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Pädiatrie
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Publiziert am: 18.02.2020

Konjunktivitis und andere Bindehautveränderungen bei Kindern und Jugendlichen

Verfasst von: Thorsten Böker
Die Konjunktiva reagiert auf eine Vielzahl von Bakterien, Viren, Allergenen, Toxinen, äußeren Reizen sowie bei systemischen Erkrankungen. Eine Konjunktivitis im Kindesalter ist häufig und kann infektiöser sowie nichtinfektiöser Natur sein.

Konjunktivitis

Die Konjunktiva reagiert auf eine Vielzahl von Bakterien, Viren, Allergenen, Toxinen, äußeren Reizen sowie bei systemischen Erkrankungen. Eine Konjunktivitis im Kindesalter ist häufig und kann infektiöser sowie nichtinfektiöser Natur sein.

Akute purulente Konjunktivitis

Die akute purulente Konjunktivitis ist durch eine oft generalisierte Hyperämie der Konjunktiva, ein Ödem, mukopurulente Exsudate und eine sehr variable Schmerzsymptomatik charakterisiert. Sie ist meist Folge einer bakteriellen Infektion. Die häufigsten Erreger sind Staphylokokken, Pneumokokken, Haemophilus influenza und Streptokokken. Ein Bindehautabstrich sowie eine kulturelle Differenzierung ermöglichen die Identifikation. Diese gewöhnlichen Formen der akuten purulenten Konjunktivitis sprechen meist gut auf eine lokale Gabe antibiotischer Augentropfen (z. B. ab Geburt Azithromycin, Ciprofloxacin, Gentamicin, Moxifloxacin oder ab 1. Lebensjahr Ofloxacin oder Levofloxacin 2- bis 4-mal/Tag) an.

Ophthalmia neonatorum

Bei der Ophthalmia neonatorum handelt es sich um die akute Konjunktivitis des Neugeborenen. Auch wenn das gesamte Erregerspektrum der bakteriellen Konjunktivitiden in Frage kommt, so müssen differenzialdiagnostisch doch insbesondere die Gonokokken- und die Chlamydien-Infektionen beachtet werden.
Die Neugeborenenkonjunktivitis durch Neisseria gonorrhoeae tritt typisch am 1. bis 4. Tag post partum auf. Es zeigt sich ein massiver eitriger Ausfluss mit starkem Ödem und Hyperämie der Lider und der Bindehaut. Eine Gonokokken-Infektion kann zu Hornhautperforation und Erblindung führen. Eine schnelle Diagnose wird durch den Nachweis gramnegativer Diplokokken im Bindehautabstrich ermöglicht. Kulturen und weitere mikrobiologische Diagnoseverfahren ermöglichen die Unterscheidung der Gonokokken von anderen Neisseriaspezies. Eine systemische Behandlung mit Penicillin sowie die häufige lokale Gabe antibiotischer Augentropfen sind meist erfolgreich, jedoch muss aufgrund der Zunahme penicillinresistenter Gonokokken in jedem Einzelfall eine Resistenzbestimmung erfolgen. Zudem sollten strenge hygienische Grundsätze beachtet werden (Isolation der Kinder; Behandlung der Eltern), um eine Übertragung zu vermeiden.
Die Neugeborenenkonjunktivitis durch Chlamydia trachomatis (Einschlusskörperchenkonjunktivitis) ist sehr häufig. Die Infektion erfolgt durch Kontakt des Neugeborenen mit dem Erreger während der Geburt im Vaginaltrakt. Die Inkubationszeit beträgt 1 Woche und mehr. Das klinische Bild entspricht einer akuten purulenten Konjunktivitis. Die Diagnose wird durch den Nachweis intrazytoplasmatischer Einschlusskörperchen, durch Fluoreszenzantikörpertests oder durch Gewebekulturen der Erreger gestellt. Eine systemische Gabe von Erythromycin wird empfohlen, die Credé-Prophylaxe ist hier unwirksam. Es besteht ein Risiko der begleitenden systemischen Infektion und der späten Bindehautvernarbung sowie späterer Hornhautkomplikationen.
Von der infektiösen Form der Neugeborenenkonjunktivitis muss die chemisch induzierte Konjunktivitis als Folge der Credé-Prophylaxe durch Silbernitrat unterschieden werden. Sie entsteht 12–24 Stunden nach Tropfengabe und dauert nur 24–48 Stunden.

Virale Konjunktivitis

Die virale Konjunktivitis ist meist durch ein wässriges Sekret charakterisiert. Oft zeigt sich eine follikuläre Schwellung der palpebralen Bindehaut. Es handelt sich hierbei um eine Ansammlung von Lymphozyten, die jedoch erst nach dem 3. Lebensmonat zu sehen ist. Adenoviren sind eine der häufigsten Ursachen und können zu einer Hornhautbeteiligung führen.
Konjunktivitiden finden sich auch typischerweise bei systemischen Virusinfekten, Masern, Röteln etc. Sie bedürfen keiner spezifischen Therapie.

Keratokonjunktivitis epidemica

Die Keratokonjunktivitis epidemica wird durch Adenoviren des Typs 8 verursacht und durch direkten Kontakt übertragen. Aufgrund der hohen Kontagiösität ist ein epidemisches Auftreten typisch. Zunächst tritt ein Fremdkörpergefühl unter den Lidern mit Jucken und Brennen auf. Schnell kommt es zu einem Ödem und zur Fotophobie. Große ovale Follikel bilden sich in der Bindehaut. Eine präaurikuläre Lymphadenopathie und Pseudomembranen auf der Bindehaut sind häufig. Eine passagere Sehschärfenminderung ist oft Folge von subepithelialen Infiltraten der Hornhaut. Nur selten ist diese Sehminderung permanent. Kinder zeigen seltener als Erwachsene diese Hornhautkomplikationen, leiden jedoch öfter an einer begleitenden Infektion der oberen Luftwege.

Membranöse und pseudomembranöse Konjunktivitis

Membranöse und pseudomembranöse Konjunktivitiden treten bei einer Vielzahl von Krankheiten auf. Bei Diphtherie findet man die klassische membranöse Konjunktivitis. Ein fibrinreiches Exsudat lagert sich der Bindehaut auf und dringt in das Epithel ein. Die so gebildete Membran lässt sich nur mühsam entfernen und hinterlässt eine offene, blutende Oberfläche.
Bei der pseudomembranösen Konjunktivitis lässt sich das auf der Oberfläche liegende fibrinreiche Exsudat leicht entfernen, ohne Schäden zu hinterlassen. Diese Form findet sich bei vielen bakteriellen und viralen Infektionen. Auch bei der vernalen Konjunktivitis und dem Stevens-Johnson-Syndrom kann sie vorkommen.

Allergische Konjunktivitis

Die allergische Konjunktivitis ist mit starkem Juckreiz, Tränenfluss und Schwellung der Bindehaut verbunden. Sie tritt zu bevorzugten Jahreszeiten auf. Kalte Umschläge und abschwellende Augentropfen lindern die Symptome. Cromoglicinsäurederivate und lokale Steroide sollten unter ophthalmologischer Kontrolle verordnet werden.

Vernale Konjunktivitis

Die vernale Konjunktivitis (Frühjahrskatarrh) manifestiert sich im präpubertären Alter und kann über viele Jahre rezidivieren. Oft findet man eine Atopie, der genaue Pathomechanismus ist noch nicht ganz geklärt. Extremer Juckreiz und Tränenfluss sind typische Symptome. Große, abgeflachte, pflastersteinartige, papilläre Veränderungen der palpebralen Bindehaut sind charakteristisch. Ein fädiges Exsudat und milchige Pseudomembranen treten oft auf. An der Bindehaut des Limbus können kleine Schwellungen auftreten. Der Bindehautabstrich zeigt massenhaft Eosinophile. Lokale Steroide und kalte Umschläge mildern die Symptome. Cromoglicinsäure kann den Verlauf mildern.

Chemisch induzierte Konjunktivitis

Die chemisch induzierte Konjunktivitis tritt bei Kontakt der Bindehaut mit entsprechenden Chemikalien auf. Laugen dringen in das Gewebe ein und schädigen aufgrund der so verlängerten Kontaktzeit über Stunden bis Tage. Säuren führen direkt zu einer Denaturierung der Proteine. In beiden Fällen ist eine sofortige, ausgiebige und gründliche Spülung nach Gabe von anästhesierenden Augentropfen notwendig. Insbesondere bei Laugen besteht dennoch die Gefahr der dauerhaften Gewebsschädigung bis hin zum Verlust des Auges.

Andere Bindehautveränderungen

Hyposphagma

Das Hyposphagma ist eine subkonjunktivale Blutung, die sich als hell- bis dunkelrotes Areal in der bulbären Bindehaut zeigt. Verletzungen, Entzündungen oder auch Krankheiten des hämatopoetischen Systems können die Ursache sein.

Pinguekula

Die Pinguekula ist eine gelblich-weiße, gering prominente Läsion der bulbären Bindehaut, typischerweise im Bereich der Lidspalte. Es handelt sich um eine elastische und hyaline Degeneration der Bindehaut. Eine Therapie ist, abgesehen von einer kosmetischen Indikation, nicht notwendig.

Pterygium

Das Pterygium (Flügelfell) ist eine flächige, meist dreieckige Bindehautveränderung, typischerweise im nasalen Lidspaltenbereich, die auf die Kornea vorwächst. Die Histologie ähnelt der der Pinguekula. Chronische Irritation durch UV-Strahlen, Wind und Staub werden in der Pathogenese diskutiert. Eine chirurgische Entfernung wird bei Bedrohung der optischen Achse oder bei Astigmatismusinduktion notwendig.

Phlyktänuläre Keratokonjunktivitis

Kap. „Krankheiten der Hornhaut bei Kindern und Jugendlichen“.

Dermoidzysten und Dermolipoide

Dermoidzysten und Dermolipoide sind ähnlich aussehende, gutartige Läsionen. Es handelt sich um gelblich-weiße bis fleischfarbene, glatte, runde bis ovale Tumoren, die meist im oberen äußeren Quadranten in der Nähe des Limbus zu finden sind. Das Dermolipoid enthält Fett und Bindegewebe, die Dermoidzyste zusätzlich Drüsengewebe sowie Haare und Haarfollikel. Eine chirurgische Exzision ist möglich.

Bindehautnävi

Bindehautnävi sind kleine, gering prominente, lachsfarbene bis bräunliche, meist gutartige Läsionen. Aufgrund einer möglichen Entartung muss eine regelmäßige Kontrolle erfolgen.

Symblepharon

Das Symblepharon ist eine narbige Verwachsung zwischen palpebraler und bulbärer Bindehaut, meist im Bereich des Unterlides. Es kann Folge von Verletzungen, hier insbesondere Verätzungen oder Verbrennungen, Operationen oder Infektionen sein. Bei einer Motilitätseinschränkung des Bulbus können Doppelbilder auftreten. Eine chirurgische Trennung der Verwachsung mit Separation der Schnittränder bis zum Abheilen ist meist erfolgreich. Selten kann eine Schleimhautverpflanzung (Bindehaut des Partnerauges oder Mundschleimhaut) erforderlich sein.
Weiterführende Literatur
Curry SJ, for The US Preventive Services Task Force (USPSTF) (2019) Ocular prophylaxis for gonococcal ophthalmia neonatorum. JAMA 321(4):394CrossRef
Golde KT, Gardiner MF (2011) Bacterial conjunctivitis in children: a current review of pathogens and treatment. Int Ophthalmol Clin 51(4):85CrossRef
Hammersmith KM (2015) Blepharokeratoconjunctivitis in children. Curr Opin Ophthalmol 26(4):301CrossRef
Zikic A, Schünemann H, Wi T, Lincetto O, Broutet N, Santesso N (2018) Treatment of neonatal chlamydial conjunctivitis: a systematic review and meta-analysis. J Pediatric Infect Dis Soc 7(3):e107CrossRef