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Pädiatrie
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Publiziert am: 30.04.2019

Transplantation hämatopoetischer Stammzellen bei Kindern und Jugendlichen

Verfasst von: Peter Bader
Die allogene Stammzelltransplantation ist zu einem sehr gut etablierten Behandlungsverfahren in der Therapie verschiedener maligner und nichtmaligner Erkrankungen geworden. Prinzipielles Ziel dieses Therapieverfahrens ist es, fehlende, dysfunktionelle oder maligne entartete Zellen des lymphohämatopoetischen Systems des Empfängers durch das Hämatopoese-Immunsystem eines gesunden Spenders zu ersetzen.

Allgemeines

Historisches

Die allogene Stammzelltransplantation ist mittlerweile zu einem etablierten Behandlungsverfahren in der Therapie verschiedener maligner und nichtmaligner Erkrankungen geworden.
Indikationen zur Stammzelltransplantation
1.
Maligne Erkrankungen
b.
Myelodysplastische Syndrome:
 
 
2.
Nichtmaligne Erkrankungen
a.
Erworbene und kongenitale Anämien:
 
b.
Immundefekte:
 
 
3.
Knochenmarkversagen
  • Diamond-Blackfan-Anämie
  • Amegakaryozytäre Thrombopenie, u. a.
 
4.
Stoffwechselerkrankungen, metabolische Erkrankungen
 
Prinzipielles Ziel dieses Therapieverfahrens ist es, fehlende, dysfunktionelle oder maligne entartete Zellen des lymphohämatopoetischen Systems des Empfängers durch das Hämatopoese-Immunsystem eines gesunden Spenders zu ersetzen.
Die Entwicklung der Stammzelltherapie reicht in die frühen 1950er-Jahre zurück. Damals konnte durch tierexperimentelle Untersuchungen gezeigt werden, dass zuvor mit einer letalen Dosis bestrahlte Mäuse durch die Übertragung von Knochenmarkblut eines anderen Mausstamms überleben können. Es war die Arbeitsgruppe um Donnall Thomas in Seattle (USA), die durch gezielte experimentelle Untersuchungen an Hunden die Grundlagen für die ersten therapeutischen Einsätze der Knochenmarktransplantation beim Menschen legten. Im Jahr 1959 erfolgte die erste Knochenmarktransplantation von einem eineiigen Zwillingsspender in Seattle.
Die Entdeckung des humanen Leukozyten-Antigen-Systems (HLA-System) durch Dausset in den frühen 1960er-Jahren und dessen Charakterisierung brachte für den klinischen Einsatz dieses Verfahrens die entscheidende Wende. Die erste erfolgreiche allogene Stammzelltransplantation konnte 1968 durch Bob Good und Mitarbeiter bei einem Kind mit schwerem kombiniertem Immundefekt (SCID) mithilfe von Knochenmark eines HLA-identischen Geschwisterkindes durchgeführt werden. Im Jahr 1971 gelang Edward Donall Thomas und Mitarbeitern die erste allogene Knochenmarktransplantation bei einem Patienten mit akuter Leukämie. Diese erfolgreichen Transplantationen legten den Grundstein für eine rasante und erfolgreiche Entwicklung der Stammzelltransplantationsmedizin. Weitere Meilensteine in der Entwicklung waren der Einsatz von HLA-identischen unverwandten Spendern, der Aufbau von international vernetzten Fremdspenderdateien, der Einsatz von Nabelschnurblut sowie der Einsatz von Stammzellen haploidentischer Eltern zur Transplantation. Heute ist die allogene Stammzelltransplantation unverzichtbarer Bestandteil der Therapie für eine Vielzahl von Erkrankungen.

Begriffsbestimmungen

Arten der Transplantation

In Abhängigkeit von der Herkunft der hämatopoetischen Stammzellen gibt es 2 grundverschiedene Verfahren – die autologe und die allogene Stammzelltransplantation.
Autologe Stammzelltransplantation
Das Ziel der autologen Stammzelltransplantation ist die Dosisintensivierung der Radiochemotherapie in der Therapie maligner Erkrankungen. Ohne anschließende Retransfusion hämatopoetischer Stammzellen würde die intensive Chemotherapie zu einer lebensbedrohlichen Myelosuppression führen. Im eigentlichen Sinne handelt es sich hier also nicht um eine Transplantation von Stammzellen, sondern um eine Hochdosischemotherapie mit anschließendem autologem Stammzellrescue. Ein immunologischer Graft-versus-tumor-Effekt fehlt gänzlich.
Allogene Stammzelltransplantation
Ziel der allogenen Stammzelltransplantation ist es, das Hämatopoesesystem des Patienten durch hämatopoetische Stammzellen eines gesunden Spenders zu ersetzen. Die transplantierten Stammzellen sind in der Lage, ein voll funktionsfähiges Blutbildungssystem mit immunkompetenten Zellen zu generieren. Die theoretische Rationale dieser Therapieform in der Behandlung von Patienten mit malignen hämatologischen Systemerkrankungen basiert auf 3 Grundpfeilern:
1.
Durch das intensive, hoch dosierte Konditionierungsregime besteht die Möglichkeit, den „Anti-Tumor-Effekt“ der Chemotherapie zu maximieren.
 
2.
Das erkrankte hämatopoetische System wird durch gesunde Spenderhämatopoese ersetzt und
 
3.
durch das alloreaktive Potenzial des Spenderimmunsystems kann ein sog. Graft-versus-leukemia-Effekt (GVL-Effekt) induziert werden.
 

Major-Histokompatibilität

Eine Grundvoraussetzung für die Durchführbarkeit einer allogenen Stammzelltransplantation ist prinzipiell das Vorhandensein eines „passenden“ Spenders. Die Entwicklung einer Immuntoleranz nach allogener Transplantation wird im Wesentlichen durch die humanen Histokompatibilitätsantigene bestimmt. Die dafür kodierenden Gene sind beim Menschen auf dem kurzen Arm des Chromosoms 6 lokalisiert und bilden den Haupthistokompatibilitätskomplex (major histocompatibility complex, MHC; Abb. 1). Die MHC-Antigene können in 2 Gruppen eingeteilt werden:
  • MHC-Klasse-I-Antigene, die aus einer α-Kette verbunden mit einem β-2-Mikroglobulin bestehen und in
  • MHC-Klasse-II-Antigene, die aus 2 MHC-kodierten α-Ketten und einer β-Kette bestehen.
HLA-Klasse-I-Antigene werden von 3 Loci kodiert (HLA-A; HLA-B und HLA-C). Bislang wurden 1176 HLA-A-, 1641 HLA-B- und über 808 HLA-C-Allele beschrieben. HLA-Klasse-II-Antigene werden ebenfalls von 3 Loci kodiert. Im Rahmen der allogenen Stammzelltransplantation sind dabei die Loci HLA-DR und HLA-DQ relevant. Es sind gegenwärtig 704 HLA-DR- und 106 HLA-DQ-Allele beschrieben. Berechnet man die theoretischen Merkmalskombinationen, so erhält man etwa 1,41,028 Möglichkeiten. Durch verbesserte Typisierungsmethoden steigt die Zahl der bekannten Ausprägungen stetig. Ohne „Kopplungsungleichgewichte“ – d. h. bestimmte Ausprägungen der verschiedenen Loci tauchen gehäuft gemeinsam auf – wäre die Spendersuche fast aussichtslos.

HLA-Typisierung

Historisch erfolgte die HLA-Typisierung serologisch – dies blieb der Standard über 30 Jahre. Mithilfe der serologischen Typisierung ist es nicht möglich, die HLA-Antigene in ihre Allele aufzulösen. Dies gelingt nur durch DNA-Sequenzierung der infrage kommenden Gene. Man spricht von einer hoch aufgelösten HLA-Typisierung. Vergleichende Untersuchungen zeigen, dass durch hoch aufgelöste HLA-Typisierung viele Allele identifiziert werden können, die der serologischen Typisierung nicht zugänglich sind. Die DNA-Sequenzierung ist die präziseste Technik, den HLA-Status zu beschreiben. Diese Methode ist mittlerweile Standard und erlaubt eine exakte HLA-Charakterisierung von Spender und Empfänger. Zur Bestimmung der HLA-Identität werden die HLA-Allele der Loci HLA-A, -B, -C, -DR und -DQ bestimmt. Die Gentypisierung der HLA-Allele resultiert in einer 4- oder mehrstelligen Zahl (z. B. A*2031, A*4023; B*2101, B*2001, usw.); durch „Sternchen“ wird dabei angegeben, dass die HLA-Typisierung durch DNA-Sequenzierung erfolgte. Eine HLA-Identität zwischen Spender und Empfänger wird bei einer Merkmalsübereinstimmung von 10/10 Allelen angenommen.

Spenderauswahl

Ziel der Spendersuche ist die Identifikation eines HLA-identischen Stammzellspenders, der in erster Linie unter Geschwistern gesucht wird, bevor eine Fremdspendersuche eingeleitet wird. Im Falle einer vollständigen Übereinstimmung zwischen Spender und Patient an den Genorten HLA-A, -B, -C, -DRB1, -DQB1 spricht man von einem 10/10-Match. Steht kein HLA-identischer Familien- oder Fremdspender zur Verfügung, kann auch ein Spender mit einer HLA-Antigen-Differenz in GvH-Richtung und/oder HvG-Richtung ausgewählt werden (sog. 9/10-Match). Verläuft die Spendersuche erfolglos oder erfordert die klinische Situation des Patienten eine zeitnahe Transplantation, so können Patienten im Rahmen von Studienprotokollen auch mit einem HLA-haploidentischen verwandten Spender, Mutter oder Vater, transplantiert werden.

Suche eines Familienspenders

Im Rahmen der Suche nach einem HLA-identischen Familienspender werden in erster Linie die Geschwister des Patienten untersucht. Bei Geschwistern genügt die Testung der Genorte HLA-A, -B, -DRB1, -DQB1 auf 2-stelligem Niveau, falls die HLA-Identität schon aufgrund der HLA-Merkmalssegregation sichergestellt ist. Zur Sicherung der HLA-Haplotypen und deren Segregation muss daher zuvor eine HLA-Testung der Eltern erfolgt sein. Eine HLA-C-Testung und eine Testung auf 4-stelligem Niveau werden empfohlen, wenn nur durch diese Zusatzuntersuchung die HLA-Identität sicher geklärt werden kann. Für etwa 25–30 % aller Patienten kann ein kompatibler Spender im eigenen Verwandtenkreis gefunden werden.

Unverwandte Spendersuche

Im Falle einer erfolglosen Familiensuche wird die Spendersuche auf HLA-kompatible, nichtverwandte Spender ausgeweitet. Der Auftrag zur Suche wird von einer Transplantationseinheit oder dem behandelnden Arzt in Absprache mit einer Transplantationseinheit erteilt. Die Fremdspendersuche erfolgt in Deutschland über das Zentrale Knochenmarkspenderegister (ZKRD) in Ulm, das die formalen Voraussetzungen und die Indikationsstellung erneut überprüft, bevor auf nationaler und internationaler Ebene ein Datenaustausch aus Knochenmarkspenderdateien erfolgen kann. Das ZKRD enthält derzeit Datensätze von über 8 Mio. Spendern aus Deutschland und kann weltweit im Jahre 2018 auf mehr als 30 Mio. Spender zugreifen und ist damit die größte Spenderdatenbank in Europa. In der Regel gelingt es innerhalb von 3 Monaten, für 8 von 10 Patienten einen 10/10-Spender zu finden.
Bei der Suche nach nichtverwandten Spendern sollten bei Patienten und Spendern die Genorte HLA-A, -B, -C, -DRB1, -DQB1 hochauflösend molekularbiologisch untersucht werden. Bei Bestätigungstestung von allogenem Nabelschnurblut ist grundsätzlich ein vollständiges Typisierungsergebnis (HLA-A, -B, -C, -DRB1 und -DQB1, molekularbiologisch, hohe Auflösung) zu erbringen. Die Bestätigungstestung umfasst ferner die Bestimmung der Blutgruppen (AB0, RhD) und bestimmter Infektionsparameter (Lues, HBsAg, Anti-HBc, Antikörper gegen HIV 1 und 2, HCV und CMV). Die endgültige Auswahl des Spenders obliegt dem transplantierenden Arzt. Wegen des erhöhten GvHD-Risikos sollte für einen männlichen Patienten möglichst ein männlicher Spender verwendet werden. Aus dem gleichen Grund sollten zudem junge Spender bevorzugt ausgewählt werden. Aufgrund der Gefahr der CMV-Reaktivierung sollte ein CMV-negativer Patient möglichst einen CMV-negativen Spender, ein CMV-positiver Patient einen CMV-positiven Spender bekommen. Die Blutgruppe spielt bei der Spenderauswahl keine übergeordnete Rolle, da im speziellen Falle der Transplantation von peripheren Blutstammzellen alle Blutgruppenkonstellationen denkbar sind.
Im Falle der Transplantation von Knochenmark sollte möglichst Blutgruppen- bzw. AB0-kompatibel transplantiert werden. Wenn eine blutgruppenkompatible Transplantation nicht möglich ist und der Patient hohe Antikörpertiter (Isohämagglutinin-Titer >1:4) gegen die Blutgruppe des Spenders aufweist, besteht grundsätzlich die Möglichkeit der spenderinkompatiblen Transfusion (1–2 ml/kg des Empfängers langsam über mehrere Stunden), um die Antikörpertiter und damit das Hämolyserisiko im Vorfeld der Knochenmarktransplantation zu senken. Wegen des erhöhten Abstoßungsrisikos bei Patienten mit nichtmalignen Erkrankungen sollte ein geschlechtsidentischer Spender bevorzugt werden.
Wenn kein HLA-identischer Familien- oder Fremdspender gefunden werden kann, oder der 3-monatige Zeitraum bis zum Abschluss der Suche zu lange ist, können auch die Mutter oder der Vater als haploidentische Stammzellspender herangezogen werden. Aufgrund des GvHD-Risikos ist eine Aufarbeitung des Transplantats bestehend aus peripheren Stammzellen nötig, was eine Entfernung potenziell alloreaktiver Immunzellen aus dem Transplantat umfasst. Derzeit steht hierzu an ausgewählten Zentren neben der CD3/CD19-Depletion neuerdings auch eine Methode der TCRαβ-Depletion zur Verfügung. Darüber hinaus werden immer mehr haploidentische Transplantationen durchgeführt, bei denen Knochenmark als Stammzellquelle dient. Die alloreaktiven T-Zellen werden dabei durch die Gabe von Cyclophophamid am Tag +3 und +5 nach Transplantation eliminiert.

Gewinnung des Stammzellpräparats

Knochenmark

Klassischerweise entstammen die hämatopoetischen Stammzellen dem Knochenmark. Die Knochenmarkentnahme erfolgt in Allgemeinnarkose im Operationssaal durch mehrmalige Punktion des hinteren Beckenkamms (Abb. 2). Hierfür werden etwa 20 ml/kg KG des Patienten, maximal aber 1500 ml Knochenmarkblut entnommen. Darin sollten sich erfahrungsgemäß zwischen 2- bis 6-mal 108 kernhaltige Zellen (total nucleated cells, TNC)/kg KG des Patienten befinden. Die durch Immunphänotypisierung bestimmte Anzahl CD34+-hämatopoetischer Stammzellen soll etwa 2- bis 6-mal 106/kg Patientenkörpergewicht betragen. Die Bestimmung dieser Zellzahlen gehört zu den Qualitätskriterien für die Freigabe des Transplantats. Bei der Entnahme dieser Menge Knochenmark sollte der Blutverlust für den Spender keine kreislaufrelevanten Nebenwirkungen auslösen. Das entnommene Knochenmark wird mit Antikoagulanzien versetzt. In der Regel wird dazu Acid-Citrate-Dextrose (ACDA) im Verhältnis 1:10 und Heparin 10 E/ml Knochenmark eingesetzt, nachdem das Knochenmark über einen Filter von Knochenmarkbröckeln gereinigt wurde. Die Transplantation erfolgt meist noch am selben Tag durch Transfusion über den zentralen Venenverweilkatheter des Empfängers.
In Abhängigkeit vom Alter des Spenders und der Körpergewichtskorrelation zwischen Patient und Empfänger kann bei Kindern über 12 Jahren vor der Knochenmarkspende eine Eigenblutkonserve zur späteren Retransfusion entnommen werden. Die Spender werden am Vorabend stationär aufgenommen und werden regelmäßig am Tag nach der Spende entlassen.

Peripheres Blut

Hämatopoetische Stammzellen können nach 5-tägiger Stimulation mit rekombinantem humanen granulocyte colony stimulating factor (rh-GCSF) aus dem Knochenmark in großer Zahl in das periphere Blut mobilisiert werden. Durch eine Stammzellapherese lassen sich die mononukleären Zellen gewinnen. Ein peripheres Stammzellprodukt enthält etwa 10- bis 20-mal mehr Stammzellen als Knochenmark. Neben einem höheren Anteil an Stammzellen enthält das periphere Stammzellprodukt auch 10-mal soviel T-Zellen wie Knochenmark und eine große Anzahl von NK-Zellen. Durch Transplantation von peripheren Stammzellen tritt durchschnittlich eine um 4 Tage raschere Regeneration auf. Die Rate schwer verlaufender akuter GvH-Erkrankungen scheint im Kindes- und Jugendalter nicht erhöht zu sein.
Die hohe Anzahl von hämatopoetischen Stammzellen im Präparat erlaubt auch eine In-vitro-Manipulation des Stammzellprodukts. Mittlerweile sind verschiedene Verfahren in Anwendung, um das Aphereseprodukt so zu bearbeiten, dass auch Stammzelltransplantationen von nicht HLA-identischen Spendern mit einem vertretbaren Risiko durchgeführt werden können. Dies trifft insbesondere für haploidentische Stammzelltransplantationen zu, bei denen Eltern als Stammzellspender eingesetzt werden.

Plazentarestblut

Neben Knochenmark oder peripherem Blut sind hämatopoetische Stammzellen auch und in großer Zahl in Plazenta- oder Nabelschnurrestblut zu finden. Diese Stammzellen unterscheiden sich von Knochenmarkstammzellen durch eine höhere Plastizität: Die im Präparat enthaltenen T-Zellen sind unreifer als in den vorgenannten Stammzellquellen. Diese T-Zellimmaturität verringert das Risiko der GvHD einerseits, andererseits ist sie aber auch für eine protrahierte Immunregeneration dieser Therapieform mitverantwortlich. Die hämatopoetische Regeneration ist im Vergleich zur Knochenmark- und Peripherbluttransplantation verzögert. Die Regenerationsgeschwindigkeit hängt allerdings stark von den im Transplantat enthaltenen Zellzahlen ab. Die aus der Plazenta gewinnbare Blutmenge schwankt zwischen 50 und 200 ml; entsprechend schwanken auch die zur Verfügung stehenden hämatopoetischen Stammzellen erheblich. Um ein rasches und sicheres Anwachsen des Transplantats (Engraftment) zu erreichen, sollten mehr als 3 × 107 TNC (total nucleated cells, sieh oben) pro kg Empfängergewicht zur Verfügung stehen. Insgesamt ist der Einsatz von Plazentarestblut als Stammzellspende in den letzten Jahren rückläufig.

Phasen einer Transplantation

Der zeitliche Ablauf einer allogenen Stammzelltransplantation wird in 3 Phasen gegliedert (Abb. 3): Konditionierung, Aplasie, Regeneration.

Konditionierung

Die Transplantation beginnt mit der Phase der Konditionierung. Diese dauert zwischen 6 und 13 Tagen und beinhaltet die sequenzielle Gabe verschiedener Chemotherapeutika mit oder ohne Strahlentherapie. Aufgabe der Konditionierung ist die Myeloablation, d. h. das Eradizieren der Empfängerhämatopoese mit dem Ziel, Raum für das Engraftment der transplantierten Stammzellen zu schaffen. Gleichzeitig erfolgt mit der Konditionierung eine hoch dosierte Radiochemotherapie zur Therapie der zugrunde liegenden malignen Erkrankung sowie eine substanzielle Immunsuppression, die die Abstoßung der transplantierten Stammzellen verhindern soll. Die wichtigsten und in der Konditionierung am häufigsten eingesetzten Chemotherapeutika sind Alkylanzien (Busulfan, Treosulfan, Melphalan, Cyclophosphamid, Thiotepa), Podophyllotoxine (Etoposid) sowie Antimetabolite (Fludarabin, Clofarabin). In Abhängigkeit von der gewählten Dosierung dieser Medikamente wird eine ausreichende Immunsuppression und Myeloablation erreicht.
Die fraktionierte Ganzkörperbestrahlung wird in der Behandlung von Kindern mit akuter lymphatischer Leukämie (ALL) einer reinen Chemotherapie bis heute vorgezogen, auch wenn keine kontrollierten Studien vorliegen, die den Vorteil beweisen. Die hoch dosierte Ganzkörperstrahlentherapie ist nachgewiesenermaßen mit einer hohen Rate an kurz- und langfristigen Nebenwirkungen verbunden. Hierzu zählen im Besonderen Kataraktbildung, Infertilität, endokrine Störungen, Wachstumsstörungen sowie die Induktion von Zweitmalignomen. Es ist Gegenstand laufender Studien zu untersuchen, wann auf eine Ganzkörperbestrahlung verzichtet werden kann. Meist wird in der Konditionierungstherapie Antilymphozytenglobulin (ATG, Campath u. a.) gegeben, um Empfängerlymphozyten zuverlässig zu depletieren und so einer Transplantabstoßung vorzubeugen. Zwischen dem Abschluss der Konditionierungstherapie und der Transplantation muss ausreichend Zeit liegen, um eine Schädigung der im Transplantat enthaltenen hämatopoetischen Stammzellen durch zu hohe Serumspiegel der Chemotherapeutika zu verhindern.
Die Transplantation von Knochenmark oder peripheren Stammzellen erfolgt mittels Infusion über einen zentralen Venenkatheter. Die transfundierten Stammzellen perfundieren mit dem Blut die Knochenmarkräume. Dort kommt es begünstigt durch eine Reihe von sog. Homing- und Integrinfaktoren zur Besiedlung des Knochenmarks und nach der Zeit der Aplasie zur hämatopoetischen Regeneration.

Aplasie

Die Konditionierungstherapie führt zum Untergang der Empfängerhämatopoese und zum Verlust der Immunität. In Abhängigkeit von der Vortherapie und der gewählten Konditionierungstherapie ist die Aplasie in der Regel in der 1. Woche erreicht. Während der Zeit der Aplasie wachsen die transfundierten Stammzellen im Knochenmark an und differenzieren sich in die verschiedenen hämatopoetischen Zelllinien. Die Aplasie dauert zwischen 12 und 21 Tagen und hängt von verschiedenen Faktoren ab. Sie ist definitionsgemäß dann beendet, wenn der Patient an 3 hintereinander folgenden Tagen mehr als 1000 Leukozyten/μl oder mehr als 500 Granulozyten/μl aufweist. Ein vollständiges Engraftment hat dann stattgefunden, wenn der Patient unabhängig von Erythrozyten- und Thrombozytentransfusionen geworden ist.
Während der Zeit der Aplasie ist neben der zellulären Abwehr auch die Schleimhaut des gesamten Gastrointestinaltrakts zerstört. Deswegen ist der Patient während dieser Phase vor allem durch Infektionen mit Bakterien und Pilzen bedroht. Aus diesem Grunde ist eine intensive supportive Therapie notwendig. Diese umfasst die breite antibiotische Therapie bei ersten Hinweisen auf Infektionen, antimykotische Prophylaxe und die Gabe von Virostatika zur Verhinderung viraler Reaktivierungen. Zudem ist eine regelmäßige Substitution mit Immunglobulinen notwendig. Thrombozyten- und Erythrozytenkonzentrate müssen bis zur hämatopoetischen Regeneration substituiert werden. Dabei ist darauf zu achten, dass die Blutprodukte mit 30 Gy bestrahlt werden, um eine transfusionsvermittelte akute GvHD zu verhindern.

Regeneration

Der Phase der Aplasie folgt die hämatopoetische Regeneration. Diese setzt regelmäßig zwischen Tag +12 und +21 ein. Abhängig ist die Regeneration von der Art der Transplantation. Nach Transplantation von peripheren Stammzellen regenerieren Patienten schneller als nach der Gabe von Knochenmark. Auch hat die Gabe von niedrigdosiertem MTX zur GvHD-Prophylaxe nach Transplantation einen negativen Einfluss auf der Geschwindigkeit der Regeneration. Mit der hämatopoetischen Regeneration heilt regelmäßig auch die Mukositis ab, und die Kinder können langsam mit der oralen Nahrungsaufnahme beginnen. Wenn es zudem gelingt, dass die Patienten die prophylaktischen Medikamente einnehmen, können sie nach Hause entlassen werden. Insgesamt dauert der stationäre Aufenthalt durchschnittlich etwa 8 Wochen.

Nachsorge

Auch nach Entlassung aus der Transplantationsstation sind die Patienten weiter gefährdet. Die Rekonstitution des Immunsystems ist abhängig von der Art der Stammzelltransplantation. Sie ist bei einer Übertragung von Knochenmark deutlich schneller als bei einer Transplantation T-Zell-depletierter peripherer Stammzellen. Es ist wichtig zu wissen, dass auch Patienten mit zahlenmäßig ausreichenden T-Zellen nach wie vor unter einer Immunschwäche leiden. Erst nach Ausbildung des vollen T-Zell-Repertoires liegt ein ausreichender Immunschutz vor. Bis zur vollständigen Regeneration und Diversifikation des Immunsystems kann es bis zu 12 Monaten dauern.
Nach Transplantation muss der Impfschutz erneut aufgebaut werden. Eine vollständige Impfung entsprechend den Empfehlungen der ständigen Impfkommission (STIKO) kann und soll zwischen Tag +100 und +200 stattfinden.
Während des 1. Jahres nach Transplantation drohen den Patienten vor allem 2 Gefahren: Rezidiv der Grunderkrankung und unerwartete, d. h. plötzlich und ohne Prodromi auftretende Septikämien. Eine enge und aufmerksame Nachsorge ist daher im 1. Jahr nach Transplantation notwendig. Dabei liegt ein besonderes Augenmerk auf der Charakterisierung der Regeneration des Immunsystems mithilfe der Immunphänotypisierung der Oberflächenantigen der Lymphozyten. Gegebenenfalls werden Immunglobuline spiegeladaptiert substituiert.

Chimärismus

Durch Chimärismusanalysen kann nicht nur ein stabiles Engraftment der Spenderzellen dokumentiert werden. Ein kontinuierlich vollständiger Spenderchimärismus liefert wichtige Informationen über die Stabilität des Engraftments. Darüber hinaus kann ein gemischter Chimärismus, ein Nebeneinander von Empfänger- und Spenderhämatopoese, ein Frühwarnzeichen für das Wiederauftreten der Grunderkrankung darstellen. Chimärismusuntersuchungen sollten deswegen engmaschig durchgeführt werden. Das Standardverfahren zur quantitativen Chimärismusanalyse ist die PCR-gestützte Methode zur Charakterisierung sog. short tandem repeats (STR).

Spezielle Transplantationskomplikationen

Graft-versus-host-Reaktion

Akute Graft-versus-host-disease

Definition und Klassifikation
Nach einer allogenen Stammzelltransplantation vermittelt die Immunreaktion der Spenderlymphozyten bei Patienten mit malignen Grunderkrankungen einen erwünschten antileukämischen oder Antitumor-Effekt, die sog. Spender-gegen-Leukämie(GvL)- oder Spender-gegen-Tumor(GvT)-Reaktion. Dies kann umso stärker ausfallen, je größer die HLA-Disparität zwischen Spender und Empfänger ist. Dieser Effekt beinhaltet jedoch auch das Risiko einer potenziell tödlichen Spender-gegen-Empfänger-Erkrankung (graft-versus-host disease, GvHD) und sollte daher bei nichtmalignen Grunderkrankungen vermieden werden. Klassischerweise treten die ersten Anzeichen einer GvHD zum Zeitpunkt des Engraftments auf. Tritt die GvHD in den ersten 100 Tagen nach der Stammzelltransplantation auf, so spricht man von einer akuten GvHD (aGvHD). Diese kann jenseits der 100 Tage nach Transplantation in eine chronische Form übergehen.
Zielorgane der GvHD sind neben der Haut (Abb. 4) der Gastrointestinaltrakt, die Leber und die Lunge. Bei der Einteilung des Schweregrades der GvHD unterscheidet man zwischen Grad I–IV in Abhängigkeit von der Anzahl beteiligter Organe und dem Ausmaß der Organbeteiligung (Tab. 1). Anhand der Graduierung einzelner Organsysteme kann der Gesamtgrad (0–4) der GvHD bestimmt werden, dieser lässt Aussagen über das Risiko von Komplikationen zu. Eine schwere aGvHD (> Grad II) und eine schwere chronische GvHD stellen eine lebensbedrohliche Komplikationen dar.
Tab. 1
Einteilung des Schweregrades der akuten Graft-versus-host-Erkrankung
Stadium
Haut (Exanthem)
Leber (Bilirubin mg/dl)
Darm (Diarrhö/Tag)
Grad der Beteiligung einzelner Organsysteme
0
Kein Exanthem, kein Juckreiz
<2
<30 ml/kg, Übelkeit
1
Makulopapulös, <25 % der KOF
2–3
>30 ml/kg, Übelkeit, Erbrechen, Anorexie
2
Makulopapulös, 25–50 % der KOF
3–6
>60 ml/kg
3
Makulopapulös, generalisiert
6–15
>90 /kg
4
Blasenbildung, Desquamation
>15
Gesamtgradeinteilung der akuten GvHD
I
Grad 1–2
-
-
II
Grad 1–3*
Grad 1*
Grad 1*
III
Grad 2–3*
Grad 2–3*
Grad 2–3*
IV
Grad 2–4*
Grad 2–4*
Grad 2–4*
KOF Körperoberfläche; * eines oder alles ist zutreffend;
I keine Verschlechterung des Allgemeinzustandes; II leichte Verschlechterung des Allgemeinzustandes; III deutliche Verschlechterung des Allgemeinzustandes; IV extreme Verschlechterung des Allgemeinzustandes
Häufigkeit
In 20–30 % der HLA-identischen Transplantationen kann eine aGvHD beobachtet werden. Im nicht HLA-identischen Setting tritt die aGvHD deutlich häufiger auf und ist damit eine der Hauptkomplikationen nach allogener Stammzelltransplantation.
Pathophysiologie
Die Entstehung der GvHD kann in 3 Phasen unterteilt werden. Die 1. Phase umfasst eine entzündliche Gewebsreaktion des Empfängers, verursacht durch das jeweilige Konditionierungsregime. In der 2. Phase triggern antigenpräsentierende Zellen des Spenders und Empfängers zusammen mit Minor-Histokompatibilitätsantigenen und freigesetzten Zytokinen die Aktivierung und Expansion von Spenderlymphozyten. In der 3. Phase greifen diese aktivierten Spenderlymphozyten über den FAS-Ligand und den Perforin-Granzym-B-Mechanismus sowie durch freigesetzte Zytokine (in erster Linie TNFα) geschädigtes Gewebe des Empfängers an. Die Aktivierung von Makrophagen, neutrophilen Granulozyten, B- und T-Zellen, die Sekretion weiterer inflammatorischer Zytokine und die gesteigerte Expression von HLA-Molekülen sowie die Zellzerstörung durch T-Lymphozyten führen zu den charakteristischen Gewebsschäden einer GvHD.
Risikofaktoren
Zu den Hauptrisikofaktoren für die Entwicklung einer GvHD gehört in erster Linie die HLA-Disparität. Daneben ist die Stammzellquelle zu nennen. Durch das überwiegende Vorhandensein naiver Stammzellen im Nabelschnurblut sind HLA-disparate Transplantationen (4/6 oder 5/6) möglich, allerdings werden hierbei, verglichen mit peripheren Stammzellen und Knochenmark, auch häufiger Fälle mit aGvHD Grad II–IV beobachtet (41 % gegenüber 27 % und 28 %). Weitere Faktoren, die das Risiko einer GvHD-Entwicklung beinhalten, umfassen ein höheres Alter von Spender und Empfänger sowie Unterschiede im Geschlecht (vor allem eine mehrfachgebärende Spenderin bei einem männlichen Empfänger). Daneben spielen auch ein Malignom als Grunderkrankung und die Intensität der Konditionierung eine Rolle.
Prophylaxe und Therapie
Zur Prophylaxe der GvHD wird häufig eine Kombination aus Methotrexat und Calcineurin-Inhibitoren (Ciclosporin oder Tacrolimus) verwendet. Im Falle einer akuten Exazerbation ist eine zusätzliche Therapie mit Methylprednisolon und/oder Mycophenolatmofetil denkbar. Spricht die aGvHD nicht auf Steroide an, ist das Risiko, diese Komplikation nicht zu überwinden, groß. Therapiemöglichkeiten bestehen in der Gabe von Anti-Thymozytenglobulin (ATG), extrakorporaler Photopherese (ECP), Pentostatin, Sirolimus, JAK-Inhibitoren, monoklonalen Antikörpern und mesenchymalen Stromazellen.
Bei langfristigem Einsatz dieser medikamentösen Therapien bestehen ein hohes Infektionsrisiko sowie ein erhöhtes Rezidivrisiko im Falle einer malignen Grunderkrankung.
Im Rahmen der extrakorporalen Photopherese (ECP) werden Leukozyten gesammelt, ex vivo mit 8-Methoxypsoralen inkubiert und mit UVA-Licht bestrahlt, und in den Patienten zurückgegeben. Die Immuntoleranz wird dabei durch eine verminderte Stimulation und eine Depletion von Effektor-T-Zellen, eine gesteigerte Produktion anti-inflammatorischer Zytokine, eine geminderte Sekretion pro-inflammatorischer Zyokine und eine Expansion regulatorischer T-Zellen bewirkt. Letztendlich können auch Zelltherapieverfahren mit mesenchymalen Stromazellen (MSC) bei der GvHD-Behandlung eine Rolle spielen. MSCs werden hierfür aus Knochenmarkproben gewonnen und können unter geeigneten Bedingungen zu verschiedenen Gewebszellen ausreifen. Es stehen verschiedene Präparationen zur Verfügung, die für GvHD-Patienten eine neue Hoffnung darstellen können. MSCs haben neben immunmodulatorischen auch regenerative Effekte auf geschädigtes Gewebe und können unabhängig von MHC-Barrieren verabreicht werden.

Chronische Graft-versus-host-disease

Pathophysiologie
Der wichtigste Risikofaktor für eine chronische GvHD (cGvHD), die in 20–30 % der Fälle auftritt, ist das Vorhandensein einer akuten GvHD. Die cGVHD ist eine chronische Multisystemerkrankung infolge gestörter immunologischer Toleranzmechanismen. Sie kann eine Vielzahl von Organen betreffen und dabei jede Autoimmunerkrankung imitieren.
Klinische Symptome
Die cGVHD der Haut kann sich ähnlich einem Lichen ruber planus, aber auch wie ein fleckiges Exanthem präsentieren. Weitere Symptome können eine zunehmende Schuppung sowie Hypo- oder Hyperpigmentierung sein. Später können Hautveränderungen mit tiefer Hautsklerose auftreten. Darüber hinaus kann es zum Haarverlust kommen. Die cGVHD der Augen äußert sich meist in einer Keratokonjunktivitis sicca infolge einer Atrophie der Tränendrüsen. Mitbetroffen sind häufig auch die Meibom-Drüsen und die Lider durch eine ausgeprägte Blepharitis. Im Bereich der Bindehaut entwickeln sich häufig fibrotische Veränderungen und chronisch persistierende Inflammationen.
An der Mundschleimhaut können erythematöse, lichenoide und ulzeröse Veränderungen sowie Mukozelen beobachtet werden. Auch hier kann durch Destruktion der Speicheldrüsen eine Sicca-Symptomatik auftreten. Eine lang andauernde cGVHD kann darüber hinaus zu Gingivitis, Parodontose, vermehrtem Karies und zu Zahnverlusten führen.
Eine Leberbeteiligung manifestiert sich häufig als primäre Cholestase, aber auch hepatitische Verlaufsformen mit erhöhten Transaminasen sind beschrieben. Manifestationen des Gastrointestinaltrakts können zu Dysphagie, Übelkeit und Erbrechen sowie chronischen Durchfällen und einem Malabsorptionssyndrom führen.
Insgesamt bedarf es bei der Behandlung einer cGvHD in der Regel eines interdisziplinären Behandlungskonzepts.

Veno occlusive disease

Pathophysiologie
Etwa 20 % aller Patienten nach allogener Stammzelltransplantation entwickeln einen teilweisen oder vollständigen Verschluss der Lebervenen (veno occlusive disease; VOD). Dieser entsteht infolge einer toxischen Schädigung der Endothelien durch die Konditionierungstherapie. Es entwickelt sich eine lokale Entzündungsreaktion verstärkt durch die Bildung toxischer Metaboliten, welche durch das Glutathionenzymsystem eliminiert werden sollten. Bei Störungen dieses Gleichgewichts kommt es zur Induktion eines prokoagulatorischen Aktivitätszustandes und der Bildung von Fibrinaggregaten mit Thrombozyten und Leukozyten. Diese können zu einem Verschluss der Lebervenen führen.
Klinische Symptome und Therapie
Die daraus resultierenden klinischen Symptome sind Hepatomegalie, Schmerzen im rechten Oberbauch, Aszites, Gewichtszunahme und Ikterus.
Die Infusion von niedrig dosiertem Heparin (100 IE/kg KG) ist zur prophylaktischen Therapie unterstützend. Durch eine jüngst durchgeführte prospektive Studie konnte zweifelsfrei nachgewiesen werden, dass Defibrotide die Inzidenz der VOD signifikant senken kann.
Bei dieser Substanz handelt es sich um ein Derivat aus Schweinedarm isolierter DNA, das protektive Effekte auf vaskuläre Endothelzellen, besonders bei den kleinen Gefäßen hat. Defibrotide wirkt antithrombotisch, antientzündlich und antiischämisch.

Transplantationsindikationen – Ergebnisse

Maligne Erkrankungen

Akute lymphatische Leukämie (ALL)

Die ALL des Kindesalters ist eine Erkrankung, bei der die Wahrscheinlichkeit des Überlebens 85 % und die Wahrscheinlichkeit des ereignisfreien Überlebens (pEFS = event free survival) ca. 80 % beträgt. Sogar nach einem Rezidiv kann im Falle eines späten Knochenmark- oder eines isolierten extramedullären Rezidivs ein pEFS von 0,35 und 0,44 mit herkömmlicher Chemotherapie alleine erzielt werden.
Prinzipiell ist die ALL des Kindes- und Jugendalters eine Domäne der Chemotherapie. Für einzelne Kinder, deren ALL besondere Risikoparameter aufweisen oder ein schlechtes Ansprechen auf die Induktionschemotherapie zeigen, kann die allogene Stammzelltransplantation ein wertvolles Therapieelement darstellen. Grundsätzlich ähneln sich die Definitionen der Hochrisikopatienten weltweit, dennoch werden die Indikationen zur Transplantation im jeweils gültigen Therapieprotokoll festgelegt. Die sorgfältige Indikationsstellung zur Stammzelltransplantation bei ALL ist unerlässlich. Ein sorgfältiges Abwägen der Risiken und Nutzen verschiedener Behandlungsverfahren für Kinder und Jugendliche mit ALL kann nur in intensiver Abstimmung von Transplantations- und Chemotherapiestudiengruppen erfolgen.
Kinder in 1. Remission
Kinder mit ALL in 1. Remission werden dann als Hochrisikopatienten eingestuft, wenn sie schlecht auf Steroide in der Therapievorphase reagieren (prednisone poor responder, PPR und T-Phänotyp), sie am Tag 33 keine Remission erreichen, wenn ihre Leukämiezellen eine Translokation (4;11) oder eine Hyploidie mit <44 Chromosomen aufweisen. Hinzu kommen Patienten mit persistierender minimaler Resterkrankung (MRD) im Verlauf der Chemotherapie.
Kinder in 2. Remission
Ähnliches trifft für Kinder in 2. Remission zu. Generell gilt, dass Patienten mit einem späten Rezidiv einer ALL eine realistische Chance haben, ihre Erkrankung ohne Transplantation alleine mit einer erneuten Chemotherapie zu überleben. Auch in dieser Gruppe entscheidet der MRD-Response über die Prognose. Kinder, die im Verlauf der Chemotherapie eine bleibend hohe MRD-Last behalten, benötigen eine allogene Stammzelltransplantation, um ihre Erkrankung zu überwinden. Gleiches gilt für Patienten mit einem frühen Rezidiv (<6 Monate nach Ende der Dauertherapie) oder für Kinder mit einem sehr frühen Rezidiv (noch unter Chemotherapie). Diese Patienten haben ohne Transplantation derzeit keine realistische Chance, ihre Leukämie zu überleben.
Kinder mit 2. Rezidiv
Auch Patienten mit einem 2. Rezidiv können nach gegenwärtigem Erfahrungsstand ohne Transplantation wahrscheinlich nicht gerettet werden. Hier könnte eine neue Hoffnung durch CD-19-spezifische antileukämische T-Zellen entstehen. Diese T-Zellen werden gentechnologisch mit einem chimären Antigen-Rezepotor, z. B. gegen CD-19 ausgestattet (CAR-T-Zellen) und können so spezifisch Leukämiezellen attackieren.

Akute myeloische Leukämie (AML)

In den vergangenen 2 Dekaden hat sich die Prognose von Kindern mit AML durch Fortschritte in der Erstbehandlung signifikant verbessert. Heilungsraten von bis zu 75 % können durch die Kombination von intensiven Chemotherapieprotokollen und allogener Stammzelltransplantation für Patienten mit bestimmten Hochrisikoprofilen erreicht werden.
Kinder in 1. Remission
Auch für Kinder mit AML gilt, dass die Indikation für die allogene Stammzelltransplantation in engster Abstimmung mit der Erstbehandlung stattfinden muss und die Behandlung in kontrollierten Studien erfolgen sollte.
Kinder in 2. Remission
In 2. Remission einer AML gilt die Stammzelltransplantation als „Standard of Care“ in der Behandlung und wird unabhängig davon empfohlen, ob ein HLA-identischer Spender identifiziert werden konnte. Sollte kein identischer Spender gefunden werden, so sollte eine Transplantation auch mit einem alternativen Spender angestrebt werden. Zur Konditionierung von Patienten mit AML werden regelmäßig chemotherapeutische Regime eingesetzt.

Myelodysplastische Syndrome (MDS)

Es handelt sich um eine heterogene Gruppe von präleukämischen Erkrankungen der pluripotenten Stammzellen, wobei hypoplastische von hyperplastischen MDS unterschieden werden (Kap. „Leukämien bei Kindern und Jugendlichen“). Differenzialdiagnostisch ist die Abgrenzung der hypoplastischen refraktären Zytopenie (RC) von der schweren aplastischen Anämie (SAA) problematisch. Die hyperplastische refraktäre Anämie mit Blasten in Transformation (RAEB-T) ist gelegentlich von einer AML schwierig zu unterscheiden.
Allen Erkrankungen aus dem Formenkreis der MDS ist gemeinsam, dass die einzig kurative Therapie in der Stammzelltransplantation besteht. Dementsprechend haben Kinder mit MDS eine Indikation zur Transplantation mit allen verfügbaren Formen von Spendern. Für die Transplantation von hypoplastischen MDS-Erkrankungen können toxizitätsreduzierte Konditionierungsprotokolle eingesetzt werden, wohingegen für die hyperplastischen MDS-Erkrankungen ausschließlich myeloablative Chemotherapieregimes eingesetzt werden.

Chronisch myeloische Leukämie

Wie bei erwachsenen Patienten gibt es mittlerweile auch in der Pädiatrie Hinweise dafür, dass durch Tyrosinkinase-Inhibitoren langfristige Remissionen erreicht werden können (Kap. „Leukämien bei Kindern und Jugendlichen“). Die einzig kurative Therapie stellt hingegen die allogene Stammzelltransplantation dar. Die Indikation zur Transplantation ist eng mit der Familie und dem Patienten abzuwägen. Mit gut passenden Spendern liegen die Überlebenswahrscheinlichkeiten nach Transplantation bei 70 %.

Solide Tumoren

Nur für wenige fortgeschrittene solide Tumorentitäten gibt es eine gesicherte Indikation für die Hochdosischemotherapie mit anschließendem Stammzellrescue durch autologe Transplantation, so etwa für Neuroblastome Stadium IV und für Patienten mit metastasiertem Ewing-Sarkom und möglicherweise auch für Patienten mit rezidivierten Medulloblastomen. Für Rhabdomyosarkome besteht keine Indikation für eine autologe Transplantation. Allogene Stammzelltransplantationskonzepte für Patienten mit soliden Tumoren konnten bislang noch keine überzeugenden Daten liefern.

Nichtmaligne Erkrankungen

Schwere aplastische Anämie

Die Therapie der Wahl der schweren aplastischen Anämie besteht in der allogenen Stammzelltransplantation für Kinder, die über einen HLA-identischen Familienspender verfügen. Für Patienten ohne einen passenden Geschwisterspender stellt die immunsuppressive Therapie mit Ciclosporin A, Antilymphozytenglobulin und Methylprednisolon eine Therapiealternative dar. Mit zunehmenden Fortschritten in der Stammzelltransplantationsmedizin, unter anderem durch verbesserte HLA-Typisierungen, konnten die Transplantationsergebnisse auch mit HLA-identischen, nichtverwandten Spendern deutlich verbessert werden. Die publizierten Daten zeigen eine Überlegenheit der Stammzelltransplantation gegenüber der Immunsuppression. Wenngleich die differenzialdiagnostische Abgrenzung gegenüber der refraktären Zytopenie aus dem Formenkreis der myelodysplastischen Syndrome besser gelingt, so kommen doch klonale Erkrankungen nach Immunsuppression vor. Insgesamt sollten Transfusionen mit Blut und Thrombozyten auf das Nötigste begrenzt werden, um eine Sensibilisierung zu vermeiden und so das Risiko einer Abstoßung der Stammzellen zu minimieren. Die Überlebensraten nach allogener Stammzelltransplantation liegen bei 90 %.

Fanconi-Anämie

Die Fanconi-Anämie (FA) ist charakterisiert durch kongenitale Anomalien, Radiusaplasie, Panzytopenie, Myelodysplasie mit Tendenz zum Übergang in eine AML (Kap. „Anämien bei Kindern und Jugendlichen“). In der Regel werden die Erkrankungen autosomal-rezessiv vererbt, der klinische Phänotyp ist sehr variabel. Die genetischen Veränderungen führen zu einer gesteigerten Chromosomenbrüchigkeit und zu einer Störung im DNA-Reparatur-Apparat der Zellen. Diese Störungen resultieren bei den meisten Patienten im Auftreten von Malignomen in der 3. Lebensdekade. Insbesondere der DNA-Reparaturdefekt ist für die gesteigerte Toxizität von Chemotherapie verantwortlich: Entsprechend muss bei diesen Patienten die Intensität der Konditionierungstherapie drastisch reduziert werden. Die Erfolgsrate der Transplantation mit HLA-identischen Geschwistern liegt bei 70 %.

Thalassämie und Sichelzellkrankheit

Thalassämie
Bei der Thalassämie handelt es sich um eine hämolytische Anämie, deren konservative Therapie regelmäßige Erythrozytentransfusionen erforderlich macht (Kap. „Anämien bei Kindern und Jugendlichen“). Als Konsequenz stellt sich bei den meisten Patienten eine chronische Eisenüberladung ein. Trotz des intensiven Einsatzes von Chelatbildnern ist die Lebenserwartung gegenwärtig auf etwa 40 Jahre begrenzt.
Heute stellt die allogene Stammzelltransplantation eine kurative Therapie für diese Patienten dar. Die ersten Patienten mit Thalassämie wurden in Pesaro, Italien, zunächst mit HLA-identischen Geschwisterspendern transplantiert. Durch die vorangehend beschriebenen Fortschritte in der HLA-Typisierung und den dadurch möglich gewordenen verbesserten Ergebnissen der unverwandten Spendertransplantation, kann heute einer ständig wachsenden Zahl von Patienten die allogene Stammzelltransplantation als kurative Therapie angeboten werden. In Abhängigkeit vom bestehenden Risikoprofil können bis 90 % der Patienten mit einem passenden Spender auf ein thalassämiefreies Leben hoffen.
Sichelzellkrankheit
Die Sichelzellkrankheit wird autosomal-rezessiv vererbt. Bei homozygot erkrankten Menschen entstehen Hämolysen und schwere Gefäßverschlusskrisen, die zu pulmonalen, ossären, vor allem aber zentralnervösen Schädigungen führen können. Die Ergebnisse der allogenen Stammzelltransplantation bei Sichelzellkrankheit haben sich in den vergangenen 20 Jahren substanziell gebessert. Heute haben vor allem Patienten mit einem passenden Spender große Chancen, dauerhaft von ihrer Erkrankung geheilt zu werden.

Störungen des Immunsystems

Für eine Vielzahl unterschiedlicher Störungen des Immunsystems stellt die allogene Stammzelltransplantation die einzig kurative Therapieoption dar. In der Tat wurde die 1. erfolgreiche Stammzelltransplantation im Jahre 1968 von der Arbeitsgruppe um Bob Good bei einem Kind mit schwerem kombinierten Immundefekt (SCID) durchgeführt. Weitere Immundefekte, die mit einer Transplantation behandelt werden können, sind u. a. das Wiskott-Aldrich-Syndrom, Störungen der Myelopoese wie Morbus Kostmann, schwer verlaufende Langerhans-Zell-Histiozytosen sowie die septische Granulomatose. Auch für Patienten mit familiärer Lymphohistiozytose können Indikationen für eine Stammzelltransplantation bestehen.
Insbesondere für Patienten mit einem SCID sind die rasche Diagnose und die Durchführung der Transplantation lebenswichtig. Durch den Beschluss zur Erweiterung des Neugeborenen-Screenings in Deutschland ab 2019 auch auf SCID ist zu erwarten, dass die Diagnose zukünftig frühzeitiger gestellt werden wird. Bei SCID-Patienten mit fehlender T- und oder NK-Zell-Aktivität kann eine Transplantation ohne Konditionierungsregime durchgeführt werden. Für diese Kinder eignet sich die reine Stammzelltransplantation, daher können periphere Stammzellen der haploidentischen Eltern nach entsprechender Behandlung des Transplantats erfolgreich eingesetzt werden. Jedoch gelingt auch bei diesen Patienten in der Regel die Regeneration des Immunsystems nach einer HLA-identischen Knochenmarktransplantation früher. Die Erfolgsaussichten der Therapie hängen von einer frühzeitigen Diagnose der zugrunde liegenden Erkrankung und der rechtzeitigen Planung und Durchführung der Transplantation ab. Chronische Infektionen sollten vor der Transplantation vermieden werden.

Metabolische Erkrankungen, Stoffwechselstörungen

Seit etwa 20 Jahren wird die Stammzelltransplantation auch für die Behandlung von verschiedenen angeborenen Stoffwechselstörungen durchgeführt. Hierzu gehören u. a. Osteopetrosis, Mukopolysaccharidose, Morbus Niemann-Piek, Morbus Farber, Adrenoleukodystrophie. Die Indikationsstellung für diese Erkrankungen ist nicht immer einfach und sollte rechtzeitig, vor Manifestation des klinischen Bildes der zugrundeliegenden Erkrankung, zumindest in deren Frühstadium, erfolgen.
Weiterführende Literatur
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