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Pädiatrie
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Verfasst von:
Heiko Witt
Publiziert am: 25.02.2019

Pankreaskrankheiten bei Kindern und Jugendlichen

Das Pankreas besitzt eine zentrale Rolle in der Aufschließung der Nahrungsbestandteile und der Regulation des Blutzuckerspiegels. Neben der zystischen Fibrose ist die Pankreatitis die häufigste Erkrankung des Organs. Eine Pankreatitis verläuft akut oder rezidivierend und äußert sich klinisch mit epigastrischen Schmerzen, Erbrechen und abdominellen Druckschmerz. Bei schweren Verläufen kann es zur Nekrosenbildung und Multiorganversagen kommen. Die chronische Form kann zu einer exokrinen oder endokrinen Pankreasinsuffizienz führen, die sich klinisch als Maldigestion mit Fettstühlen bzw. als Diabetes mellitus manifestiert. Ursächlich sind bei akuter Pankreatitis häufig Trauma, systemische, metabolische und infektiöse Erkrankungen sowie anatomische Anomalien. Bei der chronischen Form finden sich oft Gendefekte in Verdauungsenzymen und deren Inhibitoren. Die Therapie der Pankreatitis ist primär konservativ. In Einzelfällen können chirurgische oder endoskopische Verfahren indiziert sein.

Grundlagen

Physiologie
Das Pankreas ist sowohl ein exokrines wie endokrines Organ, dem die zentrale Rolle in der Aufschließung der Nahrungsbestandteile und der Regulation des Blutzuckerspiegels zukommt. Es scheidet ein enzym- und elektrolythaltiges Sekret aus, dessen Sekretionsrate und Zusammensetzung sich abhängig von der Nahrungszufuhr ändert. Der hohe Bikarbonatgehalt sorgt für einen alkalischen pH von etwa 8 und bewirkt über die Neutralisierung des sauren Mageninhalts eine optimale Aktivität der Verdauungsenzyme im Darmlumen.
Etwa 90 % der Proteine des Pankreassekrets sind Verdauungsenzyme. Alle proteolytischen Enzyme werden als inaktive Vorstufen (Zymogene) in den Acinuszellen synthetisiert. Erst im Darm erfolgt durch das in der Bürstensaummembran lokalisierte Enzym Enteropeptidase (Enterokinase) die Spaltung von Trypsinogen zu aktivem Trypsin und die trypsinvermittelte Aktivierung weiterer Proenzyme wie Chymotrypsin und Carboxypeptidase A und B. Während die α-Amylase Stärke und Glykogen spaltet, sind Lipase, Kolipase, Phospholipase A2 und die Carboxylesterlipase (Cholesterinesterase) essenziell für die Fettverdauung.
Die exokrine Sekretion wird nerval und hormonell reguliert und lässt sich in eine kephale, gastrale und intestinale Phase unterteilen. Die kephale Phase wird parasympathisch über den N. vagus und Acetylcholin vermittelt, das über muskarinerge Rezeptoren die Enzymsekretion fördert, ohne jedoch die Bikarbonatsekretion wesentlich zu steigern. Hauptstimulus der gastralen Phase ist die Dehnung des Magens durch Nahrung. Über einen vagovagalen Reflex kommt es zur Ausscheidung eines enzymreichen Sekrets. Während der intestinalen Phase setzt die Ansäuerung des Duodenums durch den Nahrungsbrei Sekretin und Cholezystokinin (CCK) aus dem Dünndarm frei. Sekretin stimuliert die Bikarbonatsekretion, CCK die Enzymsekretion und die Kontraktion der Gallenblase.
Die endokrine Funktion des Pankreas wird von den hormonproduzierenden Zellen des Inselapparates (Langerhans-Inseln) vermittelt. Die Hauptfunktionen der Pankreashormone bestehen in der Speicherung der aufgenommenen Nahrung als Glykogen und Lipide (Insulin), in der Freisetzung dieser Energiereserven während Hungerphasen (Glukagon) sowie in der Regulation des Blutzuckerspiegels und des Wachstums. Die Inselzellhormone wirken auch auf das exokrine Pankreas, indem sie die Sekretion von Bikarbonat und Verdauungsenzymen beeinflussen.
Anatomische Anomalien
Das Pankreas entwickelt sich während der 4. Gestationswoche aus 2 entodermalen Knospen des Vorderdarms, der ventralen und dorsalen Pankreasanlage. In den folgenden 2 Wochen dreht sich die ventrale Anlage nach dorsal (Rotation), um sich anschließend mit der dorsalen Anlage zu vereinigen (Fusion). Die meisten angeborenen Pankreasanomalien lassen sich auf Störungen der 3 kritischen Entwicklungsschritte des Pankreas – Gewebsdifferenzierung, Rotation und Fusion – zurückführen. Störungen der Differenzierung und Rotation sind selten, während Fusionsanomalien häufig auftreten, jedoch überwiegend asymptomatisch bleiben.
Aplasie und Hypoplasie
Die vollständige (Aplasie) wie auch die partielle (Hypoplasie) Nichtanlage des Pankreas sind seltene Ereignisse, die isoliert oder in Kombination mit anderen Defekten, wie z. B. einer zerebellären Agenesie oder kongenitalen Herzdefekten auftreten. Ein Teil der Fälle weist Mutationen in Transkriptionsfaktoren wie PTF1A, PDX1 oder GATA6 auf. Häufiger findet sich ein ektopes (akzessorisches) Pankreas (0,5–15 % in Autopsieserien). Es ist definiert als Pankreasgewebe ohne anatomische Verbindung zur Bauchspeicheldrüse und stellt meistens einen Zufallsbefund dar, kann aber mit Schmerzen, gastrointestinaler Blutung oder einer Invagination vergesellschaftet sein.
Pankreas anulare
Beim Pankreas anulare ist das Duodenum vollständig, seltener teilweise, ringförmig von Pankreasgewebe umschlossen. Ursächlich ist eine Fixierung der ventralen Anlage vor Einsetzen der Rotation mit daraus bedingter Persistenz des ventralen Pankreas. Das Pankreas anulare kann in jeder Altersgruppe symptomatisch werden oder asymptomatisch bleiben. Die Mehrzahl manifestiert sich in der 1. Lebenswoche als Duodenalkompression mit galligem Erbrechen und ist häufig mit weiteren Anomalien wie Trisomie 21, intestinaler Malrotation, Duodenal- oder Analatresie oder kardialen Fehlbildungen assoziiert. Bei älteren Kindern kann sich das Pankreas anulare als Pankreatitis manifestieren.
Pankreas divisum
Mit der Fusion der ventralen und dorsalen Pankreasanlage verschmelzen auch deren Ausführungsgänge. Beim Pankreas divisum ist diese Fusion ausgeblieben: Beide Anlagen münden getrennt in die Papilla major bzw. minor. Die Inzidenz beträgt 5–10 %. Die klinische Bedeutung wird kontrovers diskutiert: Während es manche als unbedeutende Normvariante betrachten, postulieren andere, dass die schmale Öffnung der Papilla minor zu einer relativen, funktionellen Stenose führe, die zu einer obstruktiven Pankreatitis disponiere. Pankreatikobiliäre Anomalien, bei denen Pankreas- und Gallengang ein langes gemeinsames Gangsegment bilden („long common channel“), begünstigen einen Reflux von Pankreassekret in den Ductus choledochus und können zu dessen Entzündung und Dilatation mit Ausbildung von Choledochuszysten sowie zu einer Pankreatitis führen.
Zysten
Angeborene Zysten sind sehr selten, mit Epithel ausgekleidet und können einzeln oder multipel vorkommen. Multiple Zysten sind oft mit weiteren Anomalien vergesellschaftet und finden sich gehäuft bei polyzystischer Nierenerkrankung oder von Hippel-Lindau-Syndrom. Die meisten Pankreaszysten sind jedoch erworbene Pseudozysten entzündlichen Ursprungs.

Pankreatitis

Definition
Die Pankreatitis ist ein akut oder chronisch verlaufender Entzündungsprozess der Bauchspeicheldrüse. Die akute Pankreatitis variiert in ihrem Schweregrad von einer leichten interstitiell-ödematösen bis zu einer schweren hämorrhagisch-nekrotisierenden Entzündung. Die chronische Pankreatitis ist ein rekurrierender oder kontinuierlicher Prozess, der in eine exokrine und endokrine Pankreasinsuffizienz münden kann. Morphologisch findet sich eine unregelmäßige Sklerosierung des Organs mit fokaler, segmentaler oder diffuser Zerstörung des exokrinen Gewebes. Häufig lassen sich auch Erweiterungen des Pankreasgangsystems sowie Pankreassteine nachweisen.
Ätiologie und Pathogenese
Hans Chiari bildete vor über einem Jahrhundert die Hypothese, die Pankreatitis sei Folge einer Selbstverdauung des Organs. Als ursächlich für den Entzündungsprozess wird eine übermäßige intrapankreatische Trypsinaktivität mit nachfolgender Aktivierung weiterer Verdauungsenzyme angesehen. Trypsin vermag sowohl sich selbst als auch alle anderen proteolytischen Proenzyme zu aktivieren. Geringe Mengen an Trypsinogen werden auch im normalen Pankreas durch Autolyse zu aktivem Trypsin umgewandelt. Zwei Mechanismen schützen vor einer Selbstverdauung: Zum einem wird Trypsin durch Inhibitoren wie SPINK1 komplexiert, zum anderen werden Trypsin und weitere Proteasen durch Trypsin und trypsinähnliche Enzyme wie Chymotrypsinogen C (CTRC) degradiert.
Da ein erheblicher Prozentsatz der idiopathischen Pankreatitis genetisch bedingt ist, werden im Folgenden die idiopathische und hereditäre Form als primäre Pankreatitis zusammengefasst in Abgrenzung zu den durch Stoffwechseldefekte, Noxen, anatomische Anomalien oder Systemerkrankungen bedingten sekundären Formen.
Primäre Pankreatitis
Die klassische Form der hereditären Pankreatitis folgt einem autosomal-dominanten Erbgang. Häufig liegt eine Mutation im kationischen Trypsinogen (PRSS1), R122H, vor. Weitere PRSS1-Mutationen wurden beschrieben, die zum Teil auch bei Patienten ohne Familienanamnese nachweisbar sind. Es wird angenommen, dass die PRSS1-Mutationen zu einer vermehrten Selbstaktivierung und teilweise zu einem geringeren Abbau des aktiven Enzyms führen.
Mutationen im Serinproteaseinhibitor, Kazal-Typ 1 (SPINK1), der auch als pankreatischer sekretorischer Trypsininhibtor (PSTI) bezeichnet wird, finden sich vornehmlich bei Patienten ohne Familienanamnese: 20–40 % der Patienten mit sog. idiopathischer chronischer Pankreatitis tragen auf einem oder beiden Allelen eine N34S-Mutation. Neben N34S wurden weitere SPINK1-Mutationen identifiziert, deren Bedeutung teilweise unklar ist.
Auch Mutationen im Chymotrypsinogen C (CTRC) finden sich ca. 4-mal häufiger bei Patienten mit chronischer Pankreatitis. Chymotrypsinogen C ist eine pankreatische Protease, die aktives Trypsin spaltet und damit inaktiviert. CTRC-Mutationen führen zu einer verminderten Enzymsekretion und/oder -aktivität und konsekutiv zu einer vermehrten intrapankreatischen Trypsinaktivität. SPINK1- und CTRC-Mutationen finden sich auch vermehrt bei alkoholinduzierter und bei tropischer Pankreatitis.
Insbesondere sehr junge Patienten weisen Mutationen in der Carboxypeptidase A1 (CPA1) auf: Über 10 % der Patienten, die vor dem 10. Lebensjahr eine chronische Pankreatitis entwickeln, besitzen eine CPA1-Mutation, die zu einem Funktionsverlust des Enzyms führt. Warum CPA1-Mutationen zu einer Pankreatitis disponieren, ist zur Zeit noch unklar. Möglicherweise induzieren diese Mutationen über eine Proteinfehlfaltung einen Stress innerhalb des endoplasmatischen Retikulums (ER-Stress).
Vor kurzem wurde auch eine spezifische Mutation in der Carboxylesterlipase (CEL), die eine intrazelluläre Akkumulation des mutierten Proteins und eine vermehrte Autophagie zur Folge hat, mit einer chronischen Pankreatitis assoziiert.
Heterozygote Träger einer Mutation im Zystische-Fibrose-Gen (CFTR) besitzen ein erhöhtes Pankreatitisrisiko. Da CFTR für einen Chloridkanal kodiert, begünstigt vermutlich eine durch den gestörten Ionentransport bedingte pH-Änderung des Pankreassekrets die Autoaktivierung des Trypsinogens.
Bei ungefähr der Hälfte der Patienten mit hereditärer oder idiopathischer chronischer Pankreatitis lassen sich derzeit keine Veränderungen in den oben genannten Genen nachweisen. Diese „Lücke“ wird in den nächsten Jahren sehr wahrscheinlich durch den vermehrten Einsatz des sog. next generation sequencing (NGS) geschlossen werden, welches es erlaubt, das gesamte Exom (alle kodierenden Bereiche der menschlichen Erbsubstanz) bzw. das gesamte Genom eines Menschen in relativ kurzer Zeit zu untersuchen.
Ursachen und prädisponierende Faktoren der Pankreatitis
Sekundäre Pankreatitis
Jede schwere Einschränkung der Herz-Kreislauf-Situation wie Schockzustände, die zu einer verminderten Oxygenierung oder zu einer reduzierten Blutzufuhr des Pankreas führen, kann eine Pankreatitis provozieren.
Bei Kollagenosen, primär sklerosierender Cholangitis, chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen und Sichelzellanämie wird vermehrt eine Pankreatitis beobachtet. Die Mehrheit der Patienten mit einem hämolytisch-urämischen Syndrom zeigen transiente Pankreasenzymerhöhungen im Rahmen einer Begleitpankreatitis.
In den letzten 2 Dekaden wurden zunehmend Fälle von sog. Autoimmunpankreatitis (AIP) beschrieben. Die AIP lässt sich hinsichtlich des klinischen Erscheinungsbildes und der Histologie in zwei Subtypen unterteilen. Die AIP Typ 1 weist ein erhöhtes IgG4 im Serum auf, ist histologisch durch eine lymphoplasmatische sklerosierende Pankreatitis (LPSP) charakterisiert und manifestiert sich selten im Kindesalter. Die AIP Typ 2 geht selten mit einer IgG4-Erhöhung einher, ist histologisch durch granulozytäre epitheliale Läsionen (GEL) gekennzeichnet und häufig mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen vergesellschaftet. Inwieweit der Typ 2 eine eigenständige Entität oder lediglich eine extraintestinale Manifestation einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung darstellt, bleibt zu diskutieren.
Hyperlipoproteinämien, die mit hohen Plasmatriglyzeridwerten einhergehen (Lipoproteinlipasemangel, Apolipoprotein-CII-Mangel), eine Hyperkalzämie und eine diabetische Ketoazidose können eine Pankreatitis auslösen. 1–2 % der Patienten mit zystischer Fibrose, insbesondere pankreassuffiziente Patienten, leiden an einer rezidivierenden Pankreatitis.
In nichtindustrialisierten Ländern gilt die Protein-Energie-Malnutrition als wichtiger Auslöser. Neuere Daten legen jedoch zumindest für die chronisch-kalzifizierende tropische Pankreatitis eine genetische Grundlage (SPINK1-, CTRC- und CPA1-Mutationen) nahe.
Trotz zahlreicher Fallberichte über medikamentös induzierte Pankreatitiden ist der kausale Zusammenhang nur selten gesichert. Häufig lässt sich nicht unterscheiden, ob die Pankreatitis im Rahmen einer – medikamentös behandelten – Grunderkrankung oder durch das Medikament selbst hervorgerufen wurde. Beispielhaft seien die Steroide erwähnt, die lange Zeit als pathogenetisch relevant angesehen wurden. Die Latenzzeit zwischen erstmaliger Einnahme und Auftreten einer Pankreatitis kann beträchtlich differieren: Während unter Azathioprin eine Pankreatitis meist schon im 1. Behandlungsmonat auftritt, sind für Valproat Latenzzeiten von über 10 Jahren beschrieben worden (Tab. 1).
Tab. 1
Medikamente, die eine Pankreatitis induzieren können
Gesichert
Wahrscheinlich/möglich
Asparaginase
Aminosalicylate
Azathioprin
Didanosin
Kalzium
Foscarnet
6-Mercaptopurin
Furosemid
Interferon-α
Statine
Metronidazol
Stiboglukonat
Stavudin
Sulindac
Sulfonamide
Valproat
Tacrolimus (FK506)
Vincristin
Tetrazykline
 
Thiaziddiuretika
Anatomische Anomalien wie Choledochuszysten, ein Pankreas anulare oder Pankreasgangduplikationen sind etablierte Risikofaktoren, während die Bedeutung eines Pankreas divisum kontrovers diskutiert wird. Eine Obstruktion des Pankreasgangs durch Gallensteine, Tumoren oder Parasiten stellt eine weitere Ursache dar. Abdominale Traumata verursachen eine selbstlimitierende akute Pankreatitis, die in seltenen Fällen, insbesondere bei Pseudozystenbildung oder Ruptur des Pankreasgangs, rezidivieren kann.
Unter den vielen Erregern, die eine akute Pankreatitis auslösen, sind insbesondere Enteroviren (Coxsackie-B- und Echo-Viren), Mumps, Yersinien und Ascaris lumbricoides hervorzuheben.
Klinische Symptome und Komplikationen
Leitsymptom sind plötzlich auftretende, vorwiegend epigastrisch lokalisierte Schmerzen sowie Übelkeit, Erbrechen, abdominaler Druckschmerz und verminderte Darmgeräusche. Zusätzlich können leichtes Fieber, Tachykardie und Hypotension auftreten. Bei der chronischen Pankreatitis entwickelt ein Teil der Patienten eine exokrine und/oder endokrine Pankreasinsuffizienz mit Maldigestion und einem Insulinmangeldiabetes. Eine Steatorrhö ist allerdings erst bei einer Verminderung der exokrinen Sekretionsleistung auf weniger als 10 % der Norm zu beobachten.
Im Rahmen der entzündlichen Reaktion können sich Pankreaspseudozysten ausbilden, die zu einer Kompression des Ductus choledochus, des Duodenums oder der Milzvene führen, sich infizieren oder rupturieren können. Weitere Komplikationen sind Verkalkungen und Nekrosen mit oder ohne Ausbildung eines Pankreasabszesses. Bei schweren Verläufen können systemische Komplikationen wie metabolische Azidose, Stoffwechselentgleisungen, Schock und Organversagen auftreten. In einigen Fällen finden sich extrapankreatische Komplikationen wie Pleuraerguss, Aszites, portale Hypertension, Ulkus mit gastrointestinaler Blutung oder eine Gallengangobstruktion.
Diagnose
Richtungsweisend bei entsprechender klinischer Symptomatik ist die Bestimmung der Lipase oder Amylase im Serum während des akuten Schubes. Die Lipasebestimmung ist der Amylase an Spezifität überlegen. Die Enzymwerte korrelieren nicht mit dem klinischen Schweregrad. In der Sonografie zeigt sich ein vergrößertes und echoarmes Organ. Zusätzlich können Veränderungen des Pankreas- oder Gallengangsystems, Kalzifikationen oder Pseudozysten nachgewiesen werden. Eine MRT oder eine kontrastmittelverstärkte CT sollte bei nicht aussagekräftiger Sonografie (z. B. aufgrund von Luftüberlagerung) oder bei Verdacht auf eine nekrotisierende Pankreatitis durchgeführt werden.
Während des akuten Schubes sollten initial täglich Lipase, Hämatokrit, C-reaktives Protein (CRP), Blutgase, Kalzium, Phosphat, Glukose, Harnstoff, Kreatinin, Laktatdehydrogenase (LDH) und Alaninaminotransferase (ALAT) kontrolliert werden. Bei einem CRP-Wert >12 mg/dl1 ist von einer nekrotisierenden Pankreatitis auszugehen. Das CRP ist aber erst nach 48 Stunden ein prognostischer Indikator. Bei nekrotisierender Pankreatitis sollten venöse Blutkulturen angelegt werden. Erhöhte Cholestaseparameter (alkalische Phosphatase [AP] und γ-Glutamyl-Transferase [γ-GT]) finden sich bei Kompression des Ductus choledochus. Im Weiteren sollten sonografische Verlaufskontrollen bzw. bei entsprechender Klinik CT-Kontrollen erfolgen.
Zur Beurteilung der exokrinen Pankreasfunktion stehen direkte Testverfahren, die die Pankreassekretion (Enzyme und Bikarbonat) unmittelbar erfassen, und indirekte Verfahren zur Verfügung, die über den Nachweis einer reduzierten Verdauungsfunktion (Maldigestion) einen Rückschluss auf eine verminderte Pankreassekretion erlauben. Der Sekretin-Cholezystokinin-Test als direkter Funktionstest galt lange als Goldstandard. Da der Test invasiv, zeitaufwendig und nicht standardisiert ist, wird er heute nur noch in Ausnahmefällen durchgeführt. Von den indirekten Funktionstests ist die humane Elastase 1 im Stuhl ein geeigneter Parameter mit einer diagnostischen Sensitivität und Spezifität von jeweils über 90 %. Die Bestimmung der Elastase 1 ist der des Chymotrypsins im Stuhl an Sensitivität und Spezifität überlegen. Da nur das humane Enzym erfasst wird, stören Pankreasenzympräparate nicht und können weiter gegeben werden. Dünnflüssige Stühle bedingen falsch pathologische Ergebnisse. Alle indirekten Testverfahren können bei nur geringer Funktionseinschränkung normale Resultate liefern. Die Fettausscheidung im Stuhl dient zum Nachweis einer Steatorrhö. Als pathologisch gilt eine Stuhlfettausscheidung von >5 g/24 h, die allerdings erst bei starker exokriner Insuffizienz auftritt.
Die gewissenhafte Anamnese ist richtungsweisend für die zu veranlassende weiterführende Diagnostik. Insbesondere sollte eine Anamnese auf eine familiäre Häufung, Medikamente, vorangegangene Bauchtraumata und auf Symptome anderer Grunderkrankungen erfolgen (Übersicht „Ursachen und prädisponierende Faktoren der Pankreatitis“). Die Triglyzerid- und Kalziumbestimmung gehört zur Basisdiagnostik. Virale, bakterielle und parasitäre Infektionen wie Mumps oder eine Ascariasis sind auszuschließen. Da auch eine zystische Fibrose klinisch als rezidivierende Pankreatitis imponieren kann, ohne dass das Vollbild der Erkrankung vorliegt, ist die Durchführung eines Schweißtests unerlässlich. Eine Genanalyse auf PRSS1-, SPINK1-, CTRC-, CPA1- und CEL-Mutationen sollte bei positiver Familienanamnese sowie bei chronischer Pankreatitis ohne Familienanamnese nach Ausschluss anderer Ursachen veranlasst werden. Bei Patienten mit sog. idiopathischer Pankreatitis ist auch eine CFTR-Analyse zu erwägen. Häufig liegen jedoch „atypische“ Varianten vor, die mit herkömmlichen „CF-Kits“ nicht erfasst werden. Die endoskopische retrograde Cholangiopankreatikografie (ERCP) erlaubt Aussagen über zugrunde liegende anatomische Anomalien und Veränderungen des Pankreasgangsystems sowie eine therapeutische Intervention (Stenteinlage, Steinextraktion) während der Untersuchung. Die Magnetresonanz-Cholangiopankreatikografie (MRCP) ist ein nichtinvasives Alternativverfahren zur ERCP, bei dem jedoch keine gleichzeitige Intervention möglich ist. Ist keine therapeutische Intervention geplant, sollte vorrangig eine MRCP durchgeführt werden.
Therapie
Bei behandelbaren Ursachen wie Hyperkalzämie, Medikamenten, Obstruktion ist die Beseitigung des auslösenden Faktors anzustreben. Bei der Autoimmunpankeratitis ist die Gabe von Steroiden indiziert. In den meisten Fällen steht aber keine spezifische Therapie zur Verfügung, die den Verlauf der Erkrankung beeinflusst. Studien mit Sekretionshemmern (Somatostatin, Octreotid) oder Enzyminhibitoren (Gabexat) zeigten keinen Effekt.
Bei Erbrechen sollte eine kurzzeitige Nahrungskarenz erfolgen. Über den optimalen Zeitpunkt für den Beginn des oralen Nahrungsaufbaus existieren keine kontrollierten Studien. Eine Normalisierung der Lipase im Serum scheint nicht erforderlich zu sein. Bei schwerem Verlauf können eine parenterale Ernährung und eine intensivmedizinische Überwachung notwendig werden. Die Schmerzbekämpfung erfolgt bei geringen Beschwerden mit Paracetamol oder Metamizol. Bei starken Schmerzen sind Opiate indiziert, die aber potenziell zu einer Druckerhöhung am Sphincter Oddi führen. Die Gabe von Procainhydrochlorid ist obsolet. Bei Patienten mit nekrotisierender Pankreatitis kann eine prophylaktische Antibiotikagabe über 2–4 Wochen erwogen werden. Mittel der Wahl sind Imipenem, Cefuroxim oder die Kombination eines Gyrasehemmers mit Metronidazol.
Die Therapie der Pankreatitis ist prinzipiell konservativ; chirurgische Interventionen sollten mit größter Zurückhaltung erfolgen. Eine operative Therapie ist bei infizierten Pankreasnekrosen und bei Pankreaspseudozysten, die mit Schmerzen, Infektion oder Kompression benachbarter Strukturen verbunden sind, erforderlich. Möglich ist eine perkutane oder innere Zystendrainage. Bei asymptomatischen Pseudozysten ist ein abwartendes Verhalten indiziert, da sich die Mehrzahl spontan zurückbildet. Bei Pankreasgangstenosen kann eine Dilatation und eine Stenteinlage durchgeführt werden. Bei chronischer Pankreatitis stellt die longitudinale Pankreatikojejunostomie eine weitere Therapieoption dar. Bei schwerer chronischer Pankreatitis mit therapierefraktären Schmerzen wurde in den letzten Jahren eine totale Pankreatektomie mit Inselzell-Autotransplantation propagiert. Die Erfahrungen bei pädiatrischen Patienten sind allerdings derzeit noch sehr begrenzt. Für das Kindesalter existieren keine kontrollierten prospektiven Studien über die Langzeiterfolge endoskopischer oder chirurgischer Interventionen.
Es gibt keine spezifische Pankreasdiät. Eine Fettrestriktion sollte nicht erfolgen. Pankreasabhängige Mangelzustände sind bei den fettlöslichen Vitaminen zu erwarten und müssen dann parenteral ausgeglichen werden. Eine Therapie zur Rezidivprophylaxe existiert nicht. Die Behandlung mit Antioxidanzien (z. B. Selen) ist in ihrer Wirksamkeit nicht belegt.
Bei exokriner Pankreasinsuffizienz sind Pankreasenzympräparate indiziert. Bei der Behandlung einer endokrinen Pankreasinsuffizienz gelten die gleichen Therapierichtlinien wie zur Behandlung eines Insulinmangeldiabetes. Orale Antidiabetika sind meistens nicht effektiv. Der pankreoprive Diabetes ist – bedingt durch die mangelhafte Glukagonsekretion – durch seine hohe Insulinempfindlichkeit mit starker Hypoglykämieneigung gekennzeichnet.

Hereditäre Pankreaserkrankungen

Zystische Fibrose

Die autosomal-rezessiv vererbte zystische Fibrose (Mukoviszidose) ist mit einer Inzidenz von etwa 1:2.500 die häufigste Ursache einer exokrinen Pankreasinsuffizienz im Kindesalter. Eine ausführliche Beschreibung findet sich in Kap. „Zystische Fibrose (Mukoviszidose) im Kindes- und Jugendalter“.

Shwachman-Diamond-Syndrom

Dieses autosomal-rezessiv vererbte Syndrom ist gekennzeichnet durch eine exokrine Pankreasinsuffizienz mit Hypoplasie der Acinuszellen und Ersatz durch Fettgewebe sowie durch eine Dysfunktion des Knochenmarks. Die exokrine Pankreasinsuffizienz bessert sich mit dem Alter, sodass in der 2. Lebensdekade ungefähr die Hälfte der Patienten suffizient ist und keine Enzymtherapie mehr benötigt. Die wichtigsten hämatologischen Veränderungen sind eine intermittierende oder permanente Neutropenie, eine Anämie, Thrombozytopenie oder Panzytopenie. Insbesondere Kleinkinder sind durch schwere bakterielle Infektionen gefährdet. Mehr als 10 % der Patienten entwickeln ein myelodysplastisches Syndrom oder eine akute myeloische oder lymphatische Leukämie. Weitere klinische Charakteristika sind Skelett- und Zahnveränderungen (metaphysäre Chondrodysplasie, Rippenverkürzungen, pathologische Frakturen, vermehrte Karies), Kleinwuchs und eine, oft geringgradige, mentale Retardierung.
Das Syndrom wird verursacht durch Genkonversionsmutationen im SBDS-Gen. Eine Genotyp-Phänotyp-Korrelation besteht nicht. Das Genprodukt ist essenziell für den letzten Schritt der zytoplasmatischen Reifung der 60S-Untereinheit der Ribosomen. Die Diagnose erfolgt anhand der klinischen Symptomatik und der entsprechenden Laborparameter und sollte durch eine Mutationsanalytik gesichert werden. Die Therapie besteht in der Substitution von Pankreasenzymen und konsequenter Antibiotikagabe bei Infektionen.

Johanson-Blizzard-Syndrom

Das autosomal-rezessiv vererbte Syndrom ist charakterisiert durch eine exokrine Pankreasinsuffizienz und eine Hypoplasie bzw. Aplasie der Nasenflügel. Weitere Symptome in absteigender Häufigkeit und variabler Ausbildung sind Zahndefekte (Oligodontie des bleibenden Gebisses), Innenohrschwerhörigkeit, Skalpdefekte, Wachstumsstörung, mentale Retardierung, Hypothyreose, Herzfehler, Analatresie, renale und urogenitale Fehlbildungen. Ursächlich sind Mutationen im UBR1-Gen. UBR1 kodiert für eine E3-Ubiquitin-Ligase, die Teil des Proteasomsystems ist und den Abbau intrazellulärer Proteine kontrolliert. Die Diagnose erfolgt aufgrund der klinischen Symptomkonstellation und kann durch eine UBR1-Sequenzierung gesichert werden. Die Therapie ist symptomatisch und besteht in der Substitution von Pankreasenzymen und ggf. von Schilddrüsenhormonen sowie einer Versorgung mit Hörgeräten und einer operativen Korrektur der Fehlbildungen.

Pearson-Syndrom

Dem Syndrom liegen Deletionen der mitochondrialen DNA zugrunde. Klinisch imponiert eine makrozytäre Anämie mit Ringsideroblasten und Vakuolisierung der Vorläuferzellen im Knochenmark, eine exokrine Pankreasinsuffizienz mit Atrophie der Acinuszellen und Parenchymfibrose sowie eine Laktatazidose. Zusätzlich können eine renale Tubulopathie, ein Leberversagen, eine Diarrhö und endokrine Störungen auftreten. Ein Teil der Patienten entwickelt im Verlauf okuläre und muskuläre Symptome, wie sie beim Kearns-Sayre-Syndrom, das ebenfalls durch mitochondriale Deletionen verursacht ist, beobachtet werden. Die Erkrankung ist meist in der frühen Kindheit letal, bedingt durch Sepsis oder Leberversagen.

Kongenitale Enzymdefekte

Defekte der Pankreasenzyme oder der duodenalen Enteropeptidase sind sehr selten. Beschrieben wurden der isolierte Mangel an Lipase, Kolipase, Amylase, Trypsin und Enteropeptidase sowie der kombinierte Mangel an Lipase und Kolipase. Klinisch relevant sind vor allem der Trypsin- und Enteropeptidasemangel, die mit Gedeihstörung sowie Diarrhö, Hypoproteinämie und Ödemen einhergehen. Die Therapie besteht in einer Enzymsubstitution.
Fußnoten
1
Umrechnung: mg/dl × 0,05551 = mmol/l
 
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