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Pädiatrie
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Publiziert am: 01.05.2020

Neonatale Alloimmunthrombozytopenie und weitere fetomaternale Inkompatibilitäten

Verfasst von: Michael Zemlin und Ludwig Gortner
Analog zur Pathogenese der Rhesusinkompatibilität kommt es durch den Übertritt von mütterlichen Antikörpern – meist Antikörper der Klasse Immunglobulin G gegen das paternal vererbte thrombozytäre Antigen HPA-1a (human platelet antigen) – zu einer Destruktion der kindlichen Thrombozyten. Darüber hinaus ist heute eine zunehmende Zahl weiterer thrombozytärer Antigene, z. B. HPA-3a, HPA-5b, als Auslöser spezifischer antithrombozytärer Antikörper beschrieben. Die durch Antikörper vermittelte Thrombozytendestruktion kann bei der Alloimmunthrombopenie schon in utero ablaufen und intrakranielle Blutungen ab dem 2. Trimenon zur Folge haben.

Neonatale Alloimmunthrombozytopenie

Ätiopathogenese
Analog zur Pathogenese der Rhesusinkompatibilität kommt es durch den Übertritt von mütterlichen Antikörpern – meist Antikörper der Klasse Immunglobulin G gegen das paternal vererbte thrombozytäre Antigen HPA-1a (human platelet antigen) – zu einer Destruktion der kindlichen Thrombozyten. Darüber hinaus ist heute eine zunehmende Zahl weiterer thrombozytärer Antigene, z. B. HPA-3a, HPA-5b, als Auslöser spezifischer antithrombozytärer Antikörper beschrieben. Die durch Antikörper vermittelte Thrombozytendestruktion kann bei der Alloimmunthrombopenie schon in utero ablaufen und intrakranielle Blutungen ab dem 2. Trimenon zur Folge haben.
Bei der pränatalen Diagnostik im Rahmen von blutungsverdächtigen intrakraniellen Befunden ist daher stets eine neonatale Alloimmunthrombozytopenie differenzialdiagnostisch mit abzuklären. Die Inzidenz der neonatalen Alloimmunthrombopenie wird mit 1:800 bis 1:1000 Geburten angegeben.
Klinische Symptome
Die klinischen Symptome Neugeborener mit neonataler Alloimmunthrombozytopenie ähneln denen Neugeborener mit Thrombozytopenien anderer Ursachen. Die als Komplikation neonataler Thrombopenien auftretenden intrakraniellen Blutungen mit entsprechend schweren Residualsymptomen geben Anlass für eine gezielte Abklärung und Therapie der Ursache.
Diagnose und Differenzialdiagnose
Folgende Differenzialdiagnosen kommen als Ursache für neonatale Thrombozytopenien infrage:
  • mütterliche hypertensive Erkrankungen mit intrauteriner Wachstumsretardierung (IUGR),
  • intrauterine Infektionen (TORCHES),
  • neonataler Beginn einer Thrombopenie im Rahmen einer bakteriellen Sepsis, Asphyxie oder Thrombosen, z. B. Nierenvenenthrombose.
Die gezielte Antikörperdiagnostik ergänzt die o. g. differenzialdiagnostischen Untersuchungen und wird in spezialisierten Laboratorien vorgehalten.
Zu den im Rahmen von syndromalen Grunderkrankungen bzw. hämatologisch-onkologischen Grunderkrankungen früh manifesten Thrombopenien wird auf Kap. „Hämorrhagische Diathesen bei Kindern und Jugendlichen“ verwiesen.
Therapie
Die Grenzwerte zur Thrombozytentransfusion beruhen auf geringer wissenschaftlicher Evidenz. Häufig wird bei klinisch stabilen Reifgeborenen eine Thrombozytenzahl <20 × 109/l als Indikation für die Transfusion von Thrombozytenkonzentraten gesehen bzw. bei klinisch stabilen Frühgeborenen eine Grenze von 30 × 109/l, wobei hier entweder die Mutter des Patienten oder, wenn nicht verfügbar, HPA-1a-negative sowie HPA-5b-negative Spender bevorzugt werden sollten. Frühgeborene mit liberaler Transfusionsgrenze (<50 × 109/l) haben eine höhere Mortalität und ein höheres Risiko für schwere Blutungen als Frühgeborene mit einer restriktiven Transfusionsgrenze (<25 × 109/l). Die weitere Therapie besteht in der intravenösen Gabe von Immunglobulinen über 2–5 Tage und kommt bei Blutungskomplikationen oder fehlendem Anstieg der Thrombozytenzahlen zum Einsatz.
Da die neonatale Alloimmunthrombozytopenie bei nachfolgenden Graviditäten ein hohes Wiederholungsrisiko zeigt, sollten solche Schwangerschaften in Zentren überwacht und gegebenenfalls therapiert werden.

Neonatale Alloimmunneutropenien

Ätiopathogenese
Neonatale Alloimmunneutropenien sind das Resultat einer mütterlichen IgG-Antikörperproduktion gegen väterlich vererbte spezifische Neutrophilen-Alloantigene. Wie bei den immunologisch bedingten thrombozytären Inkompatibilitäten kommt es vor der Geburt zu einem diaplazentaren Übertritt von Antikörpern. Aufgrund einer schon zuvor bzw. während der Schwangerschaft beginnenden Antikörperproduktion werden neonatale Alloimmunneutropenien schon in rund 40 % während der 1. Schwangerschaft beobachtet.
Die Häufigkeit wird bis zu 1:500 Geburten angegeben.
Diagnostik
Neben dem Nachweis von Blutbildveränderungen im Sinne einer Neutropenie mit häufig <500 Neutrophilen/μl sind spezifische Neutrophilen-Alloantikörper gegen die Antigentypen HNA-1a, HNA-1b sowie HNA-1c (human neutrophil antigen) nachweisbar.
Der Nachweis dieser Allo-Antikörper bestätigt die Pathogenese als neonatale Alloimmunneutropenie.
Klinische Symptome
Die Klinik bei der neonatalen Alloimmunneutropenie besteht in der Manifestation von bakteriellen Nabel- sowie Hautinfektionen, die einen unerwartet schweren Verlauf nehmen. Demgegenüber vergleichsweise selten sind septische infektiöse Komplikationen während der Neonatalperiode, ebenso wie bedrohliche infektiöse Organmanifestationen, etwa eitrige Meningitiden oder bakteriell neonatale Pneumonien.
Therapie
Die Behandlung besteht in der antibiotischen Therapie der als Komplikation der Neutropenie auftretenden bakteriellen Infektion. In Einzelfällen wurden die intravenöse Applikation von Immunglobulinen sowie die Gabe von rekombinanten granulozytenstimulierenden Wachstumsfaktoren diskutiert.
Die Prognose der Krankheit ist im Regelfall gut, die Blutbildveränderungen bilden sich normalerweise innerhalb der ersten 8 Lebenswochen zurück.
Literatur Weiterführende
Curley A, Stanworth SJ, Willoughby K, Fustolo-Gunnink SF, Venkatesh V, Hudson C, Deary A, Hodge R, Hopkins V, Lopez Santamaria B, Mora A, Llewelyn C, D’Amore A, Khan R, Onland W, Lopriore E, Fijnvandraat K, New H, Clarke P, Watts T, PlaNeT2 MATISSE Collaborators (2019) Randomized trial of platelet-transfusion thresholds in neonates. N Engl J Med 380(3):242–251. https://​doi.​org/​10.​1056/​NEJMoa1807320CrossRefPubMed
Desenfants A, Jeziorski E, Plan O et al (2011) Intravenous immunoglobulins for neonatal alloimmune neutropenia refractory to recombinant human granulocyte colony-stimulating factor. Am J Perinatol 28:461–466CrossRef
Winkelhorst D, Oepkes D, Lopriore E (2017) Fetal and neonatal alloimmune thrombocytopenia: evidence based antenatal and postnatal management strategies. Expert Rev Hematol 10(8):729–737. https://​doi.​org/​10.​1080/​17474086.​2017.​1346471CrossRefPubMed