Diagnose
Kinder mit Gallengangsatresie werden in der Regel zum Termin mit normalem Geburtsgewicht geboren. Mädchen sind 1,4-mal häufiger betroffen als Jungen. Der postpartale Verlauf ist bei 65 % der Patienten zunächst unauffällig (sog. perinatale Form). Zwischen dem 10. und 20. Lebenstag entwickeln die Patienten einen zunehmenden
Ikterus mit einer pathologischen Erhöhung des konjugierten Anteils des
Bilirubins, dunklen, bierbraunen
Urin sowie entfärbte oder wechselnd gefärbte-entfärbte Stühle. Bei der Differenzierung zwischen gefärbtem und ungefärbtem Stuhl sind Stuhlfarbkarten hilfreich. Diese finden zunehmend Anwendung in geburtshilflichen Einrichtungen und erhöhen die Aufmerksamkeit von Eltern und Kinderärzten für Gallenwegserkrankungen.
Bei ca. 25 % der Patienten liegt eine embryonale Form der Gallengangsatresie vor. Bei dieser Gruppe kann sich schon wenige Tage nach der Geburt eine progrediente
Cholestase entwickeln. Patienten mit Gallengangsatresie entwickeln aufgrund der fortschreitenden Fibrosierung früh eine Hepatomegalie und Splenomegalie. Neben den hepatischen Auffälligkeiten kann eine Mitbeteiligung des kardiovaskulären Systems in Form von Herzvitien (am häufigsten Atriumseptumdefekt [ASD] oder
Ventrikelseptumdefekt [VSD] oder einem präduodenalen Verlauf der Pfortader und Anomalien der V. cava bestehen. Die Krankheit kann von einer Polysplenie begleitet sein. Postpartal zeigen sich im Gegensatz zur neonatalen Riesenzellhepatitis nur selten laborchemische Zeichen einer Hepatopathie, diese manifestieren sich erst im 3.–4. Lebensmonat. Bei jedem Neugeborenen mit einem konjugierten
Bilirubin über 2 mg/dl
1 oder einem konjugierten Bilirubin von mehr als 15 % des Gesamtbilirubins besteht der Verdacht auf das Vorliegen einer Gallengangsatresie. Die Serumtransaminasen sind in der Regel nur mäßig erhöht, jedoch bestehen auffallend hohe Werte der γ-Glutamyl-Transferase (γ-GT), alkalischen Phosphatase (AP) und der Serumgallensäuren als laborchemisches Korrelat der Galleabflussstörung. Die Synthesefunktion der Leber ist anfangs erhalten, allenfalls kommt es zu einer Einschränkung der intrinsischen Blutgerinnung durch verminderte Vitamin-K-Resorption infolge der Cholestase, die durch parenterale Vitamin-K-Substitution in der Regel behoben werden kann. Selten manifestiert sich eine Gallengangsatresie in Form einer Vitamin-K-Mangel-Blutung. Eine Kombination aus γ-GT-Erhöhung und signifikanter Erhöhung des konjugierten Bilirubins mit positivem Lipoprotein-X-Nachweis muss bis zum Beweis des Gegenteils als verdächtig für das Vorliegen einer Gallengangsatresie gelten.
Die Diagnose muss aufgrund der Progredienz der Krankheit und der Gefahr eines raschen zirrhotischen Umbaus rasch gestellt werden. Spät diagnostizierte Kinder (nach der 7. Lebenswoche) entwickeln eine progrediente Leberinsuffizienz, bedingt durch rapiden zirrhotischen Umbau mit laborchemischen Zeichen einer schweren
Cholestase. Aufgrund der zirrhotischen Umbauvorgänge kommen komplizierend die
portale Hypertension mit Hypersplenismus sowie die Ausbildung von Ösophagusvarizen dazu. Zusätzlich wird der weitere Verlauf durch eine zunehmende Beeinträchtigung der Syntheseleistung der Leber kompliziert. Kachexie, Fettmalabsorption mit daraus resultierender schwerer Gedeihstörung, Mangel an fettlöslichen
Vitaminen und der erhöhte Energieverbrauch der Patienten beeinträchtigen ihre körperliche und geistige Entwicklung.
Neben den oben genannten laborchemischen Veränderungen kommt den bildgebenden Verfahren in der Diagnostik der Gallengangsatresie große Bedeutung zu. Die Sonografie des Abdomens erweist sich als hilfreich in der Diagnostik der Polysplenie, die Dopplersonografie in der Diagnostik der bei Gallengangsatresie beschriebenen Gefäßvarianten (präduodenale V. portae, unterbrochene V. cava inferior). Die Gallengangsatresie per se kann gelegentlich schon durch die Ultraschalluntersuchung diagnostiziert werden. Eine Erweiterung der intrahepatischen Gallengänge schließt eine Gallengangsatresie mit großer Wahrscheinlichkeit aus, die differenzialdiagnostische Abgrenzung der
Choledochuszyste durch die Sonografie ist in der Regel möglich. Einen Bedeutungszuwachs in der Diagnostik der Gallengangsatresie erfuhr die Sonografie durch den möglichen Nachweis des sog. Triangular-cord-Zeichens: Kranial der Pfortaderbifurkation stellt sich bei Patienten mit Gallengangsatresie eine echoreiche Struktur mit der Form einer Triangel oder eines Zylinders dar. Vergleichsuntersuchungen mit den bisher üblichen Verfahren (Szintigrafie,
ERCP) wiesen dieser relativ einfachen Methode einen hohen Stellenwert in der Abgrenzung anderer cholestatischer Leberkrankheiten zu. An Stellenwert in der bildgebenden Diagnostik der Gallengangsatresie verloren hat die Leberfunktionsszintigrafie. Das gut gallegängige Radionuklid
99mTcDISIDA wird nach intravenöser Applikation ins Leberparenchym aufgenommen, in die Gallenkanalikuli sezerniert und über die extrahepatischen Gallengänge ins Duodenum ausgeschieden. Die Leberfunktionsszintigrafie erreicht in der Diagnostik der Gallengangsatresie eine Sensitivität von 97–100 %, jedoch nur eine Spezifität von 43–97 %. Die bei der Gallengangsatresie fehlende Ausscheidung ins Duodenum gilt als charakteristisch. Jedoch kann auch bei anderen cholestatischen Leberkrankheiten wie der neonatalen Riesenzellhepatitis, der
zystischen Fibrose und dem α
1-Antitrypsin-Mangel eine fehlende Ausscheidung des Radionuklids das Vorhandensein einer Atresie vortäuschen. Zur Erhöhung der Spezifität wird eine
Enzyminduktion mit Phenobarbital in einer Dosierung von 5 mg/kg KG 3–5 Tage vor der Szintigrafie empfohlen. Diese Induktionstherapie erhöht die Ausscheidung des Radionuklids bei Hepatitiden signifikant, sodass die Abgrenzung von der Gallengangsatresie eher möglich ist.
Routinemäßig noch nicht zum Einsatz kommt die Identifizierung von
Gallensäuren und
Bilirubin durch Infrarotspektroskopie im Stuhl der Patienten. Diese sehr elegante, aber aufwendige Methode erreicht eine 100-prozentige Sensitivität und eine 92-prozentige Spezifität. Der Leberbiopsie kommt eine entscheidende Rolle in der Diagnostik der Atresie zu. Die charakteristischen histologischen Veränderungen
Cholestase, Gallengangsproliferation und
Fibrose weisen auf das Vorliegen einer Atresie hin, jedoch werden auch die bei der neonatalen Riesenzellhepatitis charakteristischen Riesenzellformationen beobachtet. In der Diagnostik der Gallengangsatresie erreicht die Kombination aus Leberbiopsie und Szintigrafie die höchste Spezifität und Sensitivität (95 % bzw. 98 %). Elektronenmikroskopische Untersuchungen an Leberbiopsaten von Patienten mit Gallengangsatresie und neonataler Riesenzellhepatitis zeigten deutliche Unterschiede im Bereich der Portalfelder: degeneriertes Gallengangsepithel und periduktuläre Fibrose bei Patienten mit Gallengangsatresie, vergröbertes endoplasmatisches Retikulum, zytoplasmatische Hepatozytenfragmente und zytoplasmatische Nekrosen bei Patienten mit neonataler Riesenzellhepatitis. So ließen sich elektronenoptisch bei der Gallengangsatresie Veränderungen vor allem im Bereich des Portalfeldes nachweisen, bei der neonatalen Riesenzellhepatitis hingegen mehr an den Hepatozyten.
In einigen Fällen ist die Diagnose einer Gallengangsatresie durch die Kombination folgender Kriterien zu stellen:
Hier kann von einem erfahrenen Pädiater auf die Szintigrafie verzichtet werden.
Eine Darstellung des Gallengangssystems mittels Magnetresonanztomografie (MRCP) kann im Diagnostikprozess der Gallengangsatresie noch nicht generell empfohlen werden, wenngleich Untersuchungen an allerdings kleinen Kollektiven vielversprechende Ergebnisse vorweisen.
Vor einer operativen Korrektur der Gallengangsatresie sind eine direkte Darstellung des extrahepatischen Gallengangssystems und der Versuch einer intraoperativen Cholangiografie in jedem Fall indiziert, da nur so eine zufriedenstellende Darstellung der anatomischen Gegebenheiten möglich ist und unter Umständen unnötige Operationen bei intrahepatischen Hypoplasien und erhaltenem extrahepatischem System vermieden werden können.