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Pädiatrie
Info
Verfasst von:
R. Boehm und Dietrich von Schweinitz
Publiziert am: 12.03.2019

Thoraxdeformität

Die Trichterbrust und die Kielbrust haben entgegen der oft vertretenen Meinung in der Regel keinen somatischen Krankheitswert, auch wenn die Patienten häufig über Beschwerden, wie verminderte Belastungsfähigkeit, Engegefühl oder Schmerzen klagen: Daraus abgeleitete kardiologische und pulmonologische Untersuchungen zeigen nur selten interventionsbedürftige Auffälligkeiten. Die Indikation für ein chirurgisches Vorgehen wird aus dem psychosozialen Leidensdruck abgeleitet, der von den Patienten vermittelt wird. Als State-of-the-Art-Vorgehen gilt hier mittlerweile die minimalinvasive Brustwandkorrektur nach NUSS bei der Trichterbrust, wobei bei der Kielbrust die konservative Therapie mittels einer Druckpelotte erfolgversprechend ist. Anders verhält sich dies bei komplexen Brustwandfehlbildungen, wie z. B. der Sternumspalte, welche nahezu immer eine Operationsindikation darstellt. Die Prognose der behandelten Brustwanddeformitäten ist gut; eine Ausnahme stellt das Jeune-Syndrom als asphyktische Thoraxdystrophie dar.
Unter den angeborenen Brustwanddeformitäten haben die Trichterbrust (90 %) und die Kielbrust (7 %) den größten Anteil. Sie sind in der Regel durch ein gestörtes Wachstum der Rippenknorpel bedingt. Das auf einer Rippenaplasie oder -dysplasie beruhende Poland-Syndrom ist sehr viel seltener (2 %). Eine ausbleibende oder inkomplette Verschmelzung der Sternalränder ist die Ursache für eine Sternumspalte (1 %). Das gemeinsame Auftreten von Brustwanddeformitäten im Rahmen von kombinierten Skelettfehlbildungen ist bekannt wie auch die Assoziation mit Marfan-Syndrom, Ehlers-Danlos-Syndrom und Knorpeldystrophien. Sie treten selten mit genetischen oder chromosomalen Defekten auf und haben in der Regel keinen lebensbedrohlichen Charakter. Eine Rarität ist das Jeune-Syndrom: Hier führt eine intrauterine Wachstumsstörung zu einem rigiden und zu kleinen Thorax mit häufig letalem Verlauf im 1. Lebensjahr.

Trichterbrust (Pectus excavatum)

Die Trichterbrust ist häufig bereits bei der Geburt sichtbar und nimmt während der Wachstumsschübe in der Pubertät zu. Eine familiäre Häufung ist bekannt. Die Patienten zeigen eine typische variantenreiche Einsenkung des Brustbeins, welches zusätzlich um die Längsachse verkippt sein kann. Hinzu kommt oft noch eine Aufwerfung der Rippenrandbögen sowie zu einer ausgeprägten Fehlhaltung mit einer Skoliose (vor allem bei weiblichen Patienten), einseitigem Schulterhochstand, Vorfallen des Schultergürtels und einer Kyphosierung der Brustwirbelsäule.
Klinische Symptome
In der Regel haben Kinder und Jugendliche keine Beschwerden. Allerdings werden mit Einsetzen der Pubertät von manchen Patienten unspezifische Symptome wie verminderte Leistungsfähigkeit, Engegefühl im Brustkorb bis Atemnot beschrieben, oft begleitet von einem psychosozialen Leidensdruck. Dieser erklärt sich aus einem ausgeprägten Schamgefühl aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes und hieraus resultierendem Rückzug aus öffentlichen sportlichen Aktivitäten (z. B. Schwimmen) mit in der Folge deutlicher Verschlechterung der körperlichen Leistungsfähigkeit. Nicht selten befinden sich Patienten mit einer Trichterbrust daher in psychologischer Betreuung.
Diagnose
Die Diagnosestellung einer Trichterbrust erfolgt zunächst klinisch. Röntgenaufnahmen und Schichtbildverfahren (CT, MRT) des Thorax informieren über die exakte Tiefe des Trichters (Abstand zwischen dem Brustbein und der Wirbelsäule) und über die Konfiguration des Brustbeins (Lage des Trichters, Verkippung). Die Untersuchung der Lungenfunktion kann eine leichte Restriktion ergeben. Das EKG zeigt in der Regel einen verschobenen Lagetyp. Gelegentlich auftretende Rhythmusstörungen (Blöcke, ventrikuläre Extrasystolen [VES], Wolff-Parkinson-White-Syndrom) müssen abgeklärt werden. In der Echokardiografie findet sich bei bis zu 15 % der Patienten ein Mitralklappenprolaps, selten schwerwiegendere Vitien.
Therapie
Die OP-Indikation wird vor allem aus dem psychosozialen Leidensdruck des Patienten abgeleitet; dieser muss in mehrfachen Vorstellungen in einer Spezialsprechstunde verifiziert werden. Der Goldstandard in der chirurgischen Therapie ist das von Donald Nuss 1998 publizierte minimalinvasive Verfahren, bei welchem durch einen thorakoskopisch kontrolliert eingebrachten individuell vorgeformten Metallbügel, welcher in der Muskulatur der Thoraxwandseiten fixiert wird, der Trichter angehoben wird. Die offene Mobilisierung und Modellierung des Sternums nach Resektion der deformierten Rippenknorpel mit anschließender Refixierung nach Ravitch ist mittlerweile den massiv deformierten Fällen oder kombinierten Trichter-Kielbrustdeformitäten vorbehalten. Die Ergebnisse beider Verfahren sind bei korrekter Indikationsstellung in der Regel gut bis ausgezeichnet und Rezidive sind selten. Allerdings sind insbesondere bei der minimalinvasiven Methode seltene, aber potenziell lebensbedrohliche Komplikationen durch Verletzung inthrathorakaler Organe beschrieben. Als konservative Therapieoption wird die Saugglockenbehandlung nach E. Klobe in Studien evaluiert. Prinzipiell sind immer, auch präoperativ, eine physiotherapeutisch geführte Haltungsschulung und ein muskuläres Aufbautraining der Rumpfmuskulatur sinnvoll.

Kielbrust (Pectus carinatum)

Die Kielbrust wird oft erstmalig ab dem 3.–4. Lebensjahr bemerkt und kann in den Wachstumsphasen deutlich an Befund zunehmen. Die Patienten sind zu 80 % männlich und zeigen eine kielförmige Vorwölbung des Brustbeins, die symmetrisch oder asymmetrisch, auch in Kombination mit einer Trichterbrust familiär gehäuft auftreten kann. Symptome bestehen meistens keine, allenfalls Beschwerden bei Bauchlage. Die Diagnosestellung erfolgt klinisch gegebenenfalls unterstützt durch bildgebende Verfahren. Die Indikation zur Therapie wird gleichfalls aus dem Leidensdruck der Patienten abgeleitet. Galt bis dato die offene oder auch minimalinvasive Resektion der deformierten Rippenknorpelanteile und die Sternummodellage evtl. über eine Osteotomie als das Verfahren der Wahl, wird bei weniger ausgeprägten Befunden vor allem bei jüngeren Patienten eine Pelottenbehandlung empfohlen. Rezidive sind selten, sind aber in der Regel auf einen nicht optimalen Zeitpunkt der chirurgischen Therapie oder vorzeitiges Beenden der Pelottenbehandlung zurückzuführen und dann durch das noch nicht abgeschlossen Körperwachstum bedingt.

Sternumspalten

Sternumspalten entstehen zwischen der 7. und 10. SSW und betreffen häufig das kraniale Drittel, seltener den kaudalen Anteil oder das gesamte Brustbein. Zusätzlich kann insbesondere bei kranialen Spalten das Herz prolabiert und gegebenenfalls rotiert sein (Ectopia cordis), dann vermehrt kombiniert mit zusätzlichen Herzfehlern. Die Diagnose erklärt sich aus dem klinischen Befund. Der sternale Defekt kann mit Haut bedeckt sein. Gelegentlich liegt das Mediastinum offen. Typisch sind ausgeprägte inspiratorische Einziehungen beim spontan atmenden Säugling. Die chirurgische Therapie, welche bei stabilen Verhältnissen elektiv in den ersten Lebenswochen erfolgt, ist der Verschluss der Spalte durch Annäherung der Sternalränder (Verfahren nach Sabiston). Lässt die hierbei entstehende thorakale Komprimierung keinen direkten Verschluss zu, kann eine überlappende Rippenknorpelplastik durchgeführt werden. Die Ergebnisse sind gut bis sehr gut, der weitere Verlauf allerdings abhängig von eventuell begleitenden Fehlbildungen. Bei sehr kleinen Sternumspalten ist ein Verschluss nicht immer nötig.

Cantrell-Syndrom

Das Cantrell-Syndrom beinhaltet neben einer unteren Sternumspalte eine hohe Omphalozele, eine vordere Zwerchfellhernie, perikardiale Defekte und Herzfehler. Ein spezieller Gendefekt ist nicht assoziiert. Nach umgehender chirurgischer Therapie (Verschluss der Spalte und der Zwerchfellhernie, gleichzeitige Korrektur des Herzfehlers) ist bei Überlebenden die Prognose gut.
Weiterführende Literatur
Davis JT, Weinstein S (2004) Repair of the pectus deformity: results of the Ravitch approach in the current era. Ann Thorac Surg 78(2):421–426CrossRef
Torre M, Rapuzzi G, Carlucci M, Pio L, Jasonni V (2012) Phenotypic spectrum and management of sternal cleft: literature review and presentation of a new series. Eur J Cardiothorac Surg 41(1):4–9. https://​doi.​org/​10.​1016/​j.​ejcts.​2011.​05.​049CrossRefPubMed
Lopez M, Patoir A, Costes F, Varlet F, Barthelemy JC, Tiffet O (2016) Preliminary study of efficacy of cup suction in the correction of typical pectus excavatum. J Pediatr Surg 51(1):183–187. https://​doi.​org/​10.​1016/​j.​jpedsurg.​2015.​10.​003. Epub 2015 Oct 22CrossRefPubMed
Nuss D, Obermeyer RJ, Kelly RE (2016) Nuss bar procedure: past, present and future. Ann Cardiothorac Surg 5(5):422–433CrossRef
Pawlak K, Gąsiorowski L, Gabryel P, Galecki B, Zieliński P, Dyszkiewicz W (2016) Early and late results of the nuss procedure in surgical treatment of pectus excavatum in different age groups. Ann Thorac Surg 102(5):1711–1716CrossRef