Elliot Proctor Joslin (1869–1962) war der Überzeugung, dass mit der Entdeckung des
Insulins der
Diabetes mellitus seinen Schrecken verloren habe und formulierte sinngemäß in den 1920er-Jahren „today it is not allowed to die of diabetic coma“. Dass sich diese Hoffnung nicht erfüllte, kann man in den Leitlinien der ISPAD (International Society for Pediatric and Adolescent Diabetes) nachlesen:
Diabetische Ketoazidose
Häufigkeit
Am häufigsten treten ketoazidotische Episoden im Verlauf von Infekten oder bei unregelmäßiger
Insulinsubstitution auf. Insbesondere Kinder mit einer schlechten Stoffwechsellage und Pubertierende sind betroffen (Rewers et al.
2002).
Ein alternatives, vereinfachtes Vorgehen für die Rehydratation nach der initialen Bolusgabe richtet sich nur nach Alter bzw. Körpergewicht und berücksichtigt nicht das Ausmaß der Dehydratation. In diesem Fall wird empfohlen, den 1,5- bis 2-fachen Tagesbedarf zu verabreichen (Tab.
3).
Tab. 3
Flüssigkeitsbedarf nach initialer Bolusgabe. (Mod. nach Wolfsdorf et al.
2014)
5 | 405 | 650 |
10 | 780 | 1280 |
15 | 1030 | 1780 |
20 | 1230 | 2230 |
30 | 1560 | 3060 |
40 | 1850 | 3700 |
50 | 2100 | 4200 |
60 | 2320 | 4640 |
70 | 2500 | 5000 |
Eine Gefahr der
Insulinsubstitution ist die Absenkung des Kaliumspiegels, der man durch eine frühzeitige und hoch dosierte Kaliumsubstitution vorbeugen kann.
In welcher Form
Kalium zugeführt werden soll, ist umstritten. Mit dem Kaliumverlust einhergehend ist ein Verlust des
Phosphats durch die osmotische Diurese. Dies legt eine Phosphatsubstitution
nahe. Allerdings ist der klinische Nutzen einer Phosphatgabe nicht belegt (Dunger et al.
2004). Gleichzeitig kann die Phosphatsubstitution eine
Hypokalzämie induzieren und auch mit praktischen Problemen verbunden sein. Aus diesem Grund wird in aller Regel die Kaliumsubstitution in Form von Kaliumchlorid vorgenommen, gelegentlich wird eine Mischung aus Kaliumphosphat und Kaliumchlorid appliziert.
Die am meisten gefürchtete Komplikation bei der Behandlung der DKA ist das Auftreten eines Hirnödems.
Im Rahmen einer DKA gehen 60–90 % aller Todesfälle auf diese Komplikation zurück (Glaser et al.
2001; Edge et al.
2001). Die Entwicklung eines Hirnödems erfolgt typischerweise 4–12 h nach Therapiebeginn, kann aber prinzipiell zu jedem Zeitpunkt im Rahmen der DKA auftreten (Dunger et al.
2004). Zu den Warnzeichen zählen
Kopfschmerzen, Herzfrequenzabfall, wiederholtes Erbrechen, Veränderungen des neurologischen Status, Blutdruckanstieg und ein Abfall der O
2-Sättigung. Das Risiko ist besonders hoch bei jüngeren Kindern, bei Manifestation des
Diabetes und langer Symptomdauer (Bello und Sotos
1990; Rosenbloom
1990). Ein Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Hyperglykämie und dem Risiko für ein Hirnödem scheint nicht zu bestehen, wohingegen eine Korrelation zwischen dem Ausmaß der Azidose und dem Risiko für ein Hirnödem besteht (Durr et al.
1992; Edge et al.
2001; Glaser et al.
2001; Mahoney et al.
1999).
Pathophysiologisch scheinen mehrere Mechanismen an der Entstehung eines Hirnödems beteiligt zu sein. Wesentlicher Faktor ist die forcierte Senkung der Serumosmolarität im Rahmen der Flüssigkeitsgabe. Es gibt Hinweise darauf, dass eine subklinische Hirnschwellung auch dann vorliegen kann, wenn ausgeprägte Hirndruckzeichen fehlen (Krane et al.
1985).
Entscheidend für den Erfolg bei der Therapie des Hirnödems sind die frühzeitige Erkennung und ein rasches Einsetzen der Therapie. Eine zusätzliche Diagnostik (Augenhintergrunduntersuchung,
EEG, kraniale Bildgebung) ist der klinischen Beurteilung im Frühstadium nicht überlegen und führt lediglich zur Verzögerung einer Behandlung. Die Behandlungsindikation ergibt sich allein aus den klinischen Gegebenheiten.
Bei Kindern und Jugendlichen mit bekanntem
Diabetes ist die Schulung der Betroffenen und ihrer Betreuer die wichtigste Maßnahme zur Prävention einer DKA.