Die Mehrheit pyridoxinabhängiger Anfälle wird durch den Antiquitinmangel im Abbau der Aminosäure
Lysin verursacht (Abb.
1). Zerebral akkumulierendes Piperidein-6-Carboxylat (P6C) führt zu einer Inaktivierung von PLP und damit zu hyperphysiologischem Bedarf an Vitamin B
6. Typisch kommt es bereits neonatal zum Auftreten myoklonischer, aber auch tonisch-klonischer Anfälle mit statusartiger Häufung. Ein partielles Ansprechen auf Phenobarbital ist möglich. Circa 20 % der Patienten zeigen einen komplizierten Geburtsverlauf und verzögerte Adaptation, bei 30 % besteht eine Enzephalopathie mit schrillem Schreien und Schlaflosigkeit. Galliges Erbrechen und geblähtes Abdomen sowie
Hypoglykämie und Laktazidose können die initiale Diagnostik komplizieren. Das
EEG ist variabel mit diffuser Verlangsamung bis hin zum Burst-Suppression-Muster. Die MRT kann eine Megacisterna magna oder partielle
Agenesie des Corpus callosum zeigen. Selten sind Erstmanifestationen jenseits der Neonatalperiode bis hin zum Jugendalter beschrieben. Die Gabe von Pyridoxin, 30 mg/kg KG als Einzeldosis p.o. oder i.v., führt bei 85 % der Patienten zu einem prompten Sistieren der Anfälle. Zur Erkennung von sog. late respondern ist eine Testphase mit 30 mg/kg KG/Tag über 3 Tage empfohlen. Bei Erstapplikation sind schwere Apnoen möglich, eine simultane EEG-Ableitung ist nicht erforderlich. Mit Bestimmung des α-Aminoadipin-Semialdehyds (AASA) im
Urin sowie der
Pipecolinsäure im
Plasma stehen für den Antiquitinmangel zuverlässige Biomarker zur Verfügung. Ein diagnostischer Absetzversuch vor Eintreffen der Biomarker ist obsolet. Im Jahre 2008 wurden folinsäureabhängige Anfälle als allelisch erkannt und stellen somit keine eigene Entität mehr dar. In der Langzeittherapie sollten wegen der Gefahr einer peripheren Neuropathie Pyridoxindosen von 300 mg (bis max. 500 mg/Tag) nicht überschritten werden. Ein Add-on-Versuch mit Folinsäure, 3–5 mg/kg KG/Tag erscheint bei instabiler Anfallssituation, gerade bei Neugeborenen unter Vitamin-B
6-Monotherapie indiziert. 90 % aller Patienten sind unter Pyridoxinmonotherapie anhaltend anfallsfrei, lediglich 25 % zeigen jedoch eine kognitiv unauffällige Entwicklung. Der Effekt einer add-on lysinreduzierten Diät ab dem Säuglingsalter und/oder einer hochdosierten Arginintherapie zur kompetitiven Hemmung des Lysintransportes über die Blut-Hirnschranke ist Gegenstand aktueller Studien. In nachfolgenden Schwangerschaften kann die Einnahme von Pyridoxin, 100 mg/Tag p.o., im Sinne einer intrauterinen Behandlung evtl. das Outcome betroffener Kinder verbessern.