Therapie
Prinzipiell kann die akute hämatogene
Osteomyelitis rein konservativ durch eine adäquate, frühe intravenöse Antibiotikatherapie geheilt werden. Sie wird altersabhängig (Tab.
1) sowie befundabhängig (Tab.
2) zunächst empirisch begonnen und gegebenenfalls nach Identifizierung der Erreger und Erstellung des
Antibiogramms modifiziert. Die Bestimmung der Serumbakterizidie ist unverändert der beste Parameter zur Vorhersage des Therapieerfolgs bei akuter hämatogener Osteomyelitis.
Die empirische intravenöse Therapie muss in jedem Alter eine Infektion durch Staph. aureus und bei Neugeborenen zusätzlich gramnegative Keime abdecken. In Gegenden mit Vorkommen von Kingella kingae sollte die empirische Therapie im Säuglings- und Kleinkindesalter diese Erreger ebenfalls einschließen. Ferner ist lokale Resistenzlage zu berücksichtigen. Eine empirische MRSA-Therapie wird bei hoher MRSA-Inzidenz (>10–15 %) empfohlen. Diese sollte zudem bei Patienten aus Hochrisikoländern oder bei bekannter (oder früherer) Besiedelung mit
MRSA erwogen werden.
Cefuroxim (150–200 mg/kg KG/Tag in 3 ED) oder Ampicillin-Sulbactam/Ampicillin-Clavulansäure (200 mg/kg KG/Tag in 3 ED) sind typische empirisch einzusetzende Medikamente. Besteht der Verdacht auf eine Beteiligung gramnegativer Erreger, so bietet Cefotaxim (200 mg/kg KG/Tag in 3 ED) Vorteile. Clindamycin (40 mg/kg KG/Tag in 3 ED) hat bei akuter hämatogener
Osteomyelitis keine klinisch relevanten Vorteile gegenüber den Cephalosporinen, hingegen kommen primäre Resistenzen (
Staphylococcus aureus,
Streptokokken) vor, und die pseudomembranöse Enterokolitis ist häufiger als mit den genannten
Antibiotika. Die zusätzliche Gabe von Rifampicin (10–15 mg/kg KG/Tag in 1 ED p. o.) wird wegen der theoretischen, synergistischen Wirkung gegen
Staphylokokken und der guten intrazellulären Wirkung weiterhin diskutiert. Penicillinasestabile Penicilline sind bei entsprechendem
Antibiogramm indiziert.
Tab. 3
Vorschlag für altersadaptierte empirische intravenöse Therapie bei immunkompetenten Patienten
0–2 Monate | Betalaktam-Antibiotika und Aminoglykosid | |
>2 Monate bis 4 Jahre | Amoxicillin/Clavulansäure oder Cefuroxim | Amoxicillin/Clavulansäure oder Cefuroxim plus Vancomycin (kritisch krank) oder Clindamycin (nicht kritisch krank)** |
Ab 5 Jahre | Cefazolin, Cefuroxim, Flucloxacillin* oder Clindamycin* | Vancomycin (kritisch krank) oder Clindamycin (nicht kritisch krank)** |
Bei Osteomyelitiden durch CA-MRSA ist Clindamycin wegen der wahrscheinlichen Resistenzbildung (erm, Erythromycin-ribosome-methylase-Gen) durch
Vancomycin (evtl.
Teicoplanin) zu ersetzen. Alternativen sind Linezolid (<12 Jahre 10 mg/kg i. v., alle 8 h, Höchstdosis 600 mg; ≥12 Jahre 600 mg i. v. alle 12 h) oder Daptomycin (6–10 mg/kg i. v., 1 ED).
Ein Vorschlag zur empirischen intravenösen Therapie in verschiedenen Altersgruppen und unter Berücksichtigung der lokalen Häufigkeit von MRSA-Resistenz findet sich in Tab.
3.
Die optimale Dauer einer antibiotischen Therapie bei akuter hämatogener
Osteomyelitis ist nicht bekannt, es werden Spannen zwischen 2 und 6 Wochen genannt, meist wird als
Minimum 4 Wochen genannt. Durch
Staphylococcus aureus oder durch gramnegative
Bakterien verursachte Osteomyelitiden weisen häufiger einen schweren und prolongierten Verlauf auf. In diesen Fällen ist eine längere Therapiedauer notwendig als bei einer Osteomyelitis, die durch
Haemophilus influenzae, Neisseria meningitidis oder Streptococcus pneumoniae verursacht wird.
Für Säuglinge (älter als 2 Monate) und Kinder mit einer unkomplizierten bakteriellen Arthritis ist eine Gesamt-Behandlungsdauer von 2 Wochen, für die unkomplizierte
Osteomyelitis eine Gesamtdauer von 3 Wochen wahrscheinlich ausreichend.
Für Patienten mit Grunderkrankungen (Tab.
2), Säuglinge in den ersten 2 Lebensmonaten, bei verzögertem Beginn der
antimikrobiellen Therapie (>5 Tage nach Beginn klinischer Symptome), bei kompliziertem Verlauf mit z. B. chirurgischer Intervention sowie bei Nachweis ungewöhnlicher Erregern (z. B.
Tuberkulose) oder Lokalisationen (Becken oder Wirbelsäule) muss die Behandlungsdauer individuell festgelegt werden und in der Regel länger gewählt werden.
Anhaltendes
Fieber oder eine fehlende Besserung der Symptome nach spätestens 5 Tagen, sollte dann umgehend zu einer Reevaluation führen.
Aufgrund von Kohortenstudien und klinischer Erfahrung hat eine sequenzielle Therapie mit 2 Wochen intravenöser Behandlung gefolgt von 2 Wochen (bakterielle Arthritis) bzw. 4 Wochen (akute hämatogene
Osteomyelitis) peroraler Therapie eine weite Verbreitung gefunden. Bei älteren Säuglingen sowie Kindern mit unkomplizierten Verläufen osteoartikulärer Infektionen kann frühzeitig bereits nach 3–5 Tagen von einer initialen parenteralen auf eine orale Therapie umgestellt werden. Es sollten folgende Bedingungen erfüllt sein: Fieberfreiheit seit 48 Stunden, klare und eindeutige Besserung der klinischen Symptome, deutlicher Abfall von Entzündungszeichen (CRP: 50 %-Reduktion im Vergleich zum Höchstwert bzw. unter 20 mg/l), kein Vorliegen von
MRSA oder
Salmonellen, negative
Blutkulturen, sowie Abwesenheit von Komplikationen. Zu berücksichtigen ist in jedem Fall, dass rund 15 % der Patienten oral verabreichte
Antibiotika unzureichend resorbieren. Eine weitere Voraussetzung der oralen Therapie ist die verlässliche
Compliance von Patient und Eltern.
Gelegentlich sind operative Maßnahmen unvermeidlich. Ihr Ziel ist die Entfernung von infiziertem Gewebe, gegebenenfalls die Entfernung von Fremdkörpern, die Stabilisierung evtl. vorhandener Frakturen und gegebenenfalls der Wundverschluss. Indikationen zum chirurgischen Eingriff sind darüber hinaus Abszessbildung, Fistelbildung, Knochennekrosen oder Sequesterbildung. Persistiert eine Bakteriämie über 48 Stunden nach Einleitung der spezifischen Antibiotikatherapie hinweg, sollte ebenfalls eine operative Sanierung vorgenommen werden.
Die lokale Einbringung antibiotikahaltiger (PMMA-)Kugelketten führt regelmäßig zur Entstehung besonderer, antibiotikaresistenter
Bakterien („small colony variants“), ist mit einer hohen Rezidivrate behaftet und daher grundsätzlich kontraindiziert.
Eine adäquate Behandlung der
Schmerzen ist selbstverständlich. Darüber hinaus können nichtsteroidale Antirheumatika neben der Analgesie aufgrund der antiphlogistischen Wirkung den Heilungsprozess vermutlich günstig beeinflussen. In den ersten Tagen der Krankheit ist eine Ruhigstellung der betroffenen Extremität sinnvoll. Sobald Schmerzen dies erlauben, sind physiotherapeutische Maßnahmen mit passiven Bewegungsübungen zur Vermeidung von Gelenkkontrakturen angezeigt.