Der Sehnervenkopf (Papille) hat, ophthalmoskopisch betrachtet, bei Kindern ungefähr dieselbe Größe wie bei Erwachsenen, ist aber, speziell in der frühen Kindheit, deutlich blasser.
Kongenitale Sehnervenanomalien
Kinder mit beidseitigen Störungen können je nach Ausprägungsgrad früh durch schlechte Sehschärfe und Nystagmus auffallen, einseitige Veränderungen zeigen sich in vielen Fällen durch eine sekundäre Esotropie.
Sehnervenhypoplasie
Die Sehnervenhypoplasie ist die häufigste Sehnervenfehlbildung und kann mit Störungen von zentraler Sehschärfe und Gesichtsfeld sehr unterschiedlicher Stärke verbunden sein (bis zur Blindheit), die nicht direkt mit der Größe des Sehnervenkopfs korreliert sind. Sie kann allein auftreten oder mit anderen Entwicklungsstörungen wie
Hydrozephalus, Enzephalozele oder Mikrophthalmie vergesellschaftet sein. Sie ist gegebenenfalls auch Teil der
septooptischen Dysplasie (De-Morsier-Syndrom), die durch Agenesie des Septum pellucidum gekennzeichnet ist und mit weiteren Missbildungen im Bereich vorderer Hirnanteile verbunden sein kann. Die Diagnose mittels MRT sollte frühzeitig erfolgen, da sich möglicherweise therapeutische Konsequenzen ergeben können: Ist die Hypophyse mitbetroffen, kann eine Substitution der von ihr abgegebenen Hormone erforderlich werden.
Kolobome
Bei Kolobomen kann der Sehnerv isoliert oder zusammen mit der Iris oder der Netz-/Aderhaut betroffen sein (Kap. „Krankheiten der Iris bei Kindern und Jugendlichen“).
Morning-glory-Syndrom
Die Papille ist vergrößert und stark exkaviert, in der Mitte liegt oft ein weißlich bis orangefarbenes Gewebe (Glia). Der Name rührt von der Ähnlichkeit zu einer Blume (Windenblüte) her. Die Sehschärfe ist meist stark beeinträchtigt.
Erbliche Optikusneuropathien
Erbliche Optikusatrophien können isoliert auftreten (autosomal dominante Optikusatrophie, Lebersche hereditäre Optikusneuropathie (LHON, mitochondrial)) oder im Rahmen von Systemerkrankungen (z. B. mit Hörverlust, bei
Friedreich-Ataxie, Charcot-Marie-Tooth-Syndrom, MELAS [„mitochondrial encephalomyopathy, lactic acidosis and stroke-like episodes“]).
Neuritis nervi optici
Ein plötzlicher Abfall der Sehschärfe, verbunden mit periorbitalem
Schmerz und Bulbusdruckschmerzen oder schmerzhaften Augenbewegungen und
afferenter Pupillenstörung, deutet auf eine Entzündung des Sehnervs hin. Die Papille sieht entweder normal aus (
Retrobulbärneuritis) oder ödematös mit verwaschenen Grenzen (Papillitis).
In der Kindheit ist die Neuritis nervi optici häufig beidseitig. Zum Ausschluss einer generalisierten neurologischen Systemerkrankung sollte eine MRT durchgeführt werden. Auch toxische Ursachen oder Medikamentenabusus kommen ursächlich in Betracht. Die Rückbildung der Sehschärfenminderung (meist innerhalb von Wochen) ist stark von der Ursache abhängig.
Stauungspapille
Im Frühstadium der Stauungspapille finden sich obere und untere Papillenrandunschärfe und -prominenz, die Papille ist hyperämisch. Die voll entwickelte Stauungspapille manifestiert sich durch Prominenz, Blutungen,
Exsudate sowie evtl. peripapilläre Netzhautfalten. Die Sehschärfe ist im Gegensatz zur Papillitis im Allgemeinen nicht verschlechtert, bei der Gesichtsfelduntersuchung ist der blinde Fleck vergrößert.
Mögliche Ursachen sind erhöhter Hirndruck, z. B. durch Tumor,
Meningitis, Pseudotumor cerebri,
Enzephalitis,
Hydrozephalus, intrakranielle Blutung u. a. Eine lange bestehende Stauungspapille kann zur Optikusatrophie führen. Eine Stauungspapille kann unter anderem durch Fibrae medullares und Drusen vorgetäuscht werden.
Sehnerventumoren
Kap. „Krankheiten der Orbita bei Kindern und Jugendlichen“.
Zentrale Sehstörung
Wenngleich die Augäpfel in allen Abschnitten unauffällig sind und die Pupillenreaktion intakt ist, ist das Kind klinisch blind, und ein optokinetischer Nystagmus lässt sich nicht auslösen. Es werden nur zufällige Augenbewegungen durchgeführt, ein Spontannystagmus besteht nicht.
Gelegentlich können Säuglinge beobachtet werden, die klinisch eine kortikale Blindheit zeigen, die nicht durch irgendeine pränatale oder sonstige Störung zu erklären ist. Nach 6–12 Monaten können sie jedoch normale Sehfunktion entwickeln, sodass von einer verzögerten visuellen Reifung auszugehen ist.
Weiterführende Literatur
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