Hämangiome und vaskuläre Malformationen
Hämangiome gehören zu den häufigsten vaskulären Tumoren im Kindesalter. Nach anfänglichem, z. T. starkem Wachstum bilden sie sich spontan innerhalb der ersten Jahre wieder zurück. Hämangiome der Augenregion können zu Ptosis, Verlegung der Sehachse und Amblyopie führen, bei Beteiligung der Orbita auch zu ossären Malformationen. Eine systemische Propanolol-Therapie hat sich bei behandlungsbedürftigen Hämangiomen in den letzten Jahren durchgesetzt (Zulassung in Deutschland, z. B. Hemangiol®-Saft 2014). Falls keine Kontraindikationen vorliegen, erfolgt die frühzeitige Einleitung der Therapie im Rahmen eines 2- bis 3-tägigen stationären Aufenthaltes und wird dann ambulant unter kinderärztlichen Kontrollen für 6 Monate fortgesetzt.
Der Naevus flammeus als Teil des
Sturge-Weber-Syndroms ist eine anlagebedingte vaskuläre Malformation und bildet sich im Gegensatz zu den
Hämangiomen durch Propanolol nicht zurück (Augendruckmessungen erforderlich!).
Lymphangiome tendieren während der ersten 2 Lebensjahrzehnte zur Vergrößerung.
Ptosis
Eine Ptosis (Herabhängen des Lides) ist meist angeboren und beruht auf einer Störung im Bereich des Muskels oder dessen Innervation, des III. Hirnnervs. Oft liegt eine dominante Vererbung vor.
Typisch für die kongenitale Ptosis ist eine Lidspaltenerweiterung beim Abblick (der dystrophische Muskel kann nicht entspannen). Die Beeinträchtigung des Patienten kann allein ästhetisch sein oder auch funktionell: Es kommt zu einer Kopfzwangshaltung im Sinne einer Kinnhebung, auch kann sich eine Amblyopie ausbilden, gegebenenfalls ist sie mit Anisometropie verbunden. Letztere erfordern eine sofortige Behandlung (gegebenenfalls Brille, Abkleben des „besseren“ Auges), während die Operation meist nicht dringlich ist und gegebenenfalls im Vorschulalter oder auch erst mit 10–12 Jahren erfolgen kann. In der Regel wird operativ der Levatormuskel verkürzt. Die sofortige Operation ist erforderlich, falls die Pupille ständig bedeckt ist.
Die kongenitale Ptosis kann im Rahmen mehrerer Syndrome vorkommen:
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Marcus-Gunn-Syndrom: Aufgrund einer Fehlsprossung aberrierender Nervenfasern besteht eine Synkinese zwischen Lid- und Unterkieferbewegungen, auch beim Saugen oder Kauen.
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Horner-Syndrom: Die Innervation des Müller-Muskels (Sympathikus) ist ausgefallen.
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Fibrose-Syndrom: Zusätzlich sind zahlreiche weitere Augenmuskeln funktionsgemindert.
Als Ursachen der erworbenen Ptosis im Kindesalter kommen in Frage: Trauma, Myasthenie, progressive externe Ophthalmoplegie und Affektion des III. Hirnnervs.
Epikanthus
Diese auch als Mongolenfalte bezeichnete Veränderung erstreckt sich vom Oberlid ausgehend über den inneren Kanthus. Sie findet sich häufiger bei Kleinkindern in geringerem Ausmaß und vermindert sich im Laufe des Wachstums. Ein Innenschielen kann vorgetäuscht werden (Pseudostrabismus), eine Vergesellschaftung mit Chromosomenanomalien, insbesondere mit
Down-Syndrom, ist möglich.
Lagophthalmus
Ein Lagophthalmus (Offenstehen der Lider) tritt bei Fazialisparese auf, bei Exophthalmus oder Buphthalmus. Es besteht die Gefahr der Austrocknung von Binde- und Hornhaut mit Hornhautgeschwür oder sogar Hornhautperforation.
Lidretraktion
Die Lidretraktion kann kurzzeitig auftreten bei Marcus-Gunn-Syndrom, bei Fehlregeneration innerhalb des III. Hirnnervs, im Rahmen einer
endokrinen Orbitopathie, bei Störungen im Bereich des vorderen Mesenzephalons, bei
Hydrozephalus,
Meningitis und bei Blickhebungsstörungen.
Entropium und Epiblepharon
Das Entropium (Lidkante ist nach innen gekippt) ist im Kindesalter sehr selten. Schleifende Wimpern können die Binde- und Hornhaut irritieren, die Therapie erfolgt in der Regel operativ. Davon abzugrenzen ist das Epiblepharon, bei dem eine horizontale Hautfalte die Wimpern nach innen drückt. Hier sind häufig Tränenersatzmittel notwendig, bis sich dieses meist bis zum ca. 6. Lebensjahr spontan zurückbildet.
Ektropium
Das Ektropium (Kippung des Lides, meist des Unterlides, nach außen) kommt selten kongenital vor und tritt sonst mit Narbenbildung im Zuge von Entzündung, Verätzung, Trauma oder bei Fazialisparese auf. Es lässt sich durch Operation korrigieren.
Lidkolobom
Die Defektbildung des Ober- oder Unterlides kann von einer kleinen Einziehung bis zum fast völligen Fehlen des Lides variieren. Sie kann isoliert oder in Verbindung mit anderen okulären oder fazialen Missbildungen vorkommen, auch mit
Dermoidzysten oder Dermolipomen. Eine frühzeitige chirurgische Versorgung ist bei Exposition der Hornhaut angezeigt.
Lidtumoren
Große und riesige kongenitale Naevi haben das Risiko einer malignen Entartung, welches proportional zur Größe der Naevi ist. Aufgrund der Größe sind diese Naevi schwierig zu behandeln und erfordern meist mehrere (plastische) Operationen. Erworbene und auf die Augenlider begrenzte Naevi sollten im Kinder- und Jugenalter überwacht werden, machen aber in der Regel keine Probleme.
Molluscum contagiosum sind virale Läsionen, die häufig an den Augenlidern auftreten. Eine begleitende Konjunktivitis geht meist erst dann zurück, wenn die Mollusca entfernt werden.
Dermoidzysten bilden sich im temporalen, seltener im nasalen Bereich und werden in Kap. „Krankheiten der Orbita bei Kindern und Jugendlichen“ abgehandelt. Andere Tumoren wie
Retinoblastom,
Neuroblastom und Rhabdomyosarkom, die das Lid mitbetreffen können, werden in Kap. „Solide Tumoren bei Kindern und Jugendlichen“ besprochen.
Blepharospasmus
Der Lidkrampf tritt auf bei Irritationen der Hornhaut, der Konjunktiva, des N. facialis oder auch bei nicht auskorrigierten Refraktionsfehlern. Manchmal ist er auch psychisch bedingt.
Blepharitis (Lidrandentzündung)
Die seborrhoische Blepharitis beruht auf einer exzessiven Talgsekretion aus den Zeiss-Drüsen, ist nicht bakteriell bedingt und zeigt sich mit mäßiger Rötung der Lidhaut und Schuppenbildung. Die Behandlung beruht auf Lidhygiene durch tägliches Auspressen der Drüsen und Entfernung der Schuppen unter Anwendung von warmen Kompressen, Wattestäbchen und gegebenenfalls Babyshampoo.
Die Staphylokokken-Blepharitis zeigt klinisch eine stärkere Hautrötung, Krustenbildung, möglicherweise Wimpernverlust und tritt gegebenenfalls in ulzerativer Form auf. Die Behandlung erfolgt wie bei der seborrhoischen Blepharitis, zusätzlich sollten gegebenenfalls antibiotische Salben, z. B. Erythromycin, evtl. in Kombination mit Steroiden, verabreicht werden.
Hordeolum (Gerstenkorn)
Das Hordeolum externum beruht auf einer Staphylokokken-Infektion eines Wimpernfollikels und der angrenzenden Drüsen des Lidrands. Dem Hordeolum internum liegt eine Infektion der Meibom-Drüsen zugrunde.
Chalazion (Hagelkorn)
Das Chalazion ist eine lokalisierte, nicht entzündliche Schwellung im Bereich des Ober- oder Unterlides, verursacht durch Retention von Sekretionsprodukten und Bildung von Granulationsgewebe.