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Angeborene Schilddrüsenerkrankungen bei Neugeborenen und Kleinkindern

Verfasst von: Heiko Krude und Annette Grüters-Kieslich
Angeborene Schilddrüsenfunktionsstörungen führen unbehandelt zu erheblichen Entwicklungsdefekten der betroffenen Neugeborenen. Neben der häufigen angeborenen Hypothyreose, die unbehandelt zu einem Kretinismus führt, können auch die selteneren angeborenen Hyperthyreosen unbehandelt zu kognitiven und somatischen Defekten der Kinder führen, z. B. einer Kraniosynostose. Eine angeborene Hypothyreose kann bei sehr schwerem Jodmangel auftreten. Diese Form der Hypothyreose, der endemische Kretinismus, ist nach Einführung der Jodsupplementationsprogramme der WHO sehr selten. Genetisch vererbte und familiär gehäuft auftretende Formen der angeborenen Hypothyreose treten durch autosomal-rezessiv vererbte Synthesedefekte der Schilddrüsenhormone auf. Die häufigste Variante ist die Schilddrüsendysgenesie, sie tritt mit einer Athyreose, Ektopie oder Hypoplasie auf. Die Ursache der Dysgenesien ist in den allermeisten Fällen noch immer unbekannt. Neben den primären Formen der Hypothyreose, die mit einem Defekt der Schilddrüse selbst einhergehen, sind wenige Kinder von einer sekundären/zentralen Hypothyreose betroffen. Hierbei handelt es sich um Neugeborene, die durch eine fehlende Stimulation der Schilddrüse durch einen Mangel an TSH eine z. T. auch schwere Hypothyreose aufweisen können. Die angeborene Hyperthyreose ist dagegen extrem selten. Dies gilt sowohl für die autoimmun bedingten Fälle bei Morbus Basedow der Mutter als auch für die genetisch bedingten Fälle mit aktivierender Mutation des TSH-Rezeptors. Die Diagnose sollte ebenso wie bei der Hypothyreose rasch gestellt werden, da die unbehandelte Hyperthyreose ebenfalls die Entwicklung der Kinder gefährdet. Neben den hypo- und hyperthyreoten Defekten finden sich seltene, z. T. sehr komplexe Erkrankungen, die aus angeborenen Störungen des Schilddrüsentransports und der Schilddrüsenhormonwirkung resultieren und zusammen als „Schilddrüsenhormonresistenzen“ zusammengefasst werden. Das folgende Kapitel beschreibt den heutigen Stand des Wissens zu diesen angeborenen Störungen der Schilddrüsenhormonbildung und -wirkung.
Angeborene Schilddrüsenfunktionsstörungen führen unbehandelt zu erheblichen Entwicklungsdefekten der betroffenen Neugeborenen. Neben der häufigen angeborenen Hypothyreose (1 von 3500 Neugeborenen), die unbehandelt zu einem Kretinismus führt, können auch die selteneren angeborenen Hyperthyreosen unbehandelt zu kognitiven und somatischen Defekten der Kinder führen, z. B. einer Kraniosynostose.
Eine angeborene Hypothyreose kann bei sehr schwerem Jodmangel auftreten. Diese Form der Hypothyreose, die dann als endemischer Kretinismus bezeichnet wird, ist nach Einführung der Jodsupplementationsprogramme der WHO sehr selten und tritt nur noch in den Jodmangelgebieten Zentralafrikas oder im Himalaja auf. Genetisch vererbte und familiär gehäuft auftretende Formen der angeborenen Hypothyreose treten durch autosomal-rezessiv vererbte Synthesedefekte der Schilddrüsenhormone auf. Die häufigste Variante der angeborenen Hypothyreose, die Schilddrüsendysgenesie, findet sich bei ca. 90 % der betroffenen Kinder und tritt mit einer Athyreose, Ektopie oder Hypoplasie auf. Die Ursache der Dysgenesien ist in den allermeisten Fällen noch immer unbekannt.
Die Einführung des Neugeborenenscreenings hat zu neuen Möglichkeiten der frühen Diagnostik und Therapie der angeborenen Hypothyreose geführt. Nachdem bereits Ende des 19. Jahrhunderts erste Therapieerfolge mit Schilddrüsenextrakt dokumentiert wurden, können heute Neugeborene mit einer angeborenen Hypothyreose bei früher Diagnose in den ersten Lebenstagen und adäquater Therapie ein normales Leben führen.
Neben den primären Formen der Hypothyreose, die mit einem Defekt der Schilddrüse selbst einhergehen, sind wenige Kinder (1:25.000) von einer sekundären bzw. zentralen Hypothyreose betroffen. Hierbei handelt es sich um Neugeborene, die durch eine fehlende Stimulation der Schilddrüse durch einen Mangel an thyreoideastimulierndem Hormon (TSH) eine zum Teil auch schwere Hypothyreose aufweisen können. Die Diagnose der zentralen angeborenen Hypothyreose wird in den meisten Screeningprogrammen, die auf dem Nachweis eines erhöhten TSH basieren, nicht erkannt und es bedarf weiterhin einer klinischen Diagnose, um eine frühzeitige Therapie auch dieser Kinder zu gewährleisten.
Im Gegensatz zur angeborenen Hypothyreose ist die angeborene Hyperthyreose extrem selten. Dies gilt sowohl für die autoimmun bedingten Fälle bei einem Morbus Basedow der Mutter als auch für die genetisch bedingten Fälle mit aktivierender Mutation des TSH-Rezeptors. Leitsymptome der neonatalen Hyperthyreose sind Tachykardie, Schreckhaftigkeit und fehlende Gewichtszunahme. Die Diagnose sollte ebenso wie bei der Hypothyreose rasch gestellt werden, da die unbehandelte Hyperthyreose ebenfalls die Entwicklung der Kinder gefährdet. Die Behandlung erfolgt mit Thyreostatika, mit denen sehr effizient eine euthyreote Stoffwechsellage erreicht werden kann.
Neben den hypo- und hyperthyreoten Defekten finden sich seltene, zum Teil sehr komplexe Erkrankungen, die aus angeborenen Störungen des Schilddrüsentransports und der Schilddrüsenhormonwirkung resultieren und zusammen als „Schilddrüsenhormonresistenzen“ zusammengefasst werden.
Das folgende Kapitel beschreibt den heutigen Stand des Wissens zu diesen angeborenen Störungen der Schilddrüsenhormonbildung und -wirkung.

Angeborene Hypothyreose

Ursachen einer angeborenen primären Hypothyreose

Störungen der Schilddrüsenentwicklung

Eine gestörte Schilddrüsenentwicklung ist die häufigste Ursache einer angeborenen Hypothyreose (Grüters und Krude 2011). Die Schilddrüsendysgenesien, die mit einem kompletten Fehlen von Schilddrüsengewebe, einer Fehlposition im Rachenbereich im Sinne einer Ektopie oder als Hypoplasie auftreten können, legen eine Störung der frühen Embryonalentwicklung der Schilddrüse nahe. Bei 2/3 der Kinder ist funktionierendes Restgewebe vorhanden, sodass hinsichtlich der Schwere der Hypothyreose ein breites Spektrum besteht. Ein subnormaler oder deutlich messbarer Spiegel an Schilddrüsenhormon legt die Anwesenheit von funktionierendem Restgewebe nahe. Ebenso weist ein messbarer Thyreoglobulinspiegel auf Schilddrüsengewebe hin. Als eine Variante der Schilddrüsendysgenesie ist das Fehlen eines Schilddrüsenlappens – als „Hemiagenesie“ bezeichnet – anzusehen. Hierbei können die betroffenen Kinder meist ausreichend Schilddrüsenhormon produzieren; ggf. stellt sich aber bei dem erhöhten Bedarf in der Pubertät eine Hypothyreose ein.
Eine Entwicklungsstörung der Schilddrüse tritt in der Regel sporadisch und bei Mädchen häufiger als bei Jungen (2:1) auf. Die Ursache ist ungeklärt. In seltenen Fällen ist die Entwicklungsstörung der Schilddrüse genetisch bedingt und auf Mutationen in Transkriptionsfaktoren der frühen Schilddrüsenembryogenese (TTF-1- [NKX2.1-], TTF-2- [FOXE1-] oder PAX8-Gen) zurückzuführen (Nilsson und Fagman 2013). Kinder dieser Erkrankungsgruppe zeigen neben der Schilddrüsendysgenesie assoziierte Fehlbildungen bzw. Symptome, da die Transkriptionsfaktoren jeweils Funktionen auch in der Entwicklung anderer Organe haben. So sind Kinder mit einem NKX2.1-Gendefekt von einer Bewegungsstörung im Sinne einer Choreoathetose betroffen, Kinder mit einem FOXE1-Defekt haben eine Gaumenspalte und eine schwere Retardierung trotz L-Thyroxin(LT4-)Therapie und Neugeborene mit einer PAX8-Mutation können assoziierte Nierenfehlbildungen aufweisen (Abb. 1).
Insgesamt findet sich bei Kindern mit Schilddrüsendysgenesie eine höhere Prävalenz von Fehlbildungen des Herzens und der großen Gefäße, ohne dass bisher ein eindeutiger kausaler Zusammenhang zu einem Transkriptionsfaktordefekt, der diese Assoziation erklären würde, gezeigt werden konnte. Eine assoziierte Innenohrstörung tritt eher bei den Synthesedefekten auf. Hierbei findet sich bei dem sog. Pendred-Syndrom ein Defekt in einem Jodtransportprotein, das neben der Schilddrüse auch für die Produktion der Endolymphe des Innenohres eine Rolle spielt (s. unten). Prinzipiell kann eine Hörstörung auch als Folge der – unbehandelten – Hypothyreose selbst auftreten, sodass vor der Einführung der frühen Therapie durch das Neugeborenenscreening viele Patienten eine Hörstörung aufwiesen.
Neben den Transkriptionsfaktordefekten können auch autosomal-rezessive Störungen der TSH-Funktion im Sinne von kompletten TSH-Rezeptor-Defekten zu einer Dysgenesie mit hochgradiger Hypoplasie der Schilddrüse führen. Eine erst kürzlich beschriebene Variante einer TSH-Wirkungsstörung ist der Defekt des GLIS3-Faktors, der in der TSH-Rezeptor-Signalwirkung eine wichtige Rolle spielt. Kinder mit einer heterozygoten GLIS3-Mutation können sehr unterschiedlich ausgeprägte Schilddrüsenfunktionsstörungen bis zur Dysgenesie aufweisen; daneben findet sich oft ein angeborener Diabetes mellitus, da das GLIS3 ebenfalls eine Rolle in der Pankreasfunktion hat (Dimitri 2017).
Die bis hierher genannten genetischen Defekte sind selten. Bei über 90 % der Kinder mit Schilddrüsendysgenesie kann nach wie vor kein molekularer Defekt nachgewiesen werden. Im Bemühen, ein pathogenetisches Konzept der Dysgenesie zu entwickeln, konnten bisher keine Hinweise für eine exogene Störung, z. B. eine besondere Medikamenteneinnahme der Schwangeren, geografische oder lebensstilassoziierte Faktoren gefunden werden. Bemerkenswert ist eine fast vollständige Diskordanz der Dysgenesie bei eineiigen Zwillingen (Perry et al. 2002), was gegen einen Umwelteinfluss und gegen eine klassische genetische Störung spricht und eher einen – bisher nicht beschriebenen – epigenetischen Defekt nahelegt.

Defekte der Schilddrüsenhormonbiosynthese

Eine gestörte Funktion bei normal entwickelter Schilddrüse haben 15–20 % der Neugeborenen mit angeborener Hypothyreose. Die klinische Manifestation zeigt ein häufigeres familiäres Auftreten, was für eine klassisch vererbte genetische Störung spricht. Diese Defekte haben die Tendenz zur Entwicklung einer Struma. Diese kann sich bereits intrauterin oder postnatal entwickeln und im Verlauf Ausdruck einer schlechten Compliance sein (Targovnik et al. 2017) (Abb. 2). Das Kap. „Schilddrüse: Biochemische und physiologische“ Grundlagen gibt einen Überblick über die Synthesewege der Tetrajodthyronin(T4)-Synthese.
Jodtransportstörungen
Die Schilddrüse ist in der Lage, Jod gegen einen Konzentrationsgradienten zu akkumulieren. Hierfür bedarf es eines intakten Natrium-Jod-Symporters (NIS bzw. SLC5A5-Gen), der Jodid aus dem Extrazellularraum in die Thyreozyten transportiert. Bei einer inaktivierenden NIS-Genmutation resultiert eine angeborene Hypothyreose mit einer Jodaufnahmestörung. Die meisten Patienten haben eine Struma und eine fehlende Jodaufnahme im Szintigramm.
Ein weiteres Jodtransportprotein, das den Weitertransport des Jodids in das Schilddrüsenfollikellumen vermittelt, ist das SLC26A4-Gen, das auch Pendrin genannt wird, da ein Defekt des SLC26A4-Transporters zum sog. Pendred-Syndrom führt. Mit diesem Begriff werden Fälle von familiärer Struma und angeborener Innenohrschwerhörigkeit beschrieben, die autosomal-rezessiv vererbt werden. Die Häufigkeit beträgt 1,5–3 Fälle auf 100.000 Kinder. Ein Drittel der Patienten weist das Vollbild auf, die übrigen entweder eine isolierte Schwerhörigkeit oder eine Struma. Die Assoziation der Schilddrüsensynthesestörung mit der Innenohrschwerhörigkeit ergibt sich aus der gleichzeitigen Funktion des SLC26A4-Gens für die Ionenzusammensetzung der chochleären Endolymphe.
Störungen der Organifikation (Jodinierung)
Der erste Mutationsnachweis bei Patienten mit einer angeborenen Hypothyreose gelang für Proteine der Jodinierung, 1991 für eine Mutation des Thyreoglobulins (Tg) und 1992 für die Peroxidase (TPO). Thyreoglobulin ist ein sehr großes Protein, von einem Gen mit über 50 Exons kodiert, und essenzielles Substrat für die Organifikation des Jodids, das exklusiv im Schilddrüsenfollikel vorhanden ist. Die bisher diagnostizierte Häufigkeit der Thyreoglobulinsynthesedefekte ist eher gering, was ggf. auf die sehr aufwendige Untersuchung des großen Gens zurückzuführen ist; die jetzt verfügbare Next-Generation-Sequencing(NGS)-basierte Panelsequenzierung scheint eine höhere Prävalenz zu ergeben. Mittlerweile sind mehrere Hundert Patienten mit Peroxidasedefekt beschrieben worden. Zwei weitere Gene sind an der Organifikation beteiligt, die für NADPH-Oxidasen kodieren (THOX1 und THOX2). Inaktivierende Mutationen von THOX2 (DUOX) wurden bei Patienten mit einer transienten und permanenten angeborenen Hypothyreose diagnostiziert.
Im weiteren Sinne zählen auch Defekte der Jodwiederverwertung bei einem Dehalogenase(DEHAL)-Mangel zu Synthesestörungen bei angeborener Hypothyreose. Ein Mangel an DEHAL kann eine angeborene Hypothyreose mit Struma verursachen. Dass Unvermögen, Monojodtyrosin (MIT) und Dijodtyrosin (DIT) zu dejodinieren, führt zu einem Jodmangel, da jodhaltiges MIT und DIT mit dem Urin ausgeschieden werden. Die ursprünglich beschriebenen Patienten hatten eine schwere angeborene Hypothyreose mit Struma. Eine geringere Symptomatik kann durch eine relative hohe Jodzufuhr begründet sein.

Ursachen einer angeborenen sekundären/zentralen Hypothyreose

Eine angeborene zentrale bzw. sekundäre Hypothyreose aufgrund eines Mangels an Thyreotropin-Releasing-Hormon(TRH)/TSH ist mit 1:20.000 bis 1:30.000 Neugeborenen seltener als die primäre Hypothyreose (Schoenmakers et al. 2015). Da die meisten Screeningprogramme auf der Messung eines erhöhten TSH beruhen, wird die Diagnose nicht durch das Screening gestellt. Nur Programme, die auf einer initialen Messung von T4 und/oder T4/Thyroxin bindendem Globulin (TBG) beruhen – wie zurzeit nur in Holland etabliert –, sind in der Lage, zentrale Hypothyreosen zu erfassen.

Hypophysenentwicklungsstörung

Die häufigere Ursache ist eine hypothalamisch/hypophysäre Entwicklungsstörung. Hierbei können verschiedene Transkriptionsfaktordefekte eine Hypophysenstörung mit zentraler Hypothyreose verursachen (SHH, ZIC2, SIX3, HESX1,Gli3, LHX3, LHX4, PROP1 und PIT1) (Kap. „Hypothalamus und Hypophyse: Anatomie, Physiologie und Erkrankungen“).

TRH-Mangel

Bisher wurde eine Familie mit compound-heterozygoten Loss-of-function-Mutationen des TRH-Rezeptorgens und schwerer angeborener Hypothyreose und mentaler Retardierung beschrieben. Prinzipiell könnte eine tertiäre angeborene Hypothyreose auch durch einen TRH-Mangel selbst verursacht sein; bisher wurde ein solcher Defekt beim Menschen allerdings noch nicht beschrieben. Die TRH-defiziente Maus weist eine milde zentrale Hypothyreose auf.
Vor Kurzem wurde ein neues Krankheitsbild mit zentraler angeborener Hypothyreose beschrieben, bei dem das IGSF1-Gen einen Funktionsverlust aufweist. Hierbei handelt es sich um einen hypothalamischen Faktor, der die TRH-Rezeptorexpression reguliert. Interessanterweise findet man bei den betroffenen Jungen – das Krankheitsbild ist X-chromosomal vererbt – einen Makroorchismus, der durch eine weitere Funktion des IGSF1 in der Activin- und Transforming-growth-factor(TGFβ)-Funktion erklärt wird.

TSH-Mangel

Ein isolierter TSH-Mangel resultiert bei Mutation des TSH-β-Gens und ist sehr selten. T4- und TSH-Serumkonzentrationen sind erniedrigt, während die übrigen hypophysären Funktionen unbeeinträchtigt sind. Die häufigste Mutation (eine 1-bp-Deletion im Codon 105 [C105V]) wurde in unterschiedlichen Populationen gefunden. Die Therapie dieser Kinder ist analog der Therapie bei primärer Hypothyreose, basiert aber in den meisten Screeningprogrammen auf der frühen klinischen Diagnose der zum Teil sehr schwer betroffenen hypothyreoten Kinder.

Diagnostik der angeborenen Hypothyreose

Das Neugeborenenscreening ist eine Routinemaßnahme industrialisierter Länder und wird in der Regel in getrockneten Vollblutproben durchgeführt. Die meisten Screeningprogramme evaluieren die Konzentration des TSH, da es der zuverlässigste Parameter zum Nachweis einer Hypothyreose ist. Der Grenzwert, der auf eine Hypothyreose hinweisend ist, beträgt je nach angewandter Bestimmungsmethode 15–25 mU/l (15–25 μU/ml). Der bevorzugte Zeitpunkt der Probenentnahme ist der 3.–4. Tag nach der Geburt. Eine frühere Blutentnahme, besonders in den ersten 24 h, hat den Nachteil einer hohen Prävalenz falsch-positiver Befunde erhöhter TSH-Werte. Daher haben einige Programme für die ersten 24 Lebensstunden höhere Grenzwerte für eine Kontrolluntersuchung eingeführt (Grüters und Krude 2011).
In allen Programmen konnte gezeigt werden, dass eine geringe Anzahl Neugeborener mit angeborener Hypothyreose nicht erfasst wird. Meistens handelt es sich um logistische Probleme bei der Entnahme oder dem Probenversand, Fehler in der Labordiagnostik sind selten. Daher sollte jeder klinische Verdacht auch bei erfolgtem und vermeintlich negativem Screening immer zu einer weiterführenden Diagnostik führen.
Diagnostik bei Neugeborenen mit auffälligem Screeningergebnis
Ein auffälliges Screeningergebnis erfordert die umgehende Untersuchung des Neugeborenen im Sinne einer sog. Bestätigungsdiagnostik mit einer ausführlichen Anamnese, einer eingehenden Untersuchung, einer Labordiagnostik sowie einer Ultraschalluntersuchung der Schilddrüse (Grüters und Krude 2011). Die Anamnese einer mütterlichen Autoimmunthyreoiditis sollte eine Bestimmung der Schilddrüsenantikörper initiieren. Eine Familienanamnese bezüglich einer angeborenen Hypothyreose ist hinweisend auf einen der seltenen vererbten Biosynthese- oder Transkriptionsfaktordefekte.
Die körperliche Untersuchung kann den Nachweis von subtilen Symptomen der Hypothyreose erbringen, wie einer offenen kleinen Fontanelle (>1 cm), eines verlängerten Ikterus (>7 Tage), einer vergrößerten Zunge, einer Nabelhernie oder einer Struma. Obwohl weniger als 5 % der Neugeborenen aufgrund von Symptomen bereits vor Erhalt des Screeningergebnisses einen Verdacht auf eine angeborene Hypothyreose hervorrufen, weisen 15–20 % der Neugeborenen mit Hypothyreose bei eingehender Untersuchung Symptome auf. Zusätzlich sollte besonders auf assoziierte Fehlbildungen geachtet werden, die mit der angeborenen Hypothyreose auftreten, wie ein Herzfehler und eine Gaumenspalte.
Die Diagnose wird durch ein erniedrigtes T4 (fT4) und erhöhtes TSH im Serum gesichert. Bei Neugeborenen in einem Alter von 2–4 Wochen ist ein T4-Spiegel unter 84 nmol/l (6,5 μg/dl) hinweisend auf eine Hypothyreose. Allerdings sind Test- und altersspezifische Normbereiche zugrundezulegen. Es weisen 90 % der Kinder mit gesicherter Hypothyreose einen TSH-Spiegel >50 mU/l und 75 % einen T4-Spiegel <84 nmol/l (6,5 μg/dl) auf. Bei Kindern mit mäßigen TSH-Erhöhungen (10–30 mU/l) sind meistens wiederholte Untersuchungen bis zur Diagnosesicherung notwendig. Hierbei sollten ein ansteigender TSH-Wert und ggf. abfallende T4-Werte zur Behandlungsindikation führen. Bei konstanten TSH-Werten mit einem normalen T4 kann noch abgewartet werden. Ein TRH-Test ist nicht indiziert.
Bei allen Kindern mit gesicherter Hypothyreose sollte eine Ultraschalluntersuchung der Schilddrüse durchgeführt werden. Ein Szintigramm ist in der Regel nicht erforderlich. Die Ultraschalluntersuchung ist nur teilweise in der Lage, ektopes Gewebe, z. B. am Zungengrund, nachzuweisen, kann aber in jedem Fall hypoplastische Schilddrüsen bzw. das komplette Fehlen von normalem Schilddrüsengewebe darstellen. Jedoch muss bei nachweisbaren Schilddrüsenhormon- oder Tg-Spiegeln und fehlender Darstellung im Ultraschall rückgeschlossen werden, dass Schilddüsengewebe in ektoper Lokalisation vorhanden ist.
Bei nachgewiesener Hypothyreose mit normal vorhandener Schilddrüse sollte im weiteren Verlauf die genetische Ursache einer Synthesestörung abgeklärt werden, da sich hieraus Vorhersagen für ein Wiederholungsrisiko ergeben. Als häufigster Defekt findet sich hierbei eine Mutation des Peroxidasegens. Allerdings ist die Diagnostik der bekannten Kandidatengene aufgrund der zahlreichen Exons sehr aufwendig. Aktuell werden zur Vereinfachung der genetischen Diagnostik der angeborenen Hypothyreose neue Sequenziertechniken im Sinne einer Panelsequenzierung etabliert, die in naher Zukunft zur Verfügung stehen werden.
Bei dem Nachweis einer Schilddrüsendysgenesie finden sich in der großen Mehrzahl der Patienten keine genetischen Veränderungen. Allerdings sollte eine frühzeitige Diagnose einer Transkriptionsfaktormutation, die mit einer syndromalen Form der Hypothyreose einhergeht, angestrebt werden. Hierbei wird die genetische Diagnostik durch den klinischen Befund geleitet, da eine Muskelhypotonie in den ersten Lebenswochen auf eine NKX2.1-Genmutation und eine assoziierte Gaumenspalte auf eine FOXE1-Mutation hinweist.
Die Diagnostik der primären Hypothyreose ist in Leitlinien evidenzbasiert beschrieben (Léger et al. 2014); eine Darstellung des Diagnostikalgorithmus findet sich in Abb. 3.
Differenzialdiagnose: Angeborene Hypothyreose versus Hyperthyreotropinämie
Eine Hyperthyreotropinämie ist durch eine isolierte TSH-Erhöhung mit normalen T4- und Trijodthyronon(T3)-Werten definiert. Gründe sind leichte TSH-Rezeptor-Defekte, die durch eine gesteigerte TSH-Sekretion kompensiert werden, milde Biosynthesedefekte, definierte Syndrome (z. B. Trisomie 21, Williams-Beuren-Syndrom, beide treten häufiger mit einer transienten TSH-Erhöhung auf) oder gering ausgeprägte Entwicklungsdefekte der Schilddrüse, z. B. eine Hemithyroiedea. In der Regel werden diese Kinder bei normalen peripheren Schilddüsenhormonspiegeln beobachtet, nachdem eine primäre Hypothyreose bei dem Nachweis von normalen T3- und T4-Werten und stabil erhöhten, nicht ansteigenden TSH-Werten ausgeschlossen worden ist. Letztendlich besteht in dieser Gruppe an Kindern mit isoliert erhöhtem TSH-Wert ein fließender Übergang von leichten, kompensierten pathologischen Varianten der Schilddrüsenfunktion zu den 3 % Normalvarianten des individuellen TSH, die sich alleine aus der Definition der Laborwertnormalbereiche ergeben, die keine pathologische Grundlage haben. Die Absenkung der Screening-Grenzwerte für TSH, wie sie von einigen Programmen propagiert wird, hat zu einer deutlichen Steigerung der Hyperthyreotropinämie-Nachweise im Neugeborenenscreening geführt. Es besteht kein evidenzbasierter Konsens, ab welchem TSH-Wert eine Behandlung mit LT4 bei Neugeborenen indiziert ist (Krude und Blankenstein 2011). Bisher verfügbare Daten zur Korrelation von Hyperthyreotropinämien und der späteren kognitiven Entwicklung sind durch die Assoziation von erhöhten TSH-Werten bei z. B. Trisomie 21 und Williams-Beuren Syndrom, die per se eine Retardierung bedingen, schwer zu bewerten. Die aktuellen europäischen Empfehlungen zur Behandlung der angeborenen Hypothyreose sehen eine Indikation ab einem TSH-Wert von mehr als 20 mU/l vor, ohne dass dies evidenzbasiert ist (Léger et al. 2014).

Diagnostik der zentralen Hypothyreose

Da das in Deutschland etablierte Neugeborenenscreening mit Nachweis eines erhöhten TSH-Werts keine Diagnose der zentralen Hypothyreose erlaubt, müssen die betroffenen Kinder aufgrund der klinischen Symptomatik diagnostiziert werden. Hierbei sind vor allem die Kinder mit isoliert auftretender Hypothyreose bei den seltenen TSH-β-Defekten alleine durch die im Neugeborenenalter oft dezent ausgeprägten Symptome der Hypothyreose zu diagnostizieren. Deshalb muss bei jedem Verdacht auf das Vorliegen einer angeborenen Hypothyreose – z. B. bei einem Ikterus prolongatus, einer offenen kleinen Fontanelle, einer Trinkschwäche und einer Nabelhernie – auch bei negativem (niedrigem) TSH-Screeningbefund eine Bestimmung des Serum-T4 und -T3 erfolgen.
Die kombinierten hypophysären Störungen mit zentraler Hypothyreose fallen ggf. durch weitere Symptome der anderen betroffenen Achsen – z. B. Hypoglykämie bei Wachstumshormonmangel oder ACTH-Mangel oder Diabetes insipidus bei ADH-Mangel – auf. In jedem Fall sollte der Nachweis einer angeborenen hypophysären Defizienz zur weiteren Diagnostik der kompletten Hypophysenfunktion und zu einem cMRT führen, um kombinierte Defekte zu erkennen.

Therapie der angeborenen Hypothyreose

Die Behandlung der angeborenen Hypothyreose ist eine sehr erfreuliche Erfolgsgeschichte der Pädiatrie. Waren die unbehandelten Kinder im 19. Jahrhundert noch in ihrer somatischen und kognitiven Entwicklung extrem eingeschränkt, können die Kinder heute ein normales Leben führen. Hierfür war zunächst der Beginn mit der Behandlung mit Schilddrüsenextrakt ein wesentlicher Meilenstein, da so bereits sehr früh eine adäquate Substitution mit dem im Extrakt enthaltenen Schilddrüsenhormon möglich wurde. Später, Mitte des 20. Jahrhunderts wurde dann die Behandlung mit synthetischem T4 möglich und mit Einführung des Neugeborenenscreenings konnte auch die Behandlung so früh initiiert werden, dass eine normale kognitive Entwicklung gelingt.
Eine Vielzahl von retrospektiven Studien konnte zeigen, dass ein Behandlungsbeginn innerhalb der ersten 2 Lebenswochen, eine ausreichend hohe Dosierung des LT4 und eine häufige Frequenz von Kontrolluntersuchungen der Therapie jeweils signifikante Faktoren für das Outcome der Patienten darstellen. Die Behandlung sollte entsprechend der internationalen Leitlinien erfolgen (Léger et al. 2014).
Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die initiale Bestätigungsdiagnostik möglichst in einem Tag abgeschlossen sein sollte, sodass der Beginn einer Behandlung durch die Diagnostik nicht verzögert wird. Das Ziel muss eine frühe und adäquate Therapie sein.
Die bevorzugte Therapie erfolgt mit L-Thyroxin. Bisher liegen keine sicheren Daten vor, dass eine Kombinationstherapie mit T3 ein besseres Outcome ermöglicht. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass bei kompletter Schilddrüsenagenesie – ebenso wie bei Patienten nach Thyreoidektomie – der Anteil von T3, der bei gesunden Personen direkt von der Schilddrüse sezerniert wird, zusätzlich aus dem peripheren T4 generiert werden muss. Daher weisen Patienten ohne Schilddrüse bei normalen TSH-Werten höhere Serum-T4-Werte auf. Als Zielparameter der Substitution sollte deshalb möglichst ein normaler TSH-Wert angestrebt werden, auch wenn hierfür ggf. höhere, supranormale T4-Spiegel notwendig sind.
Insgesamt ist die Dosis so zu wählen, dass eine Normalisierung der TSH-Spiegel so schnell wie möglich erfolgt. Die publizierten Daten zeigen, dass der IQ-Wert der Kinder, die nach der 2. Lebenswoche behandelt werden, signifikant geringer ist; dies gilt vor allem für schwere Fälle der Hypothyreose. Bisher liegen keine Daten vor, dass ein jeweils früherer Behandlungsbeginn innerhalb der ersten 14 Lebenstage zu einem Unterschied im IQ-Outcome führt.
Um normale TSH-Werte zu erreichen, sind Thyroxindosisbereiche von 10–15 μg/kg KG und Tag bei Reifgeborenen notwendig. Es konnte gezeigt werden, dass der IQ-Unterschied, der sich im Vergleich von schwer betroffenen versus leicht betroffenen Fällen bei einer Behandlung mit einer niedrigen Dosis nachweisen lässt, mit einer Dosis über 10 μg/kg KG nicht mehr auftritt. Auch konnte gezeigt werden, dass mit einer Initialdosis über 10 μg/kg KG kein Unterschied im IQ-Outcome von Betroffenen mit angeborener Hypothyreose im Vergleich zu ihren nicht betroffenen Geschwistern nachweisbar ist (Aleksander et al. 2018). Eine Therapie mit einer Initialdosis von >10 μg/kg KG führt regelhaft zu supranormalen T4-Werten bei normalem TSH, ohne dass Zeichen der Hyperthyreose auftreten. Ein erhöhter T4-Wert ist daher keine Indikation zur Dosisreduktion; diese sollte allerdings bei supprimierten TSH-Werten erfolgen.
Insgesamt bedarf es nach Therapiebeginn zunächst häufiger, zuerst wöchentlicher Serumkontrollen, bis normale TSH-Werte erreicht sind. Anschließend kann die Frequenz der Untersuchungen reduziert werden und es hat sich gezeigt, dass 3-monatliche Kontrollen während der ersten beiden Lebensjahre zu einer optimalen Therapiekontrolle ausreichend sind.
Bei Kindern mit angeborener Hypothyreose sind das Wachstum und die Entwicklung bei frühzeitiger und adäquater Therapie normal. Diese normale Entwicklung sollte in den Kontrolluntersuchungen dokumentiert werden. Abweichende Befunde trotz normaler TSH-Werte sollten eine breite differenzialdiagnostische Abklärung nach sich ziehen, da die adäquat behandelte Hypothyreose nicht zu einer somatischen Reifungsstörung führt.
Bei Patienten mit einer verzögerten oder gestörten kognitiven oder motorischen Entwicklung, trotz früher und adäquater Therapie, liegen ggf. sehr seltene syndromale Formen der angeborenen Hypothyreose mit Defekten der Transkriptionsfaktoren NKX2.1 und FOXE1 vor. Hierbei führt der Funktionsverlust der Transkriptionsfaktoren, die sowohl in der Schilddrüsenentwicklung als auch in der ZNS-Entwicklung eine Rolle spielen, zu Entwicklungsstörungen und neurologischen Störungen trotz euthyreoter Substitution.
Nach 2 Jahren Therapie sollte ein Auslassversuch gemacht werden, falls keine sicheren Hinweise für eine permanente Hypothyreose vorliegen. Dies ist bei Patienten mit einer sonografisch normalen Schilddrüse, die im Verlauf der ersten Behandlungsjahre keine Dosiserhöhung bei normalen TSH-Werten benötigten, der Fall. Der Auslassversuch kann direkt, ohne Ausschleichen der Therapie erfolgen mit einer Serumkontrolle nach 4 Wochen. Zeigen sich im Verlauf deutlich erhöhte TSH-Werte bzw. langsam ansteigende TSH-Werte in weiteren Kontrollen, sollte die Therapie weitergeführt werden. Bei normalen TSH-Werten im Auslassversuch kann als Ursache der transienten Hypothyreose eine THOX2-Störung vorliegen, die genetisch abgeklärt werden sollte.

Therapie der zentralen Hypothyreose

Bei der Behandlung einer zentralen Hypothyreose müssen besondere Aspekte berücksichtigt werden. Prinzipiell gilt der gleiche Grundsatz, dass die Behandlung möglichst rasch erfolgen muss, aber die Diagnose der zentralen Hypothyreose ist leider häufig verzögert, da die Kinder nicht im Neugeborenenscreening auffallen. Ein leicht erhöhter TSH-Wert bei deutlich niedrigen T4-Werten spricht dann für eine zentrale, tertiäre Hypothyreose; das Fehlen von TSH für einen TSH-β-Defekt. Die Therapie erfolgt ebenfalls mit LT4 als Monotherapie, allerdings kann das TSH nicht als Zielparameter verwendet werden und man strebt daher einen Serum-T4-Wert im oberen Drittel des Normalbereichs an. Der TSH-Wert wird bei einer solchen Dosierung bei einer tertiären Hypothyreose nicht mehr nachweisbar sein, was nicht zu einer Dosisreduktion führen darf. Zum Outcome und zur Behandlung der angeborenen zentralen Hypothyreose stehen leider zurzeit nur wenige Daten zur Verfügung; die Behandlung erfolgt daher individuell und nicht evidenzbasiert.

Schilddrüsenhormonresistenz

Neben der angeborenen Hypothyreose finden sich Störungen der Schilddrüsenhormonwirkung im Sinne einer Resistenz (Dumitrescu und Refetoff 2013) (Abb. 4). Hierbei kann eine Resistenz auf der Ebene der lokalen Aktivierung des T4 in T3 im Sinne einer Dejodasestörung, einer Schilddrüsenhormonrezeptorresistenz oder einer Störung des Transports des Schilddrüsenhormons in die Zielzellen bestehen. Bisher sind Defekte in den beiden bekannten nukleären Rezeptoren TRαund TRβ und in einem Transportprotein, dem MCT8-Transporter bekannt. Klinisch manifestieren sich diese Erkrankungen sehr komplex, da die Rezeptoren und Transporter ein gewebespezifisches Expressionsprofil aufweisen und jeweils mehrere Rezeptoren und Transporter existieren. Da die Serumwerte bei Resistenz mit TRβ- und MCT8-Defekt erhöht sind, kann neben den hypothyreoten Organsymptomen gleichzeitig in anderen Organen eine hyperthyreote Symptomatik bestehen.

Dejodasestörung

Zur Synthese des biologisch aktiven, rezeptoraffinen T3 bedarf es einer Dejodinierung des Vorläuferhormons T4 mittels Dejodinasen. Alternativ kann T3 direkt in der Schilddrüse synthetisiert werden. Dejodinasen sind Selenoproteine und es sind zwei Dejodinasen (DIO) bekannt, die T4 in T3 umwandeln können: die DIO1 und DIO2. Bis heute wurden keine direkten Defekte der Gene, die für die Dejodasen kodieren, als Ursache der angeborenen Hypothyreose identifiziert. Allerdings wurde ein Krankheitsbild beschrieben, bei dem eine übergeordnete Störung der Selenoproteinbildung identifiziert wurde. In Patienten mit leicht erhöhtem T4, leicht niedrigem T3, erhöhtem reversem T3 (rT3) und leicht erhöhten TSH-Werten wurden Mutationen im SECISBP2-Gen nachgewiesen (Schoenmakers et al. 2010). Die betroffenen Patienten hatten insgesamt einen sehr leichten Phänotyp und es ist anzunehmen, dass die T3-Werte im Serum durch eine gesteigerte direkte Synthese von T3 in der Schilddrüse kompensiert werden.

Schilddrüsenhormonrezeptorresistenz

Als Ursache der Schilddrüsenhormonrezeptorresistenz sind Mutationen in zwei Genen für die Rezeptoren (TR) bekannt, das TRα-Gen auf Chromosom 17 und das TRβ-Gen auf Chromosom 3.
Der TRβ1 ist der funktionell wichtigste Rezeptor für die Regulation der Serumspiegel von T3 und T4 in der Hypophyse und im Hypothalamus (Dumitrescu und Refetoff 2013). Bei einem Defekt wird die negative Rückkopplung abgeschwächt und mehr TSH ausgeschüttet, sodass die T3- und T4-Spiegel ansteigen, bis ein neues Equilibrium auf hypophysärer Ebene eingestellt ist, da die höheren Serumspiegel dann einen weiteren Anstieg verhindern. Daher werden Patienten mit einer Schilddrüsenhormonresistenz mit TRβ-Defekt aufgrund ihrer ungewöhnlichen Laborwertkonstellation mit erhöhten T4- und T3-Serumkonzentrationen bei normalen (nichtsupprimierten) oder erhöhten TSH-Serumkonzentrationen diagnostiziert.
Die klinische Symptomatik der Patienten ist durch eine zu starke Wirkung des erhöhten Serumspiegels von T3 und T4 in den Organen bedingt, die den intakten TRα aufweisen und somit lokal hyperthyreot sind. Hierzu zählt z. B. das Herz und vor allem auch das ZNS, sodass Patienten ein ADHS aufweisen können. Je nach Rezeptorexpression können einzelne Organe auch hypothyreote Symptome entwickeln, sodass einige Patienten einen Kleinwuchs, eine verzögerte Skelettreife und eine Entwicklungsverzögerung aufweisen können. Viele Patienten sind oligo- oder asymptomatisch. Da heutzutage in der Differenzialdiagnostik vieler Beschwerden sehr häufig die Bestimmung von TSH und T4 erfolgt, werden viele asymptomatische Patienten mit TRβ-Genmutation zufällig entdeckt. Insgesamt sind aber die TRβ-Defekte selten und werden auf 1:40.000 Neugeborene geschätzt.
Symptomatische Kinder mit einer TRβ-Resistenz sind schwierig zu behandeln; eine Therapie muss immer an den individuellen Konstellationen ausgerichtet werden. Eine verzögerte Entwicklung kann einen Therapieversuch nötig machen. Hierbei wird dann das T3-Analogon TRIAC eingesetzt. In der Kindheit überwiegt jedoch oft eine eher hyperthyreote Symptomatik mit Hyperexzitabilität und einer ADHS-ähnlichen Symptomatik, die ggf. auch durch TRIAC – das dann den TSH-Tonus senkt – verbessert werden kann. Bei sehr massiver hyperthyreoter Symptomatik kann eine thyreostatische Therapie versucht werden.
Wenige Patienten wurden bisher mit einem TRα-Defekt beschrieben (Moran und Chatterjee 2015). Da die Schilddrüsenhormonwerte im Blut über den hypophysären TRβ-Rezeptor reguliert werden, sind die T3-, T4- und TSH-Werte der Patienten mit TRα-Defekt normal. Es finden sich Zeichen der organspezifischen Hypothyreose mit ossären Veränderungen, einer Obstipation, einer Retardierung, Kleinwuchs und kutanen Auffälligkeiten sowie ggf. einer Adipositas. Eine Behandlung mit L-Thyroxin, falls frühzeitig gestartet, kann ggf. in Zukunft das Krankheitsbild verbessern; allerdings verhindern die normalen Schilddrüsenwerte im Serum eine frühzeitige Diagnose.

T4-Transportdefekte

Entgegen früheren Annahmen haben Untersuchungen der letzten Jahre zu der Erkenntnis geführt, dass der Transport der Schilddrüsenhormone durch die Zellmembran ein aktiver Prozess ist, der auf spezifischen Schilddrüsenhormontransportern beruht, insbesondere auf den „Organic anion transporting polypeptides“ (OATP) und den Monocarboxylattransportern (MCT). Mutationen und Deletionen im MCT8-Gen (SLC16A2), das X-chromosomal kodiert ist, führen zu einem komplexen Syndrom – dem Allan-Herndon-Dudley-Syndrom – das durch hyperthyreote und hypothyreote Symptome gekennzeichnet ist (Groeneweg et al. 2017). Im Serum findet sich ein deutlich erhöhter T3-Wert mit normalem bzw. leicht erniedrigtem T4 und normalem TSH. Im Vordergrund steht eine schwerste zentrale Hypothyreose mit einer schweren motorischen und mentalen Retardierung. Gleichzeitig zeigt sich eine Gedeihstörung mit Kachexie aufgrund eines peripheren Hypermetabolismus. Die atypische Schilddrüsenhormonkonstellation im Serum – T4 leicht erniedrigt, T3 stark erhöht, TSH normal – findet sich so bisher nur bei Patienten mit MCT8-Defekt und es sollte daher im Rahmen der Differenzialdiagnose einer Retardierung immer eine Bestimmung auch des T3 erfolgen, was bei T3-Erhöhung zu einer raschen Diagnose des MCT8-Defektes führt. Eine Behandlung ist derzeit nicht möglich; es werden aktuell Studien mit T3-Analoga durchgeführt, die bisher keine wesentliche Verbesserung der Retardierung erbracht haben.

Angeborene Hyperthyreose

Angeborene Hyperthyreose bei Morbus Basedow der Mutter

Eine angeborene Hyperthyreose ist sehr selten. Die Ursache liegt meist in der transplazentaren Passage von stimulierenden TSH-Rezeptor-Antikörpern bei Schwangeren mit Morbus Basedow (in 1:70 Fällen einer Schwangerschaft mit Hyperthyreose) (Samuels et al. 2018). Hierbei muss keine aktive Hyperthyreose der Mutter vorliegen, da Antikörper in hoher Konzentration auch bei Zustand nach Ablation durch Operation oder Radiojodbehandlung langfristig persistieren können. Die Wahrscheinlichkeit einer neonatalen Hyperthyreose steigt mit der Höhe der TSH-Rezeptor-Antikörper-Serumkonzentrationen. Selten findet eine Passage sowohl von stimulierenden als auch von blockierenden Antikörpern statt, wobei die Anwesenheit der blockierenden Antikörper zunächst die Stimulation kompensieren und eine Late-onset-Hyperthyreose aufgrund einer längeren Halbwertszeit der stimulierenden Antikörper resultieren kann.
Neben einer angeborenen Hyperthyreose haben die Neugeborenen von Müttern mit Morbus Basedow weitere Risiken. Bei 230 Schwangerschaften mit Morbus Basedow wurde eine Prävalenz von Schilddrüsenfunktionsstörungen (16,3 %) beschrieben (permanente Hyperthyreoe von 5,6 % und transiente Hypothyreose von 10,7 %). Auch die thyreostatische Therapie der Schwangeren kann die fetale und neonatale Schilddrüsenfunktion beeinträchtigen
Bei Verdacht auf eine fetale Hyperthyreose, z. B. bei fetaler Tachykardie, ist eine Kordozentese indiziert, um die Schilddrüsenfunktionswerte des Feten zu bestimmen; Normwerte für unterschiedliche Gestationsalter sind verfügbar. Eine fetale Hyperthyreose macht eine thyreostatische Therapie oder Intensivierung der Therapie der Mutter trotz mütterlicher Euthyreose erforderlich. Die Therapie der fetalen Hyperthyreose besteht somit in der adäquaten mütterlichen thyreostatischen Therapie, die dann ggf. mit L-Thyroxin euthyreot gehalten werden muss.
Die Symptomatik einer neonatalen Thyreotoxikose umfasst eine Hyperexzitabilität, Gedeihstörung, Tachykardie, eine Struma und evtl. einen Exophthalmus. Eine Thrombozytopenie, Hepatosplenomegalie und eine Hyperbilirubinämie sind weitere Symptome. Die Diagnose ist durch hohe Schilddüsenhormonkonzentrationen im Nabelschnurblut oder im Serum des Neugeborenen leicht zu sichern. Eine neonatale Hyperthyreose durch mütterliche Autoantikörper hat prinzipiell eine Spontanremission, wenn die mütterlichen Antikörper aus der Zirkulation eliminiert sind (in der Regel nach 3–4 Monaten), dennoch ist eine Therapie notwendig, um bleibende Schäden zu vermeiden. Die symptomatische Therapie eines Neugeborenen mit Hyperthyreose besteht in der Behandlung mit Thyreostatika (Methimazol 0,5–1 mg/Tag). Bei starker Tachykardie sollte bis zum Erreichen der Euthyreose Propanolol gegeben werden. Bei akuter und lebensbedrohlicher Symptomatik kann Lugol-Lösung (126 mg J/ml) in einer Dosierung von 3-mal täglich einem Tropfen (8 mg) verabreicht werden.

Autosomal-dominante nichtimmunogene Hyperthyreose

Eine nichtimmunogene Hyperthyreose wird autosomal-dominant vererbt und ist durch die Abwesenheit von Schilddrüsenantikörpern gekennzeichnet. Die betroffenen Kinder werden auffällig durch eine klinische Hyperthyreose, die der bei Basedow der Mutter entspricht, nur dass keine Autoantikörper nachweisbar sind. Als Ursache dieser Konstellation wurden TSH-Rezeptor-Genmutationen nachgewiesen. Die meisten Patienten werden im Neugeborenenalter oder in der frühen Kindheit diagnostiziert. Die Behandlung erfolgt zunächst ebenso mit Methimazol, ist aber wegen der Persistenz der Erkrankung schwierig, und eine thyreostatische Therapie ist selten auf lange Zeit erfolgreich. Daher ist häufig eine frühe definitive Schilddrüsenablation durch Operation notwendig.
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