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Pädiatrie
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Publiziert am: 07.05.2019

Tubulopathien bei Kindern und Jugendlichen

Verfasst von: Jens König und Martin Konrad
Tubulopathien sind Störungen einzelner oder mehrerer tubulärer Funktionen bei primär normaler glomerulärer Filtration. Meist handelt es sich um hereditäre Defekte, nur selten kommt es zu einer erworbenen Störung der Tubulusfunktion, z. B. durch die Zufuhr nephrotoxischer Substanzen. Die hereditären Formen werden weiter unterteilt in primäre und sekundäre Tubulopathien. Während bei primären Tubulopathien – bedingt durch einen spezifischen genetischen Defekt – meist nur ein isolierter Transportprozess gestört ist, treten die sekundären komplexen Tubulopathien oft im Rahmen angeborener Stoffwechselerkrankungen auf. Sie umfassen fast immer mehrere tubuläre Transportmechanismen und können auch mit Veränderungen am Glomerulus und anderen Organsystemen einhergehen.
Definition
Tubulopathien sind Störungen einzelner oder mehrerer tubulärer Funktionen bei primär normaler glomerulärer Filtration. Meist handelt es sich um hereditäre Defekte, nur selten kommt es zu einer erworbenen Störung der Tubulusfunktion, z. B. durch die Zufuhr nephrotoxischer Substanzen. Die hereditären Formen werden weiter unterteilt in primäre und sekundäre Tubulopathien. Während bei primären Tubulopathien – bedingt durch einen spezifischen genetischen Defekt – meist nur ein isolierter Transportprozess gestört ist (Tab. 1), treten die sekundären komplexen Tubulopathien oft im Rahmen angeborener Stoffwechselerkrankungen auf. Sie umfassen fast immer mehrere tubuläre Transportmechanismen und können auch mit Veränderungen am Glomerulus und anderen Organsystemen einhergehen (Tab. 2).
Tab. 1
Primäre Tubulopathien
Störung der Resorption von
Zugrunde liegende Tubulopathien
Zystinurie
Hyperglycinurie
Hyperhistidinurie
Iminoglycinurie
Dibasische Hyperaminoazidurie (mit intestinaler Lysinintoleranz)
Hyperdicarboxylaminoazidurie
HCO3
Proximale renal-tubuläre Azidose (Typ 2)
Gemischte renal-tubuläre Azidose (Typ 3)
Phosphatdiabetes (hypophosphatämische Rachitis)
Pseudohypoparathyreoidismus
Kombiniert Aminosäuren, Glukose, Phosphat und HCO3
Primäres idiopathisches Fanconi-Syndrom
H+-Ionen
Distale renal-tubuläre Azidose (Typ 1)
Kalzium
Idiopathische Hyperkalziurie
Dent-Krankheit
Renale Hypourikämie
Hypourikosurische Hyperurikämie
Hypoxanthin-Guanosin-Phosphoribosyltransferase-Mangel (HGPRT)
Xanthinoxidasemangel
Familiäres Hypomagnesiämie-Hyperkalziurie-Syndrom (FHHNC)
Antenatales Bartter-Syndrom
Klassisches Bartter-Syndrom
Pseudohypoaldosteronismus Typ 1 und 2 (Gordon-Syndrom)
Pseudohyperaldosteronismus (Liddle-Syndrom)
Glukokortikoidvermittelter Hyperaldosteronismus
Apparent mineralocorticoid excess
Wasser
V2-Rezeptor-Defekt (X-chromosomal)
Aquaporindefekt (autosomal-rezessiv)
Tab. 2
Sekundäre Tubulopathien im Rahmen von Stoffwechselerkrankungen
Krankheit
Vererbung
Gen
Genprodukt
Klinik
Nephropathische Zystinose
AR
CTNS
Zystinosin
Renales Fanconi-Syndrom, Nierenversagen, Wachstumsretardierung, Kornealveränderungen
Lowe-Syndrom (okulozerebrorenales Syndrom)
XR
OCRL1
Phosphatidylinsositol-Biphosphat(PIP2)-5-Phosphatase
Vitamin-D-resistente Rachitis, mentale Retardierung, Katarakt, renales Fanconi-Syndrom, Nierenversagen
AR
GLUT2
Faciliative glucose transporter
Malabsorption, Gedeihstörung, renales Fanconi-Syndrom
Primäre Hyperoxalurie Typ I
AR
AGXT
Alanin-Glyoxylat-Aminotransferase
Nephrolithiasis (Ca-Oxalat), Leber- und Nierenversagen
Adeninphosphoribosyltransferasemangel
AR
APRT
Adeninphosphoribosyltransferase
Nephrolithiasis (2,8-Dihydroxyadenin)
AR
GAL1PUT
Renales Fanconi-Syndrom, Hepatomegalie, Katarakt
AR
ALDOB
Fruktose-1-Phosphat-Aldolase B
Renales Fanconi-Syndrom, mentale Retardierung, Hypoglykämie, Koma
AR
FAH
Fumarylacetoacetathydrolase
Renales Fanconi-Syndrom, Leberzirrhose, Gerinnungsstörung
AR
ATP7B
Kupfertransportierende ATPase
Renales Fanconi-Syndrom, Leberzirrhose, Gerinnungsstörung
Zytochrom-C-Oxidase-Mangel
Mitochondrial
 
Zytochrom-C-Oxidase u. a.
Renales Fanconi-Syndrom, Multiorganbeteiligung
AD autosomal-dominant, AR autosomal-rezessiv, XR X-chromosomal-rezessiv
Klinische Symptome
Tubulopathien führen infolge des renalen Verlusts von organischen und anorganischen Substanzen zu Veränderungen im intra- und extrazellulären Milieu. Als häufige Leitsymptome finden sich eine Polyurie, Nykturie und Polydipsie, oft verbunden mit nächtlichem Durst. Außerdem präsentieren einige Patienten einen durch den renalen Salzverlust bedingten ausgeprägten Salzhunger. Typisch sind weiterhin eine Gedeihstörung im frühen Kindesalter sowie Wachstumsstörungen. Rachitische Knochenveränderungen werden beobachtet. Laborchemisch finden sich je nach Lokalisation des zugrunde liegenden Defekts ausgeprägte Elektrolytimbalancen. Einzelne Tubulopathien gehen mit einer progredienten Verschlechterung der Nierenfunktion einher.
Die Kenntnis der für den Tubulusabschnitt typischen Transportprozesse ermöglicht die schnelle Zuordnung einer auffälligen Laborkonstellation zur Lokalisation des Defekts entlang des Tubulusapparates (Abb. 1). So können Störungen im proximalen Tubulus typischerweise mit einer Glukosurie, Aminoazidurie, Phosphaturie und/oder einer durch Bikarbonatverlust verursachten renal-tubulären Azidose (RTA) einhergehen. Das kombinierte Auftreten dieser Transportstörungen wird renales Fanconi-Syndrom oder Debré-de-Toni-Fanconi-Syndrom genannt. Für Störungen der NaCl-Resorption im dicken aufsteigenden Teil der Henle-Schleife (Bartter-Syndrom) oder im distalen Konvolut (Gitelman-Syndrom) ist das Auftreten einer hypokaliämischen metabolischen Alkalose typisch. Tubulopathien des Sammelrohrs können die Wasserrückresorption, die Natriumresorption sowie die Exkretion von Kalium und Protonen betreffen und so zu entsprechenden Laborveränderungen führen.
Im Folgenden wird auf die häufigsten Tubulopathien näher eingegangen.

Aminoazidurien

Primäre Resorptionsstörungen von Aminosäuren zeichnen sich durch einen isolierten Verlust der betroffenen Aminosäuren aus. Sie können klinisch stumm verlaufen oder durch Steinbildung bzw. Ablagerungen von Kristallen manifest werden. Selten führt dies sekundär zu einer progredienten Niereninsuffizienz. Die einzelnen Aminoazidurien sind in Tab. 1 aufgeführt. Die Krankheitsbilder der Zystinurie und der Hartnup-Krankheit sind in Kap. „Aminoazidopathien“ ausführlich dargestellt.

Familiäre renale Glukosurie

Definition
Unter einer familiären renalen Glukosurie versteht man eine vermehrte Ausscheidung von Glukose über den Urin (>3 g/Tag) bei gleichzeitig normalen Blutzuckern und Fehlen anderer tubulärer Störungen.
Ätiologie und Pathogenese
Unter physiologischen Bedingungen resorbiert die Niere ca. 180 g Glukose am Tag und trägt so zu einem ausgeglichenen Blutzuckerhaushalt bei. Hauptverantwortlich hierfür ist der natriumgetriebene Glukosetransporter (SGLT2) in der luminalen Membran der proximalen Tubuluszellen. Die Effektivität dieses Transportprozesses ist sehr hoch, sodass beim Gesunden <0,5 g Glukose pro Tag über den Urin verloren werden. Liegt ein genetischer Defekt der genannten Transportproteine vor, resultiert eine Glukosurie von bis zu 60 g/Tag. Die Störung findet sich in ca. 20 % familiär, die Vererbung erfolgt (inkomplett) autosomal-rezessiv.
Klinische Symptome und Diagnose
Der klinische Verlauf ist in fast allen Fällen symptomlos, Hypoglykämien treten in der Regel nicht auf. Die Diagnose erfolgt meist als Zufallsbefund aufgrund einer Urinteststreifenuntersuchung, die ab Uringlukosekonzentrationen >40 mg/dl positiv wird. Der Glukosetoleranztest ist unauffällig. Eine molekulargenetische Diagnosesicherung ist möglich, jedoch aufgrund der fehlenden therapeutischen Konsequenz so gut wie nie indiziert.
Therapie
Auf eine Therapie kann fast immer verzichtet werden. Im Falle seltener symptomatischer Hypoglykämien sollte eine Zufuhr von Kohlenhydraten in zahlreichen kleinen Mahlzeiten erfolgen.

Renales Fanconi-Syndrom

Definition
Als Fanconi-Syndrom (auch Debré-de-Toni-Fanconi-Syndrom) bezeichnet man eine komplexe Störung des proximalen Tubulus, die sich durch eine kombinierte Resorptionsstörung von Aminosäuren, Phosphat, Glukose und Bikarbonat (komplettes Fanconi-Syndrom) oder einzelner der genannten Substanzen (inkomplettes Fanconi-Syndrom) auszeichnet.
Ätiologie und Pathogenese
Es werden eine primäre/idiopathische und eine sekundäre Form unterschieden. Die sekundäre Form tritt meist im Rahmen hereditärer Stoffwechselerkrankungen (Tab. 2) oder bedingt durch Intoxikation (Chemotherapie, Blei) auf. Das primäre Fanconi-Syndrom kommt familiär oder sporadisch vor und kann sich in jedem Alter manifestieren.
Klinische Symptome
Infolge der Verluste von Wasser, Salz und organischen Substanzen präsentieren die Patienten eine Polyurie, Polydipsie, Dehydratationszustände, Salzhunger und eine metabolische Azidose. Ähnlich der renal-tubulären Azidose resultieren bei unzureichender Therapie rachitische Knochenveränderungen und ein Kleinwuchs. Häufiger als bei den isolierten Tubulopathien kann sich bei Patienten mit einem Fanconi-Syndrom im Langzeitverlauf eine chronische Niereninsuffizienz entwickeln.
Diagnose
Im Urin findet sich eine Hyperaminoazidurie, Glukosurie und Hyperphosphaturie. Im Blut zeigt sich dagegen häufig eine hyperchlorämische metabolische Azidose kombiniert mit niedrigen Serumphosphatspiegeln und gelegentlich einer Hypokaliämie. Sonografisch kann eine Nephrokalzinose vorliegen.
Therapie
Die Therapie erfolgt symptomatisch durch Substitution von Wasser (1–3 l/Tag zusätzlich), Phosphat (1–3 g/Tag) und Natrium- oder Kaliumbikarbonat bzw. -zitrat (15 mmol/kg KG/Tag). Die Substitution sollte möglichst gleichmäßig über den Tag verteilt erfolgen. Meist ist zusätzlich eine Vitamin-D-Substitution zur Verbesserung der intestinalen Phosphatresorption indiziert. Strenge Kontrolle der Serumspiegel von Kalzium, Phosphat und Parathormon sind zur Reduktion des Nephrokalzinoserisikos essenziell.

Lowe-Syndrom (okulozerebrorenales Syndrom, OCRL)

Das X-chromosomal vererbte Lowe-Syndrom ist durch kongenitale Katarakte und Glaukom, mentale Retardierung, muskuläre Hypotonie und ein renales Fanconi-Syndrom charakterisiert.
Mutationen im OCRL1-Gen führen zu einem Defekt der intrazellulären Phosphatidylinsositol-Biphosphat(PIP2)-5-Phosphatase. Mutationen im gleichen Gen können auch den Phänotyp einer Dent-Krankheit hervorrufen.
Neben den Folgen des renalen Fanconi-Syndroms sind die Patienten durch das stark eingeschränkte Sehvermögen sowie langfristig durch die Entwicklung einer chronischen Niereninsuffizienz stark beeinträchtigt. Typisch ist das Vorliegen eines kongenitalen Katarakts in Kombination mit Zeichen eines renalen Fanconi-Syndroms. Die Diagnose wird molekulargenetisch gesichert. Die Therapie entspricht der des renalen Fanconi-Syndroms.

Hereditäre Salzverlusttubulopathien

Definition
Angeborene Salzverlusttubulopathien wurden früher häufig unter den Begriffen Bartter-Syndrom und Gitelman-Syndrom zusammengefasst. Nach dem aktuellen molekulargenetischen Verständnis handelt es sich jedoch um pathophysiologisch eigenständige Erkrankungen des tubulären Ionentransports (Tab. 3). Die unterschiedlichen Formen des Bartter-Syndroms beruhen dabei auf Defekten im dicken aufsteigenden Teil der Henle-Schleife (TAL), die des Gitelman-Syndroms im Bereich des distalen Konvoluts (DCT). Als Leitsymptome sind allen Defekten ein schwerer Salzverlust mit ausgeprägtem Salzhunger, eine Polyurie sowie eine hypokaliämische metabolische Alkalose gemein.
Tab. 3
Hereditäre Salzverlusttubulopathien
Nomenklatur
Gendefekt
Genprodukt
Klinisches Bild
Antenatales Bartter-Syndrom
SLC12A1
Na-K-2Cl-Kotransporter (NKCC2)
Polyhydramnion, Polyurie, Hyperkalziurie, Nephrokalzinose
KCNJ1
Luminaler Kaliumkanal (ROMK)
Polyhydramnion, Polyurie, Hyperkalziurie, Nephrokalzinose
Antenatales Bartter-Syndrom mit Innenohrschwerhörigkeit
BSND
Barttin
Polyhydramnion, Polyurie, Hypochlorämie, Hypomagnesiämie, Innenohrschwerhörigkeit, chronisches Nierenversagen
X-chromosomales transientes antenatales Bartter-Syndrom
MAGED2
MAGE-D2Regulation der Ubiquitinierung
Polyhydramnion, Polyurie, Hyperkalziurie, evtl. NephrokalzinoseSistieren der Symptome nach einigen Wochen
Klassisches Bartter-Syndrom
CLCNKB
Basolateraler Cl-Kanal (ClC-Kb)
Hypochlorämie, leichte Hypomagnesiämie, Gedeihstörung
Gitelman-Syndrom
SLCl12A3
NaCl-Kotransporter (NCCT)
Hypomagnesiämie, Hypokalziurie, Tetanien
EAST-Syndrom
KCNJ10
Basolateraler Kaliumkanal (Kir4.1)
Hypomagnesämie, Hypokalziurie, EAST-Syndrom (Epilepsie, Ataxie, Innenohrschwerhörigkeit, Tubulopathie)

Antenatales Bartter-Syndrom

NKCC2-Defekt

Ursache ist ein Defekt des Natrium-Kalium-2Chlorid-Kotransporters (NKCC2), der laborchemisch den Effekt von Furosemid imitiert. Bereits präpartal zeigt sich ein ausgeprägtes Polyhydramnion, das fast immer zu einer Frühgeburtlichkeit führt (sog. antenatales Bartter-Syndrom). Postpartal sind die Kinder durch eine lebensbedrohliche Polyurie bedroht. Aufgrund der begleitenden Hyperkalziurie entwickeln fast alle Kinder innerhalb weniger Wochen eine Nephrokalzinose.

ROMK-Defekt

Ursächlich ist ein defekter apikaler Kaliumkanal (ROMK), durch den das resorbierte Kalium nicht zurück ins tubuläre Lumen zirkulieren kann, womit die Salzreabsorption im TAL zum Erliegen kommt (Abb. 2). Das klinische Bild entspricht folglich dem des NKCC2-Defekts mit dem Unterschied einer oft nicht diagnostizierten initialen passageren Hyperkaliämie.

Barttin-Defekt

Dieser Defekt stellt die schwerste dauerhafte Subform dar (transiente Form, siehe unten „MAGE-D2-Defekt“), da er klinisch einer Kombination aus antenatalem und klassischem Bartter-Syndrom entspricht. Verantwortlich hierfür ist ein defektes Protein namens Barttin. Dieses fungiert als Untereinheit der beiden Chloridkanäle ClC-Ka und ClC-Kb im dicken aufsteigenden Teil der Henle-Schleife und dem distalen Konvolut, sodass die Salzreabsorption in beiden Tubulusabschnitten zum Erliegen kommt. Laborchemisch findet sich neben einer hypokaliämischen metabolischen Alkalose eine Hypochlorämie, Hypomagnesiämie und Hyperkalziurie. Zusätzlich verursacht der Barttin-Defekt eine Innenohrschwerhörigkeit, die in den meisten Fällen an eine Taubheit grenzt. Häufiger als bei den anderen Subtypen entwickeln die Patienten ein chronisches Nierenversagen.

MAGE-D2-Defekt

Dieser X-chromosomal vererbte Defekt führt zwar zu einer schweren Verlaufsform eines antenatalen Bartter-Syndroms mit sehr frühem Auftreten eines schwersten Polyhydramnions (meist vor der 22. SSW) und in der Folge zu extremer Frühgeburtlichkeit. Auch der postnatal auftretende Salzverlust ist meist sehr stark ausgeprägt. Hierdurch erklärt sich eine im Vergleich zu den anderen Varianten erhöhte Mortalität der Erkrankung. Allerdings handelt es sich um einen transienten Phänotyp, die meisten überlebenden Patienten zeigen bereits am errechneten Geburtstermin kaum noch klinische Symptome. Die genaue Pathophysiologie dieser Erkrankung ist bislang unklar. Man nimmt an, dass MAGE-D2 während der Fetalzeit eine entscheidende Rolle für die Expression der tubulären Salzreabsorption hat, die im späteren Leben nicht mehr notwendig ist oder anderweitig kompensiert werden kann.

Klassisches Bartter-Syndrom

Diesem Typ liegt ein Defekt des renalen Chloridkanals ClC-Kb zugrunde, der basolateral den Austritt des apikal reabsorbierten Chlorids aus den Tubuluszellen des TAL und DCT ermöglicht. Da in diesen Tubulusabschnitten neben ClC-Kb mit ClC-Ka ein weiterer Chloridkanal exprimiert wird, erklärt sich ein im Vergleich zum antenatalen Bartter-Syndrom weniger ausgeprägter Phänotyp mit meist unauffälliger Neonatalperiode und Gedeihstörungen im Kleinkindalter (sog. klassisches Bartter-Syndrom). Laborchemisch zeigt sich eine teils ausgeprägte Hypochlorämie sowie ein für den distalen Tubulusabschnitt typischer Magnesiumverlust. Eine Nephrokalzinose tritt nur selten auf.

Gitelman-Syndrom

Ursache ist ein genetischer Defekt des Thiazid-sensiblen Natrium-Chlorid-Kotransporters (NCCT), der im distalen Konvolut den wesentlichen Transportmechanismus für die Salzreabsorption darstellt. Klinisch fallen die Patienten meist erst im Schulalter mit leichten unspezifischen Symptomen wie Muskelschwäche, allgemeiner Müdigkeit, Muskelkrämpfen und in manchen Fällen durch eine Wachstumsretardierung auf. Im weiteren Verlauf sind viele Patienten jedoch häufig stark in ihrer Lebensqualität eingeschränkt. Selten werden schwerwiegende Komplikationen wie eine hypokaliämische Rhabdomyolyse, Herzrhythmusstörungen, Krampfanfälle oder eine Chrondrokalzinose beobachtet. Laborchemisch sind eine Hypomagnesämie sowie eine Hypokalziurie charakteristisch.

EAST-Syndrom

EAST steht als Akronym für Epilepsie, Ataxie, Schwerhörigkeit und Tubulopathie.
Als Ursache dieses komplexen Krankheitsbildes konnte ein defekter Kaliumkanal (Kir4.1) identifiziert werden. An der Niere wird Kir4.1 im Bereich des distalen Konvoluts basolateral exprimiert (Abb. 2) und stellt gemeinsam mit der Natrium-Kalium-ATPase den gerichteten Salztransport in diesem Tubulusabschnitt sicher. Klinisch und laborchemisch entspricht die Tubulopathie dem Gitelman-Syndrom.
Diagnose und Therapie von Salzverlusttubulopathien
Bei Patienten mit Polyurie/Polyurie und Salzhunger sollte das Vorliegen einer hypokaliämischen metabolischen Alkalose an eine Salzverlusttubulopathie denken lassen. Eine Krankheitsmanifestation im frühen Neugeborenenalter sowie eine begleitende Hyperkalziurie mit Nephrokalzinose deuten darauf hin, dass der zugrunde liegende Defekt im Bereich des dicken aufsteigenden Teils der Henle-Schleife zu finden ist. Ein leichterer klinischer Verlauf, eine Hypomagnesiämie und das Fehlen einer Hyperkalziurie sind dagegen typisch für Tubulopathien, die das distale Konvolut betreffen. Eine exakte Diagnose kann meist nur molekulargenetisch getroffen werden. Alle Salzverlusttubulopathien gehen mit erhöhten Renin- und Aldosteronwerten einher. Erhöhte Prostaglandin-E2-Spiegel finden sich hingegen vor allem bei den verschiedenen Formen des antenatalen Bartter-Syndroms.
Therapeutisch steht die Substitution von Wasser und Elektrolyten im Vordergrund. Daneben hat sich bei den Varianten des antenatalen Bartter-Syndroms die pharmakologische Blockade der überschießenden Prostaglandin-E2-Produktion mit Indometacin (0,5–2,0 mg/kg KG/Tag) als effektive Therapie erwiesen. Auf die Gabe von kalziumsparenden Thiaziddiuretika sollte beim antenatalen Bartter-Syndrom verzichtet werden, da so physiologische Kompensationsmechanismen außer Kraft gesetzt und die Patienten durch weitere Wasser- und Salzverluste gefährdet werden.

Familiäre Hypomagnesiämie mit Hyperkalziurie und Nephrokalzinose

Definition
Die familiäre Hypomagnesiämie mit Hyperkalziurie und Nephrokalzinose (FHHNC) zählt zur Gruppe der Magnesiumverlusterkrankungen. Es handelt sich um eine autosomal-rezessiv vererbte Störung der parazellulären Elektrolytreabsorption im Bereich der Henle-Schleife (Abb. 2).
Ätiologie und Pathogenese
Ursächlich liegen der FHHNC Mutationen in zwei verschiedenen Genen (Claudin[CLDN]16 und Claudin[CLDN]19) zugrunde, die für Proteine kodieren, die an der Niere spezifisch in sog. tight junctions der Henle-Schleife exprimiert werden. Die Defekte führen zu Veränderungen der parazellulären Elektrolytreabsorption mit ausgeprägten Magnesium- und Kalziumverlusten.
Klinische Symptome
Typische Symptome bei Manifestation einer FHHNC sind Polyurie/Polydipsie und rezidivierende Harnwegsinfektionen. Laborchemisch bestehen eine Hypomagnesiämie und eine Hyperkalziurie. Im Verlauf der Erkrankung entwickelt sich bei allen Patienten eine medulläre Nephrokalzinose, auch Nierensteine kommen vor. Häufig kommt es zu einer progredienten Niereninsuffizienz, die bereits im Kindes- und Jugendalter eine Nierenersatztherapie erfordern kann. Ein Teil der Patienten zeigt zusätzlich schwere Augenveränderungen mit ausgeprägter Myopie, Nystagmus und/oder Makulakolobomen (nur bei CLDN19-Defekten).
Diagnose
Laborchemisch kann die klinische Diagnose weiter untermauert werden durch den Nachweis eines erhöhten Parathormons und einer Hyperurikämie, dies bereits vor Eintreten einer Niereninsuffizienz. Letztendlich wird die Diagnose molekulargenetisch gesichert.
Therapie
Die Therapie der FHHNC erfolgt rein symptomatisch. Neben einer Magnesiumsubstitution und zusätzlichem Flüssigkeitsangebot zielt sie auf die Vermeidung weiterer Harnwegsinfektionen und die Reduktion der Kalziumausscheidung mit Thiaziddiuretika.

Renal-tubuläre Azidose

Definition
Renal-tubuläre Azidosen (RTA) sind Störungen der renalen Säure-Basen-Regulation. Sie sind laborchemisch durch eine hyperchlorämische Azidose bei normaler Anionenlücke charakterisiert und können primär als hereditäre Störung oder sekundär im Rahmen von Stoffwechselleiden, Autoimmunerkrankungen oder Intoxikationen auftreten.
Ätiologie und Pathogenese
Gesunde Kinder produzieren täglich ca. 1–3 mmol/kg KG nichtflüchtige Säureäquivalente, die mithilfe der renalen Azidogenese ausgeschieden werden müssen. Zwei Mechanismen sind hierfür entscheidend: Die Rückresorption von filtriertem Bikarbonat, die zu 80–90 % im proximalen Tubulus erfolgt, sowie die Sekretion von H+-Ionen im Sammelrohr. Entsprechend werden 3 Formen der RTA unterschieden:
  • Proximale RTA (Typ 2): Störung der Bikarbonatresorption im proximalen Tubulus mit konsekutivem Abfall des Serumbikarbonats auf 12–15 mmol/l. Da die distale Ansäuerung des Urins noch funktioniert, kann der Urin-pH auf <5,5 gesenkt werden.
  • Distale RTA (Typ 1): Störung der H+-Sekretion im Sammelrohr, sodass der Urin-pH nicht unter 5,5 angesäuert werden kann. Die H+-Sekretion wird sowohl durch eine H+-ATPase als auch durch einen H+/K+-Austauscher generiert. Entsprechend kann die distale RTA mit und ohne Hypokaliämie auftreten. In der Kochlea hat dieselbe H+-ATPase entscheidende Bedeutung für den pH-Wert der Endolymphe. Eine distale RTA geht daher häufig mit einer Innenohrschwerhörigkeit einher.
  • Hyperkaliämische RTA (Typ 4): Ursache ist ein Aldosteronmangel oder eine Aldosteronresistenz mit der Folge einer verminderten Na+-Resorption und H+- sowie K+-Sekretion im Sammelrohr, was neben der RTA eine Hyperkaliämie hervorruft. Daneben existiert ein Mischtyp, der eine Kombination aus proximaler und distaler renal tubulärer Azidose darstellt (Typ 3).
Klinische Symptome
Die meisten Kinder fallen im 1. Lebensjahr mit Erbrechen, Gedeihstörungen, einer Polyurie und Exsikkose auf. Häufig kommt es zur raschen metabolischen Entgleisung im Rahmen gastrointestinaler Infektionen. Infolge der Azidose wird Kalzium aus den Knochen freigesetzt, was einerseits zu einer Hyperkalzämie mit dem Risiko einer Nephrokalzinose/Nephrolithiasis führt und andererseits in einer Wachstumsretardierung und rachitischen Knochenveränderungen resultieren kann. Bei der hyperkaliämischen Form (Typ 4) fehlt typischerweise die Nephrokalzinose. Hier steht der durch Salzverlust bedingte Volumenmangel im Vordergrund. Ein Großteil der Kinder mit distaler RTA entwickelt im Krankheitsverlauf eine Innenohrschwerhörigkeit.
Diagnose
Bei Vorliegen einer hyperchlorämischen Azidose mit normaler Anionenlücke (normal: [Na+ + K+]–[Cl + HCO3 ] = 8–13 mmol/l) muss eine RTA vermutet werden. Durch Bestimmung der Elektrolytkonzentrationen im Urin kann zwischen den einzelnen Formen unterschieden werden: Ein Anionenüberschuss im Urin (Cl > K+ + Na+) bedeutet, dass die Ammoniumkonzentration im Urin normal ist und die Azidose durch einen proximalen Bikarbonatverlust hervorgerufen wird (RTA Typ 2). Ein Kationenüberschuss im Urin (Cl < K+ + Na+) hingegen deutet auf eine ungenügende Ammoniogenese im Sammelrohr durch eine gestörte H+-Sekretion hin (RTA Typ 1). Auch durch zusätzliche Säurebelastung mit Ammoniumchlorid kann bei dieser Form der Urin-pH nicht auf <5,5 gesenkt werden. Die Fähigkeit der tubulären Urinansäuerung kann relativ einfach mittels eines Furosemidtests untersucht werden. Dieser Test hat die gleiche diagnostische Aussagekraft wie eine parenterale Säurebelastung, ist aber deutlich besser verträglich.
Urinansäurung mittels Furosemidtest
  • Grundlage: Der Urin-pH hängt u. a. vom Natriumangebot im distalen Tubulus ab. Ein erhöhtes Natriumangebot durch Blockade der Natriumresorption weiter proximal mittels Furosemid führt über den distalen Ionenaustausch zu einer Anreicherung von H+ im Urin und damit zu einem Abfall des Urin-pH.
  • Durchführung:
    1.
    Sicherstellen, dass keine Bikarbonatsubstitution erfolgt
     
    2.
    Kind ab 0:00 Uhr nüchtern lassen
     
    3.
    Ausgangswerte für Na, K, Kreatinin und pH im Urin sowie Na, K, Kreatinin und Bikarbonat im Serum
     
    4.
    Applikation von 1 mg/kg KG Furosemid p.o. (0,5 mg/kg KG i.v.)
     
    5.
    Bestimmung des Urin-pH alle 30 min für 3 h
     
    6.
    Nach 3 h Kontrolle des Serum-Na, -K, -Kreatinin und -Bikarbonats.
     
  • Beurteilung:
    • Sinkt der Urin-pH binnen 3 h unter 5,5, liegt eine normale Urin-Ansäuerung vor.
    • Wird kein Urin-pH < 5,5 erreicht, spricht dies für eine distale RTA.
Auch das Serumkalium kann Hinweise auf die zugrunde liegende RTA-Subform geben: Eine Hyperkaliämie ist für eine RTA Typ 4 typisch, erniedrigte Kaliumspiegel hingegen können auf das Vorliegen einer distalen RTA hindeuten.
Differenzialdiagnose
Bei Vorliegen einer Hyperkaliämie (Typ 4) mit zusätzlicher arterieller Hypertonie sollte differenzialdiagnostisch ein Gordon-Syndrom (Pseudohypoaldosteronismus Typ II) ausgeschlossen werden.
Therapie
Ziel der Behandlung ist eine Normalisierung des Serumbikarbonats (>20 mmol/l) sowie des Serumkaliums und der Hyperkalziurie. Hierzu muss eine orale Bikarbonatsubstitution möglichst gleichmäßig über den Tag verteilt erfolgen. Alternativ kann auch Zitrat (z. B. Kaliumzitrat), das in der Leber zu Bikarbonat verstoffwechselt wird, verabreicht werden. Bei der proximalen Form sind initial oft große Mengen Bikarbonat (5–15 mmol/kg KG/Tag) notwendig. Aufgrund einer spontanen Besserungstendenz kann die Substitution jedoch oftmals nach den ersten Lebensjahren reduziert oder sogar beendet werden. Dagegen sind bei der distalen Form geringere Substitutionsmengen (ca. 1–2 mmol/kg KG/Tag) notwendig, diese allerdings dauerhaft. Auch über die Pubertät hinaus sollte bei der distalen RTA die Bikarbonatsubstitution zur Reduktion des Nephrokalzinoserisikos und Vermeidung einer Niereninsuffizienz fortgesetzt werden. Bei Vorliegen rachitischer Knochenveränderungen ist zusätzlich eine Vitamin-D-Therapie indiziert. Die hyperkaliämische RTA erfordert vor allem eine Korrektur des renalen Salzverlusts sowie je nach Diagnose gegebenenfalls die Gabe eines synthetischen Mineralokortikoids (Fludrocortison 0,1–0,15 mg/Tag).

Pseudohypoaldosteronismus

Pseudohypoaldosteronismus Typ I

Definition
Dem Pseudohypoaldosteronismus (PHA) Typ I liegt ein fehlendes Ansprechen auf Aldosteron im Sinne einer Endorganresistenz zugrunde. Leitsymptome sind ein ausgeprägter Salzverlust mit Hyperkaliämie und metabolischer Azidose. Die leichtere, autosomal-dominant vererbte Form betrifft ausschließlich die Nieren (renale Form), während die autosomal-rezessiv vererbte Form durch Beteiligung multipler Organe (Kolon, Speicheldrüsen, Schweißdrüsen) klinisch schwerwiegender verläuft (generalisierte Form).
Ätiologie und Pathophysiologie
Der rein renalen Form liegt eine heterozygote Mutation im Mineralokortikoidrezeptor (MR) zugrunde. Die generalisierte Form ist hingegen auf Mutationen in der α-, β- oder γ-Untereinheit des epithelialen Natriumkanals (ENaC) zurückzuführen. In beiden Fällen resultiert eine verminderte Natriumresorption im Sammelrohr mit Salzverlust und erhöhten Serumspiegeln von Renin und Aldosteron (Pseudohypoaldosteronismus). Die gleichzeitig verminderte Sekretion von Kalium- und H+-Ionen bewirkt eine metabolische Azidose mit Hyperkaliämie (Abb. 3).
Klinische Symptome
Die Kinder fallen in den ersten Lebenswochen durch rezidivierendes Erbrechen, Exsikkose und mangelndes Gedeihen auf. Salzverlustkrisen im Rahmen von Infektionen können lebensbedrohlich verlaufen. Die Symptomatik ist bei der generalisierten Form ausgeprägter als bei der rein renalen.
Diagnose
Die Kombination eines renalen Salzverlusts mit hyperkaliämischer Azidose sollte an einen PHA Typ I denken lassen. Beweisend sind stark erhöhte Serumspiegel von Renin und Aldosteron sowie das fehlende Ansprechen auf Mineralokortikoidgabe. Die Diagnose kann molekulargenetisch durch Mutationsnachweis im Mineralokortikoidrezeptor (renale Form) oder in einer der 3 Untereinheiten des ENaC (generalisierte Form) gesichert werden. Insbesondere bei Geschwistern von Erkrankten sollte zur Vermeidung schwerwiegender Komplikationen direkt postpartal eine molekulargenetische Untersuchung erfolgen.
Therapie
Neugeborene müssen aufgrund des teils schwerwiegenden Salzverlusts in den ersten Lebenswochen intensiv in Bezug auf Serumnatrium, -kalium und Säure-Basen-Status überwacht werden. Die Therapie erfolgt durch orale Substitution von NaCl (3–8 mmol/kg KG/Tag). Das Ausmaß der Substitution wird an der Normalisierung der Hyperkaliämie und des Reninspiegels ausgerichtet. Die renale Form zeigt mit zunehmendem Alter eine spontane Besserung, sodass ab dem 4. Lebensjahr meist auf eine NaCl-Substitution verzichtet werden kann. Auch die generalisierte Form bessert sich im Verlauf. Ein völliger Verzicht der NaCl-Gaben ist jedoch meist nicht möglich.

Gordon-Syndrom/Pseudohypoaldosteronismus Typ II

Definition
Das Gordon-Syndrom zählt zu den seltenen erblichen Formen der arteriellen Hypertonie und wird durch eine überschießende Salzresorption im distalen Konvolut hervorgerufen. Autosomal-dominante, selten auch -rezessive Erbgänge sind beschrieben.
Ätiologie und Pathophysiologie:
Eine gestörte Regulation des durch Thiazid hemmbaren Natriumchlorid-Kotransporters (NCCT) bewirkt eine fast vollständige Resorption des intraluminalen Natriumchlorids. Hierdurch kommt es einerseits zu einer Salzüberladung des Blutes mit der Folge einer arteriellen Hypertonie, andererseits fehlt Natrium weiter distal im Sammelrohr als Triebkraft für die dort stattfindende Sekretion von K+ und H+ in den Urin. Es resultiert das Bild einer renal-tubulären Azidose mit Hyperkaliämie (Typ 4). Mutationen der den Salztransport regulierenden Kinasen Wnk1 und Wnk4 konnten als Ursache der überschießenden Funktion des NCCT identifiziert werden. Außerdem wurden Mutationen im sog. Actin-binding-protein-Kelch-like-3-Gen (KLHL3) beschrieben.
Klinische Symptome
In der frühen Kindheit entspricht das klinische Bild einer renal-tubulären Azidose mit Hyperkaliämie. Im Rahmen intestinaler Infektionen können Elektrolytentgleisungen mit Serumkaliumspiegeln über 8 mmol/l die Patienten vital gefährden. Charakteristisch ist daneben eine oft nur schwer einzustellende arterielle Hypertonie, die teilweise bereits im frühen Kindesalter, oft jedoch erst jenseits des 10. Lebensjahres hinzutritt und bei unzureichender Behandlung mit einem erheblichen kardiovaskulären Risiko behaftet ist.
Diagnose
Typisch ist eine hyperchlorämische Azidose mit Hyperkaliämie. Die Serumreninspiegel sind meist supprimiert, die Serumaldosteronspiegel jedoch normwertig (Pseudohypoaldosteronismus Typ II). Typisch ist ein transtubulärer Kaliumgradient (TTKG) >5. Eine Normalisierung der Laborwerte durch Thiazidgabe bestätigt die Diagnose.
Therapie
Die Therapie besteht in einer spezifischen Blockade des NCCT mit Thiaziddiuretika (Hydrochlorothiazid 1–2 mg/kg KG/Tag), was meist mit einer raschen Normalisierung der arteriellen Hypertonie sowie der Laborveränderungen beantwortet wird.

Liddle-Syndrom/Pseudohyperaldosteronismus

Definition
Das Liddle-Syndrom ist die häufigste monogen vererbte Form der arteriellen Hypertonie. Es zeichnet sich aus durch eine überschießende Natriumresorption im Sammelrohr mit begleitender hypokaliämischer Alkalose, ohne dass erhöhte Aldosteronspiegel vorliegen (Pseudohyperaldosteronismus). Die Vererbung erfolgt autosomal-dominant.
Ätiologie und Pathophysiologie
Mutationen in der β- und γ-Untereinheit des epithelialen Natriumkanals (ENaC) verhindern den Kanalabbau aus der luminalen Membran bei Nachlassen der Aldosteronwirkung und wirken so funktionssteigernd („gain of function mutations“).
Klinische Symptome
Es resultiert eine durch Salzüberladung bedingte arterielle Hypertonie. Gleichzeitig entsteht durch die kompensatorische Sekretion von Kalium- und H+-Ionen eine hypokaliämische Alkalose.
Diagnose
Typisch ist die Kombination einer verminderten fraktionellen Natriumexkretion (FeNa) mit begleitender hypokaliämischer Alkalose bei supprimierten Plasmarenin- und -aldosteronspiegeln. Die Diagnose wird durch den molekulargenetischen Mutationsnachweis gesichert.
Therapie
Die Therapie besteht in einer salzarmen Diät sowie einer spezifischen Blockade des ENaC durch Amilorid oder Triampteren. Die pharmakologische Blockade des Mineralokortikoidrezeptors mit Spironolakton zeigt hingegen keine Wirkung.

Diabetes insipidus renalis

Definition
Der Diabetes insipidus renalis ist eine seltene kongenitale Erkrankung, der eine Endorganresistenz gegenüber Vasopressin/antidiuretischem Hormon (ADH) zugrunde liegt. Klinisch äußert sich dies in einem fehlenden Konzentrationsvermögen der Niere mit hohem Flüssigkeitsverlust.
Ätiologie und Pathogenese
Abhängig von der Plasmaosmolarität führt die Freisetzung von Vasopressin aus dem Hypophysenhinterlappen zu einer Vasopressin-vermittelten Zunahme der Wasserrückresorption im Sammelrohr. Verantwortlich hierfür sind luminale Wasserkanäle, sog. Aquaporine. Die häufigere X-chromosomale Form des Diabetes insipidus renalis beruht auf einem genetischen Defekt des Vasopressin-V2-Rezeptor-Gens (AVPR2). Seltener liegen dem Krankheitsbild autosomal-rezessiv vererbte Mutationen im Aquaporin-2-Gen (AQP2) zugrunde.
Klinische Symptome
In der Säuglingszeit ist die Erkrankung durch die noch unreife Nierenfunktion maskiert. Betroffene Säuglinge fallen daher zunächst durch unspezifische Symptome wie erhöhte Irritabilität, schlechtes Gedeihen, Erbrechen, Exsikkose und Fieberschübe (Durstfieber) auf. Laborchemisch ist eine Hypernatriämie als Zeichen der hypertonen Dehydratation typisch. Erst mit Reifung der Nierenfunktion zeigt sich die klassische Symptomtrias einer ausgeprägten, tageszeitunabhängigen Polyurie, Polydipsie und Ausscheidung eines hypotonen Urins. Das Urinvolumen kann beim Jugendlichen dabei 10–20 l/Tag betragen. Häufig wird eine Einnässsymptomatik über das 6. Lebensjahr hinaus beobachtet. Infolge der anhaltenden Polyurie entwickeln manche Patienten eine Dilatation der ableitenden Harnwege bis hin zur Hydronephrose und Megazystis.
Diagnose
An erster Stelle steht die oft typische Anamnese. Eltern berichten über sehr häufiges Windelwechseln mit großen Urinmengen. Das Vorliegen laborchemischer Veränderungen hängt von der Flüssigkeitszufuhr ab. Bei ausgeglichenem Wasserhaushalt zeigen sich keine Veränderungen, mangelnde Flüssigkeitszufuhr führt dagegen zur Hypernatriämie, Hyperchlorämie und erhöhten Plasmaosmolarität (>310 mosmol/kg). Der Urin zeigt eine erniedrigte Osmolarität, ist ansonsten aber unauffällig. Die Plasma-Vasopressin-Konzentration ist bei Dehydratation stark erhöht, bei Euvolämie jedoch normwertig.
Beweisend für das Vorliegen eines renalen Diabetes insipidus ist ein pathologischer Durstversuch mit fehlendem Ansprechen im Desmopressinkurztest.
Praktische Durchführung von Durstversuch und Desmopressinkurztest
  • Durstversuch:
    • Kontinuierliche Überwachung während des Tests
    • Zu Testbeginn Blase entleeren
    • Ab Testbeginn keine Flüssigkeitszufuhr für maximal 7 h
    • Bestimmung von Körpergewicht, Urinmenge und -osmolarität alle 1–2 h
    • Zu testende Bestimmung von Osmolarität und Natriumspiegel in Urin und Serum
    • Beurteilung:
      • Anstieg der Urinosmolarität auf <800 mosmol (Kinder), <400–500 mosmol (Säuglinge): Diabetes insipidus
      • Urin-/Plasmaosmolarität <1,5: Diabetes insipidus
  • Desmopressinkurztest:
    • Im Anschluss an Durstversuch, wenn dieser keinen Anstieg der Urinosmolarität auf >800 mosmol (Kinder)/>400–500 mosmol (Säuglinge) zeigte
    • Intravenöse oder subkutane Desmopressingabe (Säuglinge: 1,0 μg, Kinder 2,0 μg)
    • Alternative Desmopressingabe intranasal (Säuglinge: 10 μg, Kinder: 20 μg)
    • Bestimmung Körpergewicht, Urinmenge und -osmolarität alle 1–2 h
    • Bestimmung von Osmolarität und Natriumspiegel in Urin und Serum nach 1 und 3 h
    • Beurteilung:
  • Abbruchkriterien:
    • Gewichtsabnahme >3 %, Fieber, Tachykardie, Blutdruckabfall, neurologische Symptome
Der Durstversuch sollte jedoch aufgrund der großen Exsikkosegefahr im Säuglingsalter gar nicht und später nur zeitlich auf maximal 7 Stunden begrenzt durchgeführt werden. Cave! Die Hydrierung nach erfolgreicher Testdurchführung muss langsam erfolgen, um die Gefahr eines Hirnödems zu vermeiden! Bei aufgrund der Familienanamnese dringendem Verdacht auf das Vorliegen eines X-chromosomalen Diabetes insipidus renalis kann auf diese belastende Diagnostik zugunsten einer molekulargenetischen Untersuchung verzichtet werden.
Der Vasopressin-V2-Rezeptor besitzt auch eine Bedeutung im Gerinnungssystem und bewirkt physiologischerweise einen Anstieg von Gewebsplasminogenaktivator (t-PA), Faktor VIII und Von-Willebrand-Faktor. Das Ausbleiben eines solchen Anstiegs nach Desmopressingabe kann als zusätzlicher Hinweis auf das Vorliegen eines Vasopressin-V2-Rezeptor-Defekts und zur Abgrenzung gegenüber einem Aquaporindefekt verwandt werden.
Differenzialdiagnose
Differenzialdiagnostisch müssen andere Ursachen einer Polyurie ausgeschlossen werden: Diabetes mellitus, Nephronophthise, chronische Niereninsuffizienz, Diuretika-Abusus, Salzverlusttubulopathien, obstruktive Uropathien, Nierendysplasie, Hyperkalzämie. Bei den genannten Erkrankungen ist meist noch eine gewisse Konzentrationsfähigkeit der Nieren erhalten. Der Ausschluss einer habituellen Polydipsie mit sekundärer Polyurie kann sich anamnestisch schwierig gestalten. Typischerweise ist die Polyurie dabei jedoch auf den Tag beschränkt und sistiert nachts.
Therapie
Kurzfristig ist insbesondere im Säuglingsalter eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr zur Vermeidung einer Exsikkose zu gewährleisten. Auf lange Sicht sollte zur Reduktion der Polyurie und Vermeidung einer hypertonen Dehydratation die Trinkmenge jedoch soweit wie möglich beschränkt werden. Durch salzarme (1 mmol/kg KG/Tag) und eiweißreduzierte Kost (2 g/kg KG/Tag) sinkt die osmotische Belastung der Nieren, wodurch der Flüssigkeitsverlust weiter gesenkt werden kann. Es muss jedoch darauf geachtet werden, dass insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern eine für das Wachstum ausreichende Eiweißversorgung sichergestellt ist.
Medikamentös vermögen Thiaziddiuretika (Hydrochlorothiazid 2 mg/kg KG/Tag) die Urinausscheidung effektiv zu senken. Diese paradoxe antidiuretische Wirkung beruht auf einer Reduktion der extrazellulären Natriumkonzentration mit kompensatorisch gesteigerter Salz- und Wasserresorption im proximalen Tubulus. Dem durch Hydrochlorothiazid verursachten Kaliumverlust kann durch zusätzliche Gabe kaliumsparender Diuretika (Amilorid) entgegengewirkt werden.
Prostaglandininhibitoren (Indomethazin 2 mg/kg KG/Tag) können den Urinfluss durch Drosselung der glomerulären Filtration senken. Indomethazin wirkt vor allem in Kombination mit Hydrochlorothiazid und sollte daher nicht als Monotherapie verabreicht werden. Unter Indomethazin muss die Nierenfunktion engmaschig kontrolliert werden.
Cave!
  • Im Gegensatz zu Nieren-gesunden Kindern mit hypertoner Dehydratation, sollten Kinder mit Diabetes insipidus keine physiologische Kochsalzlösung erhalten (mit Ausnahme Bolusgaben bei akutem hypovolämischem Schock). Als Rehydratationslösung empfiehlt sich „freies Wasser“ als 5-prozentige Glukoselösung. Die absolute Menge orientiert sich hierbei an der Diurese. Hintergrund hierfür ist, dass bei Kindern mit Diabetes insipidus die Wasserverluste weit über den Salzverlusten liegen. Bei Rehydratation mit isotonen Lösungen bestünde daher die Gefahr einer weiteren Zunahme der Hypernatriämie mit der Gefahr einer osmotischen Demyelinisierung.
  • Bolusgaben hypotoner Rehydratationslösungen müssen aber vermieden werden, da bei zu schneller Rehydrierung die Gefahr eines Hirnödems besteht.
  • Die Ausstellung eines Notfallausweises ist bei Patienten mit Diabetes insipidus dringend zu empfehlen.
Weiterführende Literatur
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