
J
519
4,96 (1,90)
4,6 (3,6–4,6)
1,30
13,00
M
504
5,43 (2,20)
5,1 (4,0–6,6)
1,60
16,30
12
J
497
5,74 (2,40)
5,3 (4,1–6,8)
1,90
19,40
M
480
6,61 (2,70)
6,2 (4,8–8,0)
1,80
23,00
13
J
517
6,94 (2,70)
6,6 (5,8–8,3)
1,80
26,30
M
461
7,52 (3,18)
7,0 (5,2–9,0)
1,60
28,10
14
J
520
8,34 (3,20)
7,7 (6,1–9,9)
2,10
29,40
M
450
8,16 (2,89)
7,6 (9,2–9,7)
2,60
24,50
15
J
490
9,14 (3,26)
8,7 (7,1–10,7)
2,90
28,50
M
450
8,17 (3,29)
7,5 (5,9–9,6)
2,60
28,20
16
J
441
10,14 (3,76)
9,5 (7,7–11,7)
3,20
45,00
M
439
8,76 (3,26)
8,2 (6,5–10,2)
1,70
25,40
17
J
400
8,50 (3,48)
10,2 (7,9–12,6)
3,60
24,00
M
430
2,48 (0,93)
8,1 (6,2–10,3)
2,00
37,40
Gesamt
11.559
6,15 (3,64)
5,4 (3,3–8,2)
0,40
45,00

Pathophysiologie und Jodzufuhr

Pathophysiologisch liegt der Entstehung einer Struma diffusa die parakrine Wirkung von Wachstumsfaktoren zugrunde. Dabei sind Pendrin und weitere Gene neben Umweltfaktoren wirksam. Bei einem länger bestehenden Jodmangel werden IGF-1 (insulin-like growth factor 1), EGF (epidermal growth factor) und TNF-alpha lokal im Schilddrüsengewebe sezerniert, die zu einer Hyperplasie der Schilddrüsenfollikel führen. Zusätzlich fördert TSH (Thyreoidea-stimulierendes Hormon) eine Hypertrophie der Thyreozyten. Diese Mechanismen werden als physiologische Anpassung an einen Jodmangel betrachtet.
Bei weiter fortbestehendem Jodmangel werden Strumaknoten (Struma nodosa) beobachtet und schließlich eine funktionelle Autonomie, die dem TRH(Thyrotropin-Releasing-Hormon)-TSH-Thyroxin-Regelkreis nicht mehr unterliegt.
Ein Zusammenhang mit dem gehäuften Auftreten einer Autoimmunthyreoiditis konnte nicht nachgewiesen werden. Wie nahezu alle Autoimmunerkrankungen ist eine genetische Disposition, die durch äußere Faktoren und Umwelteinflusse getriggert wird, wahrscheinlich.
Der sog. Jodexzess entspricht einer Jodzufuhr von über 1000 μg am Tag. Solche Jodmengen werden nicht über die normale Ernährung erreicht. Neben der Verwendung von jodhaltigen Kontrastmitteln können bei täglichem Konsum von Algen vergleichbare Konzentrationen erreicht werden.
Weiterführende Literatur
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