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Pädiatrie
Info
Publiziert am: 04.06.2019

Solide Tumoren bei Kindern und Jugendlichen

Verfasst von: Thomas Klingebiel, Thorsten Langer und Arndt Borkhardt
Solide Tumoren im Kindesalter sind selten und vielfältig. Sie stellen sowohl in der Diagnostik als auch in der Therapie erhebliche Herausforderungen an die behandelnden Disziplinen. Nur eine multidisziplinäre Herangehensweise und eine Diskussion eines jeden Patienten in einer entsprechend besetzten Tumorkonferenz werden den Betroffenen gerecht.

Neuroblastom

Grundlagen
Das Neuroblastom ist der häufigste extrakranielle solide Tumor im Kindesalter. Trotz unzähliger Forschungsergebnisse sind viele seiner Rätsel ungelöst.
Epidemiologie
6,7 % der malignen Erkrankungen im Kindesalter (<15 Jahre) sind Neuroblastome, 90 % der Patienten sind jünger als 6 Jahre und ein Drittel erkrankt im 1. Lebensjahr. Die Inzidenz beträgt ca. 13,1/1 Mio. Kinder unter 15 Jahren. Das Verhältnis Jungen zu Mädchen beträgt 1,4:1 (Daten aus dem Jahresbericht 2017 des Kinderkrebsregisters; www.kinderkrebsregister.de).
Pathologie und Genetik
Das Neuroblastom ist ein maligner embryonaler Tumor und entsteht aus den Zellen der Neuralleiste. Da aus diesen Zellen die Ganglien des sympathischen Nervensystems und das Nebennierenmark hervorgehen, findet man Neuroblastome entlang des Grenzstrangs (zervikal, thorakal, abdominal) und in der Nebenniere. Eine Besonderheit ist das Einwachsen nach intraspinal als sog. Sanduhrtumor.
Das Neuroblastom gehört zur Gruppe der Tumoren, die sich durch „kleine, blaue und runde“ Zellen auszeichnen. Typischerweise können sie rosettenförmig angeordnet sein (Homer-Wright-Rosetten). Die histopathologische Einteilung erfolgt in Deutschland nach Hughes in 3 Malignitätsgrade entsprechend dem Ausreifungsgrad; die Shimada-Klassifikation führt die Einteilung nach dem Gehalt an Stroma-Zellen und dem Differenzierungsgrad der Neuroblasten durch.
Mittlerweile hat die International Neuroblastoma Pathology Classification (INPC) die Shimada-Klassifikation international abgelöst und unterscheidet je nach Ausmaß des Schwannschen Stromas:
  • Neuroblastome (arm an Stroma),
  • Ganglioneuroblastome (reich an Stroma),
  • Ganglioneurome (Stroma dominant).
Diese Einteilung berücksichtigt die Ausreifungsmöglichkeit der Tumoren: Mit zunehmendem Anteil an reifen Ganglienzellen liegt ein klassisches, gemischtes oder ausreifendes Ganglioneuroblastom vor. Bei den Neuroblastomen unterscheidet man entsprechend undifferenzierte, wenig differenzierte und differenzierte Subtypen. Unerlässlich zur Einschätzung der Prognose und damit zur Therapiesteuerung sind molekulargenetische Untersuchungen. Folgende Veränderungen sind mit einer schlechten Prognose assoziiert: N-Myc-Amplifikation, Verlust an Chromosom 1p = LOH 1p, Verlust von chromosomalem Material an Chromosom 11q oder 3p, niedrigere Expression des Neurotrophinrezeptors TrkA, niedrigere Expression des Adhäsionsmoleküls CD44 und Amplifikation des ALK-Gens. Eine prognostisch ungünstige Rolle scheint auch die Aktivierung von Telomerasestabilisierungsmechanismen (bei 13 %) durch eine Mutation des Gens Telomerase Reverse Transkriptase (TERT) und eine Mutation des Gens ATRX (bei 5 %) zu spielen.
Stadieneinteilung
Die Stadieneinteilung wird nach dem System INSS (International Neuroblastoma Staging System) in 4 Stadien vorgenommen. Stadium 1–3 sind lokalisierte Tumoren; Stadium 4 ist durch eine Aussaat ins Knochenmark, ins Skelett, in entfernte Lymphknoten und in andere Organe definiert (Tab. 1). Davon zu unterscheiden ist das Stadium 4S, das bei Säuglingen vorliegt, wenn zu einem lokalisierten Primärtumor (Stadium 1 oder 2) Metastasen in Haut, Leber und/oder Knochenmark hinzukommen; der Knochenmarkbefall ist minimal (<10 %), ein Knochenbefall muss ausgeschlossen werden. Mehr als 50 % aller Neuroblastome sind bei Diagnosestellung bereits metastasiert.
Tab. 1
Stadieneinteilung des International Neuroblastoma Staging System (INSS)
Stadium
Ausdehnung
1
Lokalisierter Tumor, komplette chirurgische Entfernung möglich mit oder ohne mikroskopische Reste; ipsilaterale, nonadhärente Lymphknoten negativ
2A
Lokalisierter Tumor, komplette chirurgische Entfernung nicht möglich; ipsilaterale, nonadhärente Lymphknoten negativ
2B
Lokalisierter Tumor, komplette chirurgische Entfernung möglich oder nicht möglich; ipsilaterale, nonadhärente Lymphknoten positiv. Vergrößerte kontralaterale Lymphknoten müssen negativ sein
3
Nicht resektabler, einseitiger Tumor, der infiltrierend über die Mittellinie wächst, mit oder ohne regionale Lymphknotenbeteiligung. Oder lokalisierter, unilateraler Tumor mit kontralateraler Lymphknotenbeteiligung; oder Mittellinientumor mit beidseitiger Ausdehnung durch infiltratives Wachstum oder Lymphknotenbeteiligung
4
Jeder Primärtumor mit Dissemination in entfernte Lymphknoten, Knochen, Knochenmark, Leber, Haut und/oder andere Organe, außer es handelt sich um ein Stadium 4S
4S
Lokalisierter Primärtumor (wie für Stadium 1, 2A oder 2B definiert) mit Ausbreitung in die Leber, die Haut oder das Knochenmark (kann nur Kinder <1 Jahr betreffen); der Knochenmarkbefall muss <10 % bezogen auf die kernhaltigen Zellen des Knochenmarks sein
Seit 2009 wird ein zusätzliches Stagingsystem eingesetzt, das radiologisch definierbare Risikofaktoren durch die präoperative Bildgebung erfasst (image defined risk factors, IDRF), um für eine Operation eine Voraussage des operativen Risikos treffen zu können. Dieses System unterscheidet die Stadien L1 (lokalisiert ohne Einwachsen in vitale Strukturen), L2 (lokoregional mit Vorliegen von IDRF), M (Fernmetastasen) und MS (Metastasen in Haut, Leber und/oder Knochenmark bei Kindern <18 Monaten).
Klinische Symptome
Die Symptomatik hängt vom Sitz des Tumors und der Ausbreitung ab. Lokalisierte Primärtumoren können symptomlos bleiben, sich als tastbare Raumforderung darstellen oder aber auch zu schwerwiegenden Folgen führen, wie Luftnot bei intrathorakalem Sitz oder Harnabflussstörung bei intraabdomineller Lage. Eine dramatische Symptomatik ist eine rasch sich entwickelnde Querschnittslähmung, die von Tumoren ausgelöst wird, die durch die Foramina intervertebralia nach intraspinal vorwachsen (sog. Sanduhrtumoren). Angesichts der häufigen Metastasierung in das Skelett können auch Metastasen in der Wirbelsäule zum Druck auf das Rückenmark führen. Zervikale Tumoren verursachen zu 15–20 % eine Horner-Symptomatik. Selten werden arterielle Hypertonie, chronische Diarrhö und eine infantile myoklonische Enzephalopathie beobachtet. Ein seltenes paraneoplastisch auftretendes Syndrom ist das sog. Opsomyoklonus-Ataxie Syndrom, als dessen Ursache eine fehlgeleitete Immunantwort gegen Nervengewebe angenommen wird.
Patienten mit metastasiertem Neuroblastom leiden oft unter erheblichen Skelettschmerzen und Allgemeinerscheinungen wie Fieber, Blässe, Inappetenz und Leistungsabfall. Charakteristisch sind sog. Brillenhämatome, die durch retrobulbäre Infiltrationen bei disseminierten Tumoren entstehen. Manchmal fallen diese Kinder auch durch die Metastasen auf, z. B. am Schädelskelett.
Diagnose
Den diagnostischen Verfahren wird eine Einschätzung der Screeningprogramme vorangestellt.
Screening
Früherkennungsprogramme sind aufgrund der Katecholaminausscheidung im Urin prinzipiell möglich. Sie wurden in mehreren Ländern, darunter in einer nationalen, prospektiven Studie in Deutschland (1995–2000), auf ihren Nutzen hin untersucht. Obwohl das Screening erst am Ende des 1. Lebensjahrs durchgeführt wurde, kam es zu einer Zunahme der Neuroblastome niedriger Stadien in den Screeninggebieten, ohne dass gleichzeitig die Rate der metastasierten Neuroblastome verringert werden konnte. Man kann also davon ausgehen, dass ein Teil der Neuroblastome sich im Kindesalter spontan zurückbildet, was den Nutzen des Screenings erheblich einschränkt. Daher wurden entsprechende Früherkennungsprogramme nicht eingeführt.
Diagnostische Verfahren
Die Sicherung der Diagnose erfordert neben der Klärung der Natur des Tumors die Erfassung des Ausmaßes des Tumorbefalls und der biologischen Eigenschaften des Tumors. Eine wichtige Rolle spielt die Labordiagnostik. Als Tumormarker dienen Katecholaminabbauprodukte (bei ca. 90 % der Patienten nachweisbar) in Serum und Urin (Homovanillinsäure, Vanillinmandelsäure). Sie liefern sowohl zur Diagnosesicherung als auch zur Verlaufskontrolle wertvolle Hinweise. Unspezifische, aber wichtige Laborparameter sind die Laktatdehydrogenase (LDH), die bei Erhöhung den Verdacht auf einen schnell wachsenden Tumor lenkt, Serum-Ferritin und neuronenspezifische Enolase (NSE). Bei Kindern mit Knochenmarkbefall kann es auch zu einer normochromen Anämie kommen.
Primärtumor und regionaler Lymphknotenbefall werden in erster Linie durch Sonografie und Kernspintomografie diagnostiziert (Abb. 1, 2 und 3) bei thorakalem Befall auch durch eine CT-Untersuchung (Abb. 5). Das Ausmaß des Tumorbefalls zeigen spezifisch szintigrafische Untersuchungen (Abb. 4) mit123Jod-Metajodbenzylguanidin (MIBG) und neuerdings mit antiGD2. Bei Verdacht auf Skelettmetastasierung ist ein Technetium-Szintigramm unverzichtbar.
Die Entscheidung darüber, ob ein Neuroblastom vorliegt oder nicht, wäre aus der Zusammenschau von Bildgebung, Tumormarkern und MIBG-Szintigrafie ohne Biopsie möglich. Die angemessene Einstufung in ein therapeutisches Konzept erfordert jedoch unbedingt eine bioptische Sicherung, um die wichtigsten biologischen Risikofaktoren zu bestimmen. Wenn der Zugang gefahrlos möglich ist, wird die Biopsie in der Regel als Tumorstanze ausgeführt (Abb. 6). Eine molekulargenetische Untersuchung des Biopsiematerials (N-myc-Amplifikation, 1p-Deletion) ist unerlässlich. Unbedingt erforderlich ist eine Knochenmarkpunktion, die an 2–4 Stellen im Beckenkamm erfolgen sollte (Abb. 7). Differenzialdiagnostisch muss ein Nephroblastom ausgeschlossen werden, ebenso wie Lymphome und Sarkome.
Therapie
Die Behandlung ist stadien- und altersabhängig. Bei Säuglingen und Kindern bis zum vollendeten 2. Lebensjahr mit lokoregionärem Befall ohne Nachweis von biologischen Hochrisikomerkmalen wird heute bei Fehlen bedrohlicher Symptome und bei Progressionsfreiheit auf eine weitergehende chirurgische Therapie und auf eine Chemotherapie verzichtet. Diese therapeutische Strategie beruht auf der nicht nur bei Säuglingen, sondern auch jenseits des Säuglingsalters beobachteten Fähigkeit des Neuroblastoms zur Spontanregression.
Bei älteren Kindern unterscheidet man Standard- und Hochrisikopatienten. Merkmale von Hochrisikokonstellationen sind ein disseminierter Befall und/oder das Vorhandensein von biologischen Risikoparametern. Hochrisikopatienten erhalten eine sehr intensive Chemotherapie (Ifosfamid, Cisplatin, Adriamycin, Vincristin, Dacarbazin, Etoposid) unter Einschluss einer Hochdosistherapie. Die Rolle des Antikörpers antiCD2-CH14.18 wird seit Langem diskutiert. Neuere Daten zeigen eine Überlegenheit eines Therapiekonzepts, das nach einer Hochdosistherapie den Antikörper mit dem Zytokin GM-CSF und Interleukin-2 kombiniert.
Prognose
Die Prognose ist stadienabhängig: Während im Stadium 1 und 2 nach 5 Jahren noch 90 % der Patienten am Leben sind, sind es beim Stadium 3 etwa 70 % und im Stadium 4 mittlerweile ca. 50 %.
Nachsorge
Patienten mit Neuroblastom bedürfen einer intensiven Nachsorge unter Einschluss von Röntgenverfahren, MRT und Sonografie ebenso wie Blutuntersuchungen (LDH, NSE) und der Bestimmung der Katecholaminmetabolite im Urin. Die Nachsorge dient gleichzeitig der frühen Diagnose eines Rezidivs, da selbst nach Rezidiv eines Patienten mit einem Hochrisikoneuroblastom eine 2. Behandlung auch unter Einschluss einer erneuten Hochdosistherapie sinnvoll sein kann. Gleichzeitig müssen Langzeitfolgen der Therapie (z. B. Hochtonschwerhörigkeit, tubuläre Nierenschädigung, kardiale Schädigung) sorgfältig erfasst werden – ebenso wie die Entwicklung einer sekundären Neoplasie (kumulative Inzidenz nach 30 Jahren 3,4 %).
Ausblick
Der Einsatz einer Mikroarray-Gen-Vorhersage-Analyse (Prediction Analysis for Microarrays, PAM) auf der Basis von 144 Genen verbessert die Risikoeinschätzung und damit die Therapieauswahl vor allem für Patienten aus dem Nicht-Hochrisiko-Bereich. Solche und ähnliche Verfahren werden in den nächsten Jahren Eingang in den klinischen Alltag finden.

Weichteilsarkome (insbesondere Rhabdomyosarkome)

Grundlagen
Weichteilsarkome (WTS) stellen eine heterogene Gruppe maligner Tumoren dar, die primär in den Weichteilen entstehen und mesenchymaler Herkunft sind. Der wichtigste bei Kindern auftretende Tumor aus der Gruppe der WTS ist das Rhabdomyosarkom (RMS).
Epidemiologie
Jährlich erkranken in Deutschland etwa 100 Kinder und Jugendliche bis zum Alter von 15 Jahren an einem Weichteilsarkom (WTS; 5,7 % aller malignen Neuerkrankungen/Jahr), dem zweithäufigsten extrakraniellen Tumor nach dem Neuroblastom. Ca. 50 % dieser Patienten haben ein Rhabdomyosarkom. Das entspricht einer Inzidenz von 5,0 auf 1 Mio. Kinder unter 15 Jahren. Zwei Drittel der Kinder sind 6 Jahre oder jünger, Jungen sind etwas häufiger als Mädchen betroffen (1,2:1). Die meisten Fälle treten sporadisch auf, allerdings ist bekannt, dass RMS im Rahmen bestimmter familiärer Syndrome wie Neurofibromatosen oder Li-Fraumeni-Syndrom vorkommen können.
Pathologie und Genetik
Die häufigsten histologischen Entitäten im Kindesalter sind das Rhabdomyosarkom mit ca. 50 %, extraossäre Tumore der Ewing-Gruppe (ETEG) mit 8 %, Synovialsarkome (SS) 7 %, Neurofibrosarkome (4 %), Fibrosarkome (ca. 3 %) und Leiomyosarkome (ca. 2 %).
Histologisch handelt es sich bei den Weichteilsarkomen um Tumoren, die sich durch „kleine, runde, blaue Zellen“ auszeichnen. Die Diagnose Rhabdomyosarkom gelingt durch den Nachweis der Querstreifung, wie sie für Skelettmuskel typisch ist. Die histologische Abgrenzung zwischen der embryonalen und der alveolären Variante erfordert den Nachweis des typischen alveolären Musters von Zellen, die entlang von Hohlräumen Strukturen bilden, die Lungenalveolen ähneln. Dabei genügt der Nachweis eines einzigen typischen Musters zur Kategorisierung als alveolär.
Unerlässlich zur pathologischen Diagnostik gehört eine immunhistochemische Untersuchung (z. B. Desmin, Vimentin, Myoglobin, Aktin, NSE, S-100, MIC2). In der Abgrenzung zwischen den beiden auch prognostisch unterschiedlichen Formen spielt die Molekularbiologie allerdings eine immer wichtigere Rolle. Rhabdomyosarkome werden entsprechend der internationalen Rhabdomyosarkom-Klassifikation in 3 prognostisch unterschiedliche Subgruppen eingeteilt:
  • Rhabdomyosarkome mit intermediärer Prognose: Dabei handelt es sich um das „klassische“ embryonale Rhabdomyosarkom.
  • Rhabdomyosarkome mit ungünstiger Prognose: Es handelt sich um alveoläre Rhabdomyosarkome, einschließlich der sog. soliden Variante.
  • Rhabdomyosarkome mit günstiger Prognose: Diese Gruppe fasst die Tumoren des botryoiden Typs und den Spindelzelltyp des embryonalen Rhabdomyosarkoms zusammen.
Das alveoläre RMS zeichnet sich durch zwei charakteristische Translokationen aus: In 65 % handelt es sich um die Translokation t(2;13)(q35;q14), in ca. 20 % um t(1;13)(p36;q14). Molekulargenetisch entsprechen diese Translokationen dem Rearrangement des PAX3- bzw. PAX7-Gens und des FOXO1-Gens. Es wird vermutet, dass diese Rearrangements zu einer Aktivierung der Transkription von Genen führen, die an dem abnormen Phänotyp beteiligt sind.
Das „klassische“ embryonale RMS wird von den Tumoren abgegrenzt, die zu den Rhabdomyosarkomen mit günstiger Prognose oder zu den alveolären Histotypen gehören. Es weist keine einheitlichen genetischen Veränderungen auf. Bekannt ist ein sog. Verlust von Heterozygotät (loss of heterozygosity) am 11p15-Lokus. Dabei geht maternales Genmaterial verloren, sodass eine Disomie des väterlichen Genmaterials vorliegt. Es wird vermutet, dass diese Veränderung entweder zu einem Verlust eines Tumorsuppressorgens oder der Überexpression eines Wachstumsgens führt. Eine weitere molekulargenetische Veränderung betrifft die Mutation des Onkogens RAS.
Angesichts der Komplexität der diagnostischen und therapeutischen Strategien wird im Folgenden lediglich auf die rhabdomyosarkomartigen Weichteilsarkome eingegangen (RMS, ETEG, SS).
Stadieneinteilung
Für vergleichende Analysen wird vorwiegend das Stadieneinteilungssystem der früher Intergroup Rhabdomyosarcoma Study (IRS) genannten Studiengruppe (jetzt: Soft Tissue Sarcoma Committee der Children’s Oncology Group) verwendet. Dieses Stagingsystem beruht auf einer Einteilung, die nach der ersten chirurgischen Maßnahme als Synthese aus klinischer Ausdehnung, Resezierbarkeit und histopathologischer Beurteilung erfolgt (Tab. 2).
Tab. 2
Stadieneinteilung der Rhabdomyosarkome klinisch und postchirurgisch nach IRS
Stadium
Ausdehnung
I
Lokalisierte Erkrankung, komplett reseziert (tumorfreie Ränder);
regionale Lymphknoten nicht beteiligt – Lymphknotenbiopsie erforderlich bei Kopf-Hals-Tumoren
II
Makroskopisch entfernter Tumor mit mikroskopischen Resten
III
Inkomplette Entfernung mit makroskopisch residueller Erkrankung
IV
Fernmetastasen schon bei Diagnose vorhanden (z. B. in Lunge, Leber, Knochen, Knochenmark, Gehirn, in entfernten Lymphknoten und Muskeln; Nachweis von Tumorzellen in Liquor, Pleura- oder Aszitesflüssigkeit)
Tumoren im IRS-Stadium I können vollständig ohne mikroskopische und makroskopische Reste entfernt werden. Tumoren im IRS-Stadium II sind makroskopisch vollständig entfernt, jedoch findet der Pathologe noch mikroskopische Reste. Beim Stadium III ist keine vollständige Entfernung des Tumors und in der Regel nur eine Biopsie möglich. Dieses Stadium liegt auch vor, wenn ein maligner Erguss in einer angrenzenden Körperhöhle gefunden wird. Ein Stadium IV wird dann festgestellt, wenn bei Diagnose Fernmetastasen im Skelett, im Knochenmark oder soliden Organen und/oder ein Befall nicht mehr regionärer Lymphknoten diagnostiziert wird.
Klinische Symptome
Angesichts der Vielfalt der möglichen Lokalisationen von Weichteilsarkomen ist eine einheitliche Symptomatik nicht zu erwarten. Vielmehr sind die Symptome abhängig von der Lokalisation und dort von der vom Tumor ausgehenden raumfordernden Wirkung. Je weniger das gesunde Gewebe ausweichen kann, desto eher werden Obstruktion, Verlegung von Gangsystemen und Hohlräumen eintreten. So können Patienten mit Weichteilsarkomen im Kopf-Hals-Bereich völlig symptomlos oder aber durch Schmerzen, Schwellungen, Hirnnervenparesen, Verlegung der Atemwege und Erbrechen erheblich beeinträchtigt sein.
Orbitatumoren machen sich aufgrund der besonderen anatomischen Lage frühzeitig durch Störungen der Bulbusbeweglichkeit bemerkbar. Tumoren im Urogenitaltrakt werden üblicherweise durch Bauchschmerzen, Hämaturie, Dysurie, Hodenschwellung oder Obstipation auffällig. An den Extremitäten manifestieren sich Weichteilsarkome durch schmerzhafte oder auch indolente Schwellungen.
Diagnose
Ziel der Diagnostik ist es, die Tumorgröße und das Tumorvolumen festzulegen, darüber hinaus die Beziehung zu den Nachbarorganen und -strukturen zu definieren und Metastasen zu erkennen. Die bildgebende Diagnostik des Primärtumors baut heutzutage auf der Sonografie auf, da die meisten Lokalisationen, in denen ein RMS auftreten kann, der Sonografie zugänglich sind. Der nächste Schritt in der präoperativen Bildgebung ist ein Schnittbildverfahren mit definierter Schnittführung. Bei Kindern sollte die Kernspintomografie in der Regel das Verfahren der Wahl sein (Abb. 8 und 9). Die Ausbreitungsdiagnostik wird komplettiert durch ein Thorax-Röntgenbild und evtl. eine Computertomografie des Thorax, eine Skelettszintigrafie sowie eine Knochenmarkpunktion (Abb. 10). Im Einzelfall sind weitere Untersuchungen erforderlich, z. B. PET/CT oder eine Liquordiagnostik.
Nach internationaler Übereinkunft sollten RMS immer einer Region zugeordnet werden (Orbita, Kopf-Hals-Region; Blase-Prostata-Region; urogenital, aber nicht Blase/Prostata; Extremitäten; andere Regionen).
Therapie
Die Therapie des RMS hat das Problem zu lösen, den Tumor lokal und systemisch zu kontrollieren. Grundsätzlich sollte die Therapie im Rahmen kontrollierter Studien erfolgen. Zur lokalen Kontrolle stehen die Mittel und Möglichkeiten der Chirurgie und Strahlentherapie zur Verfügung, zur systemischen Kontrolle die Mittel der Chemotherapie. Überdies erleichtert eine adäquate Chemotherapie die Lokalkontrolle.
Die chirurgische Therapie ist immer dann Mittel der Wahl, wenn es möglich ist, den Tumor onkologisch radikal ohne Verstümmelung zu entfernen.
Die optimale Kombination der 3 Therapieprinzipien ist Gegenstand systematischer klinischer Studien und abhängig von Tumorausdehnung, Histologie, Tumorregion, Resezierbarkeit und Stadium. In den deutschen CWS-Studien (CWS: Cooperative Weichteilsarkom Studie seit 1981) wurde zudem das Kriterium des Ansprechens des lokalen Tumors auf die Chemotherapie eingeführt. In diesen Behandlungsstudien erfolgt neben einer stadienabhängigen Chemotherapie die Radiotherapie. Auf die Radiotherapie kann bei embryonalen RMS nur dann verzichtet werden, wenn es gelingt, den Tumor primär oder sekundär mikroskopisch komplett zu resezieren. Die Strahlendosis richtet sich nach Lokalisation, Ansprechen und Histologie und beträgt in den CWS-Studien zwischen 32 und 54 Gy.
Die Chemotherapie ist eine Kombinationschemotherapie und baut auf Medikamenten auf, die als Einzelmedikamente ein befriedigendes Ansprechen erreichen konnten. Eingesetzt werden Vincristin, Anthrazykline, Cyclophosphamid und Ifosfamid, Actinomycin D, Carboplatin und Etoposid.
Bei der Behandlung von Patienten mit Stadium-IV-Tumoren hat sich die Hochdosistherapie nicht durchsetzen können. Die CWS-Gruppe empfiehlt daher gegenwärtig für Patienten jenseits des Höchstrisikos (für die neue Wege gesucht werden müssen) eine metronomische Therapie mit oral einzunehmenden Medikamenten. Dabei handelt es sich um eine über lange Zeit regelmäßig durchgeführte Chemotherapie in niedrigen Dosen. Dieses Vorgehen richtet sich nicht nur gegen die Tumorzellen selbst, sondern auch gegen normale Körperfunktionen, die das Tumorsystem aufrechtzuerhalten scheinen.
Prognose
Die Prognose ist abhängig von Histologie, Lokalisation, Ansprechen und Stadium. In der Studie CWS 91 betrug die rezidivfreie Überlebensrate nach 5 Jahren für alle Patienten mit lokalisierten Tumoren zwischen 59 und 64 % (Tab. 3).
Tab. 3
Prognose des Rhabdomyosarkoms entsprechend der Ergebnisse der CWS-91-Studie (nach Dantonello et al. 2009)
Charakteristika
IRSG I
IRSG II
IRSG III
 
n =
EFS (%)
n =
EFS (%)
n =
EFS (%)
Alle
54
64
53
62
219
59
RME
39
71
34
69
161
66
RMA
13
37
17
45
53
38
RMO
    
5
80
EFS Event Free Survival, RME embryonales Rhabdomyosarkom, RMA alveoläres Rhabdomyosarkom, RMO anderes Rhabdomyosarkom
Nachsorge
Ähnlich wie bei anderen Tumoren erfolgt eine auf die Krankheit und die Spätfolgen bezogene Nachsorge, um Langzeitfolgen ebenso frühzeitig zu erkennen wie Rezidive und Zweitmalignome (kumulative Inzidenz 10,4 % nach 30 Jahren). Die Behandlung von Rezidiven ist sinnvoll und umso erfolgreicher, je später der Rückfall auftritt und je kleiner der Primärtumor war.

Nephroblastom (Wilms-Tumor)

Definition
Das Nephroblastom ist ein maligner embryonaler Tumor der Niere.
Epidemiologie
Mit einer Inzidenz von 9,8/1 Mio. Kindern unter 15 Jahren ist das Nephroblastom der häufigste Nierentumor im Kindesalter. 5,2 % aller malignen Tumoren im Kindesalter sind Nephroblastome. Der Häufigkeitsgipfel liegt zwischen dem 2. und 3. Lebensjahr; 85 % der betroffenen Kinder sind jünger als 5 Jahre. Mädchen erkranken in einem Verhältnis von 1,1:1 etwas häufiger als Jungen.
Pathologie und Genetik
Es handelt sich um einen embryonalen Tumor, der histologisch in die Subtypen niedrigmaligne (10 %), intermediär (75–80 %) und hochmaligne (10–15 %) unterteilt wird. Bei der pathologisch-anatomischen Klassifikation muss beachtet werden, ob sie an einer Niere nach erfolgter Chemotherapie oder nach primärer Operation erfolgt. So zählt der blastemreiche Typ nach primärer Operation zur niedrigen Malignität, nach präoperativer Chemotherapie jedoch zur hohen Malignitätsgruppe.
In Tumorzellen von 10–30 % der Wilms-Tumoren lässt sich eine Deletion im Bereich des kurzen Arms des Chromosoms 11 nachweisen; dort liegt das sog. Wilms-Tumor-Suppressor-Gen (WT1). Eine Assoziation mit dem WAGR-Syndrom (Wilms-Tumor, Aniridie, urogenitale Fehlbildungen, Gonadoblastom, geistige Retardierung) kommt vor. Wilms-Tumoren treten überhaupt gehäuft bei Kindern mit Fehlbildungssyndromen auf, neben dem WAGR-Syndrom z. B. beim Beckwith-Wiedemann-Syndrom (Exomphalos, Makroglossie, Gigantismus), Denys-Drash-Syndrom (Wilms-Tumor, Pseudohermaphroditismus, Glomerulopathie), Perlman-Syndrom und bei Neurofibromatose Recklinghausen.
Stadieneinteilung
Unterschieden werden 5 Stadien (Tab. 4), wobei immer das lokale Stadium des Primärtumors (in der Regel nach präoperativer Chemotherapie) angegeben wird. Beim Stadium I ist der Tumor auf die Niere begrenzt und hat die Nierenkapsel oder die Tumorpseudokapsel nicht durchbrochen. Im Stadium II finden sich vitale Tumoranteile außerhalb der Tumorpseudokapsel, sind aber vollständig entfernt. Im Stadium III ist eine unvollständige Tumorresektion erfolgt und/oder es liegt eine Befall von Lymphknoten vor. Ein Stadium III wird auch diagnostiziert, wenn es zu einer prä- oder intraoperativen Tumorruptur gekommen ist. Beim Stadium IV werden Fernmetastasen (Lunge, Leber, Skelett, Gehirn) gefunden und beim Stadium V sind beide Nieren von einem Wilms-Tumor befallen.
Tab. 4
Stadieneinteilung beim Wilms-Tumor
Stadium
Ausdehnung
I
Tumor auf die Niere beschränkt, vollständig entfernbar
II
Tumor reicht über die Niere hinaus, vollständig entfernbar
III
Unvollständige Tumorentfernung
IV
Fernmetastasen
V
Bilaterales Nephroblastom
Klinische Symptome
Das Hauptsymptom ist die schmerzlose Tumorschwellung. Hämaturie wird bei ca. 15 % beobachtet, weitere Symptome wie Hypertonus oder Schmerzen sind selten. Rund 10 % der Kinder sind symptomfrei und werden bei Vorsorgeuntersuchungen zufällig diagnostiziert. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Großeltern oder anderen Personen, die das Kind längere Zeit nicht gesehen haben, eine Schwellung des Bauchs auffällt. Eltern, die ihr Kind täglich sehen, entgeht eine solche allmähliche Veränderung oftmals.
Diagnose
Das Ziel des diagnostischen Vorgehens ist die eindeutige Zuordnung des Tumors unter Verzicht auf eine Biopsie (Abb. 11). Dazu ist vor allem eine gute bildgebende Diagnostik erforderlich. Neben der abdominellen Sonografie erfolgt die Magnetresonanztomografie (Abb. 12). Zur Beurteilung der Ausbreitung ist ein Thorax-Röntgenbild obligat, eine Thorax-CT bei Verdacht auf Metastasen (Abb. 13). Zur Abgrenzung gegenüber dem Neuroblastom sind bei diagnostischer Unsicherheit auch Katecholaminbestimmungen im Urin und bei fortbestehender Unklarheit auch ein MIBG-Szintigramm erforderlich. Wichtig ist, dass die kontralaterale Niere immer dargestellt wird und sicher beurteilt werden kann, ob sie tumorfrei ist. In der Regel kann die Diagnose durch ein solches systematisches Vorgehen sicher gestellt werden, vor allem wenn die in der pädiatrischen Onkologie geübte Praxis der Einholung einer Referenzbeurteilung eingehalten wird. Nur in selteneren Fällen ist die bioptische Sicherung nötig.
Differenzialdiagnose
Differenzialdiagnostisch muss vor allem das Neuroblastom abgegrenzt werden, aber auch Zystennieren sind auszuschließen. Abzugrenzen ist der Wilms-Tumor zudem von einem kongenitalen mesoblastischen Nephrom, einem Tumor der Perinatalperiode, der durch operative Entfernung geheilt werden kann, einem Klarzelltyp des Wilms-Tumors, der einer intensiveren Therapie bedarf, einem Rhabdoidtumor, einem bei Kindern sehr seltenen Nierenzellkarzinom und einer Nephroblastomatose, die auch beidseitig auftreten kann.
Therapie
Die Behandlung beruht auf dem Einsatz von Chemotherapie, Operation und Radiotherapie. Nach den derzeitigen Therapiestandards beginnt die Therapie nach der eindeutigen, bildgebend gestellten Diagnose mit der präoperativen Chemotherapie, die nach der Tumorentfernung als postoperative Chemotherapie in Abhängigkeit vom lokalen Tumorstadium und von der Histologie des Tumors fortgesetzt wird. Nach der Tumorentfernung erfolgt die histologische Einordnung, die in der Regel Einfluss auf die weitere Chemotherapie hat. Die Chemotherapie ist nach Dauer und Intensität stadienabhängig und bezieht die Medikamente Vincristin, Actinomycin D, Adriamycin und in höheren Stadien auch Etoposid, Carboplatin und Ifosfamid ein. Die Radiotherapie ist ebenfalls stadienabhängig und richtet sich nach Histologie und dem Stadium bei Operation. Die Dosis beträgt 15–30 Gy.
Prognose
Die Prognose ist gut. Die rezidivfreie Überlebensrate liegt nach 5 Jahren für alle Patienten bei ca. 80 %, in den lokoregionären Stadien I bis III bei ca. 90 %.
Nachsorge
Ähnlich wie bei anderen Tumoren erfolgt die Nachsorge krankheits- und spätfolgenbezogen. Die kumulative Inzidenz an Zweitmalignomen liegt bei 4,7 % nach 30 Jahren. Die Behandlung von Rezidiven auch unter Einschluss der Hochdosistherapie führt zu ermutigenden Ergebnissen (Heilung von ca. 60 der betroffenen Patienten).

Maligne Tumoren der Leber

Hepatoblastom

Epidemiologie
Das Hepatoblastom ist mit einer Inzidenz von 2,5 auf 1 Mio. Kinder unter 15 Jahren der häufigste Lebertumor im Kindesalter und macht 1,3 % aller malignen Tumoren des Kindesalters aus. Der Altersgipfel liegt zwischen 0,5 und 3 Jahren.
Pathologie und Genetik
Die Hepatoblastomzellen ähneln primitiven Leberparenchymzellen (Abb. 14), allerdings können zusätzliche mesenchymale Zellen vorhanden sein. Man unterscheidet das rein epitheliale Hepatoblastom vom gemischten epithelial-mesenchymalen Tumor. Die epithelialen Zellen können wie „embryonale“ oder wie „fetale“ Zellen erscheinen, die mesenchymale Komponente kann als Osteoid-Inseln oder Knorpel- bzw. Muskeldifferenzierung imponieren.
Das Hepatoblastom ist assoziiert mit genetischen Erkrankungen wie der familiären Polyposis coli, dem Beckwith-Wiedemann Syndrom und der Trisomie 18.
Stadieneinteilung
Im Rahmen kooperativer Studien in Deutschland und den USA werden je nach Resezierbarkeit die postchirurgischen Stadien I bis III definiert. Dabei bedeutet Stadium I eine primäre komplette Resektion, Stadium II mikroskopische und Stadium III makroskopische Reste. Stadium IV bedeutet Fernmetastasen: Metastasen treten vor allem in der Lunge auf, können jedoch auch das Skelett betreffen.
Klinische Symptome
In der Regel fällt der Tumor durch die Schwellung auf, die er im Abdomen verursacht. Dazu treten Fieber und Störung des Allgemeinbefindens, das sich bei den meist betroffenen Säuglingen in der Regel als Gedeihstörung zeigt.
Diagnose
Neben der Bildgebung (Sonografie, MRT oder CT des Abdomens; Abb. 15) spielt die Labordiagnostik eine wesentliche Rolle. Im Zusammenhang mit einem Lebertumor ist bei Kindern zwischen 0,5 und 3 Jahren eine Erhöhung des α-Fetoproteins (AFP) über 1000 ng/ml nahezu beweisend für das Vorliegen eines Hepatoblastoms. Außer in der Diagnostik ist das AFP auch für die Beurteilung des Krankheitsverlaufs wichtig. Differenzialdiagnostisch wesentlich sind das hepatozelluläre Karzinom, das Neuroblastom und der Wilms-Tumor.
Therapie
Die Therapie sollte in kontrollierten Studien erfolgen und stellt eine Kombination aus Chemotherapie und chirurgischer Tumorentfernung dar. Nach Diagnosestellung erfolgt dann die primäre Tumorentfernung, wenn der Tumor klein und sicher auf einen Leberlappen beschränkt ist. Erscheint der Tumor nicht primär komplett entfernbar, erfolgt eine primäre Chemotherapie. Diese Chemotherapie sollte Cisplatin und Adriamycin enthalten. Bei primärer Resektion ist eine adjuvante Chemotherapie sinnvoll.
Prognose
Mit dem kombinierten Verfahren können 70–75 % der Patienten geheilt werden.

Hepatozelluläres Karzinom

Epidemiologie
Das hepatozelluläre Karzinom (HZK) ist der zweithäufigste maligne Lebertumor im Kindesalter und tritt vorwiegend bei Jungen auf. Die Inzidenz beträgt 0,2 auf 1 Mio. Kinder. Das mediane Erkrankungsalter beträgt 12 Jahre.
Pathologie
Der Tumor gleicht dem des Erwachsenen. Es liegt eine Assoziation mit der Hepatitis-B-Virusinfektion vor. Kinder mit hereditärer Tyrosinämie erkranken gehäuft an HZK.
Klinik
Leitsymptom ist die abdominelle Schwellung. Gewichtsverlust, Ikterus und weitere Allgemeinsymptome sind häufiger als beim Hepatoblastom.
Diagnose
Das diagnostische Vorgehen gleicht dem beim Hepatoblastom.
Therapie
Wichtigstes Therapieprinzip ist die komplette Tumorentfernung. Die Chemotherapie spielt eine untergeordnete Rolle; mit ihr lassen sich nur Teilremissionen erzielen.
Prognose
Die Prognose (5-Jahres-Überlebensrate) ist abhängig von der Resezierbarkeit und liegt bei 30–35 %.

Osteosarkom

Definition
Das Osteosarkom ist der häufigste Knochentumor im Kindes- und Jugendalter, der vorwiegend die Metaphysen der langen Röhrenknochen befällt.
Epidemiologie
Die Inzidenz beträgt 3,1/1 Mio. Kinder <15 Jahre. Prädilektionsalter ist die 2. Lebensdekade. Jungen erkranken genauso häufig wie Mädchen.
Pathologie und Genetik
Charakteristisches histologisches Merkmal ist die Bildung von unreifer Knochenmatrix oder Osteoid. Hauptsitz sind die Metaphysen der langen Röhrenknochen. Pathologisch-anatomisch werden die Osteosarkome nach der WHO-Klassifikation in verschiedene Subtypen unterschieden. Überwiegend (bei 80–90 %) liegt ein konventionelles hochmalignes Osteosarkom vor, das chondroblastisch, osteoblastisch oder fibroblastisch differenziert sein kann. Daneben gibt es weitere hochmaligne, seltenere Formen (teleangiektatisches Osteosarkom, hochmalignes Oberflächenosteosarkom) und noch seltenere niedrigmaligne Formen (parossales Osteosarkom). Osteosarkome metastasieren vorzugsweise in die Lunge. Skelettmetastasen kommen vor. Wichtig zu erfassen sind sog. skip-lesions: Dies sind Tumorzellnester vom Primärtumor ohne nachweisbare Verbindung im Markraum. Neben der initialen histologischen Diagnose ist die Aufgabe der Pathologie nach erfolgter Tumorentfernung zu beurteilen, ob der Tumor auf die präoperative Chemotherapie angesprochen hat. Neuere Untersuchungen zeigen, dass fast alle Osteosarkome eine hohe genomische Instabilität aufweisen und bei den meisten die Zellzykluskontrolle gestört ist (Veränderungen im TP53-Signalweg und Inaktivierung des RB-Gens); 9,5 % der Patienten <30 Jahren wiesen zudem eine TP53-Keimbahnmutation (Li-Fraumeni Syndrom) auf.
Osteosarkome können als Zweittumoren nach vorausgegangener maligner Erkrankung, insbesondere nach Retinoblastomen auftreten.
Klinische Symptome
Leitsymptom der Erkrankung sind Schmerzen und Schwellung in der betroffenen Extremität oder Region. Manchmal wird der Schmerz auch eine „Etage“ höher (z. B. Lage des Osteosarkoms kniegelenksnah, jedoch Schmerz im Hüftgelenk) lokalisiert. Oft sind die Beschwerden auch so uncharakteristisch, dass viel Zeit (im Mittel 2 Monate) bis zur Diagnosestellung vergeht. Allgemeinsymptome sind selten.
Diagnose
Die Diagnostik erfordert neben der präzisen Dokumentation des Tumors und seiner Ausdehnung durch konventionelle Röntgenaufnahmen (Abb. 16) als Methode der Wahl eine Abbildung des gesamten betroffenen Knochens durch eine MRT (Abb. 17). Weiterhin ist eine szintigrafische Untersuchung des betroffenen Skelettabschnitts und des gesamten Skeletts erforderlich (3-Phasen-Technik; Abb. 18). Unerlässlich ist eine CT-Untersuchung des Thorax zum Ausschluss von Lungenmetastasen. Zur Diagnosesicherung ist eine Biopsie unerlässlich, die als offene Inzisionsbiopsie von demjenigen Chirurgen durchgeführt werden sollte, der auch die definitive operative Versorgung vornehmen wird. Eine Referenzbeurteilung der Histologie ist immer erforderlich.
Differenzialdiagnostisch wichtig sind das Ewing-Sarkom, andere maligne (Chondrosarkome, Fibrosarkome, Riesenzelltumoren, Non-Hodgkin-Lymphom, Morbus Hodgkin, Histiozytose) und benigne (Osteochondrom, Osteoblastom, aneurysmatische Knochenzyste) Knochenläsionen. Sicher ausgeschlossen werden müssen auch eine fibröse Dysplasie, vermehrte Kallusbildung nach Trauma und eine Osteomyelitis.
Stadieneinteilung
Die Stadieneinteilung erfolgt nach der TNM-Klassifikation (TNM-Classification of malignant tumors [tumor/node/metastasis]) der UICC (Union internationale contre le cancer). Danach liegt ein T1-Tumor bei einer Ausdehnung ≤8 cm, ein T2-Tumor bei Tumoren >8 cm und T3-Tumor bei Skipmetastasen vor.
Therapie
Die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Osteosarkomen ist eine multidisziplinäre Aufgabe und sollte immer in kontrollierten Studien erfolgen. Die Rolle der Chemotherapie zur Verhinderung einer manifesten Metastasierung ist bei hochmalignen Osteosarkomen gesichert. Trotz optimaler chirurgischer Versorgung erleiden ohne Chemotherapie ca. 85 % der Patienten eine Metastasierung vor allem in die Lunge. Gute Resultate der Chemotherapie wurden mit Kombinationen aus Methotrexat, Cisplatin, Ifosfamid und Adriamycin erzielt. Heutzutage erfolgt die Chemotherapie teilweise präoperativ, um den tumorverkleinernden Effekt für die optimale lokale chirurgische Versorgung auszunutzen.
Für die weitere individuelle Therapie und die Entwicklung neuer Therapiestrategien hat sich das histopathologische Tumoransprechen als hilfreich erweisen. Ein gutes Ansprechen auf eine präoperative Chemotherapie liegt vor, wenn der Pathologe ein histopathologisches Ansprechen Grad 1 (kein vitaler Resttumor), Grad 2 (vitaler Resttumor <1 %) oder Grad 3 (vitaler Resttumor <10 %) findet. Ein schlechtes Ansprechen muss diagnostiziert werden, wenn der Pathologe zwischen 10 und 50 % vitalen Resttumor (Grad 4), >50 % (Grad 5) oder gar kein Ansprechen auf die Chemotherapie findet.
Zur Heilung ist eine komplette Tumorentfernung im Gesunden erforderlich. Wenn immer möglich wird die Operation extremitätenerhaltend durchgeführt. Der Knochendefekt kann dabei mit einer Endoprothese überbrückt werden (Abb. 19). Möglich sind auch rekonstruktive Verfahren mit Verwendung von eigenen Skelettmaterial oder auch sog. Umkehrplastiken bei kniegelenknahen Tumoren.
Prognose
Die Überlebenswahrscheinlichkeit liegt nach 5 Jahren bei ca. 65 %.

Ewing-Sarkom

Definition
Die Gruppe der Ewing-Sarkome umfasst morphologisch ähnliche Typen, die als klassisches Ewing-Sarkom (ES), atypisches Ewing-Sarkom und maligner peripherer neuroektodermaler Tumor (MPNET) bezeichnet werden. Ihre Zusammenfassung wird gerechtfertigt durch den Nachweis einer einheitlichen molekulargenetischen Veränderung bei allen zugehörigen Tumoren.
Epidemiologie
Ewing-Sarkome sind die zweithäufigsten malignen Knochentumoren im Kindes- und Jugendalter. Der Häufigkeitsgipfel liegt zwischen dem 10. und 15. Lebensjahr. Es erkranken 3,0/1 Mio. Kinder <15 Jahren (Verhältnis Jungen zu Mädchen: 1,2:1).
Pathologie und Genetik
Es handelt sich um einen Tumor, der sich, ähnlich wie andere hochmaligne Tumoren im Kindesalter, durch „kleine, runde, blaue“ Zellen auszeichnet. In der Abgrenzung zu anderen Tumoren ist es wesentlich, Glykoproteine durch die PAS-Reaktion und gegebenenfalls neuronale Marker (NSE, S-100) nachzuweisen. Von großer Bedeutung sind zytogenetische Untersuchungen, mit deren Hilfe in 85 % die Translokation t(11;22)(q24;q12) (betrifft die Gene EWS und FLI1) und in 10 % die Translokation t(11;22)(q22;q12) (betrifft die Gene EWS und ERG) gefunden wird. Diese Untersuchungen sind nicht nur für die exakte Diagnose selbst, sondern auch für die Beurteilung des Verlaufs (Nachweis von minimaler Resterkrankung) hilfreich. Aufgabe des Pathologen ist es auch, nach Entfernung des Tumors das Ansprechen auf die präoperative Therapie zu beurteilen. Ein Anteil von ≤10 % vitaler Tumorzellen nach Ende der präoperativen Therapie gilt als „good response“, >10 % gelten als „poor response“.
Stadieneinteilung
Die Stadieneinteilung erfolgt analog zum Osteosarkom.
Klinik
Leitsymptom der Erkrankung ist der lokale Schmerz, gefolgt von Schwellung und Funktionsverlust. Die Zeit bis zur Diagnosestellung kann lang sein, da vor allem Beckentumoren wegen geringerer Beschwerden erst spät zum Arzt führen.
Diagnose und Differenzialdiagnose
Abgegrenzt wird die lokoregionäre Erkrankung von der Erkrankung mit Metastasierung in Lungen und/oder Skelett, da eine solche Ausbreitung mit einer wesentlich schlechteren Prognose verbunden ist. Die bildgebenden Verfahren stehen naturgemäß im Mittelpunkt der Diagnostik (lokales Röntgen, CT und MRT, Sonografie der Abdominalorgane, Szintigrafie des Skeletts, CT der Lunge; Abb. 20 und 21; vgl. auch Abb. 22, 23 und 24). Ergänzend kann bei Verdacht auf Metastasierung in das Skelett eine PET-CT sinnvoll sein (Abb. 25). Die Diagnostik wird durch Serumuntersuchungen (LDH, Ferritin, CRP, BSG) vervollständigt. Die definitive Diagnosestellung ist letztlich nur durch Biopsie möglich. Ähnlich wie beim Osteosarkom sollte die Biopsie durch den Chirurgen vorgenommen werden, der die endgültige Operation vornimmt.
Differenzialdiagnostisch muss ein Osteosarkom ausgeschlossen werden, darüber hinaus entspricht die Differenzialdiagnose der des Osteosarkoms.
Therapie
Die Behandlung besteht aus der systemischen und lokalen Therapie. Ohne Chemotherapie liegt trotz adäquater Behandlung des Primärtumors bei nichtmetastasierter Erkrankung das Langzeitüberleben unter 10 %. Nach bioptischer Sicherung der Diagnose wird eine initiale Chemotherapie durchgeführt. Die lokale Therapie erfolgt durch Operation, durch Chemotherapie oder durch die Kombination beider Maßnahmen. Das Ewing-Sarkom ist im Gegensatz zum Osteosarkom strahlensensibel. Die Rolle der Hochdosistherapie und die optimale Behandlung von Patienten mit primärer Metastasierung ist Gegenstand von Studien.
Prognose
Mit den modernen Therapieprotokollen können 55–70 % der Patienten mit lokoregionärer Erkrankung geheilt werden. Patienten mit primärer Fernmetastasierung haben mit 15–20 % eine wesentlich schlechtere Prognose.

Keimzelltumoren

Grundlagen
Keimzelltumoren entwickeln sich aus pluripotenten Keimzellen, die in den Gonaden oder extragonadal zu benignen oder malignen Tumoren heranwachsen.
Epidemiologie
5,3/1 Mio. Kindern <15 Jahren sind betroffen, das Verhältnis Mädchen zu Jungen beträgt 1:0,7. Im Deutschen Kinderkrebsregister machen diese Tumoren 3,2 % aus. Der Altersgipfel liegt im 1. Lebensjahr, mit starker Abnahme bis zum Alter von 4 Jahren.
Pathologie
Die Aufgabe des Pathologen ist es, die Teratome, d. h. die nichtbösartigen Tumoren von den bösartigen Keimzelltumoren zu unterscheiden. Die histopathologische Diagnose beruht auf der WHO-Klassifikation, die im Kindes- und Kleinkindalter Teratome und Dottersacktumoren unterscheidet und im Adoleszenten- und Erwachsenenalter zwischen Teratomen, Seminomen (Synonym: Dysgerminom bei Auftreten im Ovar und Germinom beim Auftreten im ZNS) und malignen Nichtseminomen (Synonym: sezernierende Keimzelltumoren) differenziert.
30 % der Keimzelltumoren enthalten mehr als eine Entität, wobei sich die Beurteilung immer nach dem Tumoranteil mit der höchsten Malignität richtet.
Stadieneinteilung
Zur Stadieneinteilung gibt es verschiedene Klassifikationen. In Deutschland wird zur Einteilung von Hodentumoren für präpubertäre Patienten die Lugano-Klassifikation angewendet, für postpubertäre die UICC-Klassifikation. Ovarialtumoren werden entsprechend der internationalen FIGO-Klassifikation eingeordnet (Fédération Internationale des Gynécologie et d’Obstétrique). Bei Steißbeinteratomen und allen anderen Lokalisationen kommt die internationale TNM-Klassifikation zum Einsatz.
Klinik
Die Symptomatik ist abhängig von der Lokalisation des Tumors. Testikuläre Tumoren fallen durch eine schmerzlose Schwellung auf. Ovarialtumoren können endokrin aktiv sein und dadurch in Erscheinung treten (Pubertas praecox, Kap. „Pubertät und Pubertätsstörungen“). Bei fehlender endokriner Aktivität sind es meist unklare abdominelle Beschwerden oder erst die Zunahme des Bauchumfangs, die zur Diagnose führen. Thorakale Keimzelltumoren führen entsprechend ihrer Lage nicht selten zur Obstruktion der oberen Luftwege oder zu einer oberen Einflussstauung. Sakrokokzygeale Tumoren sind häufig schon vor der Geburt im Ultraschall sichtbar und werden manchmal so groß, dass sie ein Geburtshindernis darstellen. Intrakranielle Keimzelltumoren führen neben Zeichen der Raumforderung wie Kopfschmerzen, Schwindel, Erbrechen, Parinaud-Syndrom, Hemiparese und Gangstörungen auch zu neuroendokrinologischen Störungen wie Diabetes insipidus oder Pubertas praecox.
Diagnose
Im Vordergrund der diagnostischen Maßnahmen stehen die bildgebende Darstellung (Sonografie und MRT) der jeweiligen Tumorregion (Abb. 26). Daneben haben der Nachweis der Tumormarker α-Fetoprotein (AFP) und β-HCG einen hohen Wert. Diese Marker können sowohl im Serum als auch im Liquor cerebrospinalis nachgewiesen werden. Zu beachten sind die physiologisch erhöhten AFP-Werte in den ersten beiden Lebensjahren. AFP ist erhöht beim Dottersacktumor und seltener beim potenziell malignen unreifen Teratom, β-HCG beim Chorionkarzinom und seltener beim malignen Seminom bzw. Germinom.
Therapie
Die Therapie ist abhängig von der Lokalisation und der Histologie. Prinzipiell sollte sie angesichts der Seltenheit dieser Tumoren im Rahmen kontrollierter Therapiestudien erfolgen. Eine komplette Tumorresektion ist anzustreben. Eine inkomplette Resektion verschlechtert die Prognose, daher sollte bei absehbarer inkompletter Operabilität nur eine Biopsie erfolgen. Eine präoperative Chemotherapie ist bei malignen Tumoren dann hilfreich, wenn der Tumor primär nicht komplett reseziert werden kann. Chemotherapeutika, die sich als nützlich erwiesen haben, sind vor allem Cisplatin, aber auch Etoposid, Ifosfamid, Vinblastin und Bleomycin. Sakrokokzygeale Tumoren werden immer mitsamt dem Steißbein entfernt, da sonst Rezidive auftreten können. Strahlenempfindlich sind Seminome (Dysgerminome und Germinome), sodass bei diesen Tumoren, vor allem bei intrakraniellem Sitz, auch eine Radiotherapie eingesetzt wird.
Prognose
Die Prognose hängt vom Alter, der Lokalisation und dem Stadium ab. Die Überlebenswahrscheinlichkeit nach 5 Jahren liegt für die Gesamtgruppe bei ca. 85 %. Hodentumoren haben die günstigste Prognose (99 %), intrakranielle die ungünstigste (ca. 65 %).

Retinoblastom

Grundlagen
Retinoblastome sind maligne Tumoren der Retina, die gleich häufig sporadisch oder familiär auftreten.
Epidemiologie
2,3 % aller bösartigen Erkrankungen im Deutschen Kinderkrebsregister sind Retinoblastome, die Inzidenz beträgt 4,5/1 Mio. Kindern unter 15 Jahren, wobei der Erkrankungsgipfel bei den Kindern unter 4 Jahren liegt. Jenseits dieses Alters ist ein Retinoblastom extrem selten.
Pathologie
Auch das Retinoblastom gehört zu den Tumoren mit „kleinen, runden, blauen“ Zellen, die Pseudorosetten bilden können. Ursächlich spielt das auf Chromosom 13 gelegene RB-Gen eine zentrale Rolle. Liegt es mutiert in der Keimbahn vor, können entsprechend der „Two-Hit“-Hypothese zur Entstehung maligner Tumoren durch ein zweites genetisches Ereignis familiäre und multifokale bzw. bilaterale Tumoren auftreten. Bei einer somatischen Mutation handelt es sich um einseitige, unifokale Tumoren.
Stadieneinteilung
Man unterscheidet 4 Tumorstadien. Stadium I und II sind intraokulär lokalisierte Stadien, Stadium III beschreibt die extraokuläre Ausdehnung und Stadium IV eine Erkrankung mit Fernmetastasierung.
Klinische Symptome
Oft nehmen Eltern einen hellen, weißlichen Fleck in der Pupille wahr. Eine Sehminderung wird angesichts der Manifestation im frühen Kindesalter von den betroffenen Kindern nicht beklagt und daher von Eltern nicht bemerkt. Protrusio bulbi und Schmerzen sind Zeichen für sehr fortgeschrittene Tumoren.
Diagnose
Klinische augenärztliche Untersuchung in Narkose, Sonografie und MRT-Untersuchungen ermöglichen die sichere Diagnosestellung. Eine präoperative Biopsie erfolgt in der Regel nicht.
Therapie
Neben der chirurgischen Therapie durch Entfernung des erkrankten Auges bei einseitigen Retinoblastomen kommt die Strahlentherapie (Brachytherapie, Photonentherapie, Protonenbestrahlung) vor allem bei zwei betroffenen Augen zum Einsatz. Die Chemotherapie spielt bei ausgedehnteren Tumoren eine zunehmend wichtigere Rolle.
Prognose
Eine dauerhafte Heilung gelingt bei ca. 80 % der Kinder, in den lokalen Stadien I und II bei mehr als 90 %.
Nachsorge
Kinder mit Retinoblastomen benötigen eine langfristige Nachsorge, da sie ein erhöhtes Risiko für sekundäre maligne Erkrankungen haben.

Schilddrüsenkarzinome

Epidemiologie und Ätiologie
Schilddrüsenkarzinome sind im Kindesalter selten: Man rechnet, dass sie weniger als 0,5 % aller malignen Erkrankungen im Kindesalter ausmachen. Histologisch unterscheidet man papilläre, follikuläre und medulläre Schilddrüsenkarzinome.
Schilddrüsenkarzinome gehören auch zu den klassischen Sekundärmalignomen nach Strahlentherapie bzw. akzidentieller Strahlenexposition (z. B Tschernobyl-Katastrophe). Die therapeutische Mediastinalbestrahlung bei Morbus Hodgkin bzw. kraniospinale Bestrahlung nach Medulloblastom erhöht das Risiko für die Entwicklung eines Schilddrüsenkarzinoms ebenfalls deutlich. Neben den bestrahlungsinduzierten Schilddrüsenkarzinomen als Sekundärmalignome ist für den Pädiater die Kenntnis der familiären Formen von hoher praktischer Relevanz. Im Rahmen der multiplen endokrinen Neoplasie (MEN)-Syndrome 2a und 2b kommen medulläre Schilddrüsenkarzinome mit einer Häufigkeit von bis zu 100 % in den betroffenen Familien vor. Eine prophylaktische totale Thyrektomie mit konsekutiver lebenslanger Hormonersatztherapie kann in diesen Fällen die Entwicklung eines medullären Schilddrüsenkarzinoms effektiv verhindern.
Ursächlich sind Keimbahnmutationen im RET-Protoonkogen dafür verantwortlich, welches auch bei Kindern mit familiärer Agangliose von Rektum und Kolon (familiärer Morbus Hirschsprung) mutiert ist. Da sich der familiäre Morbus Hirschsprung in der Regel in der frühen Neonatalperiode manifestiert, ist die Kenntnis dieser Assoziation wichtig, um rechtzeitig die molekulargenetische Untersuchung und gegebenenfalls die chirurgische Prophylaxe eines medullären Schilddrüsenkarzinoms einleiten zu können. Hierbei sind die Familienmitglieder 1. Grades in die Untersuchung mit einzubeziehen. Betroffene Kinder mit RET-Mutation können schon im Alter von wenigen Monaten (!) ein medulläres Schilddrüsenkarzinom entwickeln, sodass die diagnostischen und therapeutischen Schritte zügig durchgeführt werden müssen.
Schilddrüsenkarzinome, zystische Schilddrüsenveränderungen oder fokale Hyperplasien lassen sich auch bei einer genetischen Tumorprädisposition im Rahmen des sogenannten Dicer-1-Syndroms finden.
Klinische Symptome, Diagnose und Therapie
Schilddrüsenkarzinome manifestieren sich im Kindesalter nicht grundsätzlich anders als bei Erwachsenen als schmerzlose, einseitige Schwellung in der Schilddrüsenregion oder – seltener – unter dem klinischen Bild einer zervikal-lateralen Lymphknotenschwellung („lateral, aberrant thyroid“). MEN-2b-Patienten weisen typischerweise einen marfanoiden Habitus auf und können Ganglioneurome im Gastrointestinaltrakt entwickeln. Chronische Diarrhö kann durch eine begleitende Hyperkalzitoninämie und das Weinen ohne Tränenflüssigkeit durch eine Mitbeteiligung der Tränendrüsen bedingt sein.
Sonografisch imponiert das Schilddrüsenkarzinom meist als echoarmer Knoten, szintigrafisch als kalter Knoten. Die definitive Diagnosestellung der sporadischen Formen (intraoperative Schnellschnittdiagnostik!) geht in der Regel mit einer Thyreoidektomie und konsekutiver L-Thyroxinsubstituation Hand in Hand. Wegen der guten Speicherung von Jod131 ist bei papillären und follikulären Schilddrüsenkarzinomen nachfolgend die Ablation des meist verbleibenden mikroskopischen Restgewebes sehr effektiv mit einer Radiojodtherapie möglich. Die Heilungsaussichten der Kinder liegen unter diesen Bedingungen bei über 80 %. Basierend auf der RET-Genaktivierung bei medullären Schilddrüsenkarzinomen ist auch eine zielgerichtete Therapie mit RET-Inhibitoren (Vandetanib) bei lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Erkrankungen möglich. Das Medikament ist bei Kindern ab einem Alter von 5 Jahren zugelassen.

Spätfolgen

Das Langzeitüberleben nach einer Krebserkrankung im Kindes- oder Jugendalter hat sich in den letzten Jahrzehnten durch Fortschritte in der onkologischen Behandlung deutlich verbessert und liegt mittlerweile bei über 80 %. Aufgrund dessen nimmt die Anzahl der Langzeitüberlebenden weltweit und auch in Deutschland stetig zu. So sind bereits über 35.000 Patienten, deren initiale Krebserkrankung mindestens 5 Jahre zurück liegt, im Deutschen Kinderkrebsregister erfasst. Ein Großteil dieser Patienten ist mittlerweile erwachsen und befindet sich daher häufig nicht mehr in regelmäßiger pädiatrisch-onkologischer Betreuung.
Die Krebserkrankung sowie die oft multimodale onkologische Behandlung können sowohl akute Komplikationen verursachen, die nach Therapieende persistieren, als auch das Auftreten neuer Erkrankungen begünstigen, die während der ersten Jahre nach Therapieende, häufig jedoch erst viele Jahre bis Jahrzehnte später auftreten. Diese Spätfolgen können unterschiedliche Organsysteme betreffen und zu leichten bis schweren Einschränkungen führen. Je nach onkologischer Primärerkrankung und nach erhaltener Therapie unterscheiden sich die Spätfolgen sowohl in ihrer Art als auch Intensität. Zudem beeinflussen zusätzliche Risikofaktoren wie genetische Prädispositionen oder persönliche Charakteristika (Geschlecht, Alter zum Zeitpunkt der Erkrankung) sowie das Vorliegen anderer Erkrankungen die Wahrscheinlichkeit, dass Folgeerkrankungen auftreten.
Da Spätfolgen in der Regel nicht während der onkologischen Routinenachsorge auftreten und häufig bereits erwachsene Patienten betreffen, ist eine Transition dieser Patienten, sowohl von der Kinder- und Jugendmedizin in die internistische Medizin als auch von der onkologischen Rezidiv-basierten Akutnachsorge in die Spätfolgen-orientierte Nachsorge/Vorsorge essenziell.
Betroffene Organsysteme
Je länger die Krebserkrankung zurück liegt, desto mehr Langzeitüberlebende sind von einer oder mehreren chronischen Erkrankungen betroffen. So leiden 30 Jahre nach Abschluss der onkologischen Therapie bereits mehr als zwei Drittel der Patienten an chronischen Erkrankungen, obwohl die meisten dieser Patienten zu diesem Zeitpunkt immer noch im jungen Erwachsenenalter sind. Aktuelle Studien haben gezeigt, dass mit weiter zunehmendem Abstand zur onkologischen Primärerkrankung auch bis zum Alter von 50 Jahren die kumulative Krankheitslast im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung weiter ansteigt und bisher kein Plateau erreicht ist. Das Spektrum der möglichen Spätfolgen ist breit und erfordert häufig eine interdisziplinäre Herangehensweise. Viele Spätfolgen manifestieren sich zudem initial oft unspezifisch, was eine zeitnahe Diagnose erschweren kann. Zu den häufigsten Spätfolgen gehören Erkrankungen des Herzens, Endokrinopathien sowie Sekundärneoplasien, die nachfolgend in Kürze dargestellt werden.
Herz
Kardiale Spätfolgen, die sich sowohl als Kardiomyopathie, als auch als Herzrhythmusstörungen oder als koronare Herzerkrankung manifestieren können, treten insbesondere nach Anthrazyklin-haltiger Chemotherapie oder nach einer thorakalen Radiatio auf. Langzeitüberlebende nach einer Krebserkrankung im Kindesalter haben, im Vergleich zur Normalbevölkerung, ein 15-fach erhöhtes Risiko, eine Herzinsuffizienz zu entwickeln, sowie ein 7- bis 8-fach erhöhtes Risiko für eine frühzeitige, kardial bedingte Mortalität. Das Risiko hängt hierbei stark von der erhaltenen Anthrazyklin-Dosis ab, da bei niedrigeren kumulativen Dosen unter 250 mg/m2 weniger als 5 %, nach Dosen zwischen 250 und 600 mg/m2 knapp 10 % sowie bei Patienten, die über 600 mg/m2 erhalten haben, 30 % von einer Herzinsuffizienz betroffen sind. Zudem erhöht eine thorakale Radiatio die Wahrscheinlichkeit für eine Herzinsuffizienz sowie für weitere kardiale Komplikationen. Die Wahrscheinlichkeit für eine Herzinsuffizienz nimmt mit zunehmendem Abstand zum Therapieende stetig zu und beträgt 30 Jahre nach Abschluss der onkologischen Behandlung über 7,5 %. Da sich eine beginnende Herzinsuffizienz zunächst klinisch asymptomatisch präsentieren kann, eine frühe Diagnose und Behandlung jedoch entscheidend für die Prognose der Erkrankung sind, werden in der aktuellen Leitlinie der International Guideline Harmonisation Group (IGHG) regelmäßige Nachsorge-/Vorsorgeuntersuchungen empfohlen. Insbesondere die Patienten, die durch eine hoch dosierte Anthrazyklin-Therapie und/oder eine hoch dosierte Radiatio ein hohes Risiko für kardiale Spätfolgen haben, sollten in 5-jährigen Intervallen lebenslang untersucht werden. Als Untersuchungsmethode der Wahl ist die Echokardiografie vorgesehen, die nichtinvasiv bereits frühzeitig Einschränkungen der linksventrikulären Pumpfunktion nachweisen kann. Da außerdem rapide Krankheitsverläufe bei schwangeren Langzeitüberlebenden ohne bekannte kardiale Vorerkrankung beschrieben sind, wird eine zusätzliche Untersuchung während der Frühschwangerschaft empfohlen. Das individuelle Risiko für kardiale Spätfolgen nach einer onkologischen Therapie im Kindesalter kann über den CCSS Cardiovascular Risk Calculator der nordamerikanischen Childhood Cancer Survivor Study (CCSS) ermittelt werden (https://ccss.stjude.org/tools-and-documents/calculators-and-other-tools/ccss-cardiovascular-risk-calculator.html).
Sekundäre Neoplasien
Langzeitüberlebende einer Krebserkrankung im Kindesalter haben zudem ein erhöhtes Risiko, im Laufe ihres Lebens eine weitere onkologische Erkrankung zu entwickeln. Die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung einer Sekundärneoplasie steigt mit zunehmendem Abstand zum Therapieende an. In der CCSS-Kohorte wurde 30 Jahre nach Erstdiagnose eine kumulative Inzidenz für sekundäre Malignome von 7,9 % berichtet. In dieser Analyse wurden alle Fälle von nicht melanotischem Hautkrebs, der gehäuft nach Radiatio im ehemaligen Strahlengebiet auftritt, gesondert ausgewertet und in 9,1 % der Patienten festgestellt. Zusätzlich sind 3,1 % an Meningeomen erkrankt, deren Auftreten ebenfalls durch eine Strahlentherapie begünstigt wird. In einer aktuellen Auswertung des Deutschen Kinderkrebsregisters war das altersadjustierte Risiko für eine Krebsneuerkrankung im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung 6,5-fach erhöht. Treten in den ersten 10–15 Jahren häufiger maligne hämatologische Erkrankungen auf, so überwiegen mit zunehmendem Abstand zum Behandlungsende solide Neoplasien, wobei insbesondere ein deutlich erhöhtes Risiko für Mamma- und Schilddrüsenkarzinome besteht. Zur Hochrisikopopulation gehören alle Patienten, die eine Radiatio erhalten haben, sowie insbesondere ehemalige Hodgkin-Lymphom-Patienten, die trotz exzellenter Heilungsraten als Folge der intensiven onkologischen Therapie am häufigsten von Sekundärneoplasien betroffen sind. Da die Prognose der Sekundärneoplasien entscheidend von einer frühen Diagnose abhängt, wurden intensivierte Früherkennungsprogramme sowohl für die Brustkrebs- als auch für die Schilddrüsenkrebsfrüherkennung entwickelt.
Endokrines System
Endokrinopathien gehören zu den häufigsten Spätfolgen und betreffen mit zunehmendem Abstand zum Therapieende über die Hälfte der Langzeitüberlebenden. In der Mehrzahl der Fälle treten Schilddrüsenerkrankungen, Störungen des hypothalamisch-hypophysären Systems sowie Gonadendysfunktionen auf. Die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines Hyperparathyreoidismus, einer Osteoporose oder metabolischer Erkrankungen ist ebenfalls erhöht. Der Hauptrisikofaktor für die Entstehung endokriner Spätfolgen ist eine Radiatio, die endokrine Organe im Strahlenfeld erfasst. Zudem können bestimmte Chemotherapeutika die Wahrscheinlichkeit, insbesondere für eine gonadale Insuffizienz, erhöhen. In der deutschen S3-Leitlinie Endokrinologische Nachsorge nach onkologischen Erkrankungen im Kindes-und Jugendalter werden Evidenz-basierte Nachsorge-/Vorsorgeuntersuchungen empfohlen, die bis ins Erwachsenenalter fortgeführt werden sollten.
Weitere Erkrankungen
Zusätzlich zu den dargestellten, häufigen Spätfolgen sind viele Langzeitüberlebende einer Krebserkrankung im Kindesalter von weiteren somatischen und psychischen Erkrankungen betroffen. So können pulmonale Dysfunktionen nach einer thorakalen Radiatio oder der Applikation bestimmter Chemotherapeutika, neurologische Einschränkungen nach Hirntumorerkrankungen und -behandlung sowie eine Innenohrschwerhörigkeit nach einer platinhaltigen Chemotherapie (und einer kranialen Radiatio) auftreten. Außerdem leiden einige Patienten an psychischen Erkrankungen wie einem Fatigue-Syndrom, das auch Jahre nach einer Krebserkrankung auftreten kann. In internationalen Langzeitnachsorge-Empfehlungen werden das Spektrum möglicher Spätfolgen sowie die zur Früherkennung empfohlenen Untersuchungen umfassend dargestellt.
Schwierigkeiten in der Transition
Ehemals krebskranke Kinder, die von ihrer onkologischen Primärerkrankung geheilt wurden, befinden sich in der Regel bis zum 18. Lebensjahr in regelmäßiger pädiatrisch-onkologischer Betreuung, auch wenn die onkologische Akutnachsorge abgeschlossen ist. Während dieser Zeit findet in vielen Kliniken, insbesondere mit zunehmendem Abstand zum Therapieende, bereits eine Spätfolgen-orientierte Nachsorge statt, die durch die Organisation der Kinderkliniken, die Spezialisten für pädiatrische Kardiologie, Endokrinologie, Pulmologie und weitere Fachrichtungen in einer oder wenigen Kliniken vereint, begünstigt wird. Die Patienten verbleiben an manchen Kliniken auch über das 18. Lebensjahr hinaus der pädiatrisch-onkologischen Sprechstunde angebunden, wenn die onkologische Akutnachsorge noch nicht abgeschlossen ist, oder werden an internistische Onkologen übermittelt, die diese fortführen. Hiernach werden viele Patienten in die hausärztliche Routinebetreuung entlassen, da die Krebserkrankung als geheilt angesehen wird und diesbezüglich keine regelmäßigen Kontrolluntersuchungen mehr notwendig erscheinen. Mit dem Wissen über Spätfolgen, die Jahre bis Jahrzehnte nach Abschluss der onkologischen Therapie auftreten können, ist es jedoch essenziell, diese Patienten langfristig anzubinden, um eine Früherkennung und -behandlung dieser Erkrankungen zu ermöglichen. Aufgrund der Diversität möglicher Spätfolgen besteht allerdings kein natürliches Pendant in der internistischen Medizin, da das Spektrum möglicher Spätfolgen nahezu alle Fachdisziplinen berührt. Zudem handelt es sich um junge Erwachsene, die, ähnlich wie bei einer genetischen Prädisposition, ein erhöhtes Risiko für Folgeerkrankungen tragen, dass das der Allgemeinbevölkerung deutlich übersteigt, die zum Zeitpunkt der Transition allerdings häufig gesund sind. Die Komplexität in der Betreuung dieser Patienten ist im hausärztlichen Umfeld oft nicht abzubilden, zumal die absolute Anzahl dieser Patienten gering ist, sodass viele Hausärzte keine oder nur wenige dieser Patienten betreuen. Als Folge dieser Schwierigkeiten in der Transition ist die Versorgung der erwachsenen Langzeitüberlebenden nach einer Krebserkrankung im Kindesalter in vielen Ländern ungenügend.
Interdisziplinäre Versorgungsstrukturen in Deutschland
Um eine langfristige Versorgung dieser Patienten zu ermöglichen, wurden unterschiedliche Versorgungsmodelle entwickelt. So sind Strukturen der gemeinsamen Langzeitnachsorge zwischen Hausärzten und onkologischen Zentren, Hausarzt-geführte Modelle und an große Kliniken angeschlossene multidisziplinäre Nachsorgeteams entstanden. Die Zufriedenheit der Patienten mit der angebotenen Versorgung ist dabei maßgeblich von der Koordination der relevanten Untersuchungen, der Kommunikation der beteiligten Ärzte im Team sowie deren Kenntnisse über Spätfolgen und Langzeitnachsorge abhängig. Somit werden an vielen Standorten multidisziplinäre Teams bevorzugt, die Untersuchungen für verschiedene Spätfolgen an einem Tag anbieten und zugleich durch die Spezialisierung eine hohe Expertise in der Versorgung dieser Patienten erlangen. Das Kernteam besteht dabei aus einem pädiatrischen Onkologen sowie einem Internisten, die durch psychosoziale Mitarbeiter und Sprechstundenkoordinatoren unterstützt werden. Zudem existiert ein erweitertes Team aus Fachärzten unterschiedlicher Disziplinen, die bei Bedarf hinzugezogen werden können. Innerhalb dieses Teams kann eine geregelte Transition der Patienten aus der pädiatrisch-onkologischen in die internistische Versorgung gestaltet werden. Im Verlauf tritt der Pädiater in der klinischen Versorgung, die durch den Internisten übernommen wird, in den Hintergrund, begleitet aber in dieser Position auch fortlaufend die Langzeitnachsorge, um die Erkenntnisse über Spätfolgen direkt in die Entwicklung neuer Therapiestudien übernehmen zu können. Außerdem können ergänzende Maßnahmen wie Lebensstilinterventionen zur Risikoreduktion und Prävention möglicher Spätfolgen an den Zentren angeboten werden. Durch diese spezialisierten Nachsorgezentren, die weltweit sowie an einigen universitären Zentren in Deutschland in den letzten Jahren entstanden sind, kann in Zusammenarbeit mit den Hausärzten eine qualitativ hochwertige und lückenlose Langzeitnachsorge dieser Patienten gelingen, um Spätfolgen früh zu erkennen und behandeln und um dem Geheilten ein möglichst normales Leben zu ermöglichen.
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