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Pädiatrie
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Verfasst von:
Friedrich Bootz
Publiziert am: 01.04.2019

Krankheiten des Mittelohrs bei Kindern und Jugendlichen

Erkrankungen des Mittelohres sind häufig, sie sind meist entzündlicher Genese, Fehlbildungen hingegen treten selten auf. Oft entsteht durch Tubenventilationsstörungen und adenoide Vegetationen ein Sero- oder Mukotympanon, das meist einer operativen Behandlung in Form einer Adenotomie und einer Paukendrainage bedarf. Als weitere Folgen können eitrige Mittelohrentzündungen auftreten, die unter antibiotischer Therapie relativ schnell ausheilen. In seltenen Fällen kann sich daraus eine Mastoiditis entwickeln, die meist operativ, selten konservativ behandelt wird. Als weitere Folge der chronischen Belüftungsstörung können Cholesteatome entstehen, die grundsätzlich operativ behandelt werden müssen. Verletzungen des Mittelohres können direkt z. B. durch spitze Gegenstände oder indirekt z. B. durch enorme Druckerhöhung im Gehörgang hervorgerufen werden. Sie treten häufig im Rahmen von Längsfrakturen des Felsenbeins auf. Neben der Perforation des Trommelfells kann es auch zu einer Luxation der Gehörknöchelchenkette kommen, die durch eine Tympanoplastik behandelt wird.

Fehlbildungen

Fehlbildungen des Mittelohrs und damit des Schallleitungsapparates sind häufig mit Fehlbildungen der Ohrmuschel und des Gehörgangs kombiniert. Mittelohrfehlbildungen können monosymptomatisch oder in Kombination mit anderen Fehlbildungssyndromen (z. B. kraniofazialen Fehlbildungssyndromen) auftreten. In einem durch eine knöcherne Atresieplatte nach außen abgeschlossenen Mittelohr (Abb. 1) findet sich fast immer eine fehlgebildete Gehörknöchelchenkette. Bei Mittelohrfehlbildungen liegt in der Regel eine regelrechte Funktion des Innenohrs vor.
Die Diagnostik bei Mittelohrfehlbildungen umfasst neben einer ausführlichen audiologischen Untersuchung eine hochauflösende Felsenbein-CT (Abb. 2). Zur audiologischen Diagnostik reicht meist ein Reintonaudiogramm, das vor allem bei kleinen Kindern oder Säuglingen durch eine Ableitung akustisch evozierter Potenziale ergänzt werden kann. Zusätzlich ist eine Fazialisdiagnostik wichtig, um latente, inkomplette Fazialisparesen aufzudecken.
Bei einer beidseitigen Mittelohrfehlbildung ist bereits in den ersten 6 Lebensmonaten eine Hörgeräteversorgung (Kap. „Hörstörungen, Sprachstörungen, Sprechstörungen und Stimmstörungen bei Kindern und Jugendlichen“) notwendig, und zwar mit einem Knochenleitungshörgerät. Zwischen dem 2. und 4. Lebensjahr kann eine operative Hörverbesserung angestrebt werden, wenn dies die anatomischen Bedingungen erlauben. Sollte ein hörverbessernder Eingriff nicht möglich sein, so kann eine Rehabilitation mit einem knochenverankerten Hörgerät erfolgen. Dies kann sowohl perals auch transkutan vorgenommen werden. Bei einseitiger Mittelohrfehlbildung und normalem Gehör des anderen Ohrs sollte erst ab dem 15. Lebensjahr versucht werden, mittels einer Tympanoplastik das Gehör zu verbessern. Eine Sprachentwicklungsverzögerung ist bei einseitig normalem Gehör nicht zu befürchten.

Verletzungen des Trommelfells

Verletzungen des Trommelfells können direkt durch perforierende Gegenstände oder indirekt durch einen Schlag erfolgen. Während sich kleinere Perforationen eines primär gesunden Trommelfells meist spontan schließen, muss bei einem durch Entzündungen vorgeschädigten Trommelfell nicht selten eine Myringoplastik erfolgen. Klagt ein Kind nach einem solchen Trauma über Schwindel, so ist durch eine mögliche Luxation des Steigbügels an eine Eröffnung des Innenohrraums zu denken. Unter primär vestibulärer Symptomatik kann die Innenohrleistung bis zur Taubheit absinken. In diesem Falle ist die operative Exploration und Behandlung indiziert.
Unter dem Ohrmikroskop muss entschieden werden, ob die Trommelfellperforation geschient oder operativ mit einem autologen Faszien- oder Perichondriumtransplantat verschlossen werden muss. Ist die Perforation klein und das äußere Trommelfellepithel extrovertiert, wird sich diese Läsion spontan verschließen (kein Wasser ins Ohr). Bei einer größeren traumatischen Perforation (Abb. 3) mit paukenwärts introvertiertem Trommelfellepithel muss das Trommelfell operativ reponiert und geschient werden. Bleibt der spontane Verschluss aus, so muss eine Myringoplastik erfolgen.

Brüche des Felsenbeins

Brüche des Felsenbeins können als Längs- oder Querbrüche auftreten, auch deren Kombination ist möglich. Längsbrüche werden auch als extralabyrinthäre, Querbrüche als labyrinthäre Frakturen bezeichnet.
Die häufigeren Längsbrüche verlaufen entlang der Vorderkante der Felsenbeinpyramide und können durch die Paukenhöhle in den Warzenfortsatz bzw. in den Gehörgang einmünden. Sie lassen in der Regel das Innenohr unversehrt. Diese Traumen können zu einer Verletzung der Schallleitungskette, einer Verletzung des Trommelfells und des N. facialis führen. Otoskopisch erkennt man meist einen Frakturspalt im Gehörgang (Abb. 4). Die klassische Symptomatik umfasst neben der Trommelfellverletzung die einseitige Schallleitungsschwerhörigkeit, die Blutung aus dem Gehörgang und selten den Abfluss von Liquor. Jede Art der Manipulation oder Spülung im Gehörgang und im Mittelohrbereich ist streng kontraindiziert. Nach der sterilen Abdeckung des Ohrs ist der Patient einer otologischen Behandlung zuzuführen.
Die Felsenbeinquerbrüche ziehen meist durch das Innenohr und zerstören damit dessen Funktion, wodurch es zu Schwindel und Taubheit kommt. Otoskopisch findet sich kein Frakturspalt im Gehörgang, ein intaktes Trommelfell, jedoch ein Hämatotympanon (Abb. 5). Der N. facialis, bei der Längsfraktur in etwa 20 % der Fälle betroffen und nicht selten als Spätparese mit guter spontaner Remissionstendenz, wird bei der Querfraktur in etwa 50 % der Fälle hauptsächlich in seinem intralabyrinthären Verlauf mit einer Sofortparese traumatisiert. Die Prognose der sofortigen Parese des N. facialis ist erheblich schlechter als die der Spätlähmung nach mehrtägigem posttraumatischem Intervall. Bei einer Spätparese kann konservativ, in der Regel mit Kortikoiden behandelt werden, wogegen die Sofortparese meist durch eine direkte Traumatisierung des Nervs durch Knochenfragmente bedingt und daher operativ zu behandeln ist.
Ein Liquorabfluss kann über die Ohrtrompete in den Rachen möglich sein (falsche Rhinoliquorrhö).
Jede Art der Manipulation im Bereich des äußeren Ohrs ist zu unterlassen. Das Ohr muss vielmehr steril abgedeckt und der Patient in eine Fachklinik überwiesen werden, wo die erforderlichen konservativen und chirurgischen Maßnahmen – z. B. Tympanoplastik, Dekompression oder Rekonstruktion des N. facialis, Versorgung einer Duraverletzung usw. – in die Wege geleitet werden können.

Tubenfunktionsstörungen

Epidemiologie
Nach umfangreichen epidemiologischen Daten hatten 90 % aller Personen im Kindesalter einmal oder mehrfach Paukenergüsse. Bei Schuleintritt bestanden nur noch bei etwa 4 % des Kollektivs Paukenergüsse, wobei äußere Lebensbedingungen, wie Klima, Wohnumstände, soziales Umfeld, elterliches Rauchen und ähnliches sowie große adenoide Vegetationen und Infektionen der oberen Luftwege die Ausbildung solcher Ergüsse begünstigen können.
Pathogenese
Bei Tubenfunktionsstörungen kommt die Ohrtrompete ihren physiologischen Aufgaben wie Belüftung oder Drainage des Mittelohrs nicht entsprechend nach. Man spricht deshalb von einer Tubendysfunktion, wobei die Störungen von einer Obstruktion bis zum Klaffen der Ohrtrompete reichen können.
Die Konsequenz dieser Tubenfunktionsstörungen sind Paukenergüsse im Kindesalter, wobei dieses Krankheitsbild durch eine steril gewordene, ehemals bakterielle Infektion ausgelöst werden kann.
Wegen des noch nicht völlig ausgereiften neuromuskulären Systems beim Kind verbessert sich die Tubenfunktion mit zunehmendem Alter, wobei auch zum Zeitpunkt der Einschulung die normale Funktion des Erwachsenen noch nicht vollständig erreicht ist. Weitere begünstigende Faktoren für die Entstehung von Paukenergüssen sind Vernarbungen im Bereich der Tube, adenoide Vegetationen (Rachenmandelhyperplasie, sog. Polypen), evtl. auch eine stark ausgeprägte Tonsillenhyperplasie, Infektionsmechanismen der oberen Luftwege insgesamt mit Einschluss der Tubenschleimhaut und ein sog. nasotubarer Reflux. Hierbei gelangt bei sehr ausgeprägten Adenoiden beim Schlucken keimhaltiger Schleim über die Tube in das Mittelohr. In gleicher Weise werden für die Entstehung des Paukenergusses auch allergische Ursachen diskutiert.
Eine muskulär bedingte Öffnungsinsuffizienz des Tubenostiums liegt bei Kindern mit Gaumenspalten vor, da die Verbindung der Mm. tensores veli palatini fehlt.
Als Folge der dauernden Ventilationsstörung und des Unterdrucks im Mittelohr sowie der rezidivierenden Infektionen verwandelt sich das primär einschichtige Epithel in ein mehrschichtiges respiratorisches Epithel mit Flimmerzellen und zahlreichen sekretorischen Elementen wie Becherzellen und mukösen Drüsen. Dadurch wird die Mittelohrschleimhaut sekretionsfähig und bildet den Paukenerguss. Dieser ist anfangs serös, dickt im Laufe der Zeit ein und wird mukös.
Klinische Symptome
Der Patient empfindet ein Völlegefühl des Ohrs und leidet an einer Hörminderung (Schallleitungsschwerhörigkeit), die von der Kopfstellung sowie vom Schnäuzen und Niesen (aktive Belüftung des Mittelohrs über die Ohrtrompete) abhängig sein kann. Das Trommelfell ist retrahiert und zeigt unter dem Mikroskop eine vermehrte Gefäßinjektion sowie einen Flüssigkeitsspiegel (Abb. 6) bzw. eine bernsteinfarbene Flüssigkeit, es erscheint „verdickt“. In manchen Fällen kann es bläulich imponieren, man spricht dann von einem Glue ear (Abb. 7). In manchen Fällen wird hier fälschlicherweise die Diagnose eines Hämatotympanon gestellt.
Therapie
Beim erstmalig diagnostizierten Paukenerguss sollte bei der hohen Spontanheilungsrate die operative Therapie zunächst zurückstehen, wobei jedoch ein Sprachentwicklungsrückstand zu berücksichtigen ist. Bei der medikamentösen Therapie kommen abschwellende Nasentropfen, Mukolytika evtl. Steroide und Antibiotika in Betracht. Steroide haben meist nur einen kurzen positiven Effekt. Antibiotika können sinnvoll sein, da Paukenergüsse entgegen früherer Annahmen oft nicht steril sind. Eine generelle Anwendung von Antibiotika ist jedoch nicht sinnvoll.
Vor einer operativen Therapie sollte versucht werden, durch Luftduschen bzw. Valsalva-Versuche die Belüftung des Mittelohrs zu verbessern. Dies ist jedoch erst indiziert, wenn eine akute Infektion im Nasen- und Nasennebenhöhlenbereich abgeklungen ist.
An operativen Maßnahmen kommen die alleinige Adenotomie, evtl. mit Tonsillotomie oder in seltenen Fällen Tonsillektomie, und die Adenotomie mit Parazentese bzw. mit Einlage von Paukenröhrchen (Abb. 8) in Betracht. Der Effekt des Einlegens eines Paukenröhrchens ist darin zu sehen, dass durch die Beseitigung des Unterdrucks über den Gehörgang die Metaplasie des einschichtigen Epithels zum respiratorischen Epithel und damit die sekretorische Potenz der Mittelohrschleimhaut wieder rückgängig gemacht wird.

Akute Otitis media

Ätiologie und Pathogenese
Die akute Mittelohrentzündung ist meist durch tubogene Infektionen des Mittelohrraums mit Streptokokken, Haemophilus influenzae, Staphylokokken oder Pneumokokken bedingt (Tab. 1). Bei Kleinkindern ist sie recht häufig. Die akute Mittelohrentzündung kann seltener auch auf hämatogenem Wege bei Virusinfektionen (Grippe, Masern) und bakteriellen Infektionskrankheiten wie Scharlach entstehen. Mit der Verbesserung der Tubenfunktion (Abschn. 4) werden Mittelohrentzündungen beim heranwachsenden Kind seltener.
Tab. 1
Mikrobiologische Untersuchungen zur akuten Otitis media. (Nach Weerda 1994a, b)
Erreger
Häufigkeit (%)
Adam (1989)
(n =340)
Garabedian et al. (1990)
(n =118, vorbehandelt)
Streptococcus pneumoniae
36,0
20
Haemophilus influenzae
21,0
 
β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A
7,0
 
Neisseria catarrhalis
3,0
2,7
Staphylococcus aureus
4,0
9,6
Steril
21,0
 
Klinische Symptome und Verlauf
In der Regel handelt es sich um ein ausgeprägtes Entzündungsbild mit starken Ohrenschmerzen, Fieber, Rötung und Vorwölbung des Trommelfells (Abb. 9). Nach einer Spontanperforation des Trommelfells oder einer Parazentese lassen die starken Schmerzen schlagartig nach. Der Trommelfellbefund kann aber selbst bei einer beginnenden Antritis und Mastoiditis nur durch Aufhebung des Lichtreflexes so diskret sein, dass die Diagnose erst unter dem Ohrmikroskop oder durch eine Parazentese geklärt werden kann. Manch dyspeptisches Erscheinungsbild findet hier eine Erklärung. Eine Schallleitungsschwerhörigkeit ist die Regel. Selten treten zusätzlich eine Innenohrbeteiligung und eine vestibuläre Störung, ablesbar an einem Nystagmus, auf.
Der Verlauf kann sehr unterschiedlich sein, wobei die akute Mittelohrentzündung in der Regel harmlos verläuft. Sie kann jedoch auch die Ursache für eine infektiös-toxische Allgemeinwirkung sein. So kann die akute Mittelohrentzündung bei dystrophen, resistenzgeschwächten Säuglingen als Begleitkrankheit über einen längeren Zeitraum ohne Fieber bestehen und mit zunehmender Erholung des Säuglings wieder abklingen, andererseits kann sie aber auch die Ursache für eine Dystrophie des Säuglings sein.
Diagnose
Die Diagnose einer akuten Otitis media wird anhand des otoskopischen Befundes gestellt. Man erkennt eine Rötung des Trommelfells, die sich nicht auf das gesamte Trommelfell erstrecken muss. Im fortgeschrittenen Stadium ist das gesamte Trommelfell gerötet und meist stark vorgewölbt. In manchen Fällen kommt es zu einer spontanen Perforation des Trommelfells, wobei sich dann eine eitrige Sekretion findet. Bei diskretem Befund und latentem Verlauf ist selbst mit Otoskop oder Mikroskop die Diagnose nicht einfach zu stellen.
Komplikationen
Folgende Komplikationen können auftreten:
Mastoiditis
Ist eine akute Otitis media nach 2–3 Wochen nicht ausgeheilt, kann eine Mastoiditis entstehen. Ihre Entstehung wird durch die Virulenz der Erreger, eine schlechte Abwehrlage sowie eine unzureichende antibiotische Behandlung der akuten Otitis media begünstigt. Es handelt sich um eine eitrige Entzündung mit Einschmelzung der Zellsepten im pneumatisierten Warzenfortsatz, die bei einer entsprechenden Pneumatisation auch die Zellen des Jochbogenansatzes (Zygomatizitis) und gelegentlich die Zellen der Felsenbeinspitze (Petroapizitis mit Gradenigo-Syndrom) mit einbeziehen kann.
Symptome der Mastoiditis sind vermehrte Ohrenschmerzen, Wiederauftreten von Fieber, Senkung der hinteren oberen Gehörgangswand mit entsprechend pathologischem Trommelfellbefund, ein Druckschmerz über dem Warzenfortsatz und bei Vorliegen eines subperiostalen Abszesses das „abstehende“ Ohr und die retroaurikuläre Rötung. Bricht der Eiter von der Warzenfortsatzspitze unter den Ansatz des M. sternocleidomastoideus hinein, liegt eine Bezold-Mastoiditis vor, bei Einbruch der Eiterung in einen pneumatisierten Jochbogenansatz kann eine Zygomatizitis (Abb. 10) entstehen. Im Falle einer Petroapizitis können eine Abduzensparese, Trigeminusneuralgie und Okulomotoriusparese auftreten. Die Therapie der Wahl ist die operative Ausräumung des Mastoids bzw. des erkrankten Zellsystems und evtl. die Adenotomie. Leichte Formen der Mastoiditis ohne die eben genannten Symptome sprechen meist auf antibiotische Therapie zuzüglich einer Parazentese mit oder ohne Paukenröhrchen gut an.
Sinusvenenthrombose
Bei einer Entzündung des Mastoids im Rahmen einer akuten Mittelohrentzündung kann es zum Übergreifen der bakteriellen Infektion auf den Sinus sigmoideus kommen, wodurch eine Bakteriämie oder eine Sinusvenenthrombose entstehen kann. Die typischen Symptome sind neben denen einer akuten Otitis media starke Kopfschmerzen, eine Reduktion des Allgemeinzustandes, subfebrile Temperaturen und Erbrechen. Die Diagnose wird durch eine MRT (Abb. 11) gestellt. Zusätzlich kann eine Angiografie die Diagnose stützen und die Ausdehnung der Thrombose aufzeigen. Im Vordergrund der Therapie steht die Sanierung des Herdes in Form einer Mastoidektomie, die antibiotische und die über mehrere Monate durchzuführende Antikoagulanzientherapie.
Zusätzlich ist eine kurzzeitige Behandlung mit Kortikoiden in Erwägung zu ziehen.
Epiduraler Abszess
Über das sehr dünne Tegmen tympani bzw. Tegmen mastoidei können Keime aus dem Mittelohr bzw. Mastoid ins Schädelinnere gelangen und dort einen extraduralen Abszess verursachen. Typische Symptome sind Kopfschmerzen, subfebrile Temperaturen und Reduktion des Allgemeinbefindens. Die Diagnostik wird mit der CT oder vorzugsweise MRT (Abb. 12) gestellt. Die Sanierung des Primärherdes durch Mastoidektomie, Myringotomie und evtl. Adenotomie steht im Vordergrund, begleitet von einer hoch dosierten antibiotischen Therapie. Eine neurochirurgische Behandlung des Abszesses ist in der Regel nicht notwendig.
Okkulte Säuglingsmastoiditis und Antritis
Eine Einschmelzung der Zellen im Warzenfortsatzsystem kann bei latenten Fällen von Säuglingsotitis ohne Sekretion aus dem Mittelohrbereich und ohne deutlich sichtbare pathologische Trommelfellveränderung einhergehen. Dieser Prozess kann sich nach der Antrotomie mit der Eröffnung des Warzenfortsatzes und einer Parazentese rasch bessern und somit zu einer Erholung des Säuglings führen.
Therapie der akuten Otitis media
Behandlungsmöglichkeiten sind Nasentropfen, Antipyretika, evtl. Parazentese und Adenotomie sowie eine antimikrobielle Therapie. Die Notwendigkeit einer antibiotischen Therapie ist von der Schwere der Erkrankung anhängig und muss in sorgfältiger Abwägung potenzieller Nebenwirkungen wie z. B. Durchfall indiziert werden. Amoxicillin ist das Mittel der 1. Wahl. Alternativ können Erythromycin oder Cephalosporine eingesetzt werden. Wegen der zunehmenden Entwicklung von β-Laktamase-produzierenden Stämmen von Haemophilus influenzae ist bei Therapieresistenz auf entsprechend wirksame Antibiotika auszuweichen. Im Zweifelsfalle sollte bei der akuten Otitis media der Hals-Nasen-Ohren-Arzt hinzugezogen werden, da ein rezidivierender Unterdruck im Mittelohr bei Tubenfunktionsstörungen der Kleinkinder schmerzhafte Symptome ähnlich der Otitis media hervorrufen kann und ohne antibiotische Therapie nur durch die Applikation von Nasentropfen gebessert bzw. zum Verschwinden gebracht werden kann. Bei der rezidivierenden Otitis media sollte ebenso wie bei den Tubenfunktionsstörungen als sinnvolle operative Präventivmaßnahme die Adenotomie, evtl. zusammen mit einer Tonsillotomie/Tonsillektomie, in Erwägung gezogen werden.

Sonderformen der Mittelohrerkrankungen

Scharlach

Die früher bei Scharlach relativ häufige Mittelohrbeteiligung (5–30 %) ist heute aufgrund der frühzeitig einsetzenden Penicillintherapie auf etwa 2–4 % gesunken.

Masern

Eine entzündliche Mitbeteiligung des Mittelohrs ist bei Masern in fast allen Fällen zu sehen. Beim Übergang in eine eitrige Mittelohrentzündung lassen sich meist Streptokokken und Pneumokokken nachweisen. Ähnlich wie bei Scharlach kann eine Masernotitis in eine chronische Otitis media übergehen, in der Regel verläuft jedoch die Masernotitis unter Antibiotikabehandlung komplikationslos.

Grippeotitis media

Die Grippeotitis media wird ausgelöst durch Influenzaviren mit Superinfektion durch Haemophilus influenzae. Dadurch kommt es zu einer toxischen Kapillarschädigung mit charakteristischen Blutbläschen im Gehörgang und auf dem Trommelfell (Abb. 13). Das Mittelohrsekret ist in der Regel dünnflüssig.
Audiologisch findet sich meist eine kombinierte Schwerhörigkeit. Zusätzlich zur durch den Mittelohrerguss bedingten Schallleitungsschwerhörigkeit kann sich eine Innenohrschwerhörigkeit, bedingt durch die toxische Schädigung des Labyrinthes, einstellen. Während sich die Mittelohrschwerhörigkeit durch Resorption des Sekretes in der Regel vollständig zurückbildet, kann eine Innenohrschwerhörigkeit bestehen bleiben.

Chronische Otitis media

Die chronische Mittelohrentzündung ist ein Oberbegriff für verschiedene Krankheiten des Mittelohrs, deren gemeinsame Grundlage eine lang andauernde, mehr oder minder ausgeprägte Entzündung mit irreversiblen Gewebszerstörungen ist. Die charakteristischen klinischen Symptome sind die Otorrhö, die persistierende Trommelfellperforation und die Schwerhörigkeit. Die histopathologischen Kennzeichen sind Granulationsgewebe, Fibrose, Cholesteringranulom, Cholesteatom und Knochenabbau. Das Mastoid ist stets mit betroffen und häufig in seiner Pneumatisation gehemmt. Es sind 2 prognostisch unterschiedliche Hauptformen zu unterscheiden: die chronische mesotympanale Schleimhauteiterung und die chronische Knocheneiterung, das Cholesteatom.

Chronische Schleimhauteiterung

Die chronische Schleimhauteiterung ist gekennzeichnet durch eine zentrale Trommelfellperforation. Eine Sekretion muss nicht immer vorhanden sein. Das Ohr kann längere Zeit trocken sein und durch äußere Einflüsse, z. B. im Rahmen einer Infektion der oberen Atemwege, intermittierend und dann meist geruchlos sezernieren.
Ätiologie und Pathogenese
Bezüglich der Ätiologie unterscheiden sich die chronische Schleimhauteiterung und die Knocheneiterung nach dem bisherigen Kenntnisstand nicht wesentlich.
Die Pathogenese ist immer noch nicht völlig geklärt. Die größte Bedeutung kommt sicherlich der Tubendysfunktion (Abschn. 4) und den von außen durch die Trommelfellperforation eindringenden Keimen zu. Zweifelsohne spielen auch genetische Faktoren, gehäufte Otitiden im Säuglingsalter, allergische Dispositionen sowie in erster Linie die Dysfunktion der Ohrtrompete im Kindesalter eine bedeutende Rolle.
Während früher grampositive Keime wie Staphylococcus aureus vorherrschten, finden sich heute am häufigsten gramnegative Bakterien wie Pseudomonas aeruginosa, Proteus, Escherichia coli, aber auch Pilze.
Klinische Symptome und Therapie
Die chronische Schleimhauteiterung zeigt typischerweise eine zentrale, unterschiedlich große Trommelfellperforation, die nirgends den Trommelfellsaum erreicht (Abb. 14). Die Sekretion ist je nach Keimbesiedelung schleimig bis wässrig. Aufgrund der Perforation und evtl. vorliegender partieller Destruktion der Gehörknöchelchen liegt eine unterschiedlich stark ausgeprägte Schallleitungsschwerhörigkeit vor. Der Verlauf ist zwar chronisch, in der Regel aber frei von Komplikationen. Die Tympanoplastik mit Verschluss des Trommelfelldefektes sowie der gegebenenfalls notwendigen Rekonstruktion der Schallleitungskette ist die Therapie der Wahl. Zu beachten ist, dass der Erfolg einer Tympanoplastik beim Erwachsenen in der Regel höher ist als beim Kind. Dennoch sollte auch beim Kind ein Verschluss des Trommelfelldefektes vorgenommen werden, schon allein um die exogene Infektionsquelle zu beheben. Daneben kann dadurch auch das Gehör verbessert werden.

Chronische Knocheneiterung (Cholesteatom )

Definition und Pathogenese
Eine chronische, knochenzerstörende Entzündung tritt im Mittelohr als chronisch-granulierende Entzündung und als chronische Knocheneiterung (Cholesteatom) auf. Beim Cholesteatom, dessen Pathogenese bis heute ebenfalls noch nicht völlig geklärt ist, handelt es sich um ein in die Mittelohrräume eingewachsenes oder dort bereits primär vorhandenes, verhornendes Plattenepithel mit Umwandlung in eine Cholesteatommatrix, die durch ein expansives Wachstum und Entzündungsvorgänge die umgebenden knöchernen Strukturen der Mittelohrräume arrodieren kann – ein Verhalten, das durch den hohen Gehalt der Cholesteatommatrix an proteolytischen Enzymen (Kollagenasen) bedingt ist. Damit besteht die Gefahr einer Zerstörung der Gehörknöchelchenkette, eines Einbruchs des Cholesteatoms in das Labyrinth und in das Endokranium mit zum Teil, heute sehr seltenen lebensbedrohenden Komplikationen wie Labyrinthitis, otogener Fazialislähmung, Thrombose des Sinus sigmoideus, otogener Sepsis, Epiduralabszess, otogener Meningitis und otogenem Hirnabszess. Aus diesem Grunde stellt die Cholesteatomeiterung im Gegensatz zur chronischen Schleimhauteiterung (relative Operationsindikation) eine absolute Operationsindikation dar.
Diagnose
Charakteristisch für die chronische Knocheneiterung ist die randständige Trommelfellperforation (Abb. 15), durch die man schuppige, weißliche Cholesteatommassen erkennen kann. Das Cholesteatom entwickelt sich überwiegend im Kuppelraum als epitympanales Einsenkungscholesteatom oder über dem Sinus tympani. Als sekundäres Cholesteatom kann es über eine primär randständige Trommelfellperforation entstehen, durch welche das Epithel des Gehörgangs in die Mittelohrräume einwachsen kann. Das angeborene und traumatisch bedingte Cholesteatom des Felsenbeins ist sehr selten. Als bildgebende Darstellung des Cholesteatoms eignet sich die diffusionsgewichtete MRT des Felsenbeins, die in Zweifelsfällen die Diagnose neben den sonst sicheren klinischen Zeichen sichert.
Therapie
Nach der lokalen (Floxal-Tropfen) und systemischen antibiotischen Behandlung der chronischen bakteriellen Infektion ist die Entfernung des Cholesteatoms mit der Rekonstruktion des Trommelfells und der Schallleitungskette die einzig sinnvolle Therapie mit dauerhaftem Erfolg. Wegen der Besiedelung mit anaeroben Keimen und speziell mit Pseudomonas aeruginosa sind hier je nach Keimnachweis Acylureidopenicilline wie Azlocillin, Aminobenzylpenicilline wie Piperacillin und in therapieresistenten Fällen mit Einverständnis der Eltern oder ab dem 14. Lebensjahr Chinolone (Gyrasehemmer) wie Ofloxacin oder Ciprofloxacin angezeigt. Als lokales Therapeutikum haben sich die Floxal-Augentropfen als Ohrentropfen mit Zusatz von 3 mg Ofloxacin bewährt. Nach Cholesteatomoperationen ist eine jahrelange Nachsorge von besonderer Bedeutung, da es bei Kindern nicht selten zu Rezidiven kommt.
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